Reinhart der Sieger (Reinhart Fuchs): Unterschied zwischen den Versionen
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Im nächsten Moment, als Reinhart dem Tod entwischen kann, wird, anders als der Rest des Epos, aus unterschiedlichen Sichtweisen geschildert - der des Jägers und Reinharts (vgl. [Dietl 2010: 48] die ganze Seite), was auch darauf hinweist, dass diese eine besondere Textstelle ist - nämlich die, in der Reinhart am Ende als Sieger dasteht ("Der Gegner, im Moment noch mit den Augen des Fuchses gesehen, ist ein Jäger, ein Mensch, also Gestalt der Gegenwelt, von der Reinhart keine ritterliche Gewaltregulierung gegenüber einem wilden Tier erwarten kann.") [Dietl 2010:48] | Im nächsten Moment, als Reinhart dem Tod entwischen kann, wird, anders als der Rest des Epos, aus unterschiedlichen Sichtweisen geschildert - der des Jägers und Reinharts (vgl. [Dietl 2010: 48] die ganze Seite), was auch darauf hinweist, dass diese eine besondere Textstelle ist - nämlich die, in der Reinhart am Ende als Sieger dasteht ("Der Gegner, im Moment noch mit den Augen des Fuchses gesehen, ist ein Jäger, ein Mensch, also Gestalt der Gegenwelt, von der Reinhart keine ritterliche Gewaltregulierung gegenüber einem wilden Tier erwarten kann.") [Dietl 2010:48] | ||
In Hübners Text beschreibt er, dass Reinhart anfangs aufgrund seiner körperlichen Überlegenheit verliert, weshalb man nun darauf schließen kann, dass der Mensch als physisch ganz klar Überlegenen nun ein Problem mit Reinharts Geritztheit hat. ("Bei größeren Tieren, die ihm körperlich überlegen sind, kann er durch seine Listen und geistliche Geritztheit seine Gegner in die Enge zwingen und sich so als Sieger darstellen. "Wenn Reinhart der physisch Stärkere ist, wie in den Anfangsepisoden mit den schwächeren Tieren (v 13–384), reicht seine Schlauheit nicht für den Handlungserfolg.") [Huebner 2016:87] | |||
== Reinhart in der Falle == | == Reinhart in der Falle == |
Version vom 6. Juli 2020, 13:42 Uhr
"Ein Unglückstag Reinharts,und dies, obschon er seine kundikeit mannigfach unter Beweis stellt. Das steht im krassen Gegensatz zum Erfolg von Reinharts Finten in der Haupthandlung. Das epische Vorzeichen ist wohl deshalb verquer gesetzt, weil es im Hinblick auf die späteren, vielfach kriminell zu nennenden Taten des Protagonisten nötig schien, diesem beim Publikum einige Symphatien zu sichern: dem Erfolglosen mit reichen Gaben werden sie nie verwehrt."[Ruh 1980:18]
Spätestens nachdem er dem Wolf Isegrin begegnet, kommt es zu einem Wendepunkt in Reinharts Geschichte. Auf einmal gelingen ihm seine Listen und Tricks, mit seiner Gerissenheit fügt er nicht nur Isengrin, sondern auch anderen Tieren erheblichen Schaden zu. Wie und wann von einem Verlierer zu einem Sieger wird, dem nahezu jede seiner Listen gelingt, wird in folgendem Artikel genauer untersucht.
Erzählstruktur - Reinharts Entwicklung oder Reinharts Vielschichtigkeit?
Dass Reinharts Listen erst im Laufe der Handlung von Erfolg gekrönt sind, lässt sich nicht leugnen. Fraglich ist jedoch, inwiefern diese Entwicklung erzähltheoretisch gedeutet werden kann. In Bezug auf die Erzählstruktur des Reinhart Fuchs gibt es hierbei nach Kurt Ruh[Ruh 1980] und Karl Bertau [Bertau 1983] zwei verschiedene Ansätze. Nach Bertau handelt es sich demnach beim Reinhart Fuchs um eine paradigmatische Episodensammlung, in der alle Ereignisse und Szenen unabhängig von ihrer zeitlichen Abfolge gedeutet werden können. Das würde bedeuten, dass die zeitliche Einordnung Reinharts Niederlagen irrelevant wäre. Darüber hinaus würde dieser Deutungsansatz eine Analyse von Reinharts Entwicklung ausschließen, da Reinharts Niederlagen auch gegen Ende der Handlung stehen könnten. Reinhart würde sich also nicht vom Verlierer zum Gewinner entwickeln, sondern wäre von Anfang an beides. Für eine Analyse Reinhart des Gewinners scheint Ruhs Ansatz jedoch ergiebiger zu sein. Die Struktur wäre hierbei als syntagmatische Reihung anzusehen, bei der die chronologische Abfolge sowohl für Entwicklungen in der Handlung, als auch in Bezug auf die Entwicklungen und Veränderungen der Figuren ausschlaggebend wäre. In diesem Zusammenhang wäre Reinharts schlechter Tag, beziehungsweise Reinharts Niederlagen zu Beginn als eine Art Vorhandlung zu sehen, der zwei gleich große Hauptteile (Fuchs-Wolf-Auseinandersetzung und König Vrevels Hoftag), die sich kontrastierend gegenüberstehen, folgen.
