Die Figur Dante (Dante Alighieri, Vita Nova): Unterschied zwischen den Versionen

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==Der historische Dante==
==Der historische Dante==
Es scheint auf der Hand zu liegen, dass Dante es ablehnte in der breiten Masse der Gesellschaft unterzutauchen. Eine Person, welche sogar mit der Art Texte zu schreiben rebelliert, kann kein Mensch sein, welcher unauffällig lebt. So wird der Autor "als eine selbstbewusste, stolze und eigenwillige Persönlichkeit charakterisiert, die mit Ungebildeten nichts anzufangen vermochte." [Deér 1966: 1] Was für ein Leben Dante führte und wie es zu seinem literarischen Werk "Vita nova" kam, soll folgend festgehalten werden. In einem weiteren Schritt werden Textstellen in der "Vita nova" aufgedeckt, welche vorgeben autobiographisch zu sein und daraufhin überprüft werden. "1265: Im Tierkreiszeichen der Zwillinge - zwischen dem 18. Mai und dem 17. Juni - wird in Florenz im Stadtsechstel San Pietro der Knabe Dante da Alighieri Bellincione d´Alighiero geboren." [Wetzel 1979: 1] <ref> Die Angaben zum Leben des Dante Alighieri stützen sich, soweit nicht anders angegeben, auf die Forschungsarbeit von Christoph Wetzel. </ref> Demnach liegt zum Zeitpunkt seiner Geburt der Zusammenbruch des staufischen Reichs 15 Jahre zurück. "So steht Dante mitten im Werden einer neuen staatlichen Welt, in der sich die einzelnen Nationen zum Selbstbewusstsein erheben und ihren Staat in die weltliche Sphäre überführen." [Goetz 1958:9] Weitere Angaben, welche zu den Kinderjahren des Dante gemacht werden können, sind genauso vage, wie diejenigen, welche seinen Geburtstag betreffen. Erforscht werden konnte lediglich, dass Dantes Mutter Bella fünf Jahre nach der Geburt ihres Sohnes stirbt und der Vater, nach einer zweiten Ehe, wohl im Jahr 1283. Zu dieser Zeit ist die Kinderehe nicht unüblich. So wird der Knabe Alighieri im Alter von 12 Jahren "mit Gemma aus der einflussreichen Familie Donati verlobt". <ref> Vgl. Christoph Wetzel S.18 </ref> Zu dieser Zeit empfängt das Kind offenbar Bildung in den Grammatikschulen der franziskanischen und dominikanischen Bettelorden, erlernt so Französisch, Provenzalisch und Latein. Um auf diese Lehre aufzubauen, verbringt Dante angeblich ab 1285 zwei Jahre in Bologna zum Studium der Astronomie, Musik, Rhetorik, Arithmetik, Dialektik, Grammatik und Geometrie. "Eine Urkunde aus dem Jahr 1308, die mit einiger Sicherheit Dantes ältesten Sohn Giovanni betrifft, lässt darauf schließen, dass Dante um das Jahr 1288 die Ehegemeinschaft mit der ihm 1277 anverlobten Gemma Donati eingeht; zu dieser Zeit ist Bice [bzw. Beatrice] Portinari mit dem Bankier Simone Bardi verheiratet." <ref> Vgl. Christoph Wetzel S.22 </ref> Ein Jahr später nimmt der junge Ehemann an der Schlacht in der Nähe von Campaldino zwischen Arezzo und Florenz teil. Im Jahr 1290 stirbt Bice Portinari. Forschende gehen davon aus, dass Dante drei Jahre später "eine durch neue Stücke ergänzte Auswahl seiner Gedichte [...] mit Überleitungen und Erläuterungen in oft lyrisch gestimmter Prosa zu seinem Werk La Vita Nuova zusammen [-fügt]." <ref> Vgl. Christoph Wetzel S.23 </ref> Dante wirkt in der Politik von Florenz mit, welche zu dieser Zeit nicht ungefährlich vonstattengeht. Ein prägendes Ereignis für die vorherrschende Situation ist die Spaltung der Partei, welcher auch Dante angehört, in zwei zerstrittene Lager. Es kommt zu blutigen Zusammenstößen der verfeindeten Lager. " Dantes politische Betätigung von 1295-1301 war sicherlich getragen von Pflichtbewusstsein und Idealismus. [...] Nicht seine Mitgliedschaft in Florentiner Behörden, nicht seine Wahl zum Prior ist für den Erfolg seiner Tätigkeit maßgebend - einer unter den 36 Prioren jedes Jahres zu sein, war noch kein Anzeichen für politisches Führertum. [...] Aber bei den zwei Gelegenheiten, die wir in jenen Protokollen verfolgen können, ist seine Stellungnahme gewiss höchst bestimmt, und da sie gegen den Papst gerichtet war, zugleich sehr mutig - er scheint der einzige gewesen zu sein, der offen aussprach, was andere nicht zu sagen wagten." [Goetz 1958:53] Im Jahr 1302 werden Mitglieder der unterlegenen Seite, welche auch Dante repräsentiert, in