Tantris, der kranke Spielmann (Gottfried von Straßburg, Tristan)

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Gemälde von John William Waterhouse (1849-1917): "Tristan and Isolde with the potion"

Hinter Tantris, dem kranken Spielmann, verbirgt sich Tristan. Der hofft, durch diese Schein-Identität getarnt, von Königin Isolde von Irland geheilt zu werden.

Vergiftung im Kampf

Nachdem Tristan seinen Vater Riwalin gerächt hat, indem er dessen Mörder Morgan tötet, kehrt er wieder an den Hof seines Onkels Marke nach Cornwall zurück. Die Barone dort trauern, denn Morolt, der starke von Îrlanden dar (V. 5951)[1],der für König Gurmun aus Irland jährlich Zinsen eintreibt ist gekommen, um jeweils dreißig Söhne der Barone aus England und aus Cornwall zu holen. Tristan erklärt sich bereit sich Morolt im Kampf zu stellen, um die beiden Länder von dieser Zinspflicht zu befreien, denn das ist nur möglich durch einen Krieg oder im Zweikampf mit Morolt: ensolte dirre schande nieman anders widerstân, ez enmüese mit einwîge ergân oder aber mit lantvehte.(V.5966 - 5969)

Obwohl Morolt überzeugt von seinem Sieg ist - er "stürmt heran wie einer, den der tiuvel vüeret (6852)[2]" gewinnt Tristan, der mit Gott auf seiner Seite kämpft. Aber er wird durch Morolts vergiftete Klinge schwer verwundet. Auch bleibt bei seinem Hieb auf Morolts Helm ein Splitter seines Schwerts darin stecken, was ihn später in große Gefahr bringt:

dô er daz wâfen zucte wider,

daz von dem selben zucke

des swertes ein stucke

in sîner hirneschal beleip,

daz ouch Tristanden sider treip

ze sorgen und ze grôzer nôt (V. 7054 - 7059)

Tristans Spielmannslist

Wie Morolt es ihm prophezeit hat, kann Tristan kein Arzt mehr helfen und er siecht langsam dahin. Als er sich mit seinem verfärbten Körper und seiner stinkenden Wunde quält, fasst er einen Entschluss und reist zusammen mit seinem Freund und Helfer Kurvenal und einer kleinen Schiffsmannschaft nach Irland. Dort, in Sichtweite Dublins, dem Aufenthaltsort der Königin, lässt er sich in der elendsten Bekleidung, zusammen mit etwas Proviant und seiner Harfe in einem Boot aussetzen und schickt Kurvenal unter Anweisungen zu Marke zurück. Er spielt seine Harfe, singt dazu und hofft auf Mitleid und die Kraft seiner Musik. Bald sehen und hören ihn die Strandwächter. "Tristan singt also um sein Leben und hat Erfolg. Die vom Harfenspiel verzauberten Strandwächter glauben, daß Tristans Harfenspiel auch Gott beeindrucken würde

got möhte gerne in gerne hoeren

in sinen himelkoeren. (V. 7645 - 7646)"[3]

Sie bringen Tristan an Land und auf ihr Fragen erzählt ihnen Tristan wie sich seine Geschichte zugetragen haben soll. Er erzählt von sich er sei Spielmann gewesen, hätte damit gut verdient und sich aus Gier nach mehr dazu entschlossen Kaufmann zu werden. Piraten hätten sein Schiff ausgeraubt, alle bis auf ihn getötet und ihn, weil er sich glaubhaft als Spielmann getarnt hatte, verwundet mit seiner Harfe und Proviant an der Küste ausgesetzt. Seine erfundene Geschichte und vor allem sein Harfenspiel rührt alle die es und davon hören und man bringt ihn daraufhin in die Stadt und bezahlt auch einen Arzt, der ihm jedoch nicht helfen kann. Doch auch der Hauslehrer der Königin wird auf ihn aufmerksam und so lässt Königin Isolde ihn zu sich bringen um auch sein Harfenspiel und seinen Gesang zu hören.



Geschickte Vorrausschau

Unterricht Isoldes

Aufgrund seiner vielseitigen Fähigkeiten wird Tristan zu Isoldes Lehrer bestimmt. Zwanzig Tage nach seiner Ankunft am irischen Königshof ist seine Heilung soweit fortgeschritten, dass er mit dem Unterrichten Isoldes beginnen kann. Isolde darf sich dabei selbst aussuchen, welche von Tristans Fähigkeiten sie erlernen möchte. Besonders hervorgehoben wird bei der Beschreibung des Unterrichts die Unterweisung in Sittenlehre (V.8002-8026).

