Die Erzählstruktur des Reinhart Fuchs als Interpretationsgrundlage: Unterschied zwischen den Versionen

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! Mittelhochdeutsch !! Übersetzung
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| nv vernemet seltzene dinc || Hört euch merkwürdige Dinge
| nv vernemet seltzene dinc ||  
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| vnde vremde mere, || und unbekannte Geschichten an,
| vnde vremde mere, ||  
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| '''der die glichesere''' || '''[Tips: "der die" => "die der"; glichesere s. Wörterbuch >> mhd. gelîchsnaere = 'Heuchler']'''
| '''der die glichesere''' || '''[Tips: "der die" => "die der"; glichesere s. Wörterbuch >> mhd. gelîchsnaere = 'Heuchler']'''
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| v kvnde geit, wen sie sint '''gewerlich.''' || verkündet, denn sie sind '''... [gewerlich = gewaerlich]]'''
| v kvnde geit, wen sie sint '''gewerlich.''' ||  
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| [] er ist geheizen Heinrich, || er heißt Heinrich
| [] er ist geheizen Heinrich, ||  
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| der hat '''die bvch zesamene geleit''' || '''der ...................hat'''
| der hat '''die bvch zesamene geleit''' ||  
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| von Isengrines arbeit. || über Isengrins Mühsal.
| von Isengrines arbeit. ||  
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|} (RF V. 9819, 1784-1790)
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= Diskussionsgrundlage: Forschungstexte =
= Diskussionsgrundlage: Forschungstexte =


Gegenstand der Sitzung am 15.06.2020 sind zwei Grundlagentexte von Kurt Ruh[Ruh 1980] und Karl Bertau [Bertau 1983], die ihre Interpretationsskizzen zum ''Reinhart Fuchs'' auf den Erzählaufbau des Textes stützen. Ziel der Sitzung ist, die Strukturierungsvorschläge zu vergleichen, methodisch zu prüfen und ihre interpretatorischen Schlüsse zu diskutieren.
Gegenstand der Sitzung sind zwei Grundlagentexte von Kurt Ruh [Ruh 1980] und Karl Bertau [Bertau 1983], die ihre Interpretationsskizzen zum ''Reinhart Fuchs'' auf den Erzählaufbau des Textes stützen. Ziel der Sitzung ist, die Strukturierungsvorschläge zu vergleichen, methodisch zu prüfen und ihre interpretatorischen Schlüsse zu diskutieren.
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Version vom 19. Oktober 2020, 17:07 Uhr

Poetologische Selbstreflexionen: Autor und Werk

Mittelhochdeutsch Übersetzung
nv vernemet seltzene dinc
vnde vremde mere,
der die glichesere [Tips: "der die" => "die der"; glichesere s. Wörterbuch >> mhd. gelîchsnaere = 'Heuchler']
v kvnde geit, wen sie sint gewerlich.
[] er ist geheizen Heinrich,
der hat die bvch zesamene geleit
von Isengrines arbeit.

(RF V. 9819, 1784-1790)


Diskussionsgrundlage: Forschungstexte

Gegenstand der Sitzung sind zwei Grundlagentexte von Kurt Ruh [Ruh 1980] und Karl Bertau [Bertau 1983], die ihre Interpretationsskizzen zum Reinhart Fuchs auf den Erzählaufbau des Textes stützen. Ziel der Sitzung ist, die Strukturierungsvorschläge zu vergleichen, methodisch zu prüfen und ihre interpretatorischen Schlüsse zu diskutieren.

Aufgabenschritte:

(1.) Struktur: Wie ist nach Ruh bzw. Bertau der Reinhart Fuchs aufgebaut?
A. Ruh (1980):

  • Ungerade Episodenanzahl und Mittelzäsur bei Isengrins Unheilsgeschichte und Hoftag mit klassisch-episch / sukzessiver Anordnung (= syntagmatische Reihung)
  • zu Beginn Aventiurenreihe mit 375 Versen(Reinharts schlechter Tag = "Vorspiel"), danach unterteilt in zwei gleich große Hauptteile ( zu jeweils 7 Szenen): Teil 1 "Fuchs-Wolf-Auseinandersetzung" und Teil 2 "König Vrevels Hoftag".

B. Bertau (1983):

  • Episodensammlung (paradigmatisch), statt Episodenreihung
  • Simultanlogische Lektüre: keine zwingend-causale Folge der Episoden; Vielmehr beliebige, exemplarsiche Auswahl von Taten des Helden.
  • 3 Teile, je 7 Episoden; Zentrum stellt Teil B dar
  • alternativ denkbar: sukzessivlogische Tendenzen (s. Ruh)


(2.) Methodik: Wie ermitteln Ruh bzw. Bertau diese Struktur? (Wie gesehen sie vor, welche Prinzipien und Annahmen legen sie zugrunde?)

A. Ruh (1980):

  • quantitativ: beide Großteile entsprechen sich ungefähr im Versumfang
  • die beiden Versionen der Texte werden kontrastiert
  • strukturelle Ähnlichkeiten der beiden Teile werden hervorgehoben
  • "Zentralkomposition" als Gliederungsprinzip

B. Bertau (1983):

  • Situationsfolge: nicht zwingend; raümlich nebeneinander und beliebig
  • jede Episode ist in sich am Ziel
  • jedoch nicht ohne Finalität
  • anstatt sukzessivlogischer Folge der Episoden: räumlich-statische Komposition


(3.) Interpretation: Welche Sinnlenkung leiten Ruh bzw. Bertau aus ihren Strukturbeschreibungen ab?
A. Ruh (1980):

  • "Reinhart Fuchs" als Zusammenführung und Erweiterung bereits bestehender Erzählungen (Isengrins not).
  • Anspielungen auf elsässische Verhältnisse
  • politische Kritik: antistaufische Haltung des Autors
  • "Warnfabel": "ritterliche Idealwelt" wird unterhöhlt
  • kombiniert im zweiten Teil Hoftag, Klage und missglückte Botschaften mit Krankheit des Königs und Heilung durch Wolfsfell

B. Bertau (1983):

  • ein einzelnes Ereignis ist ein Gleichnis für typische im Allgemein-menschlichen anzutreffende Situation
  • einzelne Episoden als expemlarische Taten des Helden: Der (Anti-)Held selbst wird zu einer allegorischen Verkörperung des Bösen.
  • satirische Kritik an den Ständen und der höfischen Welt -> nicht konstruktiv, sondern Heinrich sieht die Welt "ganz schwarz" ! (totaler destruktiver "Einspruch")


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Verwendete Literatur

<HarvardReferences />

  • [*Bertau 1983] Bertau, Karl: 'Reinhart Fuchs'. Ästhetische Form als historische Form, in: ders.: Über Literaturgeschichte. Literarischer Kunstcharakter und Geschichte in der höfischen Epik um 1200, München 1983, S. 19-29.
  • [*Ruh 1980] Ruh, Kurt: Höfische Epik des deutschen Mittelalters. Bd. 2: 'Reinhart Fuchs', 'Lanzelet', Wolfram von Eschenbach, Gottfried von Straßburg, Berlin 1980 (Grundlagen der Germanistik 25), S. 13-33.