verschiedenen Punkten, etwa für die "Versuche[...], Florenz in stärkere Abhängigkeit vom Papst zu bringen" [Goetz 1958:11], für schuldig erklärt. Wegen Nichterscheinen vor Gericht, werden die Angeklagten gebannt. Ab diesem Zeitpunkt kann Dante lediglich im Exil weiter leben. "So hart diese Zeit für ihn war, so führt sie doch zu einem für die damalige Zeit universalen Wissen, das er sich auf Hochschulen, an Fürstenhöfen, im täglichen Leben erwarb, ein Wissen über Theologie und Philosophie, über Geschichte und Natur, ein Wissen, das er sich in den Tälern und auf den höchsten Höhen des Alpennins, im Randgebiet der Alpen, an der Küste der nördlichen Adria und in den Städten Oberitaliens erwarb, vielleicht auch, wie gesagt, im Ausland." [Goetz 1958:12] So wird diese Lebensphase einerseits von Wissens-Reichtum, aber auch von Entbehrungen und Demütigungen geprägt. "Will man begreifen, was eine Verbannung in alten Zeiten bedeutete, so muss man versuchen, sich in die Seelenlage der damals lebenden Menschen versetzen. Die Bluts- und Stammesverbundenheit war damals viel stärker als jetzt. Abgetrennt werden von solch einer Gemeinschaft, verstoßen aus dem Vaterland wurde als ein Sterben erlebt. Die Bürgerschaft war wie ein zweiter Körper, dessen Verlust in vielen Fällen für schrecklicher erachtet wurde als der Tod." [Veltman 1979:37] Es gibt Belege dafür, dass Dante nach Verona geht und hier sein Werk La Divina Commedia schreibt. Die Rückkehr nach Florenz wird Dante am 19. Mai 1315 unter verschiedenen Bedingungen angeboten. Es wird von ihm verlangt, seine Schuld einzugestehen, Buße zu tun und ein Lösegeld zu bezahlen. Diese Forderungen möchte der Angeklagte nicht leisten und verweilt weiterhin im Exil, möglicherweise zeitweise in Assisi. "Am 15. Oktober wird das Todesurteil über Dante erneuert und am 6. November unter Einbeziehung von Dantes Söhnen [...] bestätigt." <ref> Vgl. Christoph Wetzel S.35 </ref>   
Es scheint auf der Hand zu liegen, dass Dante es ablehnte in der breiten Masse der Gesellschaft unterzutauchen. Eine Person, welche sogar mit der Art Texte zu schreiben rebelliert, kann kein Mensch sein, welcher unauffällig lebt. So wird der Autor "als eine selbstbewusste, stolze und eigenwillige Persönlichkeit charakterisiert, die mit Ungebildeten nichts anzufangen vermochte." [Deér 1966: 1] Was für ein Leben Dante führte und wie es zu seinem literarischen Werk "Vita nova" kam, soll folgend festgehalten werden. In einem weiteren Schritt werden Textstellen in der "Vita nova" aufgedeckt, welche vorgeben autobiographisch zu sein und daraufhin überprüft werden. "1265: Im Tierkreiszeichen der Zwillinge - zwischen dem 18. Mai und dem 17. Juni - wird in Florenz im Stadtsechstel San Pietro der Knabe Dante da Alighieri Bellincione d´Alighiero geboren." [Wetzel 1979: 1] <ref> Die Angaben zum Leben des Dante Alighieri stützen sich, soweit nicht anders angegeben, auf die Forschungsarbeit von Christoph Wetzel. </ref> Demnach liegt zum Zeitpunkt seiner Geburt der Zusammenbruch des staufischen Reichs 15 Jahre zurück. "So steht Dante mitten im Werden einer neuen staatlichen Welt, in der sich die einzelnen Nationen zum Selbstbewusstsein erheben und ihren Staat in die weltliche Sphäre überführen." [Goetz 1958:9] Weitere Angaben, welche zu den Kinderjahren des Dante gemacht werden können, sind genauso vage, wie diejenigen, welche seinen Geburtstag betreffen. Erforscht werden konnte lediglich, dass Dantes Mutter Bella fünf Jahre nach der Geburt ihres Sohnes stirbt und der Vater, nach einer zweiten Ehe, wohl im Jahr 1283. Zu dieser Zeit ist die Kinderehe nicht unüblich. So wird der Knabe Alighieri im Alter von 12 Jahren "mit Gemma aus der einflussreichen Familie Donati verlobt". <ref> Vgl. Christoph Wetzel S.18 </ref> Zu dieser Zeit empfängt das Kind offenbar Bildung in den Grammatikschulen der franziskanischen und dominikanischen Bettelorden, erlernt so Französisch, Provenzalisch und Latein. Um auf diese Lehre aufzubauen, verbringt Dante angeblich ab 1285 zwei Jahre in Bologna zum Studium der Astronomie, Musik, Rhetorik, Arithmetik, Dialektik, Grammatik und Geometrie. "Eine Urkunde aus dem Jahr 1308, die mit einiger Sicherheit Dantes ältesten Sohn Giovanni