Ehe und Ehebruch: Unterschied zwischen den Versionen

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===Wie wird das Ehebruch-Motiv gelöst?===
===Wie wird das Ehebruch-Motiv gelöst?===


==Das Ehebruch-Motiv in der neueren deutschen Literatur==
 
===Thomas Manns "Tristan"===
====Abweichungen von und Gemeinsamkeiten mit der Vorlage====
====Welchen Konventionen sind die Figuren unterworfen?====
====Wie wird das Ehebruch-Motiv gelöst?====




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Version vom 6. Februar 2011, 18:33 Uhr

Einleitung

Ist es nicht auffällig, dass Isoldes Ehebruch[1] nicht die Ehre der Liebenden befleckt? Anscheinend hat nur Marke um seine Ehre zu bangen; seine Gefolgsleute und Späher fürchten mit ihrem Herren ihr Ansehen einzubüßen. Wie ist es zu erklären, dass Marke um seine Ehre betrogen wird, wo er doch nicht am Ehebruch teilnimmt? Muss Marke, der König, der königliche Ehemann Isoldes als Allegorie für ein mittelalterliches, höfisches Gesellschaftsbild angesehen werden, das sich über seinen Herrscher definiert? Wie ist die Verbannung des Paares vom Hof und die Zuflucht, die sie in der Minnegrotte finden zu deuten? Spaltet der "Tristan"-Stoff die ältere deutsche Literatur, so wie die Dekadenz des fin de siécle des ausgehenden 19. Jh. und des beginnenden 20. Jh. Moral von Konvention abspaltet. Wirkt der "Tristan" Gottfrieds etwa als Katalysator für die aufgestauten Triebe, die die starren höfischen Normen zu unterdrücken suchen? Was rechtfertigt die Rezeption des "Tristans", der zur selben Zeit erschien wie die großen Artus-Romane? Muss der "Tristan" als Antagonismus des Artus-âventiure-Romans gelesen werden? Und wie wird dieser Stoff in moderner Literatur verwendet? Gelten noch gleiche Regeln für die Ehebrecher und die Gehörnten?

Viele Fragen, die hier vielleicht alle beantwortet werden.

Vorüberlegungen zu Gottfrieds "Tristan"

Welchen Konventionen sind die Figuren in Gottfrieds "Tristan" unterworfen?

Man muss zu aller erst berücksichtigen, dass wenn in der mittelalterlichen Literatur ein höfisches Idealbild eines Ritters erschaffen wird, dieses auch als Idealbild angesehen werden muss und nicht als status quo gelten darf. Es ist davon auszugehen, dass das Leben am Hof in etwa dem nacheifert, was die Literatur und überliefert. Doch würde man unseren Vorfahren zu viel zutrauen, wenn man davon ausginge, dass sie diese Idealbilder verkörperten und in der gepriesenen „Reinheit“ lebten. Interessanter Weise ist im Artusroman jeder einzelne für seine eigene Ehre verantwortlich. Der Fall folgt durch eigenes Unvermögen. Nachdem der Ritter sich durch höfischheit emporgekämpft hat auf seinem âventiure-Weg, fällt er anschließend aufgrund irgendeiner Form von unhöfischheit. Isolde würde, wäre sie eine Figur des Artusromans, ihre Ehre einbüßen durch den Ehebruch. Nur den minne-Dienst eines Ritters dürfte sie zulassen, ja, müsste sie zulassen, um ihre eigene Ehre zu vermehren.

Im „Tristan“ Gottfrieds ist das anders. Marke würde seine Ehre verlieren, würde der Ehebruch bekannt werden. Isolde und Tristan haben dabei anscheinend nur den Zorn Markes zu fürchten, nicht jedoch Ehrverlust. Auch rügen Brangäne und Kurwenal, die von der Liaison wissen, das Paar mit keinem Wort. Sie fordern nur zur Wachsamkeit auf. Die Ehr- und Moralvorstellungen im „Tristan“ müssen also anderen Parametern unterworfen sein, wie in anderen mittelalterlichen Texten. Tristan und Isolde sind ja frei von allen Skrupeln, Ängsten, frei von dem Verdacht, ihr Verhalten könnte ihre persönliche „Ehre“ schmälern. Die beiden tragen also den gesellschaftlich-moralischen Konflikt nicht aus, der doch für Marke ganz unmittelbar ist.

