Benutzer:V.eberh: Unterschied zwischen den Versionen
Zur Navigation springen
Zur Suche springen
(76 dazwischenliegende Versionen desselben Benutzers werden nicht angezeigt) | |||
Zeile 1: | Zeile 1: | ||
== Übersetzung: Winterlied 10 (Neidhart) == | = Übersetzungen HS "Neidhart und seine Follower" = | ||
== Übersetzung 1: Winterlied 10 (Neidhart) == | |||
{| | {| | ||
|- | |- | ||
! Mittelhochdeutsch !! Übersetzung | ! Mittelhochdeutsch !! Übersetzung | ||
|- | |||
| <br/ > | |||
|- | |- | ||
| I | | I | ||
Zeile 19: | Zeile 22: | ||
| der herre Gunderam: || dem Herrn Gunderam Kummer: | | der herre Gunderam: || dem Herrn Gunderam Kummer: | ||
|- | |- | ||
| der muose ouch sîn gestränze || Denn dieser musste auch seine | | der muose ouch sîn gestränze || Denn dieser musste auch seine Angeberei | ||
|- | |- | ||
| dô lâzen under wegen. || aus diesem Grund sein lassen. | | dô lâzen under wegen. || aus diesem Grund sein lassen. | ||
Zeile 27: | Zeile 30: | ||
| œder gouch ist in dem lande ninder; || Einen törichteren Dummkopf gibt in dem Land nicht; | | œder gouch ist in dem lande ninder; || Einen törichteren Dummkopf gibt in dem Land nicht; | ||
|- | |- | ||
|sîn rûmegazze kaphet zallen zîten wol hin hinder.|| Sein Schwert | |sîn rûmegazze kaphet zallen zîten wol hin hinder.|| Sein Schwert/Gassenräumer gafft stets zum Hintern. | ||
|- | |- | ||
| <br/ > | |||
|- | |- | ||
|II | |II | ||
Zeile 36: | Zeile 40: | ||
| wunder dâ begât, || für Unvorstellbares herausnahm, | | wunder dâ begât, || für Unvorstellbares herausnahm, | ||
|- | |- | ||
| ê daz mîn vrouwe Schelle || bevor meine | | ê daz mîn vrouwe Schelle || bevor meine Dame Glocke | ||
|- | |- | ||
| volende ir gebot! || | | volende ir gebot! || ihre Anweisung vollbrachte. | ||
|- | |- | ||
| erst vil unbescheiden,|| Er ist sehr unverschämt, | | erst vil unbescheiden,|| Er ist sehr unverschämt, | ||
Zeile 44: | Zeile 48: | ||
| wan swelhe er bestât || denn jede, der er nahe steht, | | wan swelhe er bestât || denn jede, der er nahe steht, | ||
|- | |- | ||
| diu wirt von slegen helle || die wird durch Schläge | | diu wirt von slegen helle || die wird bleich durch Schläge | ||
|- | |- | ||
| und mîdende den spot; || und | | und mîdende den spot; || und zieht sich daraufhin von Verspottung zurück. | ||
|- | |- | ||
|dâ von lâzen alle ir smutzmunden, || Aus diesem Grund sollen alle ihr Schmunzeln lassen, | |dâ von lâzen alle ir smutzmunden, || Aus diesem Grund sollen alle ihr Schmunzeln lassen, | ||
Zeile 52: | Zeile 56: | ||
| des die jungen niht veheln erkunden! || das die Jungen nicht vergeben können! | | des die jungen niht veheln erkunden! || das die Jungen nicht vergeben können! | ||
|- | |- | ||
| des hât ir hant von solher meisterschefte dicke erphunden || Dafür hat ihre Hand wiederholt Gewalt erfahren. | | des hât ir hant von solher meisterschefte dicke erphunden || Dafür hat ihre Hand wiederholt Gewalt/Prügel erfahren. | ||
|- | |- | ||
| <br/ > | |||
|- | |- | ||
|III | |III | ||
Zeile 63: | Zeile 68: | ||
| mit einer samenunge, || mit einer Gesellschaft auf, | | mit einer samenunge, || mit einer Gesellschaft auf, | ||
|- | |- | ||
| den ich wol schaden gan. || der ich gewiss Schaden | | den ich wol schaden gan. || der ich gewiss Schaden wünsche. | ||
|- | |- | ||
| Werenbreht der lîret, || Werenbrecht spielt auf der Leier, | | Werenbreht der lîret, || Werenbrecht spielt auf der Leier, | ||
Zeile 75: | Zeile 80: | ||
| daz sich doch vil lîhte mac verrîden: || Das kann sich noch schnell verändern/ Das kann sich schnell alles wenden: | | daz sich doch vil lîhte mac verrîden: || Das kann sich noch schnell verändern/ Das kann sich schnell alles wenden: | ||
|- | |- | ||
| wellents ir getelse niht vermîden, || Wenn sie mit | | wellents ir getelse niht vermîden, || Wenn sie mit ihrer Zügellosigkeit nicht aufhören wollen, | ||
|- | |- | ||
| sich mugen zwêne an mîner weibelruoten wol versnîden. || so mögen sie sich zwei | | sich mugen zwêne an mîner weibelruoten wol versnîden. || so mögen sie sich zwei an meinem Gerichtsschwert gewiss schneiden/verletzen. | ||
|- | |- | ||
| <br/ > | |||
|- | |- | ||
| IV | | IV | ||
Zeile 94: | Zeile 100: | ||
| daz vor mir lægen dri. || dass drei vor mir lägen. | | daz vor mir lægen dri. || dass drei vor mir lägen. | ||
|- | |- | ||
| ich hielte ez âne wende, || Ich hielte | | ich hielte ez âne wende, || Ich hielte es für unveränderlich, | ||
|- | |- | ||
| verbüte ez einer vruo. || | | verbüte ez einer vruo. || es sei denn es würde jemand vorher unterbinden. | ||
|- | |- | ||
| sige und sælde hulfen mir gewinnen, || Sieg und Glück würden mir helfen zu gewinnen, | | sige und sælde hulfen mir gewinnen, || Sieg und Glück würden mir helfen zu gewinnen, | ||
Zeile 102: | Zeile 108: | ||
| daz si halbe müesen dan entrinnen. || sodass sie zur Hälfte davonlaufen müssen. | | daz si halbe müesen dan entrinnen. || sodass sie zur Hälfte davonlaufen müssen. | ||
|- | |- | ||
| nu ziehen ûf und lâzen in ir gogelheit zerinnen! || Nun | | nu ziehen ûf und lâzen in ir gogelheit zerinnen! || Nun zieht euren Einsatz und lasst eure Ausgelassenheit verrinnen! | ||
|- | |- | ||
| <br/ > | |||
|- | |- | ||
|V | |V | ||
|- | |- | ||
| Sîne weidegenge || Seine | | Sîne weidegenge || Seine Jagdausflüge, | ||
|- | |- | ||
| die verewent mich grâ || die lassen mich grau werden, | | die verewent mich grâ || die lassen mich grau werden, | ||
Zeile 113: | Zeile 120: | ||
| swenn er verwendeclîchen || immer wenn er hochmütig | | swenn er verwendeclîchen || immer wenn er hochmütig | ||
|- | |- | ||
| vür mîne vrouwen gât || | | vür mîne vrouwen gât || zu meiner Dame geht. | ||
|- | |- | ||
| trîbet erz die lenge, || Treibt er es in die Länge, | | trîbet erz die lenge, || Treibt er es in die Länge, | ||
Zeile 119: | Zeile 126: | ||
| bestât er danne dâ, || bleibt er dabei, | | bestât er danne dâ, || bleibt er dabei, | ||
|- | |- | ||
| man hilft im uz der kîchen, || man | | man hilft im uz der kîchen, || hilft man ihm bei dem Keuchen, | ||
|- | |- | ||
| daz er viel riuwuc stât, || sodass es | | daz er viel riuwuc stât, || sodass es schmerzerfüllt ist, | ||
|- | |- | ||
| er und etêlicher sîn geselle, || Er und seine treuen Gesellen, | | er und etêlicher sîn geselle, || Er und seine treuen Gesellen, | ||
Zeile 127: | Zeile 134: | ||
| den ich tanzent an ir habt ersnelle, || die ich tanzend an ihrer Hand erwische, | | den ich tanzent an ir habt ersnelle, || die ich tanzend an ihrer Hand erwische, | ||
|- | |- | ||
| des sî gewis, ich slahe in, daz sîn offen stât ein elle! || die können sich gewiss sein, dass ich so schlage, dass | | des sî gewis, ich slahe in, daz sîn offen stât ein elle! || die können sich gewiss sein, dass ich so schlage, dass ihr Arm offen klafft. | ||
|- | |- | ||
| <br/ > | |||
|- | |- | ||
| VI | | VI | ||
Zeile 140: | Zeile 148: | ||
| er zuhte ir einen bal. || da er ihr einen Ball entriss. | | er zuhte ir einen bal. || da er ihr einen Ball entriss. | ||
|- | |- | ||
| erst ein tœrscher leie; || Er ist ein törichter | | erst ein tœrscher leie; || Er ist ein törichter Dummkopf, | ||
|- | |- | ||
| sîn tumbelîcher muot || | | sîn tumbelîcher muot || seine törichter Gesinnung, | ||
|- | |- | ||
| der wirt im dâ bekrenket, || der wird gekränkt, | | der wirt im dâ bekrenket, || der wird gekränkt, | ||
Zeile 150: | Zeile 158: | ||
| hin und her sô vil gewentschelieren, || so umherstreichen will, | | hin und her sô vil gewentschelieren, || so umherstreichen will, | ||
|- | |- | ||
| er wirt wol zezeiset under vieren. || wird er | | er wirt wol zezeiset under vieren. || wird er gewiss zerzaust. | ||
|- | |- | ||
| her Werenbreht, waz mag ich des, wirt im der umberieren? || Herr Werenbrecht, was kann ich dafür, wenn für ihn etwas abfallen wird? | | her Werenbreht, waz mag ich des, wirt im der umberieren? || Herr Werenbrecht, was kann ich dafür, wenn für ihn etwas abfallen wird? | ||
|- | |- | ||
| <br/ > | |||
|- | |- | ||
| VIa | | VIa | ||
|- | |- | ||
| Die wîl ich die klingen || | | Die wîl ich die klingen || solange ich die Klingen | ||
|- | |- | ||
| um mîne sîten trage, || an meiner Seite | | um mîne sîten trage, || an meiner Seite trage, | ||
|- | |- | ||
| sô darf mir durch mîn sumber || damit mir niemand durch | | sô darf mir durch mîn sumber || damit mir niemand durch mein Geflecht | ||
|- | |- | ||
| niemen stechen nieht || stechen kann. | | niemen stechen nieht || stechen kann. | ||
Zeile 179: | Zeile 188: | ||
|daz im die hunt daz hirne ab der erde müezen naschen. || sodass ihm die Hunde seinen Kopf von der Erde naschen können. | |daz im die hunt daz hirne ab der erde müezen naschen. || sodass ihm die Hunde seinen Kopf von der Erde naschen können. | ||
|- | |- | ||
| <br/ > | |||
|- | |- | ||
| VIb | | VIb | ||
Zeile 186: | Zeile 196: | ||
| daz ich in hazzen wil || sodass ich ihn hassen will | | daz ich in hazzen wil || sodass ich ihn hassen will | ||
|- | |- | ||
| durch mînes neven willen, || um meines | | durch mînes neven willen, || um meines Verwandten willen, | ||
|- | |- | ||
| des neven er beschalt. || dessen | | des neven er beschalt. || dessen Verwandte er beleidigt. | ||
|- | |- | ||
| lieze ers unbetzungen: || Ließe er es unbekümmert: | | lieze ers unbetzungen: || Ließe er es unbekümmert: | ||
|- | |- | ||
| es ist im gar ze vil. || ist es ihm gar zu viel. | | es ist im gar ze vil. || ist es ihm gar zu viel. (Über seine Möglichkeiten) | ||
|- | |||
| enpflæge er sîner grillen || Entziehe er sich seiner Grille | |||
|- | |||
| und het ouch der gewalt! || und auch der Gewalt! | |||
|- | |||
| ez ist ein schelten, daz mich freuden letzet. || Es ist ein Ärgernis, das mich meiner letzten Freude beraubt. | |||
|- | |||
| wirt diu weibelruote mir gewetzet, || Wird das Gerichtsschwert mir geschliffen, | |||
|- | |||
| ich trenne in ûf, daz man wol einen sezzel in in setzet.|| so schneide ich ihn so auf, dass man einen Sessel in ihn setzen kann. | |||
|} | |||
== Übersetzung 2: Sommerlied 4 (Neidhart) == | |||
{| | |||
! Mittelhochdeutsch !! Übersetzung | |||
|- | |||
| <br/ > | |||
|- | |||
| I | |||
|- | |||
| Heid, anger, walt in fröuden stât; || Heide, Anger, Wald im fröhlichen Zustand; | |||
|- | |||
| diu hânt sich bereitet mit ir besten wât, || sie sind mit ihrem besten Gewand geschmückt, | |||
|- | |||
| die in der meie hât gesant.|| die ihnen der Mai gegeben hat. | |||
|- | |||
| sî wir alle || Sie und wir alle | |||
|- | |||
| frô mit schalle! || Froh mit Jubel! | |||
|- | |||
| sumer ist komen in diu lant. || Der Sommer ist ins Land gekommen. | |||
|- | |||
| <br/ > | |||
|- | |||
| II | |||
|- | |||
| Wol ûz der stuben, ir stolzen kint, || Hinaus aus der Stube, ihr prächtigen Kinder, | |||
|- | |||
| lât iuch ûf der strâze sehen! hin ist der scherfe wint || lasst euch auf der Straße sehen! Der starke Wind ist fort | |||
|- | |||
| unde ouch der viel kalte snê. || und auch der sehr kalte Schnee. | |||
|- | |||
| hebt iuch balde || Brecht bald | |||
|- | |||
| zuo dem walde! || zum Wald auf! | |||
|- | |||
| vogelîn singent, den was wê. || Die Vögelchen singen sonst Wehklagen. | |||
|- | |||
| <br/ > | |||
|- | |||
| III | |||
|- | |||
| Diu sint ergetzet leides gar. || Sie sind vom Leid entschädigt. | |||
|- | |||
| ir sult mirz gelouben! nemt sîn selbe war, || Ihr sollt es mir es mir glauben! Nehmt selbst wahr, | |||
|- | |||
| waz der sumer erzeiget hât! || was der Sommer geleistet hat! | |||
|- | |||
| er wil rîchen || Er will | |||
|- | |||
| sicherlîchen || gewiss | |||
|- | |||
| manegen boum mit louber wât. || zahlreiche Bäume mit einem Laubgewand schmücken. | |||
|- | |||
| <br/ > | |||
|- | |||
| IV | |||
|- | |||
| Die nû vor grôzen huote megen, || Die nun großen Schutz haben wollen, | |||
|- | |||
| die suln balde ir bestez vîrtacgwant an legen, || die sollen bald ihr bestes Festtagsgewand anlegen, | |||
|- | |||
| lâzen sich dar inne ersehen! || und sich darin sehen lassen! | |||
|- | |||
| wir suln schouwen || Wir sollen | |||
|- | |||
| vor den ouwen || auf den Wiesen erblicken, | |||
|- | |||
| maneger hande bluomen brehen.|| wie Hände zahlreiche Blumen brechen/pflücken. | |||