betrifft, lässt darauf schließen, dass Dante um das Jahr 1288 die Ehegemeinschaft mit der ihm 1277 anverlobten Gemma Donati eingeht; zu dieser Zeit ist Bice [bzw. Beatrice] Portinari mit dem Bankier Simone Bardi verheiratet." <ref> Vgl. Christoph Wetzel S.22 </ref> Ein Jahr später nimmt der junge Ehemann an der Schlacht in der Nähe von Campaldino zwischen Arezzo und Florenz teil. Im Jahr 1290 stirbt Bice Portinari. "Sosehr dieses Ereignis ihn erschüttert hat, sosehr sein Leben nun in Unordnung zu geraten droht - die Liebe zu Beatrice, zur verklärten Beatrice, bricht fortan immer wieder durch" [Rheinfelder 1973: 292], bemerkt Hans Rheinfelder. Forschende gehen davon aus, dass Dante drei Jahre später "eine durch neue Stücke ergänzte Auswahl seiner Gedichte [...] mit Überleitungen und Erläuterungen in oft lyrisch gestimmter Prosa zu seinem Werk La Vita Nuova zusammen [-fügt]" <ref> Vgl. Christoph Wetzel S.23 </ref> und sich auf diese Weise den Schmerz über den Verlust der Dame von der Seele schreibt. Dante wirkt in der Politik von Florenz mit, welche zu dieser Zeit nicht ungefährlich vonstattengeht. "Er fühlt sich zu höchster Verantwortung aufgerufen. Sein feuriger Geist wollte dienen, nicht herrschen; er wollte Ordnung und Gerechtigkeit schaffen in dem tragischen Chaos von Parteikämpfen und Korruption." [Veltman 1979:37] Ein prägendes Ereignis für die vorherrschende Situation ist die Spaltung der Partei, welcher auch Dante angehört, in zwei zerstrittene Lager. Es kommt zu blutigen Zusammenstößen der verfeindeten Lager. " Dantes politische Betätigung von 1295-1301 war sicherlich getragen von Pflichtbewusstsein und Idealismus. [...] Nicht seine Mitgliedschaft in Florentiner Behörden, nicht seine Wahl zum Prior ist für den Erfolg seiner Tätigkeit maßgebend - einer unter den 36 Prioren jedes Jahres zu sein, war noch kein Anzeichen für politisches Führertum. [...] Aber bei den zwei Gelegenheiten, die wir in jenen Protokollen verfolgen können, ist seine Stellungnahme gewiss höchst bestimmt, und da sie gegen den Papst gerichtet war, zugleich sehr mutig - er scheint der einzige gewesen zu sein, der offen aussprach, was andere nicht zu sagen wagten." [Goetz 1958:53] Im Jahr 1302 werden Mitglieder der unterlegenen Seite, welche auch Dante repräsentiert, in verschiedenen Punkten, etwa für die "Versuche[...], Florenz in stärkere Abhängigkeit vom Papst zu bringen" [Goetz 1958:11], für schuldig erklärt. Wegen Nichterscheinen vor Gericht, werden die Angeklagten gebannt. Ab diesem Zeitpunkt kann Dante lediglich im Exil weiter leben. "So hart diese Zeit für ihn war, so führt sie doch zu einem für die damalige Zeit universalen Wissen, das er sich auf Hochschulen, an Fürstenhöfen, im täglichen Leben erwarb, ein Wissen über Theologie und Philosophie, über Geschichte und Natur, ein Wissen, das er sich in den Tälern und auf den höchsten Höhen des Alpennins, im Randgebiet der Alpen, an der Küste der nördlichen Adria und in den Städten Oberitaliens erwarb, vielleicht auch, wie gesagt, im Ausland." [Goetz 1958:12] So wird diese Lebensphase einerseits von Wissens-Reichtum, aber auch von Entbehrungen und Demütigungen geprägt. "Will man begreifen, was eine Verbannung in alten Zeiten bedeutete, so muss man versuchen, sich in die Seelenlage der damals lebenden Menschen versetzen. Die Bluts- und Stammesverbundenheit war damals viel stärker als jetzt. Abgetrennt werden von solch einer Gemeinschaft, verstoßen aus dem Vaterland wurde als ein Sterben erlebt. Die Bürgerschaft war wie ein zweiter Körper, dessen Verlust in vielen Fällen für schrecklicher erachtet wurde als der Tod." [Veltman 1979:37] Es gibt Belege dafür, dass Dante nach Verona geht und hier sein Werk La Divina Commedia schreibt. Die Rückkehr nach Florenz wird Dante am 19. Mai 1315 unter verschiedenen Bedingungen angeboten. Es wird von ihm verlangt, seine Schuld einzugestehen, Buße zu tun und ein Lösegeld zu bezahlen. Diese Forderungen möchte der Angeklagte nicht leisten und verweilt weiterhin im Exil, möglicherweise zeitweise in Assisi. "Am 15. Oktober wird das Todesurteil über Dante erneuert und am 6. November unter Einbeziehung von Dantes Söhnen [...] bestätigt." <ref> Vgl. Christoph Wetzel S.35 </ref>   


