Liebeserklärungen (Gottfried von Straßburg, Tristan): Unterschied zwischen den Versionen

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:''daz selbe wiste er an ir wol."[1107-1110]
:''daz selbe wiste er an ir wol."[1107-1110]


Die Hauptmerkmale dieser Liebeserklärung sind also, dass sie Initiative von der Frau ausgeht, dass sie als Klage formuliert ist und gleichzeitig als Rätsel, dass Riwalin bei seinem Wissensstand noch nicht lösen kann, dass die Liebe zum Zeitpunkt der Erklärung noch nicht voll entwickelt ist und dass die endgültige Bestätigung nicht in der Äußerung sondern auf der nonverbalen Ebene stattfindet.
Die Hauptmerkmale dieser Liebeserklärung sind also, dass die Initiative von der Frau ausgeht, dass sie als Klage formuliert ist und gleichzeitig als Rätsel, das Riwalin bei seinem Wissensstand noch nicht lösen kann, dass die Liebe zum Zeitpunkt der Erklärung noch nicht voll entwickelt ist und dass die endgültige Bestätigung nicht in der Äußerung sondern auf der nonverbalen Ebene stattfindet.
 


=Isolde und Tristan=
=Isolde und Tristan=

Version vom 11. Januar 2011, 10:42 Uhr

Im Tristan gibt es drei Situationen, in denen denen sich ein Pärchen die gegenseitige Liebe gesteht: Blanscheflur an Riwalin, Isolde an Tristan und Tristan und Isolde Weißhand, wenn der Text hier auch mittendrin abbricht. Hier werden diese drei Liebeserklärungen untersucht wobei verbale und nonverbale Zeichen berücksichtigt werden sollen.

Blanscheflur und Riwalin

In dieser Liebesbeziehung ist es Blanscheflur, also die Frau, in der als erstes die Liebe zu Riwalin aufkeimt und die den ersten Schritt tut, diese Liebe zu erklären. Dies erstaunt angesichts der Tatsache, dass dies einen Verstoß gegen die höfische Sitte darstellt.[Bauss 1937:S.27] Riwalin ist Blanscheflur schon als sie ihn während der Ritterspiele beobachtet "in ir herze komen"[726] und direkt bei ihrer ersten Begegnung erklärt sie ihm in einem Rätsel ihre Liebe:

"an einem vriunde mîn,
dem besten den ich ie gewan,
dâ habet ir mich beswaeret an."[754-756][1]

Die Liebeserklärung ist als eine Klage formuliert, was auf die den ganzen Roman durchziehende Freud-Leid Thematik hinweist. [Schwarz 1981:S.183] Sie ist so verschlüsselt, dass Riwalin, der Blanscheflur das erste Mal sieht, sie nicht verstehen kann. Blanscheflur meint mit dem besten Freund ihr Herzen, doch Riwalin überlegt zuerst ganz praktisch, ob er unwissentlich einen ihr lieben Gefolgsmann verwundet hat. Erst an Blanscheflurs unter innigem Seufzen ausgesprochenen Abschiedssegen erkennt Riwalin, dass es "der minne wegen" [802] sei. Es sind ihre Gesten, nicht ihre Worte, die Riwalin versteht. Die Liebe zwischen den beiden ist zu diesem Zeitpunkt noch in der Entwicklung, was mit dem Leimrutengleichnis beschrieben wird. Die Erkenntnis der gegenseitigen Liebe erfolgt nicht durch eine konkrete Erklärung sondern durch Blicke:

"ir senelîche blicke
die sâhen in vil dicke
lange unde minneclîchen an."[1089-1091]
"sô gruozte ouch er mit ougen dar" [1101]

Diese Blicke sind für beide so eindeutig, dass sie beide um ihre gegenseitige Liebe wissen:

"nu wiste aber sî wol, daz sîn muot
hin z'ir was süeze und alse guot,
als liebes muot ze liebe sol.
daz selbe wiste er an ir wol."[1107-1110]

Die Hauptmerkmale dieser Liebeserklärung sind also, dass die Initiative von der Frau ausgeht, dass sie als Klage formuliert ist und gleichzeitig als Rätsel, das Riwalin bei seinem Wissensstand noch nicht lösen kann, dass die Liebe zum Zeitpunkt der Erklärung noch nicht voll entwickelt ist und dass die endgültige Bestätigung nicht in der Äußerung sondern auf der nonverbalen Ebene stattfindet.

