Kaufmannsmotivik (Gottfried von Straßburg, Tristan): Unterschied zwischen den Versionen

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Tristan nutzt den Stand des Kaufmannes in mehreren Episoden, um über seine wahre Herkunft hinwegzutäuschen[Brennig 1993:  194] und eine Rechtfertig für seinen Aufenthalt am jeweiligen Ort zu geben.[Buschinger 1987: 533] Dabei unterliegt er stets der Prüfung einer Hofgesellschaft[Brennig 1993: S. 195] und muss seine Rolle perfekt beherrschen, um vor ihnen zu bestehen. <br/>
Tristan nutzt den Stand des Kaufmannes in mehreren Episoden, um über seine wahre Herkunft hinwegzutäuschen[Brennig 1993:  194] und eine Rechtfertig für seinen Aufenthalt am jeweiligen Ort zu geben.[Buschinger 1987: 533] Dabei unterliegt er stets der Prüfung einer Hofgesellschaft[Brennig 1993: S. 195] und muss seine Rolle perfekt beherrschen, um vor ihnen zu bestehen. <br/>
Bereits nach seiner [[Die Entführung|Entführung]], als er in Cornwall ankommt, gibt er der [[Jagd]]-Gesellschaft gegenüber an, er sei der Sohn eines Kaufmanns:
Bereits nach seiner [[Die Entführung|Entführung]], als er in Cornwall ankommt, gibt er der [[Jagd]]-Gesellschaft gegenüber an, er sei der Sohn eines Kaufmanns aus Parmenien:
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:''der werlde leben schône unde wol,'' (V. 3097-3101)<ref>Mit Versangabe im Folgenden zitiert aus Gottfried vonStraßburg:Tristan. Hrsg. von Rüdiger Krohn. Stuttgart 1993(Universalbibliothek4471, 4472).</ref>)
:''der werlde leben schône unde wol,'' (V. 3097-3101)<ref>Mit Versangabe im Folgenden zitiert aus Gottfried vonStraßburg:Tristan. Hrsg. von Rüdiger Krohn. Stuttgart 1993(Universalbibliothek4471, 4472).</ref>)
Sein Vater könne demanch, seinem Stand angemessen, gut leben und sei außerdem ''tugentlîche[n] muotes'' (V. 3106), also von feingesittetem Gemüt. Weil Sprache und Verhalten fahrender Kaufleute aus anderen Ländern, die sich in [[Parmenien]] aufhielten, Tristan sehr fasziniert hätten, sei er schließlich seinem Vater davon gelaufen und mit Kaufleuten davongesegelt.  
Sein Vater könne demnach, seinem Stand angemessen, gut leben und sei außerdem ''tugentlîche[n] muotes'' (V. 3106), also von feingesittetem Gemüt. Weil Sprache und Verhalten fahrender Kaufleute aus anderen Ländern, die sich in [[Parmenien]] aufhielten, Tristan sehr fasziniert hätten, sei er schließlich seinem Vater davon gelaufen und mit Kaufleuten davongesegelt.  
Die Kaufmannsgesellschaft, die Tristan hier erfindet, wird demnach äußert positiv dargestellt. Sein Vater kann durch seine Tätigkeit Wohlstand und Anstand verbinden, er ermöglicht seinem Sohn eine gute Erziehung und Bildung. Durch die Kombination dieser Eigenschaften lehnt sich Tristans angeblicher Vater sehr an die Lebensformen der adligen Gesellschaft am Hof an. Somit kann Tristan sein Wissen und Können rechtfertigen, ohne seine wahre Herkunft zu verraten.<br/>
Die Kaufmannsgesellschaft, die Tristan hier erfindet, wird demnach äußert positiv dargestellt. Sein Vater kann durch seine Tätigkeit Wohlstand und Anstand verbinden, er ermöglicht seinem Sohn eine gute Erziehung und Bildung. Durch die Kombination dieser Eigenschaften lehnt sich Tristans angeblicher Vater sehr an die Lebensformen der adligen Gesellschaft am Hof an. Somit kann Tristan sein Wissen und Können rechtfertigen, ohne seine wahre Herkunft zu verraten.<br/>