==Die autobiographische Lesart==
==Die autobiographische Lesart==
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[*Schwarze 2011] Schwarze, Michael: Dantes Poetik des Ich, in: Bartoli Kuchner, Simona (Hg.): Das Subjekt in Literatur und Kunst. Festschrift für Peter V. Zima, Tübingen 2011, S. 1-26
[*Schwarze 2011] Schwarze, Michael: Dantes Poetik des Ich, in: Bartoli Kuchner, Simona (Hg.): Das Subjekt in Literatur und Kunst. Festschrift für Peter V. Zima, Tübingen 2011, S. 1-26
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[*Verltman 1979] Veltman, Willem Frederik: Dantes Weltmission. Leben und Werk des Dante Alighieri, Stuttgart: J. Ch. Mellinger Verlag, 1979
[*Veltman 1979] Veltman, Willem Frederik: Dantes Weltmission. Leben und Werk des Dante Alighieri, Stuttgart: J. Ch. Mellinger Verlag, 1979
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[*Wetzel 1979] Wetzel, Christoph: Dante. Die grossen Klassiker. Literatur der Welt in  Bildern, Texten, Danten, Bd. 2, Salzburg: Andreas&Andreas  Verlagsbuchhandel, 1979  
[*Wetzel 1979] Wetzel, Christoph: Dante. Die grossen Klassiker. Literatur der Welt in  Bildern, Texten, Danten, Bd. 2, Salzburg: Andreas&Andreas  Verlagsbuchhandel, 1979  