Inwiefern die syntagmatische Betrachtungsweise außerdem sinnvoller im Bezug auf Reinharts Figur sein kann, folgt...
Reinharts letzte Niederlage
Nachdem Reinharts Listen vom Hahn Scantecler, der Meise und auch vom Raben Diezelin durchschaut wurden, begegnet er seinem vermeintlich nächsten Opfer. Aus einer Laune heraus beschließt Reinhart den Versuch zu starten, auch den Kater Diephret in eine Falle zu locken. Doch erneut scheitert Reinhart und sein erneuter Misserfolg kostet ihn beinahe das Leben.
Reinharts erster Sieg
Bei seinem ersten Sieg, dem Entkommen aus der Falle des Jägers, gibt es einen Wendepunkt im Epos. Er gewinnt hier erstmals. Besonders interessant ist dabei zu erwähnen, dass dieser erste Sieg die Tierwelt verlässt, da er eben aus der Falle des Jägers entkommen kann. Cora Dietl beschreibt Reinharts Situation in der Falle damit, dass dies nun ein Konflikt mit der Menschenwelt sei ("Nach einer Art Duell mit dem Kater Dieprecht, dem es Reinhart missgönnt hatte, dass er mit der Gegenwelt, nämlich der Welt der Menschen, nicht im Konflikt steht, sitzt Reinhart in einer Fuchsfalle gefangen, die ihrerseits deutlicher Ausdruck seines Konflikts mit der menschlichen Welt ist.") [Dietl 2010: 47]
Im nächsten Moment, als Reinhart dem Tod entwischen kann, wird, anders als der Rest des Epos, aus unterschiedlichen Sichtweisen geschildert - der des Jägers und Reinharts (vgl. [Dietl 2010: 48] die ganze Seite), was auch darauf hinweist, dass diese eine besondere Textstelle ist - nämlich die, in der Reinhart am Ende als Sieger dasteht ("Der Gegner, im Moment noch mit den Augen des Fuchses gesehen, ist ein Jäger, ein Mensch, also Gestalt der Gegenwelt, von der Reinhart keine ritterliche Gewaltregulierung gegenüber einem wilden Tier erwarten kann.") [Dietl 2010:48]
In Hübners Text beschreibt er, dass Reinhart anfangs aufgrund seiner körperlichen Überlegenheit verliert, weshalb man nun darauf schließen kann, dass der Mensch als physisch ganz klar Überlegenen nun ein Problem mit Reinharts Geritztheit hat. ("Bei größeren Tieren, die ihm körperlich überlegen sind, kann er durch seine Listen und geistliche Geritztheit seine Gegner in die Enge zwingen und sich so als Sieger darstellen. "Wenn Reinhart der physisch Stärkere ist, wie in den Anfangsepisoden mit den schwächeren Tieren (v 13–384), reicht seine Schlauheit nicht für den Handlungserfolg.") [Huebner 2016:87]
Reinhart in der Falle
Mittelhochdeutsch | Übersetzung |
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Reinhart mochte niht gevliehen, | Reinhart vermochte nicht zu fliehen. |
mit dem hovbte wanckt er hin baz, | Aber er konnte seinen Kopf bewegen, |
an der zi t tet er daz. | und so riss er ihn genau zum richtigen Zeitpunkt fort. |
der gebvr slvc, daz die drvhe brach, | Der Bauer schlug auf die Falle, sodass diese zerbrach. |
Reinharte nie liber geschach: | Reinhart geschah noch nie etwas besseres, |
er wonte han verlern daz leben, | hatte er sich doch schon damit abgefunden, sein Leben zu lassen. |
sine kel was vm vunf schillige geben. | Der Preis für seinen Kragen betrug fünf Schilling. |
Reinhart sich niht sovmte, | Reinhart verweilte nicht |
die herberge er rovmte, | an dem Ort, an dem er sich befand |
in dvchte da vil vngemach. | und an dem er sich sehr unwohl fühlte. |
der gebvr im iemerliche nach sach. | Der Bauer konnte ihm nur noch jämmerlich hinterhersehen. |
er begende sich seihen scheiden, | Er begann sich selbst zu rügen, |
er mvste mit anderm gvte gelden. | da er jetzt anders an Geld herankommen musste. |
(RF,372-384) [1]
Durch seine geistesgegenwärtige Handlung gelingt es Reinhart, seinen Kopf in letzter Sekunde aus der Schlinge zu ziehen und sich selbst und sein Leben zu retten. Inwiefern diese Szene als eine Art Wendepunkt in Reinharts Geschichte betrachtet werden kann, wird im Folgenden genauer betrachtet.