|- | |||
| <br/ > | |||
|- | |||
| V | |||
|- | |||
| Swie Riuwental mîn eigen sî, || Auch wenn Reuental mein Eigen sei, | |||
|- | |||
| ich bin disen sumer aller sorgen frî, || bin ich diesen Sommer von allen Sorgen befreit, | |||
|- | |||
| sît der winter ist dâ hin. || seitdem der Winter vergangen ist. | |||
|- | |||
| ich wil êren || Ich will | |||
|- | |||
| die jungen êren || die Jungen | |||
|- | |||
| freude: dar nâch stêt mîn sin. || die Freude lehren: Danach steht mir der Sinn. | |||
|} | |||
== Übersetzung 3: Sommerlied 18 (Neidhart) == | |||
{| | |||
! Mittelhochdeutsch !! Übersetzung | |||
|- | |||
| <br/ > | |||
|- | |||
| I | |||
|- | |||
| "Uns wil ein sumer komen", || "Der Sommer wird bald kommen", | |||
|- | |||
| sprach ein magt: "jâ hân ich den von Riuwental vernomen. || sprach ein Mädchen: "Ja, das habe ich von Reuental gehört. | |||
|- | |||
| jâ wil ich in loben. || Ja, ich will ihn loben. | |||
|- | |||
| mîn herze spilt gein im vor vreuden, als ez welle toben. || Mein Herz springt wegen ihm so vor Freunde, als ob es toben wollen würde. | |||
|- | |||
| ich hœr in dort singen vor den kinden. || Ich höre ihn dort vor den Kindern singen. | |||
|- | |||
| jâne wil ich nimmer des erwinden, || Damit will ich nicht mehr aufhören, | |||
|- | |||
| ich springe an sîner hende zuo der linden." || ich springe an seiner Hand zu den Linden." | |||
|- | |||
| <br/ > | |||
|- | |||
| II | |||
|- | |||
| Diu muoter rief ir nâch; || Die Mutter rief ihr hinterher; | |||
|- | |||
| sî sprach : "tohter, volge mir, niht lâ dir wesen gâch! || Sie sprach: "Tochter, folge mir, handle nicht so voreilig!" | |||
|- | |||
| weistû, wie geschach || Weißt du, was | |||
|- | |||
| dîner spielen Jiuten vert, alsam ir eide jach? || sowohl deiner tanzenden Jiuten als auch ihrer Mutter widerfahren ist? | |||
|- | |||
| der wuohs von sînem reien ûf ir wempel, || Der wuchs durch seine Reientänze der Bauch | |||
|- | |||
| und gewan ein kint, daz hiez si lempel: || und sie bekam ein Kind, das sie Lempel nannte: | |||
|- | |||
| alsô lêrte er sî den gimpelgempel." || So lehrte er sie den Gimpelgempel." | |||
|- | |||
| <br/ > | |||
|- | |||
| III | |||
|- | |||
| "Muoter, lât iz sîn! || "Mutter, lass das sein! | |||
|- | |||
| er sante mir ein rôsenschapel, daz het liehten schîn, || Er schickte mir einen Rosenkranz, der einen leuchtenden Schein | |||
|- | |||
| ûf daz houbet mîn, || auf meinem Kopf hat, | |||
|- | |||
| und zwêne rôten golzen brâhte er her mir über Rîn: || und zwei rote Strümpfe brachte er mir über den Rhein: | |||
|- | |||
| die trag ich noch hiwer an mînem beine. || die trage ich noch heute an meinen Beinen. | |||
|- | |||
| des er mich bat, daz weiz ich niewam eine. || Um was er mich bat, das weiß nur ich allein. | |||
|- | |||
| jâ volge ich iuwer ræte harte kleine." || Ja, deshalb werde ich eurem Rate überhaupt nicht folgen! | |||
|- | |||
| <br/ > | |||
|- | |||
| IV | |||
|- | |||
| Der muoter der wart leit, || Der Mutter war es leid, | |||
|- | |||
| daz diu tohter niht enhôrte, daz si ir vor geseit; || dass ihre Tochter nicht darauf hörte, was sie ihr davor gesagt hatte; | |||
|- | |||
| iz sprach diu stolze meit: || So sprach das stolze Mädchen: | |||
|- | |||
| "ich hân im gelobt: des hât er mîne sicherheit. || "Ich habe es ihm versprochen: daher hat er mein Wort. | |||
|- | |||
| waz verliuse ich dâ mit mîner êren? || Warum sollte ich damit meine Ehre verlieren? | |||
|- | |||
| jâne wil ich nimmer widerkêren, || Ja, ich will niemals wieder zurückkommen, | |||
|- | |||
| er muoz mich sîne geile sprünge lêren." || er muss mir seine wilden Sprüngen beibringen." | |||
|- | |||
| <br/ > | |||
|- | |||
| V | |||
|- | |||
| Diu muoter sprach: "wol hin! || Die Mutter sprach: "Dann geh! | |||
|- | |||
| verstû übel oder wol, sich, daz ist dîn gewin: || dir wird es wohl oder übel ergehen, das ist dein Lohn: | |||
|- | |||
| dû hâst niht guoten sin. || Du hast keine gute Wahrnehmung. | |||
|- | |||
| wil dû mit im gein Riuwental dâ bringet er dich hin: || So wirst du mit ihm ins Reuental gehen, denn da bringt er dich hin: | |||
|- | |||
| alsô kan sîn treiros dich verkoufen. || So kann seine Melodie dich verkaufen. | |||
|- | |||
| er beginnt dich slahen, stôzen, roufen || Er beginnt dich zu schlagen, zu stoßen und zu prügeln | |||
|- | |||
| und müezen doch zwô wigen bî dir loufen." || und es müssen doch zwei Wiegen bei dir laufen." | |||
|} | |||
== Übersetzung 4: Winterlied 24 (Neidhart) == | |||
{| | |||
! Mittelhochdeutsch !! Übersetzung | |||
|- | |||
| <br/ > | |||
|- | |||
| I | |||
|- | |||
| Sumer, dîner süezen weter müezen wir uns ânen: || Sommer, wir müssen nun auf dein schönes Wetter verzichten; | |||
|- | |||
| dirre kalte winder trûren unde senen gît. || Der kalte Winter weckt Trauer und Sehnsucht nach dir. | |||
|- | |||
| ich bin ungetroestet von der lieben wolgetânen. || Ich werde nicht von der lieben Schönen getröstet. | |||
|- | |||
| wie sol ich vertrîben dise lange swaere zît, || Wie soll ich diese lange und schwere Zeit verbringen, | |||
|- | |||
| diu die heide velwet unde mage bluomen wolgetân? || die die Wiesen und die vielen schönen Blumen verwelken lässt? | |||
|- | |||
| dâ von sint die vogele in dem walde des betwungen, daz si ir singen müezen lân. || Davon werden die Vögel im Wald gequält, da sie ihr Singen lassen müssen. | |||
|- | |||
| <br/ > | |||
|- | |||
| II | |||
|- | |||
| Alsô hât diu vrouwe mîn daz herze mir betwungen, || Also hat mir die Dame mein Herz gebrochen, | |||
|- | |||
| daz ich âne vröude muoz verswenden mîne tage. || sodass ich meine Tage ohne Freude verstreichen lassen muss. | |||
|- | |||
| ez vervaehet niht, swaz ich ir lange hân gesungen; || Es war erfolglos, was auch immer ich ihr lange vorgesungen habe; | |||
|- | |||
| mir ist alsô maere, daz ich mêre stille dage. || Mir ist also egal, dass ich für länger still bin. | |||
|- | |||
| ich geloube niht, daz sî den mannen immer werde holt: || Ich glaube nicht, dass sie den Männern wieder hold wird: | |||
|- | |||
| wir verliesen, swaz wir dar gesingen unde gerûnen, ich und jener Hildebolt. || Wir verlieren, egal was wir singen und raunen, ich und jener Hildebolt. | |||
|- | |||
| <br/ > | |||
|- | |||
| III | |||
|- | |||
| Der ist nû der tumbist under geilen getelingen, || Der ist nun der Dümmste unter den fröhlichen Gesellen, | |||
|- | |||
| er und einer, nennet man den jungen Willegêr: || er und einer, den man den jungen Willegêr nennt: | |||
|- | |||
| den enkunde ich disen sumer nie von ir gedringen, || Den konnte ich diesen Sommer nicht von ihr verdrängen, | |||
|- | |||
| sô der tanz gein âbent an der strâze gie entwer. || als der Tanz gegen Abend auf der Straße (draußen) hin und her ging. | |||
|- | |||
| mangen twerhen blic den wurfen sî mich mit den ougen an, || Manchen schiefen Blick warfen sie mir mit den Augen zu, | |||
|- | |||
| daz ich sunder mînes guoten willen vor in beiden ie ze sweime muose gân. || sodass ich gegen meinen guten Willen/meine gute Absicht gehen musste. | |||
|- | |||
| <br/ > | |||
|- | |||
| IV | |||
|- | |||
| Wê, daz mich sô manger hât von lieber stat gedrungen || Wehe, dass mich so mancher von dem lieben Ort verdrängt hat | |||
|- | |||
| beidiu von der guoten unde ouch wîlent anderswâ! || sowohl von diesem Guten als auch einst von woanders! | |||
|- | |||
| oedelîchen wart von in ûf mînen tratz gesprungen. || Widerlich war ihr Tanz, was mir missfällt. | |||
|- | |||
| ir gewaltes bin ich vor in mînem schophe grâ. || Wegen ihrer Gewalt wird mein Haar ganz grau. | |||
|- | |||
| doch sô neic diu guote mir ein lützel über schildes rant. || Doch so neigte sich mir die Gute ein wenig über den Rand ihres Schildes. | |||
|- | |||
| gerne mugt ir hoeren, wie die dörper sint gekleidet: üppiclîch ist ir gewant. || Gern könnt ihr hören, wie die Bauern gekleidet sind: Übertrieben ist ihr Gewand. | |||
|- | |||
| <br/ > | |||
|- | |||
| V | |||
|- | |||
| Enge röcke tragent sî und smale schaperûne, || Enge Westen und schmale Mäntel tragen sie, | |||
|- | |||
| rôte hüete, rinkelohte schuohe, swarze hosen. || rote Hüte, Schnallenschuhe, schwarze Hosen. | |||
|- | |||
| Engelmâr getet mir nie sô leide an Vriderûne, || Engelmâr und Vriderûne haben mir nie so ein Leid angetan, | |||
|- | |||
| sam die zwêne tuont. ich nîde ir phellerîne phosen, || wie es die beiden machen. Ich hasse ihre seidenen Gürteltaschen, | |||
|- | |||
| die si tragent: dâ lît inne ein wurze, heizet ingewer. || die sie tragen: darinnen ist eine Würzel, die Ingwer heißt. | |||
|- | |||
| der gap Hildebolt der guoten eine bî dem tanze; die gezuhte ir Willegêr.|| Die gab Hildebolt der Guten beim Tanz, die ihr Willegêr wegnahm. | |||
|- | |||
| <br/ > | |||
|- | |||
| Va | |||
|- | |||
|Gern west ich, wie es die torpper vnter einander trachten. || Gerne wüsste ich, wie sich die Bauern untereinander anziehen. | |||
|- | |||
|sie trugen peckkelhauben, darczu lange swert. || Sie trugen Pickelhauben und dazu lange Schwerter. | |||
|- | |||
| ir spottigkeit, ir laster sie gar zu laster brachten: || Ihr Spotten und ihre Laster brachten gar Schande: | |||
|- | |||
| des wurdens durch die goller mer denn halb gewert || aus diesem Grund wurden sie durch ihre Späße noch mehr verdorben. | |||
|- | |||
| sie stritten mit einander einen ganczen summer langen tag. || Sie stritten miteinandern einen ganzen langen Sommertag. | |||
|- | |||
| das ir geläße sahe herre Neithart, do er in dem vas bey dem wein lag. || Dieses Benehmen sah Neidhart, als der in dem Weinfass lag. | |||
|- | |||
| <br/ > | |||
|- | |||
| VI | |||
|- | |||
| Sagte ich nû diu maere, wie siz mit ein ander schuofen, || Berichtete ich nun die Geschichte, wie sie miteinander sind, | |||
|- | |||
| des enweiz ich niht: ich schiet von danne sâ zehant. || dann würde ich lügen: Ich machte mich schnell davon. | |||
|- | |||
| manneglîch begunde sînen vriunden vaste ruofen; || Alle fingen an, ihre Freunde laut zu rufen; | |||
|- | |||
| einer der schrê lûte: „hilf, gevater Weregant!“ || einer schrie laut: "Hilfe, Gevatter Weregant!" | |||
|- | |||
| er was lîhte in grôzen noeten, dô er sô nâch helfe schrê. || Er war in großer Not, als er so nach Hilfe schrie. | |||
|- | |||
| Hildeboldes swester hôrte ich eines lûte schrîen: „wê mir mînes bruoder, wê!“ || Hildebolds Schwester hörte den lauten Schrei: "Oh weh, mein Bruder, oh weh!" | |||
|- | |||
| <br/ > | |||
|- | |||
| VIa | |||
|- | |||
|Dô kam schiere ein geteline geloufen von dem strîte: || Da kam ein Bursche durch den Streit hergelaufen: | |||
|- | |||
|den frâgt ich der maere. "Willeher mit ellen streit. || den fragte ich nach der Geschichte. "Willeher streitet mit vollem Einsatz. | |||
|- | |||
| Hildeboltes schapperûn der ist zerzerret wîte || Hildebolts Mantel ist überall zerrissen | |||
|- | |||
| und dar zuo sîn enger roc wol drîer spannen breit." || und dazu ist seine enge Weste drei Spannen breit." | |||
|- | |||
| daz geschach umb eine wurzen, die man ûz der hende ir brach. || Das geschah wegen einer Wurzel, die man ihr aus den Händen riss. | |||
|- | |||
| des engalt vil mangiu spaehiu hûbe, die man bî dem tanze zerzerret ligen sach. || Das gilt vielen schönen Hauben, die man bei dem Tanz zerrissen liegen sah. | |||
|- | |||
| <br/ > | |||
|- | |||
| VII | |||
|- | |||
| Wâ bî sol man mîn geplätze hinne vür erkennen? || Wie soll man mein Gerede in Zukunft erkennen? | |||
|- | |||
| hie envor dô kande man iz wol bî Riuwental. || Früher kannte man es wohl unter dem Namen Reuental. | |||
|- | |||
| dâ von solde man mich noch von allem rehte nennen: || So sollte man mich zu Recht nennen: | |||
|- | |||
| nust mir eigen unde lêhen dâ gemezzen smal. || nur habe ich wenig Eigentum und Lehen. | |||
|- | |||
| kint, ir heizet iu den singen, der sîn nû gewaltic sî! || Kinder, heißt den singen, der am gewaltigsten sei! | |||
|- | |||
| ich bin sîn verstôzen âne schulde: mîne vriunt, nu lâzet mich des namen vrî! || Ich wurde ohne Schuld verstoßen: Meine Freunde, lasst mich von diesem Namen frei! | |||
|- | |||
| <br/ > | |||