Version vom 17. Juli 2013, 15:32 Uhr

Dieser Artikel ist in Bearbeitung.


Einleitung

Dieser Artikel befasst sich mit autofiktiven und autobiographischen Aspekten in Dante Alighieris "Vita Nova". Es soll geklärt werden, welche Position(en) der Autor selbst in seinem Werk einnimmt, welche Bezüge zwischen Autor und dem Ich hergestellt werden können und welcher Wirklichkeitsanspruch gestellt wird. Denn "Dantes Dichtungen, angefangen von der 'Vita Nova' bis zu seinem großen Epos, der Commedia, gehen vom Ich des Dichters aus, das in seiner poetischen Überhöhung zwar nicht als autobiographisches Dokument interpretiert werden darf, wohl aber Auskunft darüber erteilt, wie Dante sich als Mensch und Dichter idealiter verstanden hat", [Buck 1966: 1] so Buck. Wie viel Dante steckt also in der Vita Nova? Diese Frage ist heutzutage leicht zu stellen: Im Mittelalter war es für gewöhnlich verpönt über sich selbst zu schreiben. Ein Ich-Erzähler brauchte eine wirksame Begründung für diese Art des Schreibens, etwa eine gemeinnützige Verpflichtung. Doch "für die Erhebung des eigenen Ichs zum Gegenstand des Dichtens fand Dante - wenn auch nur in einem beschränkten Bereich - Vorbilder in der provenzalischen Lyrik, wo die Trobadors ihre persönliche Gefühlswelt oder auch die Gefühle, die sie als ihre eigenen ausgaben, in kunstvollen Versen zur Schau gestellt hatten."[Buck 1966: 2] Um Verwirrungen zu umgehen, sollen literarische Figuren (Dante, Beatrice etc.) im Vergleich zu ihren eventuellen historischen Pendants in Anführungszeichen gesetzt werden. Im ersten Schritt sollen Begrifflichkeiten geklärt werden.

Wichtige Begriffe

  • Referenz: Sobald von dem behandelten Text ein Bezug zu außersprachlichen, lokalen oder historischen Gegebenheiten hergestellt werden kann, oder sich dieser Text an andere Texte anlehnt, kann von einer Referenz gesprochen werden. Diese Bezüge kommen häufig in historischen Romanen mit historischen Tatsachenbehauptungen vor.
  • Fiktion: Als fiktional kann ein Text, dessen beschriebene Handlungen, Lokalitäten, Personen, etc. (teilweise) erdacht wurden, bezeichnet werden. Es besteht der Modus der Möglichkeit. So kann ein fiktionaler Text etwa eine erfundene Person, in ein Ereignis einbetten, welches sich tatsächlich ereignet hat. Also kann festgestellt werden, dass ein fiktionaler Text auf Tatsachen referiert. Im Gegensatz zur Fiktionalität ist bei der Fiktion das Verhältnis zwischen real und erfunden skalierbar. Hier kann man die Frage stellen, ob es der Fall sein könnte. Träume oder Zukunftsvisionen, erfundene Personen in einem historischen Kontext sind Beispiel für Fiktion.
  • Fiktionalität: Texte, welche dieser Sparte zugeordnet werden, weisen keine Referenz auf und erheben keinerlei Anspruch darauf wahr zu sein. Das Verhältnis zwischen real und erfunden ist hier nicht skalierbar. Außerdem ist die Frage, ob es der Fall sein könnte, erst gar nicht stellbar.