Auf Isoldes Bildung wurde zwar schon zuvor viel Wert gelegt, sodass sie viele Fähigkeiten vorzuweisen hat:

si kunde ê schoene vuoge
und höfscheit genuoge
mit handen und mit munde.
diu schoene si kunde
ir sprâche dâ von Develîn,
si kunde franzois und latîn,
videlen wol ze prîse
in welhischer wîse.
ir vingere die kunden,
swenne sî’s begunden,
die lîren wol gerüeren
und ûf der harpfen vüeren
die doene mit gewalte.
sie steigete unde valte
die noten behendeclîche.
ouch sanc diu saeldenrîche
suoze unde wol von munde.
(V. 7984-7997)
Schon vorher beherrschte sie feine Künste und viele höfische Fertigkeiten mit Hand und Mund. Die Schöne konnte die Sprache von :Dublin, Französisch und Latein, und sie spielte ausgezeichnet die Fiedel auf welsche Art. Ihre Finger verstanden es, wenn sie es :anfingen, die Leier schön zu spielen und auf der Harfe hervorzubringen machtvolle Töne. Aufwärts und abwärts spielte sie die :Tonleiter geschickt. Zudem sang das begabte Mädchen lieblich und mit schöner Stimme.

Unter Tristans Obhut wird Isoldes bereits vorhandenes Wissen jedoch vervollkommnet:

Sus haete sich diu schoene Isôt
von Tristandes lêre
gebezzeret sêre.
sî was suoze gemuot,
ir site und ir gebaerde guot.
si kunde schoeniu hantspil,
schoener behendekeite vil:
So hatte die schöne Isolde durch Tristans Unterricht große Fortschritte erzielt. Sie war von angenehmen Wesen, ihr Benehmen und :ihr Auftreten waren gut. Sie konnte glänzend musizieren und viele schöne Künste.

Isolde wird als wunder (V. 8082) beschrieben. Auch ihre Eltern, das Königspaar von Irland, sind von den Fortschritten und dem Können ihrer Tochter begeistert:

Sus kam diu süeze junge
ze lêre und an gebâre
in dem halben jâre,
daz von ir saelekeite
allez daz lant seite
und ouch ir vater der künec dâ van
vil grôze vröude gewan.
(V. 8026-8034)
So machte das reizende Mädchen solche Fortschritte an Bildung und Anstand innerhalb eines halben Jahres, dass ihre :Vortrefflichkeit jedermann rühmte und auch ihr Vater, der König, darüber sehr erfreut war.

Aufgrund dessen lassen sie Isolde häufig bei Hofe vorspielen. Hierbei wird deutlich, was für eine Wirkung Isolde mit ihrer Musik und ihrer Schönheit auf die Anwesenden hat und dass sich keiner dieser Anziehung entziehen kann:

Wem mag ich sî gelîchen
die schoenen, saelderîchen
wan den Syrênen eine,
die mit dem agesteine
die kiele ziehent ze sich?
als zôch Isôt, sô dunket mich,
vil herzen unde gedanken sîn
von senedem ungemache.
(V. 8085-8093)
Mit wem kann ich vergleichen das schöne, begnadete Mädchen außer mit den Sirenen allein, die mit dem Magnetstein die Schiffe zu :sich ziehen? Ebenso zog Isolde, meine ich, viele Gedanken und Herzen an, die sich ganz sicher fühlten vor Liebeskummer.

Das Bild, das hier eröffnet wird, kann als Hinweis gesehen werden, dass auch Tristan später aufgrund seiner Liebe zu Isolde viel Leid erfahren wird.


Literatur

[*Ranke 1980] Gottfried von Straßburg: Tristan. Mittelhochdeutsch/Neuhochdeutsch. Nach dem Text von Friedrich Ranke neu hg., ins Neuhochdeutsche übers., mit einem Stellenkommentar und einem Nachwort von Rüdiger Krohn. Band 1-3. Stuttgart 1980.

  1. Sämtliche in diesem Artikel zitierte Textangaben aus dem Tristan entstammen dieser Ausgabe: Gottfried von Straßburg: Tristan. Mittelhochdeutsch/Neuhochdeutsch. Nach dem Text von Friedrich Ranke neu hg., ins Neuhochdeutsche übers., mit einem Stellenkommentar und einem Nachwort von Rüdiger Krohn. Band 1-3. Stuttgart 1980
  2. Anina Barandun: Die Tristan-Trigonometrie des Gottfried von Straßburg, Zwei Liebende und ein Dritter.Tübingen 2009
  3. Hannes Kästner: Harfe und Schwert, Der höfische Spielmann bei Gottfried von Straßburg.Tübingen: Niemeier, 1981