|- | |||
| VIII | |||
|- | |||
| Ich hân mînes herren hulde vloren âne schulde: || Ich habe die Ehre meines Herrn ohne Schuld verloren: | |||
|- | |||
| dâ von so ist mîn herze jâmers unde trûrens vol. || Da ist mein Herz voll mit Jammer und Trauer. | |||
|- | |||
| rîcher got, nu rihte mirz sô gar nâch dîner hulde, || Reicher Gott, ich richte mich gar nach deiner Huld, | |||
|- | |||
| manges werden friundes daz ich mich des ânen sol! || lass mich Freunde finden, sodass ich mich daran erinnern soll! | |||
|- | |||
| des hân ich ze Beiern lâzen allez, daz ich ie gewan, || Das, was ich je gewann, habe ich alles in Bayern gelassen, | |||
|- | |||
| unde var dâ hin gein Ôsterrîche und wil mich dingen an den werden Ôsterman. || und ich will nach Österreich gehen und ein Mann werden. | |||
|- | |||
| <br/ > | |||
|- | |||
| IX | |||
|- | |||
| Mîner vînde wille ist niht ze wol an mir ergangen: || Meiner Freunde Willen ist mir nicht wohlergangen: | |||
|- | |||
| wolde ez got, sîn mähte noch vil lîhte werden rât. || Wollte es Gott, so könnte seine Macht etwas verhindern. | |||
|- | |||
| in dem lande ze OEsterrîche wart ich wol enphangen || In dem Land Österreich wurde ich wohl empfangen | |||
|- | |||
| von dem edeln vürsten, der mich nû behûset hât. || von dem edlen Fürst, der mich nun behütet hat. | |||
|- | |||
| hie ze Medelicke bin ich immer âne ir aller danc. || Hier in Melk bin ich immer mit all ihrem Dank. | |||
|- | |||
| mir ist leit, daz ich von Eppen und von Gumpen ie ze Riuwental sô vil gesanc. || Mir ist es leid, dass ich von Eppen und Gumpen im Reuental so viel gesungen habe. | |||
|- | |||
| <br/ > | |||
|- | |||
| IXa | |||
|- | |||
| Her Nîthart hât uns hie verlâzen als diu krâ den stecken, || Herr Neidhart hat uns hier verlassen, wie die Krähe den Stecken, | |||
|- | |||
| diu dâ hinne fliuget unde sitzet ûf ein sât. || die fliegt dahin und setzt sich auf einer Saat nieder. | |||
|- | |||
| ez sol ein man mit fremden frouwen niht ze vil gezecken, || Ein Mann soll mit fremden Damen nicht so viel herumnecken, | |||
|- | |||
| der der wâren schulde an sîner keine vunden hât. || der an seiner Frau keine Schuld findet. | |||
|- | |||
| er niez sîn tegelîche spîse (der hât er dâ heime genouc), || Er genießt seine tägliche Speise (von der er daheim genug hat), | |||
|- | |||
| lâz Hildebolten mit gemache! ez was ein eichel, die er bî im in dem biutel truoc. || lass Hildebolt in Ruhe! Es war eine Eichel, die er bei sich im Beutel trug. | |||
|- | |||
| <br/ > | |||
|- | |||
| X | |||
|- | |||
| Rädelohte sporen treit mir Fridepreht ze leide, || Radförmige Sporen trägt mir Fridedpreht zur Leide, | |||
|- | |||
| niuwen vezzel hât er baz dan zweier hende breit. || einen neuen Schhwertgurt hat er, mehr als zwei Hände breit. | |||
|- | |||
| rucket er den afterreif hin wider ûf die scheide, || Wenn er das Band wieder auf die Scheide rückt, | |||
|- | |||
| wizzet, mîne vriunde, daz is mir ein herzenleit! || wisset, meine Freunde, dass mir das ein Herzensleid ist! | |||
|- | |||
| zwêne niuwe hantschuoh er unz ûf den ellenbogen zôch. || Zwei neue Handschuhe zog er auf den Ellenbogen. | |||
|- | |||
| mugt ir hoeren, wie der selbe gemzinc von der lieben hiuwer ab dem tanze vlôch? || Möchtet ihr hören, wie derselbe Gemsbock von der Liebe dieses Jahr von dem Tanz floh? | |||
|- | |||
| <br/ > | |||
|- | |||
| Xa | |||
|- | |||
| Er gap versengelt wol, rehte als im waer an gebunden || Er liegt wohl, als ob ihm | |||
|- | |||
| ein swînes blâse, alsô man den wilden hunden tuot. || eine Schweinsblase angebunden worden wäre, so wie man es bei den wilden Hunden macht. | |||
|- | |||
| ofte brach er sînen zelt, als sî doch wol befunden, || Oft unterbrach er seinen Schritt, als sie ihn doch fanden, | |||
|- | |||
| Hatze und Pletze und jeniu ir gespile Hademuot. || Hatze und Pletze und jene Gespielin Hademuot. | |||
|- | |||
| frâget Engeltrûten, wiez laeg umbe ir bruoder Fridebreht! || Fragt Engeltrût, wie es um ihren Bruder Fridebreht steht! | |||
|- | |||
| "ach ach, er hât verrenket sich vor vorhte", alsô hât si mir geseit, "der toersche kneht." || Ach ach, er hat sich vor Furcht verrenkt"; so hat sie er mir gesagt, "der dumme Knabe." | |||
|- | |||
| <br/ > | |||
|- | |||
| Xb | |||
|- | |||
| Sach ab ieman jenen mit der gickelvêhen täcken? || Sah jemand jenen mit der bunten Decke? | |||
|- | |||
| die treget er ûf der hende und klopfet ûf sîn niuwez swert: || Die er in der Hand trägt und auf sein neues Schwert klopft: | |||
|- | |||
| dâ mite er uns des nahtes ab der gazzen wil erschrecken. || damit will er uns nachts auf den Straßen erschrecken. | |||
|- | |||
| der selbe dünket sich noch mêr dan drîer bônen wert, || Derselbe denkt, er wäre mehr als drei Bohnen wert, | |||
|- | |||
| als er danne gerûzet unde gedraeset, der vil übele man, || als er dann lärmt und schnaubt, der sehr üble Mann, | |||
|- | |||
| und im sîn täcke ringeleht erklinget dem gelîche, als er trage ein goller an. || und ihm ertönt seine ringelnde Decke, als ob er eine Schelle trage. | |||
|} | |||
== Übersetzung 5: Winterlied 13 (Neidhart) == | |||
{| | |||
! Mittelhochdeutsch !! Übersetzung | |||
|- | |||
| <br/ > | |||
|- | |||
| I | |||
|- | |||
| Wi überwinde ich beide || Wie überwinde ich beide | |||
|- | |||
| mîn líep ùnd die súmerzît? || meine Freude und die Sommerzeit? | |||
|- | |||
| ine kan die wolgetânen schiere niht verklagen. || Ich kann die Schönheiten nicht so rasch vergessen. | |||
|- | |||
| von sô grôzem leide, || durch so großes Leid, | |||
|- | |||
| mir ríuwe ầne vröude gît, || das mir freudlosen Schmerz bereitet | |||
|- | |||
| trûre ich wol von schulden nû ze disen trüeben tagen, || klage ich wohl mit Recht über diese trüben Tage, | |||
|- | |||
| di uns den winder kündent, der uns manger vröude roubet. || die uns der Winter verkündet, der uns mancher Freude beraubt. | |||
|- | |||
| sanges habent sich diu kleinen vogelîn geloubet: || Auf den Gesang haben die kleinen Vögelchen verzichtet: | |||
|- | |||
| alsô möhte ich wol mit minem sange stille dagen. || also möchte ich wohl meinen Gesang schweigen lassen. | |||
|- | |||
| <br/ > | |||
|- | |||
| II | |||
|- | |||
| Sol mich niht vervâhen || Sollten mich | |||
|- | |||
| mîn trốst ùnd mîn líeber wấn, || meine Hoffnung und meine liebe Zuversicht nicht erfolgreich sein lassen | |||
|- | |||
| sô enweiz ich, waz genâden ich mich trœsten mac. || so weiß ich nicht, was sich erbarmen und mir helfen vermag. | |||
|- | |||
| wol mac ir versmâhen || Sie möchte wohl | |||
|- | |||
| mîn díenèst, den ích ir hấn || meinen Dienst verschmähen, den ich ihr | |||
|- | |||
| lange her geleistet und des ie mit triuwen phlac. || lange geleistet habe und den ich mit Zuverlässigkeit ausübte. | |||
|- | |||
| alsô phlæge ichs immer gerne, möhte ich des geniezen, || So pflegte ich es immer gerne zu tun und möchte damit Erfolg haben, | |||
|- | |||
| sô daz mich die dörper mînes lônes iht verstiezen. || sodass mich die Bauern meines Lohnes nicht berauben. | |||
|- | |||
| des ist Uoze grîfic und sîn rûher schavernac. || Das ist der gierige Uoze und seine grobe Pelzmütze. | |||
|- | |||
| <br/ > | |||
|- | |||
| III | |||
|- | |||
| Engelwân und Uoze || Engelwar uns Uoze, | |||
|- | |||
| die zwéne sint mír geház || die beiden sind mir verhasst. | |||
|- | |||
| (schaden unde nîdes muoz ich mich von in versehen) || (Vor ihrem Schaden und ihrem Neid muss ich mich vorsehen) | |||
|- | |||
| und der geile Ruoze: || und der übermutige Ruoze: | |||
|- | |||
| wie tíuwer er sich vermáz, || wie erhaben er sich rühmte, | |||
|- | |||
| er bestüende mich durch sî! die drîe widerwehen || er fordert mich wegen ihr heraus! Die drei Widersacher | |||
|- | |||
| râtent unde brüevent, daz ich âne lôn belîbe. || planen un bewerten, sodass ich ohne Lohn bleibe. | |||
|- | |||
| niht envolge ir lêre, vrouwe, liebist aller wîbe! || Folge nicht ihrer Anweisung, Dame, Liebste aller Frauen! | |||
|- | |||
| lône mîner jâre; lâz in leit an mir geschehen! || Belohne meine Jahre; lass sie durch mich Leid erfahren! | |||
|- | |||
| <br/ > | |||
|- | |||
| IV | |||
|- | |||
| Vrouwe, dine güete || Dame, deine Güte, | |||
|- | |||
| di erkénne ìch sô mánicvált, || die ehre ich so vielfältig, | |||
|- | |||
| daz ich liebes lónes von dir noch gedingen hân. || sodass ich mir noch einen Liebeslohn von dir erhofft hatte. | |||
|- | |||
| daz mich ie gemüete, || Dass mich ihr Gemüt, | |||
|- | |||
| die spränzlèr und ír gewált, || die Pracht und ihre Macht | |||
|- | |||
| daz was mit den bluomen hin. nu wil mir Engelwân || das war er mit den Blumen hin. Nun will mich Engelwar | |||
|- | |||
| dîne hulde verren: daz im müeze misselingen, || deiner Gunst entziehen: Das muss ihm misslingen, | |||
|- | |||
| sô daz hundert swert ûf sînem kophe lûte erklingen! || sodass hundert Schwerter auf seinem Kopf laut erklingen! | |||
|- | |||
| snîdent sî ze rehte, sî zerüttent im den spân. || Schneidet sie zu Recht, sie verwüsten ihm die Glieder. | |||
|- | |||
| <br/ > | |||
|- | |||
| V | |||
|- | |||
| Seht an Engelwânen, || Sehr Engelwar an, | |||
|- | |||
| wie hóhe èr sîn hóubet tréit! || wie hoch er sein Haupt trägt! | |||
|- | |||
| swanne er mit gespannem swerte bî dem tanze gât, || Wenn er mit umgeschnalltem Schwert zu dem Tanze geht, | |||
|- | |||
| sô ist er niht âne || dann ist der nicht ohne | |||
|- | |||
| der vlæmischen höveschéit, || das flämische höfische Benehmen, | |||
|- | |||
| dâ sîn vater Batze wênic mit ze schaffen hât. || damit hat sein Vater Batze wenig zu schaffen. | |||
|- | |||
| nu ist sîn sun ein œder gouch mit siner rûhen hûben: || Nun ist sein Sohn ein dummer Narr mit seiner groben Haube: | |||
|- | |||
| ich gelîche sîn gephnæte ze einer saten tûben, || Ich vergleiche seine Aufgeblasenheit mit einer satten Taube, | |||
|- | |||
| diu mit vollem krophe ûf einem korenkasten stât.|| die mit einem vollen Hals/Schnabel auf einem Kornkasten steht. | |||
|- | |||
| <br/ > | |||
|- | |||
| VI | |||
|- | |||
| Swer in sîner tougen || Wer auch immer sein Geheimnis, | |||
|- | |||
| ie líep òde léit gewán, || ihre Freude oder ihr Leid gewöhnt ist, | |||
|- | |||
| dem sint mîne sorgen und mîn kumber wol bekant. || dem sind meine Sorgen und mein Kummer wohlbekannt. | |||
|- | |||
| sît ich minen ougen || Seit ich meinen Augen | |||
|- | |||
| den stîc nìht verbíeten kán, || den Weg nicht vorenthalten kann, | |||
|- | |||
| sî enblicken hin, dà Rouze tanzet an ir hant, || blicken sie hin, wo Ruoze an ihrer Hand tanzt, | |||
|- | |||
| sô verlâze ich kûme, deich mich selben niht enroufe: || deswegen verlasse ich ihn mühsam, damit ich denselben nicht verprügle: | |||
|- | |||
| solhen wehsel nement, die dâ minnent, an ir koufe. || Solchen Handel nehmen jene, die dort einen Minnedienst an ihr verdienen. | |||
|- | |||
| Minne, lâ mich vrî! mich twingent sêre dîniu bant. || Minne, lass mich frei! Mich bedrücken deine Leinen sehr. | |||
|- | |||
| <br/ > | |||
|- | |||
| VII | |||
|- | |||
| Minne, dîne snüere || Minne, deine Schnüre, | |||
|- | |||
| die twíngènt daz hérze mîn, || die bedrücken mein Herz, | |||
|- | |||
| daz ich hân ze strîte wider dich deheine wer. || sodass ich mich gegen dich zur Wehr setzte. | |||
|- | |||
| swie verholne ich rüere || Obwohl ich mich verborgen bewege, | |||
|- | |||
| den zímbèl der zélle dîn, || die Glocke in deiner Kammer, | |||
|- | |||
| sô bin ich betwungen des, daz ich dir hulde swer. || bin ich dennoch bezwungen, sodass ich dir meine Huld schwöre. | |||
|- | |||
| vrouwe Minne, dîn gewalt ist wider mich ze strenge; || Dame Minne, deine Macht über mich ist zu gewaltig; | |||
|- | |||
| küneginne, dîner ungenâde niht verhenge, || Königin, verhänge deine Unbarmherzigkeit nicht, | |||
|- | |||
| daz si mich verderbe! ja ist si über mich ein her. || da sie mich zugrunde richten würde! Ja, sie ist Herr über mich. | |||
|} | |||
== Übersetzung 6: Winterlied 1 (Neidhart) == | |||
{| | |||
! Mittelhochdeutsch !! Übersetzung | |||
|- | |||
| <br/ > | |||
|- | |||
| I | |||
|- | |||
| Winder, uns wil dîn gewalt || Winter, deine Gewalt will uns | |||
