Die Figur Dante (Dante Alighieri, Vita Nova): Unterschied zwischen den Versionen

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==Der historische Dante==
==Der historische Dante==
Es scheint auf der Hand zu liegen, dass Dante es ablehnte in der breiten Masse der Gesellschaft unterzutauchen. Eine Person, welche sogar mit der Art Texte zu schreiben rebelliert, kann kein Mensch sein, welcher unauffällig lebt. So wird der Autor "als eine selbstbewusste, stolze und eigenwillige Persönlichkeit charakterisiert, die mit Ungebildeten nichts anzufangen vermochte." [Deér 1966: 1]
Es scheint auf der Hand zu liegen, dass Dante es ablehnte in der breiten Masse der Gesellschaft unterzutauchen. Eine Person, welche sogar mit der Art Texte zu schreiben rebelliert, kann kein Mensch sein, welcher unauffällig lebt. So wird der Autor "als eine selbstbewusste, stolze und eigenwillige Persönlichkeit charakterisiert, die mit Ungebildeten nichts anzufangen vermochte." [Deér 1966: 1] Die folgenden Angaben zum Leben des Dante Alighieri stützen sich, soweit nicht anders angegeben, auf die Forschungsarbeit von Christoph Wetzel.


==Die autobiographische Lesart==
==Die autobiographische Lesart==

Version vom 18. Juni 2013, 16:03 Uhr

Dieser Artikel ist in Bearbeitung.


Einleitung

Dieser Artikel befasst sich mit autofiktiven und autobiographischen Aspekten in Dante Alighieris "Vita Nova". Es soll geklärt werden, welche Position(en) der Autor selbst in seinem Werk einnimmt, welche Bezüge zwischen Autor und dem Ich hergestellt werden können und welcher Wirklichkeitsanspruch gestellt wird. Denn "Dantes Dichtungen, angefangen von der 'Vita Nova' bis zu seinem großen Epos, der Commedia, gehen vom Ich des Dichters aus, das in seiner poetischen Überhöhung zwar nicht als autobiographisches Dokument interpretiert werden darf, wohl aber Auskunft darüber erteilt, wie Dante sich als Mensch und Dichter idealiter verstanden hat", [Buck 1966: 1] so Buck. Wie viel Dante steckt also in der Vita Nova? Diese Frage ist heutzutage leicht zu stellen: Im Mittelalter war es für gewöhnlich verpönt über sich selbst zu schreiben. Ein Ich-Erzähler brauchte eine wirksame Begründung für diese Art des Schreibens, etwa eine gemeinnützige Verpflichtung. Doch "für die Erhebung des eigenen Ichs zum Gegenstand des Dichtens fand Dante - wenn auch nur in einem beschränkten Bereich - Vorbilder in der provenzalischen Lyrik, wo die Trobadors ihre persönliche Gefühlswelt oder auch die Gefühle, die sie als ihre eigenen ausgaben, in kunstvollen Versen zur Schau gestellt hatten."[Buck 1966: 2] Um Verwirrungen zu umgehen, sollen literarische Figuren (Dante, Beatrice etc.) im Vergleich zu ihren eventuellen historischen Pendants in Anführungszeichen gesetzt werden. Im ersten Schritt sollen Begrifflichkeiten geklärt werden.