Auch bei der ersten Irlandfahrt greift Tristan auf eine Kaufmanns-Geschichte zurück. Er hatte sich beim [[Morold|Morolt]]-Kampf schwer verletzt und muss nun zu Königin [[Die Isolde-Charaktere|Isolde]] nach Irland, da sie die einzige Person ist, die seine Wunden heilen kann. Dort kann er seine wahre Identität jedoch nicht Preis geben, da er Morolt, Isoldes Bruder getötet hatte. Er lässt die Iren deshalb glauben, dass er zunächst ein höfischer Spielmann gewesen sei und schließlich aus Habsucht zum Kaufmann wurde. Auf einer Schiffsreise von Spanien nach Britannien seien er und sein Geschäftspartner dann überfallen worden, sodass er alleine und verwundet in Irland landete (vgl. Verse 7547 - 7630. Im Vergleich zur ersten Kaufmannsgeschichte ist Tristan hier dazu gezwungen, seine Identität zu verheimlichen. Auch scheint der Kaufmann nicht mehr nur positive Eigenschaften zu besitzen, sondern vielmehr einer gewissen Habsucht zu unterliegen.<br/>
Auch bei der ersten Irlandfahrt greift Tristan auf eine Kaufmanns-Geschichte zurück. Er hatte sich beim [[Morold|Morolt]]-Kampf schwer verletzt und muss nun zu Königin [[Die Isolde-Charaktere|Isolde]] nach Irland, da sie die einzige Person ist, die seine Wunden heilen kann. Dort kann er seine wahre Identität jedoch nicht Preis geben, da er Morolt, Isoldes Bruder getötet hatte. Er lässt die Iren deshalb glauben, dass er zunächst ein höfischer Spielmann gewesen sei und schließlich aus Habsucht zum Kaufmann wurde. Auf einer Schiffsreise von Spanien nach Britannien seien er und sein Geschäftspartner dann überfallen worden, sodass er alleine und verwundet in Irland landete (vgl. Verse 7547 - 7630. Im Vergleich zur ersten Kaufmannsgeschichte ist Tristan hier dazu gezwungen, seine Identität zu verheimlichen. Auch scheint der Kaufmann nicht mehr nur positive Eigenschaften zu besitzen, sondern vielmehr einer gewissen Habsucht zu unterliegen.<br/>
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Auch bei zweiten Irlandfahrt unterliegt Tristan noch dem Zwang, seine Identität zu verheimlichen, um nicht Opfer eines Racheaktes zu werden. Er soll an Gurmuns Hof die Brautwerbung Markes vollziehen und muss somit bei Gelegenheit seine Herkunft verraten.[Brennig 1993: 231]
Jedoch kommen im 'Tristan' auch "echte" Kaufmänner vor.
Jedoch kommen im 'Tristan' auch "echte" Kaufmänner vor.
==Erzählerbewertung==
==Erzählerbewertung==
Die Einstellung Gottfrieds zum Kaufmann ist durchaus positiv, er wertet den Stand des Kaufmannes sogar auf.[Buschinger 1987: 540] So führt Gottfried, im Gegensatz zu anderen Versionen der Tristan-Saga, die angeblich bürgerliche Herkunft Tristans ein, als dieser in Cornwall ankommt.[Buschinger 1987: 540] Trotz dieser Herkunft wird Tristan am Hof integriert und zum engsten Vertrauten [[Marke|Markes]]. Demnach hat der bürgerliche Kaufmann, insbesonders der gebildete und künstlerisch begabte Kaufmann, die Möglichkeit, am Hof eine ähnliche Position einzunehmen wie der Adel.[Buschinger 1987: 540]
Die Einstellung Gottfrieds zum Kaufmann ist durchaus positiv, er wertet den Stand des Kaufmannes sogar auf.[Buschinger 1987: 540] So führt Gottfried, im Gegensatz zu anderen Versionen der Tristan-Saga, die angeblich bürgerliche Herkunft Tristans ein, als dieser in Cornwall ankommt.[Buschinger 1987: 540] Trotz dieser Herkunft wird Tristan am Hof integriert und zum engsten Vertrauten [[Marke|Markes]]. Demnach hat der bürgerliche Kaufmann, insbesonders der gebildete und künstlerisch begabte Kaufmann, die Möglichkeit, am Hof eine ähnliche Position einzunehmen wie der Adel.[Buschinger 1987: 540]