Marke ist derjenige, der den Bruch der Normen der Moral durch Tristan und Isolde zu beklagen hat und mit den Konsequenzen leben muss - mit seinem Ehrverlust.Er ist eifersüchtig, denn er liebt Isolde und er trägt eine Verantwortung gegenüber der Gesellschaft, der er nicht gerecht wird; er schafft es nicht, dass seine Frau seine Ehre stützt und lässt es zu, dass sie ihn entehrt. Niemand aber muss den Bruch mit den Normen der höfischen Konventionen beklagen, bzw. die daraus resultierenden Konsequenzen tragen - es gibt keine Konsequenzen, es scheint nicht einmal höfische Konventionen zu geben in diesen Belangen. Tristan und Isolde brechen im Zweifelsfall zwar beides: die Normen der Moral und die Normen der Konventionen. Man müsste davon ausgehen, dass sie für den Bruch der Konventionen bestraft werden würden, das ist aber nicht der Fall. Sie werden von Marke, dem Leidtragenden, der natürlich gegen sie zürnt, aber aus emotionalen Gründen, nur dafür bestraft, dass sie ihn Hintergangen haben, also moralisch nicht einwandfrei handelten. Tristan und Isolde werden von Marke also für den Bruch mit den Normen der Moral verbannt; würde er sie für den Bruch mit Konventionen bestrafen, ließe er sie umbringen. Die Gesellschaft hält sich aus dem Konflikt zwischen Marke und dem Paar heraus. Die Gesellschaft schaut aber auf Markes Ehre, welche Isolde verringerte. Deshalb muss man die Gesellschaft trotzdem als wirksame Größe in Bezug auf die Liebenden annehmen, da sie doch indirekt durch Marke, durch seinen Zorn, seinen Zweifel antagonistische Funktion inne ein. Dass es dem Paar in der Verbannung aber viel besser geht, dass sie ihre Zweisamkeit, das gefahrlose Zusammensein genießen können, zeigt, dass nur insofern eine Bestrafung vorhanden ist, dass Tristan den edelsten nur denkbaren Ritter verkörpert und somit Teil der Gesellschaft am Hofe ist - dieser Gesellschaft aber fern bleiben muss. Insofern ist wohl Tristans und Isoldes Ehre doch auch befleckt. Diese Tatsache rechtfertigt auch, warum Tristan und Isolde gerne wieder mit an den Hof kommen, nachdem Marke sie in der Minnegrotte aufgespürt hat, obwohl sie wissen müssen, dass sie ihre Zuneigung für einander in Markes Nähe nicht mehr zeigen könne und wieder in ständiger Gefahr leben werden, erwischt zu werden. Das Leben am Hof sichert ihnen Ehre, so lange sie sich im Verborgenen lieben.

Um diese Überlegungen zu verdeutlichen: Bei Fontanes „Effi Briest“ geschieht das Gegenteil; Effi wird von Instetten verstoßen, weil sie mit gesellschaftliche Konventionen gebrochen hat, moralisch und emotional hat er ihr am Ende aber vergeben. Er verstößt sie, weil die Gesellschaft den Bruch mit der Konvention bestraft haben will, nicht weil die Gesellschaft den Bruch mit einer Moralvorstellung bestraft haben will. Die Gesellschaft bei Gottfried will den Bruch mit den Normen der Moral bestraft sehen. Was auch geschieht. Durch Marke, am dem sie nicht moralisch korrekt handelten, werden sie von der Gesellschaft verbannt. Man brauch hier also Marke, den König, nicht den Ehemann, als Katalysator, der die Gesellschaft repräsentiert und anstelle der Gesellschaft hintergangen wird und die durch ihn straft. Durch die Schändung des Königs, wird gleichzeitig jeder Untertan befleckt.

Wie wird das Ehebruch-Motiv gelöst?

  1. [Nicola Zotz schreibt im Zusammenhang mit der Ehebruchskonstellation von einer "soziale[n] Unmöglichkeit".], Nicola Zotz: „Vaterverlust oder Vatergewinn? Rual zwischen Riwalin und Marke“, in: Johannes Keller (Hg.), Das Abenteuer der Genealogie: Vater-Sohn-Beziehungen im Mittelalter, Göttingen 2006, S. 87-104, hier S. 92.