Der historische Dante

Es scheint auf der Hand zu liegen, dass Dante es ablehnte in der breiten Masse der Gesellschaft unterzutauchen. Eine Person, welche sogar mit der Art Texte zu schreiben rebelliert, kann kein Mensch sein, welcher unauffällig lebt. So wird der Autor "als eine selbstbewusste, stolze und eigenwillige Persönlichkeit charakterisiert, die mit Ungebildeten nichts anzufangen vermochte." [Deér 1966: 1] Was für ein Leben Dante führte und wie es zu seinem literarischen Werk "Vita nova" kam, soll folgend festgehalten werden. In einem weiteren Schritt werden Textstellen in der "Vita nova" aufgedeckt, welche vorgeben autobiographisch zu sein und daraufhin überprüft werden. "1265: Im Tierkreiszeichen der Zwillinge - zwischen dem 18. Mai und dem 17. Juni - wird in Florenz im Stadtsechstel San Pietro der Knabe Dante da Alighieri Bellincione d´Alighiero geboren." [Wetzel 1979: 1] [1] Demnach liegt zum Zeitpunkt seiner Geburt der Zusammenbruch des staufischen Reichs 15 Jahre zurück. "So steht Dante mitten im Werden einer neuen staatlichen Welt, in der sich die einzelnen Nationen zum Selbstbewusstsein erheben und ihren Staat in die weltliche Sphäre überführen." [Goetz 1958:9] Weitere Angaben, welche zu den Kinderjahren des Dante gemacht werden können, sind genauso vage, wie diejenigen, welche seinen Geburtstag betreffen. Erforscht werden konnte lediglich, dass Dantes Mutter Bella fünf Jahre nach der Geburt ihres Sohnes stirbt und der Vater, nach einer zweiten Ehe, wohl im Jahr 1283. Zu dieser Zeit ist die Kinderehe nicht unüblich. So wird der Knabe Alighieri im Alter von 12 Jahren "mit Gemma aus der einflussreichen Familie Donati verlobt". [2] Zu dieser Zeit empfängt das Kind offenbar Bildung in den Grammatikschulen der franziskanischen und dominikanischen Bettelorden, erlernt so Französisch, Provenzalisch und Latein. Um auf diese Lehre aufzubauen, verbringt Dante angeblich ab 1285 zwei Jahre in Bologna zum Studium der Astronomie, Musik, Rhetorik, Arithmetik, Dialektik, Grammatik und Geometrie. "Eine Urkunde aus dem Jahr 1308, die mit einiger Sicherheit Dantes ältesten Sohn Giovanni betrifft, lässt darauf schließen, dass Dante um das Jahr 1288 die Ehegemeinschaft mit der ihm 1277 anverlobten Gemma Donati eingeht; zu dieser Zeit ist Bice [bzw. Beatrice] Portinari mit dem Bankier Simone Bardi verheiratet." [3] Ein Jahr später nimmt der junge Ehemann an der Schlacht in der Nähe von Campaldino zwischen Arezzo und Florenz teil. Im Jahr 1290 stirbt Bice Portinari. "Sosehr dieses Ereignis ihn erschüttert hat, sosehr sein Leben nun in Unordnung zu geraten droht - die Liebe zu Beatrice, zur verklärten Beatrice, bricht fortan immer wieder durch" [Rheinfelder 1973: 292], bemerkt Hans Rheinfelder. Forschende gehen davon aus, dass Dante drei Jahre später "eine durch neue Stücke ergänzte Auswahl seiner Gedichte [...] mit Überleitungen und Erläuterungen in oft lyrisch gestimmter Prosa zu seinem Werk La Vita Nuova zusammen [-fügt]" [4] und sich auf diese Weise den Schmerz über den Verlust der Dame von der Seele schreibt. Dante wirkt in der Politik von Florenz mit, welche zu dieser Zeit nicht ungefährlich vonstattengeht. "Er fühlt sich zu höchster Verantwortung aufgerufen. Sein feuriger Geist wollte dienen, nicht herrschen; er wollte Ordnung und Gerechtigkeit schaffen in dem tragischen Chaos von Parteikämpfen und Korruption." [Veltman 1979:37] Ein prägendes Ereignis für die vorherrschende Situation ist die Spaltung der Partei, welcher auch Dante angehört, in zwei zerstrittene Lager. Es kommt zu blutigen Zusammenstößen der verfeindeten Lager. " Dantes politische Betätigung von 1295-1301 war sicherlich getragen von Pflichtbewusstsein und Idealismus. [...] Nicht seine Mitgliedschaft in Florentiner Behörden, nicht seine Wahl zum Prior ist für den Erfolg seiner Tätigkeit maßgebend - einer unter den 36 Prioren jedes Jahres zu sein, war noch kein Anzeichen für politisches Führertum. [...] Aber bei den zwei Gelegenheiten, die wir in jenen Protokollen verfolgen können, ist seine Stellungnahme gewiss höchst bestimmt, und da sie gegen den Papst gerichtet war, zugleich sehr mutig - er scheint der einzige gewesen zu sein, der offen aussprach, was andere nicht zu sagen wagten." [Goetz 1958:53] Im Jahr 1302 werden Mitglieder der unterlegenen Seite, welche auch Dante repräsentiert, in verschiedenen Punkten, etwa für die "Versuche[...], Florenz in stärkere Abhängigkeit vom Papst zu bringen" [Goetz 1958:11], für schuldig erklärt. Wegen Nichterscheinen vor Gericht, werden die Angeklagten gebannt. Ab diesem Zeitpunkt kann Dante lediglich im Exil weiter leben. "So hart diese Zeit für ihn war, so führt sie doch zu einem für die damalige Zeit universalen Wissen, das er sich auf Hochschulen, an Fürstenhöfen, im täglichen Leben erwarb, ein Wissen über Theologie und Philosophie, über Geschichte und Natur, ein Wissen, das er sich in den Tälern und auf den höchsten Höhen des Alpennins, im Randgebiet der Alpen, an der Küste der nördlichen Adria und in den Städten Oberitaliens erwarb, vielleicht auch, wie gesagt, im Ausland." [Goetz 1958:12] So wird diese Lebensphase einerseits von Wissens-Reichtum, aber auch von Entbehrungen und Demütigungen geprägt. "Will man begreifen, was eine Verbannung in alten Zeiten bedeutete, so muss man versuchen, sich in die Seelenlage der damals lebenden Menschen versetzen. Die Bluts- und Stammesverbundenheit war damals viel stärker als jetzt. Abgetrennt werden von solch einer Gemeinschaft, verstoßen aus dem Vaterland wurde als ein Sterben erlebt. Die Bürgerschaft war wie ein zweiter Körper, dessen Verlust in vielen Fällen für schrecklicher erachtet wurde als der Tod." [Veltman 1979:37] Es gibt Belege dafür, dass Dante nach Verona geht und hier sein Werk La Divina Commedia schreibt. Die Rückkehr nach Florenz wird Dante am 19. Mai 1315 unter verschiedenen Bedingungen angeboten. Es wird von ihm verlangt, seine Schuld einzugestehen, Buße zu tun und ein Lösegeld zu bezahlen. Diese Forderungen möchte der Angeklagte nicht leisten und verweilt weiterhin im Exil, möglicherweise zeitweise in Assisi. "Am 15. Oktober wird das Todesurteil über Dante erneuert und am 6. November unter Einbeziehung von Dantes Söhnen [...] bestätigt." [5]

