Geschlechterrollen (Wolfram von Eschenbach, Parzival): Unterschied zwischen den Versionen

Aus MediaeWiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Keine Bearbeitungszusammenfassung
Keine Bearbeitungszusammenfassung
Zeile 24: Zeile 24:


Mit diesem Satz beansprucht er als Erzähler einen Einblick in das Wesen der Frau [Emmerling 2003: vgl. S. 158]. Gemau diese Individualität des Wesens ist programmatisch und neu in Wolframs Roman. Er gesteht weiblichen Figuren durchaus handlungstragende Rollen zu, wie sie bereits etwa bei Hartman Aue zu finden sind [Emmerling 2003: vgl. S. 167f.], geht aber sogar noch einen Schritt weiter. Er gibt seinen Frauenfiguren "den Raum, ihre eigenen Lebensvorstellungen, vor allem im Bereich der Minne, zu entfalten." [Emmerling 2003: S. 168]
Mit diesem Satz beansprucht er als Erzähler einen Einblick in das Wesen der Frau [Emmerling 2003: vgl. S. 158]. Gemau diese Individualität des Wesens ist programmatisch und neu in Wolframs Roman. Er gesteht weiblichen Figuren durchaus handlungstragende Rollen zu, wie sie bereits etwa bei Hartman Aue zu finden sind [Emmerling 2003: vgl. S. 167f.], geht aber sogar noch einen Schritt weiter. Er gibt seinen Frauenfiguren "den Raum, ihre eigenen Lebensvorstellungen, vor allem im Bereich der Minne, zu entfalten." [Emmerling 2003: S. 168]
Ein Beispiel hierfür kann der Charakter der [[Orgeluse (Wolfram von Eschenbach, Parzival)|Orgeluse]] sein. Diese äußerst selbstbewusst und stark auftretende Frauenfigur vermag es, nachdem ihr Mann Cidegast von [[Gramoflanz (wolfram von Eschenbach,Parzival)|Gramoflanz]]ermordet worden ist ohne Ehemann ihre Herrschaft zu behaupten (siehe hier auch den Artikel [[Orgeluse (Wolfram von Eschenbach, Parzival)|Orgeluse]]). So hat Orgeluse keinerlei Hemmungen zur Erreichung ihrer Ziele alle Mittel anzuwenden, die ihr als richtig erscheinen. Dazu zählt vor allem auch der Minnedienst verschiedener Ritter, unter anderem auch der [[Gawan (Wolfram von Eschenbach, Parzival)|Gawans]], ihres späteren Ehemanns. Gerade in der Episode mit Gawan wird deutlich wie selbstbewusst und unhöfisch,geradezu frech sich Orgeluse gegenüber dem großen Ritter verhält. Der Erzähler fasst es so:
Ein Beispiel hierfür kann der Charakter der [[Orgeluse (Wolfram von Eschenbach, Parzival)|Orgeluse]] sein. Diese äußerst selbstbewusst und stark auftretende Frauenfigur vermag es, nachdem ihr Mann Cidegast von [[Gramoflanz (wolfram von Eschenbach,Parzival)|Gramoflanz]]ermordet worden ist ohne Ehemann ihre Herrschaft zu behaupten (siehe hier auch den Artikel [[Orgeluse (Wolfram von Eschenbach, Parzival)|Orgeluse]]). So hat Orgeluse keinerlei Hemmungen zur Erreichung ihrer Ziele alle Mittel anzuwenden, die ihr als richtig erscheinen. Dazu zählt vor allem auch der Minnedienst verschiedener Ritter, unter anderem auch der [[Gawan (Wolfram von Eschenbach, Parzival)|Gawans]], ihres späteren Ehemanns. Gerade in der Episode mit Gawan wird deutlich wie selbstbewusst und unhöfisch, geradezu frech sich Orgeluse gegenüber dem großen Ritter verhält. Der Erzähler fasst es so:


{|
{|
Zeile 61: Zeile 61:


516,15-20  
516,15-20  
Nichtsdestotrotz spielen auch bei Wolfram Werte wie die ''triuwe'' gerade auch für Frauenfiguren eine wichtige Rolle. Diese kann jedoch sehr unterschiedliche Ausprägungen annehmen. So besteht die Treue Orgeluses darin, dass ihr Hass gegenüber Gramoflanz seine Wurzel in dem Mord an ihrem Gatten Cidegast hat. Noch lange nach dessen Tod strebt Orgeluse danach ihn zu rächen und geht auch vorerst keine neue Ehe ein. Ganz anders geartet ist die Treue von [[Condwiramurs (Wolfram von Eschenbach, Parzival)|Condwiramurs]], die mit scheinbar endloser Geduld auf ihre Ehemann Parzival wartet. Weitere Beispiele für unterschiedliche Ausgestaltungen der ''triuwe'' bei Wolfram können die Charaktere [[Sigune (Wolfram von Eschenbach, Parzival)|Sigune]] und [[Antikonie (Wolfram von Eschenbach, Parzival)|Antikonie]] sein [Emmerling 2003: vgl. S. 168f.]. Auch Figuren wie die [[Die Gralsbotin Cundrîe|Gralsbotin Cundrie]], die komisch-absurd wirkend, in ihrem Aussehen als tierisch beschrieben wird, Parzival gegenüber anklagend auftritt (vgl. 316ff.), stärken das Modell einer individuelleren und selbstbewussteren Frauenkonzeption im Gegensatz zu anderen, mit Wolfram vergleichbaren Autoren.


