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'''Kunze, Konrad: ''Legende'', Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft II, Berlin/New York 2007, S. 389-393.'''


In seinem Artikel wendet sich Konrad Kunze zunächst der Explikation des Legendenbegriffs zu. In der Germanistik werde der Ausdruck meist hagiographisch, das heißt in der Beschreibung vom Leben Heiliger, verwendet. Im Deutschen seit 1992 als „Legenden“ kategorisiert, bilden etwa sogenannte Mirakel- oder Passio-Texte, also Schriften über Wunder nach dem Tod oder das Martyrium einer Person, eher Unterkategorien des Begriffs. Die Gattungen Märchen, Sage und Schwank dagegen heben sich von der Legende spürbar ab. Nach dem Germanisten Hans-Peter Ecker sei der Begriff Legende, so Kunze weiter, zu eng für das tatsächliche Spektrum der komplexen Gattung, welche auch etwa profane Texte enthalte. Der Ausdruck beziehe sich „[…] nicht nur auf religiöse, sondern auch auf andere ihnen struktur- und funktionsverwandte weltanschauliche Dogmengebäude […]“<ref>Kunze (2007), S. 390.</ref>, so eine von Ecker vorgenommene Erweiterung der Kriterien.
Im Anschluss geht der Autor auf wortgeschichtliche Aspekte ein. Der etymologische Ursprung des Legendenbegriffs, das lateinische Gerundiv legenda, also Texte, die man (vor)lesen solle, rekurriert auf eine enge Beziehung zur literarischen Tradition, angefangen bei Stücken für die liturgische Lesung im 7. Jahrhundert. Über die Zeit sei der Begriff dann auch zur Bezeichnung einzelner Heiligenleben (huius legendae) oder für Sammlungen (Legenda sanctorum) verwendet worden. Als deutsches Lehnwort tauche die Legende, wie Kunze betont, ab ca. 1250 auf. In reformatorischem Kontext habe der Begriff dann eine Bedeutungsänderung zum Negativen erfahren: als „unbeglaubigte“ (Heiligen-)Erzählung, dem steten Vorwurf der Lüge ausgesetzt; in neuester Zeit wiederum eine Aufwertung: als eine bewunderte (Lebens-)Geschichte.
Durch Luthers Verballhornung als „Lügende“ abgewertet, habe erst Johann Gottfried Herder, einer der vier großen Weimarer Dichter, im Jahre 1797 die Basis zur neuzeitlichen Begriffsbildung gelegt, nämlich als „[…] ‚Lebensbeschreibungen und Geschichten, die durch das, was Andacht vermöge, zur Nachfolge reizen sollten‘“<ref>Ebd., 391 zit. Johann Gottfried Herder: Über die Legende, in: Sämmtliche  Werke. Bd. 16, hg. von Bernhard Susphan, Berlin 1887, S. 387.</ref>. Im 19. Jahrhundert habe dann eine breite terminologische Reflexion zu dem Begriff eingesetzt, welche zu Ausdifferenzie-rungen in die „Gattungen“ geistliche Sage, Volkserzählung (mündlich) oder hagiographischen Erzählung (schriftlich) beispielsweise führte. Seit den 1930er Jahren orientiere sich die Forschung dann wieder verstärkt zum einen an der Maßgabe des Standardkorpus christlicher Heiligenlegenden, zum anderen an dem bis heute zentralen Werk von André Jolles (Einfache Formen), worin unter anderem Mythe, Legende, Sage usw. minutiös voneinander abgegrenzt werden.
Im Anschluss an Bibeltexte habe die Legende ihre christliche Entfaltung, im Rahmen des Heiligenkultes ab dem 4. Jahrhundert (etwa indem dokumentierte Märtyrer durch Erzählungen ausgeschmückt wurden) dann ihre wichtigsten Impulse erfahren. Weitestgehend dem Lateinischen entnommen, sei die deutschsprachige Legendenliteratur zunächst im Zuge kultischer Feiern, später in heilsgeschichtlichen Erzählungen (Kaiserchronik), ab ca. 1150 dann auch als eigenständige Texte (Servatius Heinrichs von Veldeke) erschienen. Auch mit der höfischen Epik vermengt, wurde die Legende im Hochmittelalter (Gregorius). Unter anderem infolge der Hochschätzung von Mittelalter, Religion und Volksüberlieferung sei es in der Romantik zu einem regelrechten Wiederaufblühen der Legende gekommen, aber auch in der Zwischenzeit hätten Legenden vor allem in der katholischen Kirche Konjunktur gehabt.
Die Forschungsgeschichte zur Legende habe in der Romantik mit Registrierung und Edition der Stoffmassen angesetzt und sich erst ab ca. 1970 auch den Prosalegendaren zugewendet. Durch Jolles Interpretationen aus den 1930er Jahren angeregt, stehe, so das etwas ernüchterte Fazit Kunzes, die Gattungsfrage bis heute im Zentrum des Forschungsinteresses. Edith Feistners Beitrag (1995) hierzu, eine typologische Binnendifferenzierung der Gattung, hebt der Autor besonders hervor.

Aktuelle Version vom 25. November 2014, 18:47 Uhr