|- | |||
| in die stuben dringen || in die Stuben, | |||
|- | |||
| von der linden breit: || weg von den großen Linden, drängen. | |||
|- | |||
| dîne winde die sint kalt. || Deine Winde sind kalt. | |||
|- | |||
| lerche, lâ dîn singen! || Lerche, lasse dein Singen! | |||
|- | |||
| dir hât widerseit || Gegen dich | |||
|- | |||
| beide rîfe und ouch der snê; || haben sich sowohl der Frost als auch der Schnee gestellt; | |||
|- | |||
| dû muost stille swîgen: || Du musst nun stillschweigen: | |||
|- | |||
| sô klag ich den grüenen klê. || Nun trauere ich um den grünen Klee. | |||
|- | |||
| meie, ich wil dir nîgen; || Mai, ich will mich dir entgegen neigen; | |||
|- | |||
| mir tuot der winder wê. || der Winter tut mir weh. | |||
|- | |||
| <br/ > | |||
|- | |||
| II | |||
|- | |||
| Tanzet, lachet, weset vrô! || Tanzt, lacht und seid froh! | |||
|- | |||
| daz zimt wol den jungen || Das gehört sich wohl für den Jungen | |||
|- | |||
| disen winder lanc. || diesen Winter lang. | |||
|- | |||
| iu ze stiuwer gibe ich sô || Euch gebe ich zur Untersützung nun | |||
|- | |||
| hiwer von mîner zungen || dieses Jahr mit meinen Worten | |||
|- | |||
| einen niuwen sanc, || einen neuen Gesang, | |||
|- | |||
| daz ir âne swæren muot || sodass ihr ohne drückendes Gemüt | |||
|- | |||
| vreude mugt erbîten. || auf Freude warten mögt. | |||
|- | |||
| Engelmâr, dîn stube ist guot: || Engelmar, deine Stube ist gut: | |||
|- | |||
| küele ist an der lîten. || kühl ist es an den Abhängen. | |||
|- | |||
| der winder schaden tuot. || Der Winter richtet Schaden an. | |||
|- | |||
| <br/ > | |||
|- | |||
| III | |||
|- | |||
| Etzel, Ruoze und Adelber || Etzel, Ruoze, Adelber | |||
|- | |||
| und der geile Rüele || und der wilder Rüele | |||
|- | |||
| zesamen hânt gesworn || haben sich zusammen gegen | |||
|- | |||
| alle ûf einen dörper hêr: || einen Bauern verschworen: | |||
|- | |||
| derst von Wîtenbrüele || Der kommt von Witenbrüele | |||
|- | |||
| und brüevet grôzen zorn. || und erfährt großen Zorn. | |||
|- | |||
| daz enkunde ich ê noch sit || Das erfuhr ich noch bevor | |||
|- | |||
| nie voltagedingen. || alles vonstattenging. | |||
|- | |||
| Rüele enwolte enwiderstrît ||Rüele wollte um die Wette | |||
|- | |||
| an dem reien springen: || auf dem Reien/Tanz springen: | |||
|- | |||
| daz was Lanzen nît. || das wollte Lanzen nicht. | |||
|- | |||
| <br/ > | |||
|- | |||
| IV | |||
|- | |||
| Lanzen einen treien treit, || Lanzen bringt einen Tanz, | |||
|- | |||
| diu ist von barchâne, || der aus Barchent ist (?) | |||
|- | |||
| grüene also der klê. || und grüner als der Klee. | |||
|- | |||
| ze wîge hât er sich bereit: || Zur Weihe hat er sich bereit gemacht: | |||
|- | |||
| er lebet in dem wâne, || Er lebt in dem Glauben, | |||
|- | |||
| daz im niht widerstê. || dass man sich ihm nicht entgegenstellt. | |||
|- | |||
| dar in er gesteppet hât || Dazu hat man ihm | |||
|- | |||
| ein guot îsnîn hemde. || ein gutes Eisenhemd genäht. | |||
|- | |||
| limmende als ein ber er gât; || Er geht so brüllend wie ein Bär; | |||
|- | |||
| guot muot ist im vremde. || gute Besinnung ist ihm fremd. | |||
|- | |||
| erst kint, der in bestât. || Wer ihn angreift, ist unbedacht. | |||
|- | |||
| <br/ > | |||
|- | |||
| IVa | |||
|- | |||
| Lanze der hât noch die frünt, || Lanzen hat noch die Freunde | |||
|- | |||
| die in niht enlâzen, || die ihn nicht lassen, | |||
|- | |||
| swie gar er sî ein kint. || auch wenn er noch wie ein Kind ist. | |||
|- | |||
| drî hân ich iu schiere gekünt, || Drei habe ich euch schnell bekannt gemacht: | |||
|- | |||
| die im ûf der strâzen || Die, die ihm auf der Straße | |||
|- | |||
| bîgestendic sint: || beigestanden sind: | |||
|- | |||
| Îsenbolt und Îsenhart || Isenbolt und Isenhart | |||
|- | |||
| und der junge Vrîte. || und der junge Vrite. | |||
|- | |||
| Rüele der wart nie sô zart, || Rüele, der war nie so schwach, | |||
|- | |||
| er wær an dem strîte || er wäre bei dem Streit | |||
|- | |||
| ze verhe wol bewart. || wohl verschont geblieben. | |||
|- | |||
| <br/ > | |||
|- | |||
| IVb | |||
|- | |||
| Sô lâz wirs vehten umb den lîp. || Nun lasst uns ums Leben kämpfen. | |||
|- | |||
| und gê wir zuo dem tanze: || Und wir gehen zum dem Tanz: | |||
|- | |||
| da spring wir schône enbor. || Dort springen wir tüchtig empor. | |||
|- | |||
| nu wol ûf, meide und jungiu wîp, || Nun wohl auf, Mädchen und junge Frauen, | |||
|- | |||
| Afrâ, Englîn, Franze, || Afra, Eglin, Franze, | |||
|- | |||
| diu wil uns singen vor. || die werden uns vorsingen. | |||
|- | |||
| Metze beit .. || Metze wartet .. | |||
|- | |||
| und kumet Adelheite || und Adelheit kommt | |||
|- | |||
| und über ... Engellint || und über ... Engellint | |||
|- | |||
| und Irmengart gemeite || und die schöne Irmengart | |||
|- | |||
| daz sint gar schoeniu kint. || das sind gar schöne Mädchen. | |||
|} | |||
== Übersetzung 7: Winterlied 27 (Neidhart) == | |||
{| | |||
! Mittelhochdeutsch !! Übersetzung | |||
|- | |||
| <br/ > | |||
|- | |||
| I | |||
|- | |||
| Mirst von herzen leide, || Mir tut es von Herzen leid, | |||
|- | |||
| daz der küele winder || dass der kühle Winter | |||
|- | |||
| verderbet schœner bluomen vil: || die schönen vielen Blumen verdorben hat: | |||
|- | |||
| sô verderbet mich ein senelîchiu arebeit. || so wie mich mein Liebesdienst verdorben hat. | |||
|- | |||
| dise sorge beide || Diese beiden Sorgen | |||
|- | |||
| dringent mich hin hinder || hindern mich daran, | |||
|- | |||
| ze ende an mîner vreuden zil. || dass freudige Ziel zu erreichen. | |||
|- | |||
| owê, daz diu guote mit ir willen daz vertreit, || Oh weh, dass die Gute mit ihrem Willen dies beendet, | |||
|- | |||
| sît si wol geringen mac || da sie wohl | |||
|- | |||
| alle mîne swaere! || all meinen Schmerz reduzieren kann! | |||
|- | |||
| hei, gelebte ich noch den tac, || Ach, könnte ich noch den Tag erleben, | |||
|- | |||
| daz sî gnædic wære! || an dem sie gnädig wäre! | |||
|- | |||
| <br/ > | |||
|- | |||
| II | |||
|- | |||
| Swenne ich mich vereine || Immer wenn ich mich vereine | |||
|- | |||
| unde an sî gedenke, || und an sie denke, | |||
|- | |||
| wær inder wîbes güete dâ, || war in in dieser Frau die Güte da, | |||
|- | |||
| diune hæte sich sô lange bî ir niht verholn. || die ich solange bei ihr nicht verdienen konnte. | |||
|- | |||
| sît sî lônet kleine || Obwohl sie | |||
|- | |||
| mîner niuwen klenke, || meine neue Klänge nur wenig belohnt, | |||
|- | |||
| wan mag ich dienen anderswâ? || wem sollte ich sonst anderswo dienen? | |||
|- | |||
| nein, ich wil mit willen disen kumber langer doln. || Nein, ich will willens diesen Kummer länger ertragen. | |||
|- | |||
| waz, ob noch ein sælic wîp || Was, wenn sich nicht noch eine edle Frau | |||
|- | |||
| gar den muot verkêret? || meiner Gesinnung zuwendet? | |||
|- | |||
| vreu mîn herze und trœste den lîp! || Erfreue mein Herz und tröste mir das Leben! | |||
|- | |||
| diu zwei diu sind gesêret. || Diese beiden sind verletzt. | |||
|- | |||
| <br/ > | |||
|- | |||
| III | |||
|- | |||
| Zuo dem umgemache, || Zu dem Unbehagen, | |||
|- | |||
| den ich von ir lîde, || das ich durch sie erleide, | |||
|- | |||
| sô twinget mich ein ander leit, || bedrängt mich von ein weiteres Leid, | |||
|- | |||
| daz vor allem leide mich sô sêre nie betwanc, || das mich so sehr wie kein anderes jemals bezwingt, | |||
|- | |||
| swiech dar umbe lache || auch wenn ich deswegen lache | |||
|- | |||
| und gebâre blîde: || und heiter bin: | |||
|- | |||
| mir hât ein dörper widerseit || Mir hat sich ein Bauer entgegengestellt | |||
|- | |||
| umb anders niht wan umbe den mînen üppeclîchen sanc. || um nichts Anderes als meinen übermütigen Gesang. | |||
|- | |||
| derst geheizen Adeltir, || Er heißt Adeltir, | |||
|- | |||
| bürtic her von Ense, || gebürtig aus Ense, | |||
|- | |||
| zallen zîten drôt er mir || und bedroht mich zu allen Zeit | |||
|- | |||
| als einer veizten gense. || wie eine fette Gans. | |||
|- | |||
| <br/ > | |||
|- | |||
| IV | |||
|- | |||
| Hiwer an einem tanze || Dieses Jahr bei einem Tanz | |||
|- | |||
| gie er umbe und umbe. || ging er im Kreis umher. | |||
|- | |||
| den wehsel het er al den tac: || Den Wechsel schaffte er den ganzen Tag: | |||
|- | |||
| glanziu schapel gap er umbe niuwiu krenzelîn. || er verschenkte prachtvolle Bänder und neue Kränzlein | |||
|- | |||
| Etzel und Lanze, || Etzel und Lanze, | |||
|- | |||
| zwêne knappen tumbe, || zwei törichte Knappen | |||
|- | |||
| die phlâgen ouch, des jener phlac. || die machten auch, was jener machte. | |||
|- | |||
| Lanze der beswæret ein vil stolzez magedîn: || Lanze belästigte ein sehr stolzes Mädchen: | |||
|- | |||
| eine kleine rîsen guot || einen kleinen kostbaren Schleicher | |||
|- | |||
| zarte er ab ir houbet, || riss er ihr vom Kopf | |||
|- | |||
| dar zuo einen bluomenhuot: || und auch einen Blumenhut: | |||
|- | |||
| wer het im daz erloubet? || Wer hat ihm das erlaubt? | |||
|- | |||
| <br/ > | |||
|- | |||
| V | |||
|- | |||
| Owê sîner hende! || Weh seinen Hände! | |||
|- | |||
| daz si sîn verwâzen! || Auf das sie verflucht seien! | |||
|- | |||
| die vinger müezen werden vlorn, || Die Finger muss er verlieren, | |||
|- | |||
| dâ mit er gezerret hât den schedelîchen zar! || mit welchen er die schändlichen Riss/Entriss verursacht hat | |||
|- | |||
| hiete er ir gebende || Hätte er ihren Kopfschmuck | |||
|- | |||
| ungezerret lâzen, || unberührt gelassen, | |||
|- | |||
| daz kränzel hiete ouch sî verkorn. || so hätte sie ihm das Kränzchen auch verziehen. | |||
|- | |||
| er ist ungevüeger danne wîlen Engelmâr, || Er ist ungehobelter als eins Engelmar, | |||
|- | |||
| der gewalticlîchen nam || der mit Gewalt | |||
|- | |||
| den spiegel Vriderûne, || Friderun den Spiegel entriss, | |||
|- | |||
| des bin ich dem dörper gram, || deswegen bin ich den Bauern böse, | |||
|- | |||
| dem selben Walberûne. || wie auch Walberune. | |||
|- | |||
| <br/ > | |||
|- | |||
| VI | |||
|- | |||
| Dise alten schulde || Diese alte Schuld | |||
|- | |||
| wecket mir diu niuwe: || hat in mir eine neue geweckt: | |||
|- | |||
| ez hât ein geiler getelinc || Es hat ein wilder Bauer | |||
|- | |||
| hiwer an mir erwecket, swaz mir leides ie geschach. || dieses Jahr in mir etwas geweckt, was mir an Leid noch nie geschehen war. | |||
|- | |||
| ê ichz langer dulde, || Je länger ich es erdulde, | |||
|- | |||
| set des mîne triuwe, || schwöre ich bei meiner Treue, | |||
|- | |||
| gespringe ich zuo zim in den rinc, || desto eher springe ich zu ihm in den Ring, | |||
|- | |||
| er bestât sîn buoze, daz er ir ze vrouwen jach, || er erhält noch seine Strafe, weil er zu der Dame ging, | |||
|- | |||
| der ich lange gedienet hân || der ich lange gedient habe | |||
|- | |||
| der mit ganzer stæte! || mit meiner ganzen Beständigkeit! | |||
|- | |||
| wolde er sî geruowet lân, || Wollte er sie in Ruhe lassen, | |||
|- | |||
| wie rehte der danne tæte! || wie rechtens er dann handeln würde! | |||
|- | |||
| <br/ > | |||
|- | |||
| VII | |||
|- | |||
| Wê, waz hât er muochen! || Weh, was hat er für Flausen im Kopf! | |||
|- | |||
| si kumt im niht ze mâze. || Sie kommen ihm nicht zugute. | |||
|- | |||
| zwiu sol sîn pîneclîch gebrech? || Was soll sein peinlicher Mangel? | |||
|- | |||
| im enmac gehelfen niht sîn hovelich gewant. || Nicht einmal sein höfisches Gewand mag ihm helfen. | |||
|- | |||
| er sol im eine suochen, || Er soll sich eine suchen, | |||
|- | |||
| diu in werben lâze. || die ihn um sich werben lässt. | |||
|- | |||
| diu sînen rôten buosemblech || Seine rote Brustplatte, | |||
|- | |||
| diu sint ir ungenæme gar, dar zuo sîn hiufelbant. || die ist ihr unangenehm, wie auch sein Hüftgürtel. | |||
|- | |||
| enge ermel treit er lanc, || Er trägt lange enge Ärmel, | |||
|- | |||
| die sint vor gebræmet, || die sind verbrämt, | |||
|- | |||
| innen swarz und ûzen blanc. || innen schwarz und außen weiß. | |||
|- | |||
| mit sîner rede er vlæmet. || Mit seiner rede flämelt er. | |||
|- | |||
| <br/ > | |||