==Die Konzeption des Männerbildes==
==Die Konzeption des Männerbildes==

Version vom 25. Juni 2012, 17:00 Uhr

Dieser Artikel behandelt die Geschlechterrollen in Wolframs von Eschenbach Roman Parzival. Die Konzeption von Frauen-, Männer- und Beziehungsbild soll unter Berücksichtigung der Rolle der Minne in einer überblicksartigen Darstellung analysiert und anhand von Beispielen interpretiert werden.

Das Konzeption des Frauenbildes

Das Konzeption des Frauenbildes bei Wolfram wird in der Wissenschaft immer wieder als besonders bemerkenswert eingestuft. Das liegt vor allen Dingen darin begründet, dass er sich deutlich von dem typischen Frauenbild des Minnesanges gelöst hat. Im Minnesang trugen Frauengestalten oftmals keine, oder nur kaum merkliche individuelle charakterliche oder äußerliche Züge. Vielmehr als Individuen stellten sie "letztlich nichts anderes als poetische Abstraktionen erwünschter Verhaltensweisen" dar [Schweikle 1995: S. 182]. Von diesem Bild distanziert sich Wolfram, wenn er betont:

ine hân des niht vergezzen,

__________

Und es ist ja auch nicht so,

ine künne wol gemezzen,

__________

dass ich etwas das Maß verlegt hätte,

beide ir bærde unt ir site.

__________

Sitten und Betragen einer Frau recht zu beurteilen.

Mit diesem Satz beansprucht er als Erzähler einen Einblick in das Wesen der Frau [Emmerling 2003: vgl. S. 158]. Gemau diese Individualität des Wesens ist programmatisch und neu in Wolframs Roman. Er gesteht weiblichen Figuren durchaus handlungstragende Rollen zu, wie sie bereits etwa bei Hartman Aue zu finden sind [Emmerling 2003: vgl. S. 167f.], geht aber sogar noch einen Schritt weiter. Er gibt seinen Frauenfiguren "den Raum, ihre eigenen Lebensvorstellungen, vor allem im Bereich der Minne, zu entfalten." [Emmerling 2003: S. 168] Ein Beispiel hierfür kann der Charakter der Orgeluse sein. Diese äußerst selbstbewusst und stark auftretende Frauenfigur vermag es, nachdem ihr Mann Cidegast von Gramoflanzermordet worden ist ohne Ehemann ihre Herrschaft zu behaupten (siehe hier auch den Artikel Orgeluse). So hat Orgeluse keinerlei Hemmungen zur Erreichung ihrer Ziele alle Mittel anzuwenden, die ihr als richtig erscheinen. Dazu zählt vor allem auch der Minnedienst verschiedener Ritter, unter anderem auch der Gawans, ihres späteren Ehemanns. Gerade in der Episode mit Gawan wird deutlich wie selbstbewusst und unhöfisch, geradezu frech sich Orgeluse gegenüber dem großen Ritter verhält. Der Erzähler fasst es so:

Orgelûs diu rîche,

__________

Es war nicht lieb von der reichen Orgeluse,

fuor ungeselleclîche:,

__________

wie sie mit ihm umsprang:

zuo Gâwân si kom geriten

__________

Sie ritt nun zu Gawan hin,

mit alsô zornlîchen siten,

__________

aber sie war so hässlich zu ihm,

daz ich michs wênec trôste

__________

dass ich an seiner Stelle mir wenig Hoffnungen gemacht hätte,

daz si mich von sorgen lôste.

__________

sie könnte mich erlösen von meinen Leiden.


516,15-20

Nichtsdestotrotz spielen auch bei Wolfram Werte wie die triuwe gerade auch für Frauenfiguren eine wichtige Rolle. Diese kann jedoch sehr unterschiedliche Ausprägungen annehmen. So besteht die Treue Orgeluses darin, dass ihr Hass gegenüber Gramoflanz seine Wurzel in dem Mord an ihrem Gatten Cidegast hat. Noch lange nach dessen Tod strebt Orgeluse danach ihn zu rächen und geht auch vorerst keine neue Ehe ein. Ganz anders geartet ist die Treue von Condwiramurs, die mit scheinbar endloser Geduld auf ihre Ehemann Parzival wartet. Weitere Beispiele für unterschiedliche Ausgestaltungen der triuwe bei Wolfram können die Charaktere Sigune und Antikonie sein [Emmerling 2003: vgl. S. 168f.]. Auch Figuren wie die Gralsbotin Cundrie, die komisch-absurd wirkend, in ihrem Aussehen als tierisch beschrieben wird, Parzival gegenüber anklagend auftritt (vgl. 316ff.), stärken das Modell einer individuelleren und selbstbewussteren Frauenkonzeption im Gegensatz zu anderen, mit Wolfram vergleichbaren Autoren.

Die Konzeption des Männerbildes

Die Konzeption der Beziehungen

Die Rolle der minne

Quellenachweise

<HarvardReferences /> [*Schweikle 1995] Schweickle, Günther: Minnesang (= SM 244), Stuttgart 1995. <HarvardReferences /> [*Emmerling 2003] Emmerling, Sonja: Geschlechterbeziehungen in den Gawan-Büchern des Parzival. Wolframs Arbeit an einem literarischen Modell, Tübingen 2003.