Isolde und Tristan

Durch den Minnetrank muss sich die Liebe zwischen Isolde und Tristan nicht erst entwickeln sondern ist schlagartig bei beiden gleichzeitig und gleich stark vorhanden und beide werden sich ihrer sehr bald bewusst [11741, 11789]. Bei ihnen erfolgen die ersten Anzeichen durch Blicke und durch wechselnde Gesichtsfarbe:

"ir herze unde ir ougen
diu schâcheten vil tougen
und lieplîchen en den man
der man der sach si wider an
suoze und inneclîchen." [11845-11849]
"si wurden rôt unde bleich,
als ez diu Minne in understreich."[11919/20]

Darauf folgt dann das verbale Liebesgeständnis durch Isolde. Wieder ist es die Frau, die die Initiative ergreift und wieder ist es in Form einer Klage und als Rätsel formuliert. An dieser Stelle kann man das damit begründen, dass Tristan der verbotenen Versuchung länger wiederstehen kann als Isolde.[Schwarz 1981:S.192] Isolde klagt Tristan:

"lameir" sprach sî "daz ist mîn nôt,
lameir daz swaeret mir den muot,
lameir ist, daz mir leide tuot."[11986-11988]

Diese Aussage ist dreideutig und Tristan scheinen alle drei bedeutungen, minne, mer und bitter, im Kontext der Meerüberfahrt plausibel. In einem Beweis e negativo schließt Isolde mer und bitter aus, sodass, wenn auch nicht konkret ausgesprochen, es eindeutig ist, dass sie Tristan Liebeskummer klagt.[Schwarz 1981.S.189] Die Botschaft kann vom Adressaten, im Gegensatz zu Blanscheflurs Rätsel, entschlüsselt und verstanden werden und Tristan bestätigt: "entriuwen, schoene, als ist ouch mir"[12014] und sie besiegeln diese Erkenntnis mit Küssen.

Diese Liebeserklärung hat mit der ersten gemein, dass es die Frau ist, die in einer Klage verschlüsselt dem Ritter ihre Liebe gesteht. Der Unterschied ist, dass durch den Kontext und durch einen Beweis e negativo die Erklärung von Tristan verstanden wird. Die Abfolge ist also umgekehrt, nicht erst Erklärung, dann bestätigung durch Gesten sondern erst Gesten und dann Bestätigung durch Erklärung.


Tristan und Isolde Weißhand

  1. Alle Zitate nach der unten angegebenen Reclam-Textausgabe [Krohn 2007]

Literaturnachweise

  • [*Bauss 1937]Bauss, Hermann: Studien zum Liebesdialog in der höfischen Epik. Marburg 1937.
  • [*Krohn 2007] Gottfried von Straßburg: Tristan. Mittelhochdeutsch/Neuhochdeutsch. Nach dem Text von Friedrich Ranke neu hg., ins Neuhochdeutsche übers., mit einem Stellenkommentar und einem Nachwort von Rüdiger Krohn, Bd. 1 u. 2: Text, Bd. 3: Kommentar, 8./9./12. Aufl., Stuttgart 2007-2008 (RUB 4471-4473).
  • [*Schwarz 1981] Schwarz, Alexander: Die Liebeserklärung: ein Sprechakt in der deutschen Literatur des 12. Jahrhunderts. In: Love and marriage in the twelfth century, Hrsg. Willy van Hoecke u. Andries Welkenhuysen, Leuven 1982.