|- | |||
| VIIa | |||
|- | |||
| Sîner snüere strangen || Seine Riemen | |||
|- | |||
| tengelnt an den orten: || baumeln überall: | |||
|- | |||
| dâ hanget wunder pfeffers an, || Daran hängen wundersamer Pfeffer, | |||
|- | |||
| muscât, negele, pfâwenspiegel: dêst der dörper glanz. || Muskat, Nelken, Pfauenkraut: das ist der Glanz der Bauern. | |||
|- | |||
| er wil überdrangen || Er will | |||
|- | |||
| ein meit mit süezen worten, || ein Mädchen mit schönen Worten gewissen, | |||
|- | |||
| des im doch nîht gehelfen kan || die ihm aber nicht helfen können, | |||
|- | |||
| sîn üppiclîch gewant und dar zuo sîn vil wæher swanz. || genauso wie sein üppiges Gewand und seine kostbare Schleppe. | |||
|- | |||
| ein vil guotez lînîn tuoch, || Ein sehr gutes Leinentuch, | |||
|- | |||
| sehzehn elen kleine, || sechzehn Ellen lang, | |||
|- | |||
| hât sîn hemde und ouch sîn bruoch: || enthalten sowohl sein Hemd als auch seine Hose: | |||
|- | |||
| der site ist ungemeine. || Seine Beschaffenheit ist fremd. | |||
|- | |||
| <br/ > | |||
|- | |||
| VIIb | |||
|- | |||
| Her Nîthart, mugt irz lâzen? || Herr Neidhart, könnt ihr das lassen? | |||
|- | |||
| iu mac misselingen. || Es mag euch misslingen. | |||
|- | |||
| nu habt ez ûf die triuwe mîn. || Nun Habt ihr es auf meine Treue abgesehen. | |||
|- | |||
| und mag ich, ez muoz iu bî dem tanze werden leit! || Und wenn ich kann, wird es euch beim Tanze leidtun! | |||
|- | |||
| welt ir ûf der strazen || Wenn ihr euch auf der Straße | |||
|- | |||
| vil mit uns gedringen, || mit uns drängen wolltet, | |||
|- | |||
| swie breit ab iuwer multer sîn, || so weit wir euer Brustharnisch sei, | |||
|- | |||
| dâ gelpfe schînet under iuwer ringelehte pfeit, || da zeigt sich euer Übermut unter eurem Kettenhemd | |||
|- | |||
| und sult ir sîn der tiuvel gar || und solltet ihr der Teufel sein, | |||
|- | |||
| mit iuwerm glitzeden huote, || mit eurem glitzerndem Hut, | |||
|- | |||
| zwâre ich mache in bluotes war || so schwöre ich, ich mache es durch Blut | |||
|- | |||
| mit mînem swerte guote. || mit meinem guten Schwert wahr. | |||
|- | |||
| <br/ > | |||
|- | |||
| VIIc | |||
|- | |||
| "Nû dar, ziere gesellen, || "Nun dann, edle Gesellen, | |||
|- | |||
| nu stât mir algelîche, || nun steht mir zur Seite | |||
|- | |||
| helfet, daz wir in bestân, || und helft, damit wir jenem standhalten, | |||
|- | |||
| der uns bî dem tanze mit gemache nîht enlât! || der uns beim Tanze nicht in Frieden lässt! | |||
|- | |||
| ich trûwe in wol ervellen", || ich will ihn zu Fall bringen!", | |||
|- | |||
| sô sprach Amelrîche; || sprach Amelrich; | |||
|- | |||
| "die hant die muoz er mir hie lân, || "Die Hand muss er mir hier lassen, | |||
|- | |||
| da der spreckelehte vogel oben ûfe stât, || weil sich dieser gefleckte Vogel für höher gestellt hält, | |||
|- | |||
| und dar zuo den zeswen fuoz, || und noch dazu sein rechter Fuß, | |||
|- | |||
| dar an der spore klinget. || da wo die Spore erklingt. | |||
|- | |||
| jâ geschaffe ich mir sîn buoz, || Ja, ich beschaffe mir seine Buße, | |||
|- | |||
| daz er von uns niht singet." || sodass er nicht von uns singt." | |||
|- | |||
|} | |||
== Übersetzung 8: c1 (Neidhart) == | |||
{| | |||
! Mittelhochdeutsch !! Übersetzung | |||
|- | |||
| <br/ > | |||
|- | |||
| I | |||
|- | |||
| Der swarcze dorn ist worden weis, || Die schwarze Dorne ist weiß geworden, | |||
|- | |||
| nun hat der maie seinen vleis || denn nun hat der Mai seinen Leib | |||
|- | |||
| geleget an den anger, || auf die Wiese niedergelegt, | |||
|- | |||
| gar zergangen ist der schne, || der Schnee ist völlig geschmolzen, | |||
|- | |||
| man siht hewer aber als ee || man sieht sogleich eher als sonst, | |||
|- | |||
| die liechten plumblein swanger. || dass die leuchtenden Blümlein blühen. | |||
|- | |||
| der maie hat die veld gar schön beseczet || Der Mann hat die Felder sehr schön | |||
|- | |||
| mit gamillen plúmlein fein, || mit feinen Kamillenblümlein besetzt, | |||
|- | |||
| fro so singen die vogelein, || deshalb singen die Vögelchen froh, | |||
|- | |||
| irs laids sind sie ergeczet. || ihr Leid wurde ihnen entschädigt. | |||
|- | |||
| <br/ > | |||
|- | |||
| II | |||
|- | |||
| Da fúr ich lob die rainen weib, || Dafür lobe ich die reinen Frauen, | |||
|- | |||
| der wolgetraut globter leib. || deren gepriesener Leib | |||
|- | |||
| kan pringen hoch gemúte. || Freude bringen kann. | |||
|- | |||
| die sich vor valsche hand behút, || Die, die sich vor der falschen Hand hüten, | |||
|- | |||
| die lob ich fur alles gut, || die lobe ich gut für alles, | |||
|- | |||
| so wol dir, weibes gute! || so gewiss dir, gute Frau! | |||
|- | |||
| weib, behalt dein er, das will ich dir raten, || Frau, behalte deine Ehre, das möchte ich dir raten, | |||
|- | |||
| durch dein frölich weiblich zucht || durch deine fröhliche weibliche Keuschheit | |||
|- | |||
| weib, du auserwelte frucht, || Frau, du auserwählte Frucht, | |||
|- | |||
| la túme minner braten! || lass deinen Leib weniger taumeln! | |||
|- | |||
| <br/ > | |||
|- | |||
| III | |||
|- | |||
| Nun sung ich gern der frawen mein, || Als ich gerne für meine Dame sang, | |||
|- | |||
| so irret mich ein ander pein, || störte mich eine andere Pein, | |||
|- | |||
| ich sahe die dörper raien || ich sah die Bauern | |||
|- | |||
| gar uppiglichen auf dem plan, || sehr unangebracht auf dem Platz tanzen, | |||
|- | |||
| baide, frawen unde man, || beide, Damen und Männer, | |||
|- | |||
| die empfiengen schön den maien. || die den Mai schön empfingen, | |||
|- | |||
| her langer Lancze, daz sult ir mir rechen, || Herr großer Lanze, das sollt ihr mir vergelten, | |||
|- | |||
| darczu so clag ich euch, herr Pflug, || dazu beklage ich mich über euch, Herr Pflug, | |||
|- | |||
| ir rechet mir diesen ungefug, || ihr vergeltet mir diesen Unfug, | |||
|- | |||
| das in ir rúcken brechen. || sodass ihnen ihre Rücken brechen. | |||
|- | |||
| <br/ > | |||
|- | |||
| IV | |||
|- | |||
| Ich kam dohin gein Zeisselmaur, || Ich kam dort zu Zeisselmauer hin, | |||
|- | |||
| die fart ward mir eins tails zu sawer, || die Fahrt war mir teilweise zu schwer, | |||
|- | |||
| ich hört da fremde mere. || da ich unbekannte Geschichten hörte. | |||
|- | |||
| do fand ich einen lobetancz || Darauf fand ich einen Ehrentanz | |||
|- | |||
| und von rosen mangen krancz, || und manche Rosenkränzen, | |||
|- | |||
| zergangen was mein swere. || und so verging mein Schmerz. | |||
|- | |||
| ich zogt zu einem wirte, der was ziere, || Ich kam zu einem Wirt, der herrlich war, | |||
|- | |||
| des ward Engelmair gewar, || das war der sorgfältige Engelmar, | |||
|- | |||
| elen weit was im sein har, || sein Haar ging ihm bis zur Elle. | |||
|- | |||
| da hin so eilt er schiere || dahin eilte er sogleich | |||
|- | |||
| <br/ > | |||
|- | |||
| V | |||
|- | |||
| zu vierczig gattelingen gut, || zu vierzig guten Bauern, | |||
|- | |||
| uppiglich stund in ir mut, || übermütig war ihre Gesinnung, | |||
|- | |||
| die tanczten bei der linden. || die tanzten bei den Linden. | |||
|- | |||
| er sprach: "herr Neithart der ist hie, || Er sprach: "Herr Neidhart ist hier, | |||
|- | |||
| der uns gespöttes nie erlie, || der uns sein Spotten nie erlässt, | |||
|- | |||
| wol auf, das wir in finden. || wohl auf, sodass wir ihn finden mögen. | |||
|- | |||
| ir solt euch keines argen nicht gedencken, || Ihr sollt euch keine Sorgen machen, | |||
|- | |||
| ir get mir zúchtiglichen nach, || ihr folgt mir, | |||
|- | |||
| auch seit zu fechten nicht zu gache, || auch seid mit dem Kämpfen nicht zu schnell, | |||
|- | |||
| wir sond im frolich schencken." || wir sollen ihm fröhlich zu trinken geben." | |||
|- | |||
| <br/ > | |||
|- | |||
| VI | |||
|- | |||
| Vierczig käntelin mit wein || Vierzig Kannen mit Wein, | |||
|- | |||
| sie trungen in ein gertelein, || trugen sie in Gärtchen, | |||
|- | |||
| gar gros was ir geraisse: || ihr Zug/Reisezug: war sehr groß | |||
|- | |||
| "seit got wilkum, herr Neithart, || "Seid Willkommen, Herr Neidhart, | |||
|- | |||
| euch sei geschenckt an diser fart." || euch soll auf dieser Fahrt zu trinken gegeben sein." | |||
|- | |||
| ich saß in einem swaisse, || Ich saß in einem ..., | |||
|- | |||
| ich sprach:"ich pin dem Neidhart ungeleiche, || ich sprach. "Ich bin nicht Neidhart, | |||
|- | |||
| ich pin ein jeger, mir ist zorn, || ich bin ein Jäger und ich bin zornig, | |||
|- | |||
| ich hab die hunde sein verlorn, || ich habe die Hunde | |||
|- | |||
| des fursten von Osterreiche." || der Fürste von Österreich verloren." | |||
|- | |||
| <br/ > | |||
|- | |||
| VII | |||
|- | |||
| Engelmair in da gepot || Engelmar befahl ihnen | |||
|- | |||
| bei dem Leben an den todt, || bei Leben und Tod, | |||
|- | |||
| das sie sich saczten alle. || dass sie sich alle setzten. | |||
|- | |||
| so zuhant da schankt man ein || Sogleich schenkte man | |||
|- | |||
| den vil klaren osterwein, || der sehr reinen Osterwein ein, | |||
|- | |||
| den truncken sie mit schalle. || den sie alle mit Jubel tranken. | |||
|- | |||
| er sprach: "und wolt ir gogelfur erkennen, || Er sprach: "Und wollt ihr die Scherzen kennen lernen, | |||
|- | |||
| so siczt und seit ein frolich man, || so setzt euch und seid ein fröhlicher Mann, | |||
|- | |||
| ich hilf euch mit gemach hin dan, || ich helfe euch mit Bequemlichkeit, | |||
|- | |||
| wolt ir mich nimmer nennen." || wenn ihr mich nie mehr nennt." | |||
|- | |||
| <br/ > | |||
|- | |||
| VIII | |||
|- | |||
| "Dir sei gelobet an die hant: || "Dir sei versichert: | |||
|- | |||
| du wirst von mir nicht mer genant, || du wirst von mir nicht mehr genannt, | |||
|- | |||
| was ich will furbas singen, || bei dem was ich singen | |||
|- | |||
| und auch was gedichten kan, || und bei dem was ich dichten werde/kann, | |||
|- | |||
| du haist der ungenante man, || wirst du der ungenannte Mann sein, | |||
|- | |||
| du solt frolichen springen, || du sollst fröhlich springen, | |||
|- | |||
| und hais die öden schaiden aus dem garten." || und die öden ... aus dem Garten ..." | |||
|- | |||
| "wol auf, ir herrn, wir sollen gan || "Wohl auf, ihr Herren, wir sollen | |||
|- | |||
| gar zuchtiglichen auf den plan || sehr schnell auf den Platz gehen | |||
|- | |||
| und dienen frauen zarten." || und den teuren Damen dienen." | |||
|- | |||
| <br/ > | |||
|- | |||
| IX | |||
|- | |||
| Die verswunden so zuhant, || Sie verschwanden so schnell, | |||
|- | |||
| do bracht man mir ein gut gewant, || dass man mir ein gutes Gewand brachte, | |||
|- | |||
| das must ich dannen furen. || dass ich dann wegfahren musste. | |||
|- | |||
| darczu so gabns mir ein pfert, || Dazu gaben sie mir ein Pferd, | |||
|- | |||
| das was wol dreissig pfunde werdt || das wohl dreißig Pfund wert war | |||
|- | |||
| und zeltet nach den schnúren. || und nach den Leinen ging. | |||
|- | |||
| des danckt ich schon den manen und den frawen || Das dankte ich schon den Männern und den Damen | |||
|- | |||
| und rait daczu in auf den plan, || und ritt zu ihnen auf den Platz, | |||
|- | |||
| da mochten siben hundert stan, || dort mochten siebenhundert stehen | |||
|- | |||
| die mich begunden schawen. || die anfingen, mich anzuschauen. | |||
|- | |||
| <br/ > | |||
|- | |||
| X | |||
|- | |||
| Auf die rais so was mir gah, || Auf dieser Reise hatte ich es so eilig, | |||
|- | |||
| mir ward ein michel kaffen nach || mir schauten sie | |||
|- | |||
| von liechten augen schöne. || mit schönen leuchtenden Augen nach. | |||
|- | |||
| Friderunen näckelin, || Frideruns Nacken, | |||
|- | |||
| das gab fur die andern schein, || der war für die anderen sichtbar, | |||
|- | |||
| mit lob ichs imber kröne, || mit Lob versehe ich es immer, | |||
|- | |||
| ich rait gein Wien und sagt die abenteure, || ich reite nach Wien und erzähle das Abenteuer, | |||
|- | |||
| wie sie mir alle trúgen has, || wie sich mich alle hassten, | |||
|- | |||
| da ich in dem garten saß, || weil ich in dem Garten saß, | |||
|- | |||
| iedoch ward mir ir stewre. || jedoch war mir ihr ... | |||
|- | |||
| <br/ > | |||
|- | |||
| XI | |||