Wichtige Begriffe

  • Referenz: Sobald von dem behandelten Text ein Bezug zu außersprachlichen, lokalen oder historischen Gegebenheiten hergestellt werden kann, oder sich dieser Text an andere Texte anlehnt, kann von einer Referenz gesprochen werden. Diese Bezüge kommen häufig in historischen Romanen mit historischen Tatsachenbehauptungen vor.
  • Fiktion: Als fiktional kann ein Text, dessen beschriebene Handlungen, Lokalitäten, Personen, etc. (teilweise) erdacht wurden, bezeichnet werden. Es besteht der Modus der Möglichkeit. So kann ein fiktionaler Text etwa eine erfundene Person, in ein Ereignis einbetten, welches sich tatsächlich ereignet hat. Also kann festgestellt werden, dass ein fiktionaler Text auf Tatsachen referiert. Im Gegensatz zur Fiktionalität ist bei der Fiktion das Verhältnis zwischen real und erfunden skalierbar. Die Frage, ob es der Fall sein könnte, ist hier stellbar. Träume oder Zukunfstvisionen, erfundene Personen in einem historischen Kontext sind Beispiel für Fiktion.
  • Fiktionalität: Texte, welche dieser Sparte zugeortnet werden, weisen keine Referenz auf und erheben keinerlei Anspruch darauf wahr zu sein. Das Verhältnis zwischen real und erfundenn ist hier nicht skalierbar. Außerdem ist die Frage, ob es der Fall sein könnte, erst gar nicht stellbar.

Der historische Dante

Es scheint auf der Hand zu liegen, dass Dante es ablehnte in der breiten Masse der Gesellschaft unterzutauchen. Eine Person, welche sogar mit der Art Texte zu schreiben rebelliert, kann kein Mensch sein, welcher unauffällig lebt. So wird der Autor "als eine selbstbewusste, stolze und eigenwillige Persönlichkeit charakterisiert, die mit Ungebildeten nichts anzufangen vermochte." [Deér 1966: 1] Die folgenden Angaben zum Leben des Dante Alighieri stützen sich, soweit nicht anders angegeben, auf die Forschungsarbeit von Christoph Wetzel.

Die autobiographische Lesart

Belege für die Historizität "Dantes" in der "Vita nova" sind vor allem mithilfe des Begriffs der Referenz findbar. In Kapitel 3 des Werks erhält "Dante" Antwortsonette auf seine eigene Dichtung: "Auf dieses Sonett wurde von vielen, und mit unterschiedlichen Meinungen geantwortet; unter den Antwortenden war auch der, den ich den erten meiner Freunde nenne, und er dichtete damals ein Sonett, das anfängt: Vedeste, als mio parere, omne valore. Und dies war gleichsam der Beginn der Freundschaft zwischen ihm und mir, als er erfuhr, daß ich derjenige war, der ihm dies gesandt hatte." (VN, 3 [1] )

möglicher Titel: Die spirituell-religiöse Lesart

Neben der autobiographischen Deutungsweise des Werks "Vita nova" gibt es Forschungen, die die Schrift in die spirituell-religiöse Sparte einzuordnen versuchen. Vor allem die Figur der "Beatrice" dient oftmals als Anhaltspunkt dieser Behauptungen. Ist "Beatrice" mit einer realen Frau jener Zeit gleichzusetzen oder handelt es sich bei ihr um eine Spiritualisierung? Angeblich soll eine Beatrice Portinari existiert haben, die als Jugendliebe Dantes sein Schaffen maßgeblich beeinflusste.[2] Allerdings ist ihre Existenz stark umstritten. "Unter denjenigen [...], die in dem Gegenstand von Dantes Liebe ein wirkliches Mädchen vermuteten, meinten viele, der Name Beatrice (>Beglückerin<) sei nur ein Deckname, wie ihn die Dichter der Provence gern zu verwenden pflegten" [Rheinfelder 1973: 1], bemerkt Rheinfelder zu diesem Punkt. Evi Zemanek sieht den Realitätsgehalt der "Beatrice" äußerst problematisch: "Dante sieht Beatrice im Verlauf seiner Dichtung zuerst als schöne, unerreichbare Dame, dann als gottgesandte Christusfigur und zuletzt als liebende Frau, die ihm von der Jungfrau Maria geschickt wurde, um seine Seele (und seine Dichtung) zu retten." [Zemanek 2010: 85] "Beatrice" wird in vielen Forschungsarbeiten als allegorische Figur verstanden, zugleich aber auch als "reale, historische Person identifiziert, nämlich als die Florentinerin Beatrice Portinari, Tochter des Folco Portinari, der in denselben sozialen Kreisen verkehrte wie Dante." [Zemanek 2010: 85] Rheinfelder kann diesen Stand der Forschung bestätigen, indem er sich unter anderem auf einen Sohn Dantes bezieht. Außerdem zeigt er auf, dass Beatrice verheiratet war, "ein Umstand, der nicht auffällig ist, wenn man bedenkt, dass die ganze Troubadour-Lyrik an verheiratete Frauen ist" [Rheinfelder 1973: 2]. Zemanek merkt außerdem an, dass Dante "Beatrice" als reale Frau verstanden wissen will. Aber welche Bedeutung hat diese Aussage noch, wenn sie ausschließlich auf der Ebene der Fiktion geäußert wird? Lösung für dieses Problem könnte, so Zemanek, sein, dass die allegorische Eigenschaft "Beatrices" ihren historischen Hintergrund nicht zwangsläufig in Frage stellen muss. Tatsächlich könnte die mittelalterliche Exegese sogar den Wirklichkeitsbezug der Figuren verlangen.[3] Die spirituelle Wirkung des Werks wird dagegen auch durch zahlenmystische Verbindungen (das häufige, symbolische Auftreten der Zahl "9"), Träume und Visionen geprägt. Auch das Auftauchen des Liebesgottes Amors innerhalb einer solchen Vision kräftigt diese Anschauung.