Sieger durch "kündikeit"
Im Laufe der Handlung gelingen Reinhart seine Listen und Tricks immer besser. Zwar gerät er weiterhin in Notsituationen, es gelingt ihm jedoch immer wieder, sich aus diesen zu befreien und sie darüber hinaus zu seinem Vorteil auszunutzen. Der Begriff der "kündikeit" ist hierbei als vielschichtig anzusehen, wie folgende Beispiele verdeutlichen sollen:
Beleg (und Erzählkontext) | Übersetzungsmöglichkeit 1 | Übersetzungsmöglichkeit 2 | Übersetzungsmöglichkeit 3 | Übersetzungsmöglichkeit 4 | |
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"REinhart kvndikeite pflac" (V. 217) | Reinhart war listig. | klug | verschlagen | mit Tücken | |
"do was im kvndikeite zit." (V. 307) | Da war es Zeit für seine List. | Geschicklichkeit | Streich | ... | |
"do bedorfte er wol kvndikeit" (V. 364) | Nun musste er geschickt vorgehen | List | ... | ... | |
"siner amien warf er dvrch den mvnt / sinen zagel dvrch kvndikeit" (V. 1162f.) | Er wedelte seiner Freundin mit dem Schwanz listig durch das Maul. | mit List | durch einen Trick | um sie zu provozieren | |
"ez sold in wol erlozen[2] / Reinhart mit siner kvndikeit." (V. 1420f.) | Reinhart hätte ihn wohl von seiner Listigkeit erlösen können. | mit seinen Tücken | List | Wissen | |
"nieman evch gezelen mack / Reinhartes kvndikeit" (V. 1822f.) | niemand könnte euch Reinharts Verschlagenheit beschreiben | List/Listen | Listigkeit | Scharfsinn | |
"Reinhart sich kvndikeite vleiz" (V. 2037) | Reinhart kannte sich mit Listen aus | Reinhart übt sich gekonnt in seinem Geschick | Reinhart wandte sein anatomisches Wissen an: | ... |
(WIRD NOCH ABGEÄNDERT/GEKÜRZT/ERWEITERT UND IN EINEN ZUSAMMENHNAG GEBRACHT)
Macht der Rechtfertigung
Neben seiner "kündikeit" ist Reinhart den anderen Tieren im Reinhart Fuchs auch durch seine Redegewandtheit überlegen. "...[S]o gerät[...]vor allem die Figur des Fuchses in den Fokus; dieser weiß sich - trotz physischer Unterlegenheit - gegen Rivalen wie auch gegenüber dem Herrscher (Der Löwe Vrevel) zu behaupten, da er mehr als jeder andere über die "Macht der Rechtfertigung" verfügt. [Neudeck 2016:12]
Handlungsmotive
Reinhart als Opfer oder Täter?
[Huebner 2016]
Literatur
<HarvardReferences />
- [*Ruh 1980]Ruh, Kurt: Reinhart Fuchs: Eine antihöfische Kontrafaktur, in: Höfische Epik des deutschen Mittelalters, Berlin 1980
- [*Bertau 1983] Bertau, Karl: 'Reinhart Fuchs'. Ästhetische Form als historische Form, in: ders.: Über Literaturgeschichte. Literarischer Kunstcharakter und Geschichte in der höfischen Epik um 1200, München 1983
- [*Neudeck 2016] Neudeck, Otto: Der Fuchs und seine Opfer: Prekäre Herrschaft im Zeihen von Macht und Gewalt. Die Fabel vom kranken Löwen und seiner Heilung in hochmittelalterlicher Tierepik, in: Reflexion des politischen in der europäischen Tierepik, München 2016.
- [*Huebner 2016] Hübner, Gert: Schläue und Urteil. Handlungswissen im Reinhart Fuchs.
- [*Dietl 2010] Dietl, Cora: Violenta und potestas: Ein füchsischer Blick auf ritterliche Tugend und gerechte Herrschaft im ›Reinhart Fuchs‹