|- | |||
| Der herczog sandt gein Zeisselmaur, || Der Herzog sandte nach Zeisselmauer, | |||
|- | |||
| er lie frei den selben pauer || und ließ denselben Bauern | |||
|- | |||
| und all sein hausgenossen. || und all seine Hausgenossen frei. | |||
|- | |||
| des ward fro der Engelmar, || Deswegen war Engelmar froh, | |||
|- | |||
| der mir half frölich von der schar || der mir fröhlich mit der Schar | |||
|- | |||
| wol auf des reiches strassen. || auf den Straßen ssehr half. | |||
|- | |||
| und Engelmair wil ich nimmer nennen, || Und Engelmar möchte ich nie wieder nennen, | |||
|- | |||
| er haist der ungenante man, || er ist der ungenannte Mann, | |||
|- | |||
| der wol mit Friderúnen kan, || der wohl mit Friderun kam, | |||
|- | |||
| ir múgt in wol erkennen. || ihr mögt ihn gewiss erkennen. | |||
|} | |||
== Übersetzung 9: Sommerlied 22 (Neidhart) == | |||
{| | |||
! Mittelhochdeutsch !! Übersetzung | |||
|- | |||
| <br/ > | |||
|- | |||
| I* | |||
|- | |||
|Der winter hât ein ende. || Der Winter hat ein Ende. | |||
|- | |||
| komen ist uns der meie, || Zu uns gekommen ist der Mai, | |||
|- | |||
| der uns bluomen bringet mager leie. || der uns Blumen auf kargen Wegen bringt. | |||
|- | |||
| ich hoer diu vogelîn singen. || Ich höre die Vögelchen singen. | |||
|- | |||
| wir suln alle springen, || Wir sollen alle springen, | |||
|- | |||
| sîn gemeit. ||und fröhlich sein. | |||
|- | |||
| der walt ist wol geloubet, || Der Wald ist gar belaubt, | |||
|- | |||
| diu linde guldîn tolden treit. || die Linde trägt eine goldene Baumkrone. | |||
|- | |||
| <br/ > | |||
|- | |||
| I | |||
|- | |||
| Der linden welnt ir tolden || Die Linden wollen ihre Baumkronen | |||
|- | |||
| von niuwem loube rîchen; || mit neuem Laub ausstatten; | |||
|- | |||
| da under lâzent nahtigal dar strîchen: || unter diesen lassen sich die Nachtigallen nieder; | |||
|- | |||
| si singent wol ze prîse || Sie singen wohl, um | |||
|- | |||
| vremde süeze wîse, || die fremde süße Wiese zu preisen, | |||
|- | |||
| doene vil. || sie ertönen viel. | |||
|- | |||
| si vreunt sich gein dem meien: || Sie erfreuen sich am Mai: | |||
|- | |||
| sîn kunft diu ist ir herzen spil. || seine Ankunft ist ihre Herzensfreude. | |||
|- | |||
| <br/ > | |||
|- | |||
| II | |||
|- | |||
| Si sprechent, daz der winder || Sie sagen, dass der Winter | |||
|- | |||
| hiuwer sî gelenget. || sich dieses Jahr in die Länge ziehen würde. | |||
|- | |||
| nu ist diu wise mit bluomen wol gemenget, || Nun ist die Wiese aber voller Blumen, | |||
|- | |||
| mit liehter ougenweide || eine leuchtende Augenweide | |||
|- | |||
| rôsen ûf der heide || sind die Rosen auf der Heide | |||
|- | |||
| durch ir glanz. || durch ihren Glanz. | |||
|- | |||
| der sante ich Vriderûnen || Da sandte ich Friderun | |||
|- | |||
| einen wolgetânen kranz. || einen schönen Kranz. | |||
|- | |||
| <br/ > | |||
|- | |||
| III | |||
|- | |||
| Die vogele in dem walde || Die Vögel im Wald | |||
|- | |||
|singent wünneclîchen. || singen herrlich. | |||
|- | |||
| stolze mägde, ir sult ein niuwez tîchen. || Stolze Mägde, ihr sollt etwas Neues treiben. | |||
|- | |||
| vreut iuch lieber maere! || Erfreut euch an der lieben Geschichte! | |||
|- | |||
| maneges herzen swaere || Manches schweres Herz | |||
|- | |||
| wil zergân. || wird vergehen. | |||
|- | |||
| tuot, als ich iuch lêre, || Macht, was ich euch lehre, | |||
|- | |||
| strîchet iuwer kleider an! || legt eure Kleider an! | |||
|- | |||
| <br/ > | |||
|- | |||
| IV | |||
|- | |||
| Ir brîset iuch zen lanken, || Ihr schnürt es euch um die Hüfte, | |||
|- | |||
| stroufet ab die rîsen! || streift die Schleier ab! | |||
|- | |||
| wir sulnz ûf dem anger wol wikîsen. || Wir sollen auf dem Feld schön tanzen. | |||
|- | |||
| Vriderûn als ein tocke || Friderun sprang wie eine Puppe | |||
|- | |||
| spranc in ir reidem rocke || in ihrem gefälteten Rock | |||
|- | |||
| bî der schar: || vor der Gruppe: | |||
|- | |||
| des nam anderthalben || Das nahm auf der anderen Seite | |||
|- | |||
| Engelmâr vil tougen war. || Engelmar heimlich wahr. | |||
|- | |||
| <br/ > | |||
|- | |||
| V | |||
|- | |||
| Dô sich aller liebes || Als sich alle Liebenden | |||
|- | |||
| gelîch begunde zweien, || zu zweit zusammentaten, | |||
|- | |||
| dô sold ich gesungen haben den reien, || da sollte ich zu den Tänzen singen, | |||
|- | |||
| wan daz ich der stunde || jedoch konnte ich in diesem Moment | |||
|- | |||
| niht bescheiden kunde || nicht bestimmen | |||
|- | |||
| gegen der zît || zu dieser Zeit, | |||
|- | |||
| sô diu sumerwünne || in der die Sommerwonne | |||
|- | |||
| manegem herzen vreude gît. || manchen Herzen Freude gibt. | |||
|- | |||
| <br/ > | |||
|- | |||
| VI | |||
|- | |||
| Nu heizent sî mich singen; || Nun heißen sie mich zu singen; | |||
|- | |||
| ich muoz ein hûs besorgen, || ich muss ein Haus versorgen, | |||
|- | |||
| daz mich sanges wendet manegen morgen. || das mich an manchem Morgen vom Singen abhält. | |||
|- | |||
| wie sol ich gebâren? || Wie soll ich verfahren? | |||
|- | |||
| mirst an Engelmâren || Mir ist Engelmar | |||
|- | |||
| ungemach, || unangenehm, | |||
|- | |||
| daz er Vriderûnen || weil er Friderun | |||
|- | |||
| ir spiegel von der sîten brach. || ihren Spiegel von der Hüfte brach. | |||
|- | |||
| <br/ > | |||
|- | |||
| VIa | |||
|- | |||
| Sîner basen bruoder || Ihrem Vater | |||
|- | |||
| hiet sis wol erlâzen. || hätte sie wohl verziehen. | |||
|- | |||
| er kan sich deheiner dinge mâzen; || Er kann sich bei keinen Dingen zurückhalten; | |||
|- | |||
| er ist ein toerscher Beier. || er ist ein törichter Bayer. | |||
|- | |||
| er un der junge meier || Er und der junge Meier | |||
|- | |||
| tuont ir leit. || fügen ihr Leid hinzu. | |||
|- | |||
| noch hât sî den vriunt, || Noch hat sie den Freund, | |||
|- | |||
| der imz die lenge niht vertreit. || der ihr lange Zeit nicht verzeiht. | |||
|- | |||
| <br/ > | |||
|- | |||
| VIb | |||
|- | |||
| Dar umbe wil sie aber || Darum will sie aber | |||
|- | |||
| ein Engelmâr vertrîben. || Engelmar vertreiben. | |||
|- | |||
| er ist ein gemzinc under jungen wîben. || Unter den jungen Frauen ist er ein Gemsbock. | |||
|- | |||
| er ist ein ridewanzel, || Er ist einer, der den Ridewanzel | |||
|- | |||
| in dem geu vortanzel. || beim Vortanzen tanzt. | |||
|- | |||
| sîn gewalt || Seine Gewalt | |||
|- | |||
| der ist an dem reien || ist bei dem Tanze | |||
|- | |||
| under den kinden manicvalt. || unter den Frauen vielfältig. | |||
|- | |||
| <br/ > | |||
|- | |||
| VIc | |||
|- | |||
| Daz ist Friderûne || Das ist für Friderun | |||
|- | |||
| ein lange werndiu swaere || ein lang anhaltender Schmerz, | |||
|- | |||
| von Engelmâre dem toerschen tanzprüevaere, || den ihr Engelmar, der törichte Tänzer, zugefügt hat, | |||
|- | |||
| daz er ir torste lâgen. || als er es wagte ihr aufzulauern/nachzustellen. | |||
|- | |||
| daz klagtes al ir mâgen. || Das beklagten all ihre Verwandten. | |||
|- | |||
| umbe den schal || Vor dem Gerede | |||
|- | |||
| solt dû dich nu hüeten, || sollst du dich nun in acht geben, | |||
|- | |||
| Friderûn! fliuch gein Riuwental! || Friderun! Fliehe nach Reuental! | |||
|- | |||
| <br/ > | |||
|- | |||
| VId | |||
|- | |||
| Der het ir genomen || Der hätte ihr | |||
|- | |||
| in schimphe ein tockenwiegel. || eine Puppenwiege im Spotte genommen. | |||
|- | |||
| daz hiet wir verklagt, niewan den spiegel || Das hätten wir verschmerzt, nur nicht den Spiegel | |||
|- | |||
| (der was von helfenbeine, || (der war aus Elfenbein, | |||
|- | |||
| waehe, ergraben kleine), || schön und fein graviert), | |||
|- | |||
| den sîn hant || den seine Hand | |||
|- | |||
| ir nam gewalticlîche; || ihr gewaltsam entriss; | |||
|- | |||
| dâ von al mîn vreude swant. || wovon all meine Freund schwand. | |||
|- | |||
| <br/ > | |||
|- | |||
| VIe | |||
|- | |||
| Ir sult mirz wol gelouben, || Ihr sollt es mir wohl glauben, | |||
|- | |||
| ich sag iz niht gerne: || ich sage es nicht gerne: | |||
|- | |||
| diu spiegelsnuor diu kom her von Iberne. || das Band des Spiegels kommt aus Irland. | |||
|- | |||
| ez was ein waeher borte. || Es war eine kostbare Borte. | |||
|- | |||
| niden an dem orte || Unten an der Stelle | |||
|- | |||
| stuonden tier || befanden sich Tiere | |||
|- | |||
| geworht von rôtem golde. || aus rotem Gold gemacht. | |||
|- | |||
| nie geschach sô leide mir. || Nie geschah mir so ein Leid. | |||
|- | |||
| <br/ > | |||
|- | |||
| VIf | |||
|- | |||
| Daz ich niht froelîch singe, || Dass ich nicht fröhlich singe, | |||
|- | |||
| daz wendet mir ein swaere, || dass fügt mir ein Leid zu, | |||
|- | |||
| von der ich alsô gerne ledic waere. || von dem ich so gern befreit wäre. | |||
|- | |||
| diese dorfgebûwer || Diese Dorfbauern | |||
|- | |||
| die nimt des gar untûwer; || kümmert das gar nicht; | |||
|- | |||
| sie tragent mir haz. || Sie bringen mir Hass entgegen. | |||
|- | |||
| ob si niht enwaeren, || Wenn sie nicht da wären, | |||
|- | |||
| sô sunge ich für wâr fürebaz. || so würde ich fürwahr weitersingen. | |||
|- | |||
| <br/ > | |||
|- | |||
| VIg | |||
|- | |||
| Erkenbreht und Uoze || Erkenbrecht und Uoze | |||
|- | |||
| und der ungenante, || und der Ungenannte, | |||
|- | |||
| Gôzbreht, der mich ofte sanges wante, || Gozbrecht, der mich oft von meinem Gesang abbrachte, | |||
|- | |||
| die sint nu gar gesweiget || die sind nun verstummt | |||
|- | |||
| unde ihr freude seiget || und ihre Freude neigt sich | |||
|- | |||
| hin und her. || hin und her. | |||
|- | |||
| ir schîbe, diu gienc ebene, || Ihr Rad, das gleichmäßig ging, | |||
|- | |||
| diu ust gestrûchet nû entwer. || das ist nun am hin und her Straucheln. | |||
|- | |||
| <br/ > | |||
|- | |||
| VIh | |||
|- | |||
| Frou Hilde und getelinge, || Frau Hilde und die Gesellinen, | |||
|- | |||
| die sprungen an ir hende, || die an ihrer Hand sprangen, | |||
|- | |||
| ir tanz der was dô âne missewende. || deren Tanz, der war so tadellos. | |||
|- | |- | ||
| | | nu habent sî erworben, || Nun haben sie erreicht, | ||
|- | |- | ||
| | | daz er ist verdorben. || dass er zu Schaden kommt. | ||
|- | |- | ||
| | | ir üppekeit || Ihre Eitelkeit, | ||
|- | |- | ||
| | | ich waen diu hât geprüevet || das meine ich, die hat | ||
|- | |- | ||
| | | in manec gespötte unde leit. || manchen Spott und manches Leid hervorgebracht. | ||
|} |
Aktuelle Version vom 28. Januar 2021, 20:27 Uhr
Übersetzungen HS "Neidhart und seine Follower"
Übersetzung 1: Winterlied 10 (Neidhart)
Mittelhochdeutsch | Übersetzung |
---|---|
I | |
Dô der liebe summer | Als der freudige Sommer |
ureloup genam, | sich verabschiedet hatte, |
dô muose man der tänze | da musste man die Tänze |
ûfm anger gar verphlegen. | auf der Wiese beenden. |
des gewan sît kummer | Seither bereitete dies |
der herre Gunderam: | dem Herrn Gunderam Kummer: |
der muose ouch sîn gestränze | Denn dieser musste auch seine Angeberei |
dô lâzen under wegen. | aus diesem Grund sein lassen. |
der ist bickelmeister disen winder: | Diesen Winter ist er Meister beim Würfelspiel. |
œder gouch ist in dem lande ninder; | Einen törichteren Dummkopf gibt in dem Land nicht; |
sîn rûmegazze kaphet zallen zîten wol hin hinder. | Sein Schwert/Gassenräumer gafft stets zum Hintern. |
II | |
Waz er an den meiden | Was er sich bei den Mädchen |
wunder dâ begât, | für Unvorstellbares herausnahm, |
ê daz mîn vrouwe Schelle | bevor meine Dame Glocke |
volende ir gebot! | ihre Anweisung vollbrachte. |
erst vil unbescheiden, | Er ist sehr unverschämt, |
wan swelhe er bestât | denn jede, der er nahe steht, |
diu wirt von slegen helle | die wird bleich durch Schläge |
und mîdende den spot; | und zieht sich daraufhin von Verspottung zurück. |
dâ von lâzen alle ir smutzmunden, | Aus diesem Grund sollen alle ihr Schmunzeln lassen, |
des die jungen niht veheln erkunden! | das die Jungen nicht vergeben können! |
des hât ir hant von solher meisterschefte dicke erphunden | Dafür hat ihre Hand wiederholt Gewalt/Prügel erfahren. |
III | |
Immer, sô man vîret, | Immer, wenn man feiert, |
sô hebent sî sich dar | machen sie sich |