Version vom 20. Januar 2011, 14:24 Uhr

Wann taucht der Berufsstand des Kaufmanns auf und wie wird er im Tristan bewertet?

Der Kaufmann im Mittelalter

Der Stand des Kaufmanns war vor dem 11. und 12. Jahrhundert sehr negativ behaftet, da unterstellt wurde, der Kaufmann würde einerseits nichts erschaffen und andererseits lediglich Zeit verkaufen, die als Gegenstand Gottes betrachtet wurde und somit nicht verkauft werden durfte.[Buschinger 1987: S. 532] Zwischen dem 11. und 12. Jahrhundert vollzog sich jedoch ein wirtschaftlicher und sozialer Wechsel, der Handel erfuhrt einen Aufschwung und das Ansehen des Kaufmanns wurde rehabilitiert.[Buschinger 1987: S. 532] Ende des 12. Jahrhunderts wird er für das Beschaffen von lebensnotwendigen Waren oder auch Luxusgütern sogar geschätzt, seine Schwierigkeiten und Probleme rechtfertigten seinen Gewinn.[Buschinger 1987: S. 532f.]

Vorkommen

Tristan nutzt den Stand des Kaufmannes in mehreren Episoden, um über seine wahre Herkunft hinwegzutäuschen[Brennig 1993: 194] und eine Rechtfertig für seinen Aufenthalt am jeweiligen Ort zu geben.[Buschinger 1987: 533] Dabei unterliegt er stets der Prüfung einer Hofgesellschaft[Brennig 1993: S. 195] und muss seine Rolle perfekt beherrschen, um vor ihnen zu bestehen.
Bereits nach seiner Entführung, als er in Cornwall ankommt, gibt er der Jagd-Gesellschaft gegenüber an, er sei der Sohn eines Kaufmanns aus Parmenien:

»jensît Britanje lît ein lant,
deist Parmenîe genant.
dâ ist mîn vater ein koufman,
der wol nâch sîner ahte kan
der werlde leben schône unde wol, (V. 3097-3101)[1])

Sein Vater könne demnach, seinem Stand angemessen, gut leben und sei außerdem tugentlîche[n] muotes (V. 3106), also von feingesittetem Gemüt. Weil Sprache und Verhalten fahrender Kaufleute aus anderen Ländern, die sich in Parmenien aufhielten, Tristan sehr fasziniert hätten, sei er schließlich seinem Vater davon gelaufen und mit Kaufleuten davongesegelt. Die Kaufmannsgesellschaft, die Tristan hier erfindet, wird demnach äußert positiv dargestellt. Sein Vater kann durch seine Tätigkeit Wohlstand und Anstand verbinden, er ermöglicht seinem Sohn eine gute Erziehung und Bildung. Durch die Kombination dieser Eigenschaften lehnt sich Tristans angeblicher Vater sehr an die Lebensformen der adligen Gesellschaft am Hof an. Somit kann Tristan sein Wissen und Können rechtfertigen, ohne seine wahre Herkunft zu verraten.
Auch bei der ersten Irlandfahrt greift Tristan auf eine Kaufmanns-Geschichte zurück. Er hatte sich beim Morolt-Kampf schwer verletzt und muss nun zu Königin Isolde nach Irland, da sie die einzige Person ist, die seine Wunden heilen kann. Dort kann er seine wahre Identität jedoch nicht Preis geben, da er Morolt, Isoldes Bruder getötet hatte. Er lässt die Iren deshalb glauben, dass er zunächst ein höfischer Spielmann gewesen sei und schließlich aus Habsucht zum Kaufmann wurde. Auf einer Schiffsreise von Spanien nach Britannien seien er und sein Geschäftspartner dann überfallen worden, sodass er alleine und verwundet in Irland landete (vgl. Verse 7547 - 7630. Im Vergleich zur ersten Kaufmannsgeschichte ist Tristan hier dazu gezwungen, seine Identität zu verheimlichen. Auch scheint der Kaufmann nicht mehr nur positive Eigenschaften zu besitzen, sondern vielmehr einer gewissen Habsucht zu unterliegen.
Auch bei zweiten Irlandfahrt unterliegt Tristan noch dem Zwang, seine Identität zu verheimlichen, um nicht Opfer eines Racheaktes zu werden. Er soll an Gurmuns Hof die Brautwerbung Markes vollziehen und muss somit bei Gelegenheit seine Herkunft verraten.[Brennig 1993: 231] Jedoch kommen im 'Tristan' auch "echte" Kaufmänner vor.