"Divina Commedia" als Beleg für Autofiktion

Die "Divina Commedia" (dt. Göttliche Komödie) wird oft als Forsetzung des Werks "Vita nova" gehandelt, welches als Grundlage für die "Divina Commedia" gilt. Auch in der Göttlichen Komödie tritt "Beatrice" auf, allerdings als in den Himmel entrückte Geliebte "Dantes". "Dante" fühlt sich berufen, sie dort wiederzusehen und berichtet, "wie e[r] einst auf dem Weg durch die Hölle einem dunklen Wald von Verfehlungen entkam, wie e[r] auf dem Gipfel des Fegefeuers letztlich versöhnliche Aufnahme durch Beatrice erfuhr, bevor e[r] schließlich im Paradies Gottes ansichtig wurde." [Schwarze 2011: 2]

Primärliteratur

  • Alighieri, Dante: Vita Nova - Das Neue Leben. Übersetzt und kommentiert von Anna Coseriu und Ulrike Kunkel, München, 1988


Einzelnachweise aus der Forschungsliteratur

<HarvardReferences /> [*Buck 1966] Buck, August: Dantes Selbstverständnis, in: Dante Alighieri. Vorträge an der Universität Bern zur Feier seines 700. Geburtstages, Bern: Verlag Paul Haupt, 1966, S. 9-25 <HarvardReferences /> [*Deér 1966] Deér, Josef: Dante in seiner Zeit , in: Dante Alighieri. Vorträge an der Universität Bern zur Feier seines 700. Geburtstages, Bern: Verlag Paul Haupt, S. 26-49 <HarvardReferences /> [*Rheinfelder 1973] Rheinfelder, Hans: Dante Alighieri, in: Dante-Studien, Hg. Roddewig, Marcella, Köln/Wien: Böhlau Verlag, 1975, S. 274-305 <HarvardReferences /> [*Schwarze 2011] Schwarze, Michael: Dantes Poetik des Ich, in: Bartoli Kuchner, Simona (Hg.): Das Subjekt in Literatur und Kunst. Festschrift für Peter V. Zima, Tübingen 2011, S. 1-26 <HarvardReferences /> [*Zemanek 2010] Zemanek, Evi: Das Gesicht im Gedicht: Studien zum poetischen Porträt, Köln, Weimar, Wien 2010


Anmerkungen

  1. Zitiert wird aus der, unter Primärliteratur, angegebenen Ausgabe. Im Folgenden wird nur noch das Sigle VN sowie die Kapitelzahl genannt werden.
  2. Vgl. Evi Zemanek S.85
  3. Vgl. Evi Zemanek S.86