mit einer samenunge, | mit einer Gesellschaft auf, |
den ich wol schaden gan. | der ich gewiss Schaden wünsche. |
Werenbreht der lîret, | Werenbrecht spielt auf der Leier, |
sô sumbert Sigemâr. | während Siegmar trommelt. |
daz in dâ misselunge, | Dass ihnen das misslinge, |
daz læge et eben an! | das wäre angemessen! |
daz sich doch vil lîhte mac verrîden: | Das kann sich noch schnell verändern/ Das kann sich schnell alles wenden: |
wellents ir getelse niht vermîden, | Wenn sie mit ihrer Zügellosigkeit nicht aufhören wollen, |
sich mugen zwêne an mîner weibelruoten wol versnîden. | so mögen sie sich zwei an meinem Gerichtsschwert gewiss schneiden/verletzen. |
IV | |
Kœme ich zeinem tanze, | Käme ich zu einem Tanz, |
dâs alle giegen bî, | bei dem alle mitmachten, |
dâ wurde ein spiel von hende | so würde ein Spiel |
mit beiden ekken zuo. | mit beiden Schwertschneiden beginnen. |
lîhte geviele ein schanze, | Vielleicht fiele ein Wurf so, |
daz vor mir lægen dri. | dass drei vor mir lägen. |
ich hielte ez âne wende, | Ich hielte es für unveränderlich, |
verbüte ez einer vruo. | es sei denn es würde jemand vorher unterbinden. |
sige und sælde hulfen mir gewinnen, | Sieg und Glück würden mir helfen zu gewinnen, |
daz si halbe müesen dan entrinnen. | sodass sie zur Hälfte davonlaufen müssen. |
nu ziehen ûf und lâzen in ir gogelheit zerinnen! | Nun zieht euren Einsatz und lasst eure Ausgelassenheit verrinnen! |
V | |
Sîne weidegenge | Seine Jagdausflüge, |
die verewent mich grâ | die lassen mich grau werden, |
swenn er verwendeclîchen | immer wenn er hochmütig |
vür mîne vrouwen gât | zu meiner Dame geht. |
trîbet erz die lenge, | Treibt er es in die Länge, |
bestât er danne dâ, | bleibt er dabei, |
man hilft im uz der kîchen, | hilft man ihm bei dem Keuchen, |
daz er viel riuwuc stât, | sodass es schmerzerfüllt ist, |
er und etêlicher sîn geselle, | Er und seine treuen Gesellen, |
den ich tanzent an ir habt ersnelle, | die ich tanzend an ihrer Hand erwische, |
des sî gewis, ich slahe in, daz sîn offen stât ein elle! | die können sich gewiss sein, dass ich so schlage, dass ihr Arm offen klafft. |
VI | |
Im hilft niht sîn treie | Ihm hilft weder sein Wams, |
noch sîn hiubelhuot; | noch sein Helm; |
ez wirt im in getrenket: | An ihm wird Rache genommen, |
er zuhte ir einen bal. | da er ihr einen Ball entriss. |
erst ein tœrscher leie; | Er ist ein törichter Dummkopf, |
sîn tumbelîcher muot | seine törichter Gesinnung, |
der wirt im dâ bekrenket, | der wird gekränkt, |
wil er vür Riuwental | weil er vor Reuental |
hin und her sô vil gewentschelieren, | so umherstreichen will, |
er wirt wol zezeiset under vieren. | wird er gewiss zerzaust. |
her Werenbreht, waz mag ich des, wirt im der umberieren? | Herr Werenbrecht, was kann ich dafür, wenn für ihn etwas abfallen wird? |
VIa | |
Die wîl ich die klingen | solange ich die Klingen |
um mîne sîten trage, | an meiner Seite trage, |
sô darf mir durch mîn sumber | damit mir niemand durch mein Geflecht |
niemen stechen nieht | stechen kann. |
er muoz vil wîte springen: | Er muss sehr weit galoppieren: |
begrîfe ichn mit dem slage, | Wenn ich in mit dem Schlag erreiche, |
ich slahe in, daz er tumber | so schlüge ich ihn, sodass der er verblendet |
schouwet nimmer lieht. | nie wieder das Licht erblicken kann. |
ich hilf im des lîbes in den aschen | Ich helfe ihm seinen Leib in die Asche zu bringen |
und slah im mit willen eine vlaschen, | und schlage ihn entschlossen mit einer Flasche, |
daz im die hunt daz hirne ab der erde müezen naschen. | sodass ihm die Hunde seinen Kopf von der Erde naschen können. |
VIb | |
Her Nîthart hât gesungen, | Herr Neidhart hat gesungen, |
daz ich in hazzen wil | sodass ich ihn hassen will |
durch mînes neven willen, | um meines Verwandten willen, |
des neven er beschalt. | dessen Verwandte er beleidigt. |
lieze ers unbetzungen: | Ließe er es unbekümmert: |
es ist im gar ze vil. | ist es ihm gar zu viel. (Über seine Möglichkeiten) |
enpflæge er sîner grillen | Entziehe er sich seiner Grille |
und het ouch der gewalt! | und auch der Gewalt! |
ez ist ein schelten, daz mich freuden letzet. | Es ist ein Ärgernis, das mich meiner letzten Freude beraubt. |
wirt diu weibelruote mir gewetzet, | Wird das Gerichtsschwert mir geschliffen, |
ich trenne in ûf, daz man wol einen sezzel in in setzet. | so schneide ich ihn so auf, dass man einen Sessel in ihn setzen kann. |
Übersetzung 2: Sommerlied 4 (Neidhart)
Mittelhochdeutsch | Übersetzung |
---|---|
I | |
Heid, anger, walt in fröuden stât; | Heide, Anger, Wald im fröhlichen Zustand; |
diu hânt sich bereitet mit ir besten wât, | sie sind mit ihrem besten Gewand geschmückt, |
die in der meie hât gesant. | die ihnen der Mai gegeben hat. |
sî wir alle | Sie und wir alle |
frô mit schalle! | Froh mit Jubel! |
sumer ist komen in diu lant. | Der Sommer ist ins Land gekommen. |
II | |
Wol ûz der stuben, ir stolzen kint, | Hinaus aus der Stube, ihr prächtigen Kinder, |
lât iuch ûf der strâze sehen! hin ist der scherfe wint | lasst euch auf der Straße sehen! Der starke Wind ist fort |
unde ouch der viel kalte snê. | und auch der sehr kalte Schnee. |
hebt iuch balde | Brecht bald |
zuo dem walde! | zum Wald auf! |
vogelîn singent, den was wê. | Die Vögelchen singen sonst Wehklagen. |
III | |
Diu sint ergetzet leides gar. | Sie sind vom Leid entschädigt. |
ir sult mirz gelouben! nemt sîn selbe war, | Ihr sollt es mir es mir glauben! Nehmt selbst wahr, |
waz der sumer erzeiget hât! | was der Sommer geleistet hat! |
er wil rîchen | Er will |
sicherlîchen | gewiss |
manegen boum mit louber wât. | zahlreiche Bäume mit einem Laubgewand schmücken. |
IV | |
Die nû vor grôzen huote megen, | Die nun großen Schutz haben wollen, |
die suln balde ir bestez vîrtacgwant an legen, | die sollen bald ihr bestes Festtagsgewand anlegen, |
lâzen sich dar inne ersehen! | und sich darin sehen lassen! |
wir suln schouwen | Wir sollen |
vor den ouwen | auf den Wiesen erblicken, |
maneger hande bluomen brehen. | wie Hände zahlreiche Blumen brechen/pflücken. |
V | |
Swie Riuwental mîn eigen sî, | Auch wenn Reuental mein Eigen sei, |
ich bin disen sumer aller sorgen frî, | bin ich diesen Sommer von allen Sorgen befreit, |
sît der winter ist dâ hin. | seitdem der Winter vergangen ist. |
ich wil êren | Ich will |
die jungen êren | die Jungen |
freude: dar nâch stêt mîn sin. | die Freude lehren: Danach steht mir der Sinn. |
Übersetzung 3: Sommerlied 18 (Neidhart)
Mittelhochdeutsch | Übersetzung |
---|---|
I | |
"Uns wil ein sumer komen", | "Der Sommer wird bald kommen", |
sprach ein magt: "jâ hân ich den von Riuwental vernomen. | sprach ein Mädchen: "Ja, das habe ich von Reuental gehört. |
jâ wil ich in loben. | Ja, ich will ihn loben. |
mîn herze spilt gein im vor vreuden, als ez welle toben. | Mein Herz springt wegen ihm so vor Freunde, als ob es toben wollen würde. |
ich hœr in dort singen vor den kinden. | Ich höre ihn dort vor den Kindern singen. |
jâne wil ich nimmer des erwinden, | Damit will ich nicht mehr aufhören, |
ich springe an sîner hende zuo der linden." | ich springe an seiner Hand zu den Linden." |
II | |
Diu muoter rief ir nâch; | Die Mutter rief ihr hinterher; |
sî sprach : "tohter, volge mir, niht lâ dir wesen gâch! | Sie sprach: "Tochter, folge mir, handle nicht so voreilig!" |
weistû, wie geschach | Weißt du, was |
dîner spielen Jiuten vert, alsam ir eide jach? | sowohl deiner tanzenden Jiuten als auch ihrer Mutter widerfahren ist? |
der wuohs von sînem reien ûf ir wempel, | Der wuchs durch seine Reientänze der Bauch |
und gewan ein kint, daz hiez si lempel: | und sie bekam ein Kind, das sie Lempel nannte: |
alsô lêrte er sî den gimpelgempel." | So lehrte er sie den Gimpelgempel." |
III | |
"Muoter, lât iz sîn! | "Mutter, lass das sein! |
er sante mir ein rôsenschapel, daz het liehten schîn, | Er schickte mir einen Rosenkranz, der einen leuchtenden Schein |
ûf daz houbet mîn, | auf meinem Kopf hat, |
und zwêne rôten golzen brâhte er her mir über Rîn: | und zwei rote Strümpfe brachte er mir über den Rhein: |
die trag ich noch hiwer an mînem beine. | die trage ich noch heute an meinen Beinen. |
des er mich bat, daz weiz ich niewam eine. | Um was er mich bat, das weiß nur ich allein. |
jâ volge ich iuwer ræte harte kleine." | Ja, deshalb werde ich eurem Rate überhaupt nicht folgen! |
IV | |
Der muoter der wart leit, | Der Mutter war es leid, |
daz diu tohter niht enhôrte, daz si ir vor geseit; | dass ihre Tochter nicht darauf hörte, was sie ihr davor gesagt hatte; |
iz sprach diu stolze meit: | So sprach das stolze Mädchen: |
"ich hân im gelobt: des hât er mîne sicherheit. | "Ich habe es ihm versprochen: daher hat er mein Wort. |
waz verliuse ich dâ mit mîner êren? | Warum sollte ich damit meine Ehre verlieren? |
jâne wil ich nimmer widerkêren, | Ja, ich will niemals wieder zurückkommen, |
er muoz mich sîne geile sprünge lêren." | er muss mir seine wilden Sprüngen beibringen." |
V | |
Diu muoter sprach: "wol hin! | Die Mutter sprach: "Dann geh! |
verstû übel oder wol, sich, daz ist dîn gewin: | dir wird es wohl oder übel ergehen, das ist dein Lohn: |
dû hâst niht guoten sin. | Du hast keine gute Wahrnehmung. |
wil dû mit im gein Riuwental dâ bringet er dich hin: | So wirst du mit ihm ins Reuental gehen, denn da bringt er dich hin: |
alsô kan sîn treiros dich verkoufen. | So kann seine Melodie dich verkaufen. |
er beginnt dich slahen, stôzen, roufen | Er beginnt dich zu schlagen, zu stoßen und zu prügeln |
und müezen doch zwô wigen bî dir loufen." | und es müssen doch zwei Wiegen bei dir laufen." |
Übersetzung 4: Winterlied 24 (Neidhart)
Mittelhochdeutsch | Übersetzung |
---|---|
I | |
Sumer, dîner süezen weter müezen wir uns ânen: | Sommer, wir müssen nun auf dein schönes Wetter verzichten; |
dirre kalte winder trûren unde senen gît. | Der kalte Winter weckt Trauer und Sehnsucht nach dir. |
ich bin ungetroestet von der lieben wolgetânen. | Ich werde nicht von der lieben Schönen getröstet. |
wie sol ich vertrîben dise lange swaere zît, | Wie soll ich diese lange und schwere Zeit verbringen, |
diu die heide velwet unde mage bluomen wolgetân? | die die Wiesen und die vielen schönen Blumen verwelken lässt? |
dâ von sint die vogele in dem walde des betwungen, daz si ir singen müezen lân. | Davon werden die Vögel im Wald gequält, da sie ihr Singen lassen müssen. |
II | |
Alsô hât diu vrouwe mîn daz herze mir betwungen, | Also hat mir die Dame mein Herz gebrochen, |
daz ich âne vröude muoz verswenden mîne tage. | sodass ich meine Tage ohne Freude verstreichen lassen muss. |
ez vervaehet niht, swaz ich ir lange hân gesungen; | Es war erfolglos, was auch immer ich ihr lange vorgesungen habe; |
mir ist alsô maere, daz ich mêre stille dage. | Mir ist also egal, dass ich für länger still bin. |
ich geloube niht, daz sî den mannen immer werde holt: | Ich glaube nicht, dass sie den Männern wieder hold wird: |
wir verliesen, swaz wir dar gesingen unde gerûnen, ich und jener Hildebolt. | Wir verlieren, egal was wir singen und raunen, ich und jener Hildebolt. |
III | |
Der ist nû der tumbist under geilen getelingen, | Der ist nun der Dümmste unter den fröhlichen Gesellen, |
er und einer, nennet man den jungen Willegêr: | er und einer, den man den jungen Willegêr nennt: |
den enkunde ich disen sumer nie von ir gedringen, | Den konnte ich diesen Sommer nicht von ihr verdrängen, |
sô der tanz gein âbent an der strâze gie entwer. | als der Tanz gegen Abend auf der Straße (draußen) hin und her ging. |
mangen twerhen blic den wurfen sî mich mit den ougen an, | Manchen schiefen Blick warfen sie mir mit den Augen zu, |
daz ich sunder mînes guoten willen vor in beiden ie ze sweime muose gân. | sodass ich gegen meinen guten Willen/meine gute Absicht gehen musste. |
IV | |
Wê, daz mich sô manger hât von lieber stat gedrungen | Wehe, dass mich so mancher von dem lieben Ort verdrängt hat |
beidiu von der guoten unde ouch wîlent anderswâ! | sowohl von diesem Guten als auch einst von woanders! |
oedelîchen wart von in ûf mînen tratz gesprungen. | Widerlich war ihr Tanz, was mir missfällt. |