Erzählerbewertung

Die Einstellung Gottfrieds zum Kaufmann ist durchaus positiv, er wertet den Stand des Kaufmannes sogar auf.[Buschinger 1987: 540] So führt Gottfried, im Gegensatz zu anderen Versionen der Tristan-Saga, die angeblich bürgerliche Herkunft Tristans ein, als dieser in Cornwall ankommt.[Buschinger 1987: 540] Trotz dieser Herkunft wird Tristan am Hof integriert und zum engsten Vertrauten Markes. Demnach hat der bürgerliche Kaufmann, insbesonders der gebildete und künstlerisch begabte Kaufmann, die Möglichkeit, am Hof eine ähnliche Position einzunehmen wie der Adel.[Buschinger 1987: 540] Deutlicher wird die Beurteilung des Kaufmanns bei der zweiten Irlandfahrt, als Tristan bei Ankunft sagt, dass sich ein Kaufmann für seinen Beruf nicht zu schämen braucht:

wir sîn werbende liute
und mugen uns des niht geschamen.
koufliute heizen wir binamen, (V. 8800 - 8802)

Im Tristan sind jedoch auch Elemente zu finden, die den Kaufmann negativ darstellen.[Buschinger 1987:S. 541] So zum Beispiel in dem Moment, als Tristan zugibt, aus Habsucht Kaufmann geworden zu sein. Auch kommen dem Jägermeister in Cornwall aufgrund der Bildung und künstlerischen Fähigkeit Tristans Zweifel, ob er in einem bürgerlichem Hause, mit einem rastlosen Vater, eine solche Erziehung hatte genießen können.

Demnach gesteht auch Gottfried ein, dass der Kaufmann immer noch eine sozial untergeordnete Rolle habe.[Buschinger 1987: 541]

Bedeutung

Lange Zeit maß die Forschung der Kaufmannsmotivik keine größere Bedeutung zu, sie wurde unter dem Aspekt der Lügengeschichten Tristans sogar als verwerflich angesehen.[Brennig 1993: S.193]

Anmerkungen

  1. Mit Versangabe im Folgenden zitiert aus Gottfried vonStraßburg:Tristan. Hrsg. von Rüdiger Krohn. Stuttgart 1993(Universalbibliothek4471, 4472).

Literatur

<harvardreferences />

  • [*Brennig 1993] Brennig, Heribert R.: Der Kaufmann im Mittelalter: Literatur - Wirtschaft - Gesellschaft. Pfaffenweiler 1993. S.193 -
  • [*Buschinger 1987] Buschinger, Danielle: Das Bild des Kaufmanns im Tristan-Roman und bei Wolfram von Eschenbach. In:Zeitschrift für Germanistik. In Jahrgang 1987, Band 5. S. 532-543.