Sigune (Wolfram von Eschenbach, Parzival): Unterschied zwischen den Versionen
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Auffällig ist bereits in dieser ersten Szene Sigunes besondere Art der minne und triuwe. Ihre Liebe überdauert den Tod und somit wird sie zur „Geliebten des Toten“ (Pz. Übersetzung: 141, 23-24) und sagt wie selbstverständlich: | Auffällig ist bereits in dieser ersten Szene Sigunes besondere Art der minne und triuwe. Ihre Liebe überdauert den Tod und somit wird sie zur „Geliebten des Toten“ (Pz. Übersetzung: 141, 23-24) und sagt wie selbstverständlich: | ||
„Nu minne i´n alsô tôten." (Pz. 141, 23-34) | „Nu minne i´n alsô tôten." (Pz. 141, 23-34) | ||
Als Parzival verkündet den Tod Schianatulanders rächen zu wollen, weißt sie ihm die falsche Richtung, weil sie um sein Leben fürchtet und nicht noch einen Toten beklagen möchte, der für sie das Leben ließ. Gleichzeitig verneint sie somit auch jede Art von Tröstung und verhindert dadurch die Linderung ihres Leids, sodass sie sich weiterhin völlig dem Schmerz und der Kasteiung hingeben kann. | Als Parzival verkündet den Tod Schianatulanders rächen zu wollen, weißt sie ihm die falsche Richtung, weil sie um sein Leben fürchtet und nicht noch einen Toten beklagen möchte, der für sie das Leben ließ. Gleichzeitig verneint sie somit auch jede Art von Tröstung und verhindert dadurch die Linderung ihres Leids, sodass sie sich weiterhin völlig dem Schmerz und der Kasteiung hingeben kann. | ||
Desweiteren tritt Sigune als eine Art Wegweiserin in Parzivals Leben und ermöglicht ihm den „ersten Schritt zur Selbsterkenntnis“ | Desweiteren tritt Sigune als eine Art Wegweiserin in Parzivals Leben und ermöglicht ihm den „ersten Schritt zur Selbsterkenntnis“ <ref> Bumke, 2004: S.58 </ref> . Parzival erfährt von ihr seinen Namen und seine Herkunft, somit ebenfalls, dass Sigune seine Cousine ist und er Erbe dreier Königreiche. | ||
Sigune auf der Linde (Pz. 249,11 – 255,30) | Sigune auf der Linde (Pz. 249,11 – 255,30) | ||
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ruowe (Pz. 499, 30). Parzival lässt das Grab Schionatulanders aufbrechen Sigunes neben seinen Leichnam legen. So sind die Liebenden im Tode wiedervereint. | ruowe (Pz. 499, 30). Parzival lässt das Grab Schionatulanders aufbrechen Sigunes neben seinen Leichnam legen. So sind die Liebenden im Tode wiedervereint. | ||
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Version vom 20. Mai 2012, 07:16 Uhr
Als Tochter Schoysianes und Kyots ist Sigune eine Cousine Parzivals und ebenfalls Mitglied der Gralssippe. Im Handlungsverlauf von Wolfram von Eschenbachs Parzival kommt es zu insgesamt vier Begegnungen zwischen Sigune und dem Protagonisten. Diese sind prägend für Parzivals persönliche Entwicklung und stellen Wendepunkte in seinem Leben dar. Eine der Besonderheiten der Figur Sigunes ist, dass Wolfram von Eschenbach im Nachhinein den Titurel verfasste, in welchem ihre Vorgeschichte vorallem aber die Liebesbeziehung zu Schiontulander dargestellt wird.
Die vier Sigune-Szenen
Sigune am Felsenhang (Pz. 138,9 – 142,2)
Nach dem tragischen Tod ihres Geliebten Schianatulanders hat sich Sigune in den Wald zurückgezogen um ein Dasein in Klage um den Verstorbenen zu verbringen. Auf der Suche nach dem Arthushof wird Parzival auf schreckliche Klagerufe aufmerksam, denen er sogleich nachfolgt. Kurze Zeit später trifft er auf Sigune, die wehklagend ihren toten Geliebten im Schoß hält. Die Trauer um den Ritter Schianatulande scheint sie zu überwältigen. Ihre Verzweiflung spiegelt ihre tiefe Liebe wieder. Der Tod nahm ihr nicht nur den Geliebten sondern auch all ihre Hoffnung auf persönliches Glück. Da er im Dienst um sie sein Leben ließ klagt sie sich schließlich selbst an.
ich hete kranke sinne, | Schwachsinnig war ich, |
daz ich im niht minne gap: | daß ich ihm nicht Liebe geben wollte! |
des hât der sorgen urhap | So hat denn der erste Grund allen Leids |
mir freude verschrôten: | auch mein Glück zerhauen. |
nu minne i´n alsô tôten. | Jetzt bin ich die Geliebte dieses Toten. |
(Pz. 141,20-24)
Diese Selbstvorwürfe Sigunes steigern sich zu Selbsthass, der zerstörerische Züge annimmt:
dâ brach frou Sigûne | Da riß die edle Sigûne |
ir langen zöpfe brûne | ihre langen Zöpfe, die braunen, |
vor jâmer ûzer swarten. | vor Jammer aus der Kopfhaut |
(Pz. 138, 17-19)
Auffällig ist bereits in dieser ersten Szene Sigunes besondere Art der minne und triuwe. Ihre Liebe überdauert den Tod und somit wird sie zur „Geliebten des Toten“ (Pz. Übersetzung: 141, 23-24) und sagt wie selbstverständlich: „Nu minne i´n alsô tôten." (Pz. 141, 23-34) Als Parzival verkündet den Tod Schianatulanders rächen zu wollen, weißt sie ihm die falsche Richtung, weil sie um sein Leben fürchtet und nicht noch einen Toten beklagen möchte, der für sie das Leben ließ. Gleichzeitig verneint sie somit auch jede Art von Tröstung und verhindert dadurch die Linderung ihres Leids, sodass sie sich weiterhin völlig dem Schmerz und der Kasteiung hingeben kann. Desweiteren tritt Sigune als eine Art Wegweiserin in Parzivals Leben und ermöglicht ihm den „ersten Schritt zur Selbsterkenntnis“ [1] . Parzival erfährt von ihr seinen Namen und seine Herkunft, somit ebenfalls, dass Sigune seine Cousine ist und er Erbe dreier Königreiche.