Die autobiographische Lesart

Belege für die Historizität "Dantes" in der "Vita nova" sind vor allem mithilfe des Begriffs der Referenz zu finden. In Kapitel 3 des Werks erhält "Dante" Antwortsonette auf seine eigene Dichtung: "Auf dieses Sonett wurde von vielen, und mit unterschiedlichen Meinungen geantwortet; unter den Antwortenden war auch der, den ich den erten meiner Freunde nenne, und er dichtete damals ein Sonett, das anfängt: Vedeste, als mio parere, omne valore. Und dies war gleichsam der Beginn der Freundschaft zwischen ihm und mir, als er erfuhr, daß ich derjenige war, der ihm dies gesandt hatte." (VN, 3 [6] )

möglicher Titel: Die spirituell-religiöse Lesart

Neben der autobiographischen Deutungsweise des Werks "Vita nova" gibt es Forschungen, die die Schrift in die spirituell-religiöse Sparte einzuordnen versuchen. Vor allem die Figur der "Beatrice" dient oftmals als Anhaltspunkt dieser Behauptungen. Ist "Beatrice" mit einer realen Frau jener Zeit gleichzusetzen oder handelt es sich bei ihr um eine Spiritualisierung? Angeblich soll eine Beatrice Portinari existiert haben, die als Jugendliebe Dantes sein Schaffen maßgeblich beeinflusste.[7] Allerdings ist ihre Existenz stark umstritten. "Unter denjenigen [...], die in dem Gegenstand von Dantes Liebe ein wirkliches Mädchen vermuteten, meinten viele, der Name Beatrice (>Beglückerin<) sei nur ein Deckname, wie ihn die Dichter der Provence gern zu verwenden pflegten" [Rheinfelder 1973: 1], bemerkt Rheinfelder zu diesem Punkt. Evi Zemanek sieht den Realitätsgehalt der "Beatrice" äußerst problematisch: "Dante sieht Beatrice im Verlauf seiner Dichtung zuerst als schöne, unerreichbare Dame, dann als gottgesandte Christusfigur und zuletzt als liebende Frau, die ihm von der Jungfrau Maria geschickt wurde, um seine Seele (und seine Dichtung) zu retten." [Zemanek 2010: 85] "Beatrice" wird in vielen Forschungsarbeiten als allegorische Figur verstanden, zugleich aber auch als "reale, historische Person identifiziert, nämlich als die Florentinerin Beatrice Portinari, Tochter des Folco Portinari, der in denselben sozialen Kreisen verkehrte wie Dante." [Zemanek 2010: 85] Rheinfelder kann diesen Stand der Forschung bestätigen, indem er sich unter anderem auf einen Sohn Dantes bezieht. Außerdem zeigt er auf, dass Beatrice verheiratet war, "ein Umstand, der nicht auffällig ist, wenn man bedenkt, dass die ganze Troubadour-Lyrik an verheiratete Frauen ist" [Rheinfelder 1973: 2]. Zemanek merkt außerdem an, dass Dante "Beatrice" als reale Frau verstanden wissen will. Aber welche Bedeutung hat diese Aussage noch, wenn sie ausschließlich auf der Ebene der Fiktion geäußert wird? Lösung für dieses Problem könnte, so Zemanek, sein, dass die allegorische Eigenschaft "Beatrices" ihren historischen Hintergrund nicht zwangsläufig in Frage stellen muss. Tatsächlich könnte die mittelalterliche Exegese sogar den Wirklichkeitsbezug der Figuren verlangen.[8] Die spirituelle Wirkung des Werks wird dagegen auch durch zahlenmystische Verbindungen (das häufige, symbolische Auftreten der Zahl "9"), Träume und Visionen geprägt. Auch das Auftauchen des Liebesgottes Amors innerhalb einer solchen Vision kräftigt diese Anschauung.

"Divina Commedia" als Beleg für Autofiktion

Die "Divina Commedia" (dt. Göttliche Komödie) wird oft als Fortsetzung des Werks "Vita nova" gehandelt, welches als Grundlage für die "Divina Commedia" gilt. Auch in der Göttlichen Komödie tritt "Beatrice" auf, allerdings als in den Himmel entrückte Geliebte "Dantes". "Dante" fühlt sich berufen, sie dort wiederzusehen und berichtet, "wie e[r] einst auf dem Weg durch die Hölle einem dunklen Wald von Verfehlungen entkam, wie e[r] auf dem Gipfel des Fegefeuers letztlich versöhnliche Aufnahme durch Beatrice erfuhr, bevor e[r] schließlich im Paradies Gottes ansichtig wurde." [Schwarze 2011: 2]

Primärliteratur

  • Alighieri, Dante: Vita Nova - Das Neue Leben. Übersetzt und kommentiert von Anna Coseriu und Ulrike Kunkel, München, 1988


Einzelnachweise aus der Forschungsliteratur

<HarvardReferences /> [*Buck 1966] Buck, August: Dantes Selbstverständnis, in: Dante Alighieri. Vorträge an der Universität Bern zur Feier seines 700. Geburtstages, Bern: Verlag Paul Haupt, 1966, S. 9-25 <HarvardReferences /> [*Deér 1966] Deér, Josef: Dante in seiner Zeit , in: Dante Alighieri. Vorträge an der Universität Bern zur Feier seines 700. Geburtstages, Bern: Verlag Paul Haupt, S. 26-49 <HarvardReferences /> [*Goetz 1958] Goetz, Walter: Dante. Gesammelte Aufsätze, München: Max Hueber Verlag, 1958 <HarvardReferences /> [*Rheinfelder 1973] Rheinfelder, Hans: Dante Alighieri, in: Dante-Studien, Hg. Roddewig, Marcella, Köln/Wien: Böhlau Verlag, 1975, S. 274-305 <HarvardReferences /> [*Schwarze 2011] Schwarze, Michael: Dantes Poetik des Ich, in: Bartoli Kuchner, Simona (Hg.): Das Subjekt in Literatur und Kunst. Festschrift für Peter V. Zima, Tübingen 2011, S. 1-26 <HarvardReferences /> [*Veltman 1979] Veltman, Willem Frederik: Dantes Weltmission. Leben und Werk des Dante Alighieri, Stuttgart: J. Ch. Mellinger Verlag, 1979 <HarvardReferences /> [*Wetzel 1979] Wetzel, Christoph: Dante. Die grossen Klassiker. Literatur der Welt in Bildern, Texten, Danten, Bd. 2, Salzburg: Andreas&Andreas Verlagsbuchhandel, 1979 <HarvardReferences /> [*Zemanek 2010] Zemanek, Evi: Das Gesicht im Gedicht: Studien zum poetischen Porträt, Köln, Weimar, Wien 2010


Anmerkungen

  1. Die Angaben zum Leben des Dante Alighieri stützen sich, soweit nicht anders angegeben, auf die Forschungsarbeit von Christoph Wetzel.
  2. Vgl. Christoph Wetzel S.18
  3. Vgl. Christoph Wetzel S.22
  4. Vgl. Christoph Wetzel S.23
  5. Vgl. Christoph Wetzel S.35
  6. Zitiert wird aus der, unter Primärliteratur, angegebenen Ausgabe. Im Folgenden wird nur noch das Sigle VN sowie die Kapitelzahl genannt werden.
  7. Vgl. Evi Zemanek S.85
  8. Vgl. Evi Zemanek S.86