Sigune auf der Linde (Pz. 249,11 – 255,30) Als Parzival das zweite Mal Sigune begegnet erkennt er sie nicht wieder, da sie durch das große Leid, welches sie als von Gott gesandt ansieht (Pz. 252, 20-22), ihre Schönheit verlor. Es wird ein weiteres Mal deutlich wie sehr sie sich der Klage um Schianatulander hingibt, wodurch wiederum ihre ewige Treue als eine der wichtigen Charaktereigenschaften hervortritt. Diese ewige Treue ist auch Grund dafür, dass sie das Angebot Parzivals den Leichnam zu begraben, ausschlägt. Sie vermag es noch nicht sich von ihrem Geliebten trennen. Bezeichnend ist allerdings, dass sie trotz ihres großen Leids zu enormer Nächstenliebe in der Lage ist. Sie bringt ihr tiefes Mitleid gegenüber dem schwer kranken Anfortas zum Ausdruck und sagt, dass das einzige was ihr noch Freude bereiten könnte die Erlösung Anfortas von seinem Leid wäre. Als sie dann allerdings erfährt, dass Parzival es versäumte Anfortas die erlösende Frage zu stellen, wirft sie ihm Feigheit vor und verflucht ihn als ehrlosen Mann. Die bisher als vom Leid überwältigte, seelisch erschütterte junge Frau zeigt hier, zu welcher Boshaftigkeit und Stärke sie in der Lage ist.
Sigune als Klausnerin (Pz. 435,1 – 442,26) Bei der dritten Begegnung erscheint Sigune als Klausnerin. Die Jahre in Trauer und asketischem Dasein nahmen ihre all ihre Schönheit, sodass Parzival sie anfangs nicht wiedererkennt. Sie hat Schionatulander in der Klause begraben und verbringt die Tage betend über den Sarg gebeugt, verharrt somit in ihrer Trauer und völliger Hingabe zu Gott. Durch das Begräbnis scheint sich Sigune nun mit dem Tod ihres Geliebten zu arrangieren und sucht nun Trost im Gebet. Doch, ob sie auf durch die Zuwendung zu Gott auf der Suche nach Heilung ihrer Trauer ist, ist fraglich, da sie sich parallel völlig aus dem gesellschaftlichen Leben zurückgezogen hat und jedem irdischen Glück widersagt. Auch ihre Schönheit, welche als Merkmal einer lebensbejahenden Einstellung angesehen werden kann, verlor Sigune im Laufe der Zeit. (Pz. 435, 25-30) Auch nach Jahren hält sie fest an der Liebe zu Schionatulander und bleibt ihm über den Tod hinaus treu. Sie scheint sich ihm auch der Liebe schuldig zu fühlen, die sie ihm zu Lebzeiten nicht gewährte, wobei er wiederum um der Liebe Willen für sie starb. (Pz. 436, 1-3). Als Zeichen ihrer Treue trägt sie noch immer den Verlobungsring, der für sie auch vor Gott die Ehe zu Schionatlunder besiegelt. Sigune stellt ihre ewige Treue allerdings nicht nur als freie Entscheidung dar, sondern der Ring fesselt sie an die Trauer, die dadurch passive Züge erhält. (Pz. 440, 15-16) Schließlich vergibt Sigune, die Parzival bei ihrer letzten Begegnung verfluchte, ihrem Cousin und wünscht ihm Gottes helfende Hand auf seinem weiteren Weg. Sie rät ihm Cundrie zu nachzureiten, unterstützt Parzival somit bei seiner Suche und beeinflusst somit wieder als Beraterin Parzivals folgende Handlung.
Sigunes Tod Auf dem Weg nach Munsalvaesche fragt Parzival, der erst kürzlich zum Gralsritter berufen worden ist, die Gralsritter, welch ihn begleiten, nach der Klausnerin Sigune. Tatsächlich, so sagen sie, wohne sie noch immer dort in dieser Klause. Sie bewundern Sigune für ihre Treue und loben sie als rehter güete ein arke (Prz. 804, 16). Als Parzival und seine Begleiter daraufhin die Klause aufsuchen, finden sie Sigune tot auf, in kniender Haltung vor dem Sarg ihres Geliebten. „Sigune ist ihrem Geliebten nachgestorben“ (Bumke 2004) und findet somit der sêle ruowe (Pz. 499, 30). Parzival lässt das Grab Schionatulanders aufbrechen Sigunes neben seinen Leichnam legen. So sind die Liebenden im Tode wiedervereint.
<references>
- ↑ Bumke, 2004: S.58