ir gewaltes bin ich vor in mînem schophe grâ. | Wegen ihrer Gewalt wird mein Haar ganz grau. |
doch sô neic diu guote mir ein lützel über schildes rant. | Doch so neigte sich mir die Gute ein wenig über den Rand ihres Schildes. |
gerne mugt ir hoeren, wie die dörper sint gekleidet: üppiclîch ist ir gewant. | Gern könnt ihr hören, wie die Bauern gekleidet sind: Übertrieben ist ihr Gewand. |
V | |
Enge röcke tragent sî und smale schaperûne, | Enge Westen und schmale Mäntel tragen sie, |
rôte hüete, rinkelohte schuohe, swarze hosen. | rote Hüte, Schnallenschuhe, schwarze Hosen. |
Engelmâr getet mir nie sô leide an Vriderûne, | Engelmâr und Vriderûne haben mir nie so ein Leid angetan, |
sam die zwêne tuont. ich nîde ir phellerîne phosen, | wie es die beiden machen. Ich hasse ihre seidenen Gürteltaschen, |
die si tragent: dâ lît inne ein wurze, heizet ingewer. | die sie tragen: darinnen ist eine Würzel, die Ingwer heißt. |
der gap Hildebolt der guoten eine bî dem tanze; die gezuhte ir Willegêr. | Die gab Hildebolt der Guten beim Tanz, die ihr Willegêr wegnahm. |
Va | |
Gern west ich, wie es die torpper vnter einander trachten. | Gerne wüsste ich, wie sich die Bauern untereinander anziehen. |
sie trugen peckkelhauben, darczu lange swert. | Sie trugen Pickelhauben und dazu lange Schwerter. |
ir spottigkeit, ir laster sie gar zu laster brachten: | Ihr Spotten und ihre Laster brachten gar Schande: |
des wurdens durch die goller mer denn halb gewert | aus diesem Grund wurden sie durch ihre Späße noch mehr verdorben. |
sie stritten mit einander einen ganczen summer langen tag. | Sie stritten miteinandern einen ganzen langen Sommertag. |
das ir geläße sahe herre Neithart, do er in dem vas bey dem wein lag. | Dieses Benehmen sah Neidhart, als der in dem Weinfass lag. |
VI | |
Sagte ich nû diu maere, wie siz mit ein ander schuofen, | Berichtete ich nun die Geschichte, wie sie miteinander sind, |
des enweiz ich niht: ich schiet von danne sâ zehant. | dann würde ich lügen: Ich machte mich schnell davon. |
manneglîch begunde sînen vriunden vaste ruofen; | Alle fingen an, ihre Freunde laut zu rufen; |
einer der schrê lûte: „hilf, gevater Weregant!“ | einer schrie laut: "Hilfe, Gevatter Weregant!" |
er was lîhte in grôzen noeten, dô er sô nâch helfe schrê. | Er war in großer Not, als er so nach Hilfe schrie. |
Hildeboldes swester hôrte ich eines lûte schrîen: „wê mir mînes bruoder, wê!“ | Hildebolds Schwester hörte den lauten Schrei: "Oh weh, mein Bruder, oh weh!" |
VIa | |
Dô kam schiere ein geteline geloufen von dem strîte: | Da kam ein Bursche durch den Streit hergelaufen: |
den frâgt ich der maere. "Willeher mit ellen streit. | den fragte ich nach der Geschichte. "Willeher streitet mit vollem Einsatz. |
Hildeboltes schapperûn der ist zerzerret wîte | Hildebolts Mantel ist überall zerrissen |
und dar zuo sîn enger roc wol drîer spannen breit." | und dazu ist seine enge Weste drei Spannen breit." |
daz geschach umb eine wurzen, die man ûz der hende ir brach. | Das geschah wegen einer Wurzel, die man ihr aus den Händen riss. |
des engalt vil mangiu spaehiu hûbe, die man bî dem tanze zerzerret ligen sach. | Das gilt vielen schönen Hauben, die man bei dem Tanz zerrissen liegen sah. |
VII | |
Wâ bî sol man mîn geplätze hinne vür erkennen? | Wie soll man mein Gerede in Zukunft erkennen? |
hie envor dô kande man iz wol bî Riuwental. | Früher kannte man es wohl unter dem Namen Reuental. |
dâ von solde man mich noch von allem rehte nennen: | So sollte man mich zu Recht nennen: |
nust mir eigen unde lêhen dâ gemezzen smal. | nur habe ich wenig Eigentum und Lehen. |
kint, ir heizet iu den singen, der sîn nû gewaltic sî! | Kinder, heißt den singen, der am gewaltigsten sei! |
ich bin sîn verstôzen âne schulde: mîne vriunt, nu lâzet mich des namen vrî! | Ich wurde ohne Schuld verstoßen: Meine Freunde, lasst mich von diesem Namen frei! |
VIII | |
Ich hân mînes herren hulde vloren âne schulde: | Ich habe die Ehre meines Herrn ohne Schuld verloren: |
dâ von so ist mîn herze jâmers unde trûrens vol. | Da ist mein Herz voll mit Jammer und Trauer. |
rîcher got, nu rihte mirz sô gar nâch dîner hulde, | Reicher Gott, ich richte mich gar nach deiner Huld, |
manges werden friundes daz ich mich des ânen sol! | lass mich Freunde finden, sodass ich mich daran erinnern soll! |
des hân ich ze Beiern lâzen allez, daz ich ie gewan, | Das, was ich je gewann, habe ich alles in Bayern gelassen, |
unde var dâ hin gein Ôsterrîche und wil mich dingen an den werden Ôsterman. | und ich will nach Österreich gehen und ein Mann werden. |
IX | |
Mîner vînde wille ist niht ze wol an mir ergangen: | Meiner Freunde Willen ist mir nicht wohlergangen: |
wolde ez got, sîn mähte noch vil lîhte werden rât. | Wollte es Gott, so könnte seine Macht etwas verhindern. |
in dem lande ze OEsterrîche wart ich wol enphangen | In dem Land Österreich wurde ich wohl empfangen |
von dem edeln vürsten, der mich nû behûset hât. | von dem edlen Fürst, der mich nun behütet hat. |
hie ze Medelicke bin ich immer âne ir aller danc. | Hier in Melk bin ich immer mit all ihrem Dank. |
mir ist leit, daz ich von Eppen und von Gumpen ie ze Riuwental sô vil gesanc. | Mir ist es leid, dass ich von Eppen und Gumpen im Reuental so viel gesungen habe. |
IXa | |
Her Nîthart hât uns hie verlâzen als diu krâ den stecken, | Herr Neidhart hat uns hier verlassen, wie die Krähe den Stecken, |
diu dâ hinne fliuget unde sitzet ûf ein sât. | die fliegt dahin und setzt sich auf einer Saat nieder. |
ez sol ein man mit fremden frouwen niht ze vil gezecken, | Ein Mann soll mit fremden Damen nicht so viel herumnecken, |
der der wâren schulde an sîner keine vunden hât. | der an seiner Frau keine Schuld findet. |
er niez sîn tegelîche spîse (der hât er dâ heime genouc), | Er genießt seine tägliche Speise (von der er daheim genug hat), |
lâz Hildebolten mit gemache! ez was ein eichel, die er bî im in dem biutel truoc. | lass Hildebolt in Ruhe! Es war eine Eichel, die er bei sich im Beutel trug. |
X | |
Rädelohte sporen treit mir Fridepreht ze leide, | Radförmige Sporen trägt mir Fridedpreht zur Leide, |
niuwen vezzel hât er baz dan zweier hende breit. | einen neuen Schhwertgurt hat er, mehr als zwei Hände breit. |
rucket er den afterreif hin wider ûf die scheide, | Wenn er das Band wieder auf die Scheide rückt, |
wizzet, mîne vriunde, daz is mir ein herzenleit! | wisset, meine Freunde, dass mir das ein Herzensleid ist! |
zwêne niuwe hantschuoh er unz ûf den ellenbogen zôch. | Zwei neue Handschuhe zog er auf den Ellenbogen. |
mugt ir hoeren, wie der selbe gemzinc von der lieben hiuwer ab dem tanze vlôch? | Möchtet ihr hören, wie derselbe Gemsbock von der Liebe dieses Jahr von dem Tanz floh? |
Xa | |
Er gap versengelt wol, rehte als im waer an gebunden | Er liegt wohl, als ob ihm |
ein swînes blâse, alsô man den wilden hunden tuot. | eine Schweinsblase angebunden worden wäre, so wie man es bei den wilden Hunden macht. |
ofte brach er sînen zelt, als sî doch wol befunden, | Oft unterbrach er seinen Schritt, als sie ihn doch fanden, |
Hatze und Pletze und jeniu ir gespile Hademuot. | Hatze und Pletze und jene Gespielin Hademuot. |
frâget Engeltrûten, wiez laeg umbe ir bruoder Fridebreht! | Fragt Engeltrût, wie es um ihren Bruder Fridebreht steht! |
"ach ach, er hât verrenket sich vor vorhte", alsô hât si mir geseit, "der toersche kneht." | Ach ach, er hat sich vor Furcht verrenkt"; so hat sie er mir gesagt, "der dumme Knabe." |
Xb | |
Sach ab ieman jenen mit der gickelvêhen täcken? | Sah jemand jenen mit der bunten Decke? |
die treget er ûf der hende und klopfet ûf sîn niuwez swert: | Die er in der Hand trägt und auf sein neues Schwert klopft: |
dâ mite er uns des nahtes ab der gazzen wil erschrecken. | damit will er uns nachts auf den Straßen erschrecken. |
der selbe dünket sich noch mêr dan drîer bônen wert, | Derselbe denkt, er wäre mehr als drei Bohnen wert, |
als er danne gerûzet unde gedraeset, der vil übele man, | als er dann lärmt und schnaubt, der sehr üble Mann, |
und im sîn täcke ringeleht erklinget dem gelîche, als er trage ein goller an. | und ihm ertönt seine ringelnde Decke, als ob er eine Schelle trage. |
Übersetzung 5: Winterlied 13 (Neidhart)
Mittelhochdeutsch | Übersetzung |
---|---|
I | |
Wi überwinde ich beide | Wie überwinde ich beide |
mîn líep ùnd die súmerzît? | meine Freude und die Sommerzeit? |
ine kan die wolgetânen schiere niht verklagen. | Ich kann die Schönheiten nicht so rasch vergessen. |
von sô grôzem leide, | durch so großes Leid, |
mir ríuwe ầne vröude gît, | das mir freudlosen Schmerz bereitet |
trûre ich wol von schulden nû ze disen trüeben tagen, | klage ich wohl mit Recht über diese trüben Tage, |
di uns den winder kündent, der uns manger vröude roubet. | die uns der Winter verkündet, der uns mancher Freude beraubt. |
sanges habent sich diu kleinen vogelîn geloubet: | Auf den Gesang haben die kleinen Vögelchen verzichtet: |
alsô möhte ich wol mit minem sange stille dagen. | also möchte ich wohl meinen Gesang schweigen lassen. |
II | |
Sol mich niht vervâhen | Sollten mich |
mîn trốst ùnd mîn líeber wấn, | meine Hoffnung und meine liebe Zuversicht nicht erfolgreich sein lassen |
sô enweiz ich, waz genâden ich mich trœsten mac. | so weiß ich nicht, was sich erbarmen und mir helfen vermag. |
wol mac ir versmâhen | Sie möchte wohl |
mîn díenèst, den ích ir hấn | meinen Dienst verschmähen, den ich ihr |
lange her geleistet und des ie mit triuwen phlac. | lange geleistet habe und den ich mit Zuverlässigkeit ausübte. |
alsô phlæge ichs immer gerne, möhte ich des geniezen, | So pflegte ich es immer gerne zu tun und möchte damit Erfolg haben, |
sô daz mich die dörper mînes lônes iht verstiezen. | sodass mich die Bauern meines Lohnes nicht berauben. |
des ist Uoze grîfic und sîn rûher schavernac. | Das ist der gierige Uoze und seine grobe Pelzmütze. |
III | |
Engelwân und Uoze | Engelwar uns Uoze, |
die zwéne sint mír geház | die beiden sind mir verhasst. |
(schaden unde nîdes muoz ich mich von in versehen) | (Vor ihrem Schaden und ihrem Neid muss ich mich vorsehen) |
und der geile Ruoze: | und der übermutige Ruoze: |
wie tíuwer er sich vermáz, | wie erhaben er sich rühmte, |
er bestüende mich durch sî! die drîe widerwehen | er fordert mich wegen ihr heraus! Die drei Widersacher |
râtent unde brüevent, daz ich âne lôn belîbe. | planen un bewerten, sodass ich ohne Lohn bleibe. |
niht envolge ir lêre, vrouwe, liebist aller wîbe! | Folge nicht ihrer Anweisung, Dame, Liebste aller Frauen! |
lône mîner jâre; lâz in leit an mir geschehen! | Belohne meine Jahre; lass sie durch mich Leid erfahren! |
IV | |
Vrouwe, dine güete | Dame, deine Güte, |
di erkénne ìch sô mánicvált, | die ehre ich so vielfältig, |
daz ich liebes lónes von dir noch gedingen hân. | sodass ich mir noch einen Liebeslohn von dir erhofft hatte. |
daz mich ie gemüete, | Dass mich ihr Gemüt, |
die spränzlèr und ír gewált, | die Pracht und ihre Macht |
daz was mit den bluomen hin. nu wil mir Engelwân | das war er mit den Blumen hin. Nun will mich Engelwar |
dîne hulde verren: daz im müeze misselingen, | deiner Gunst entziehen: Das muss ihm misslingen, |
sô daz hundert swert ûf sînem kophe lûte erklingen! | sodass hundert Schwerter auf seinem Kopf laut erklingen! |
snîdent sî ze rehte, sî zerüttent im den spân. | Schneidet sie zu Recht, sie verwüsten ihm die Glieder. |
V | |
Seht an Engelwânen, | Sehr Engelwar an, |
wie hóhe èr sîn hóubet tréit! | wie hoch er sein Haupt trägt! |
swanne er mit gespannem swerte bî dem tanze gât, | Wenn er mit umgeschnalltem Schwert zu dem Tanze geht, |
sô ist er niht âne | dann ist der nicht ohne |
der vlæmischen höveschéit, | das flämische höfische Benehmen, |
dâ sîn vater Batze wênic mit ze schaffen hât. | damit hat sein Vater Batze wenig zu schaffen. |
nu ist sîn sun ein œder gouch mit siner rûhen hûben: | Nun ist sein Sohn ein dummer Narr mit seiner groben Haube: |
ich gelîche sîn gephnæte ze einer saten tûben, | Ich vergleiche seine Aufgeblasenheit mit einer satten Taube, |
diu mit vollem krophe ûf einem korenkasten stât. | die mit einem vollen Hals/Schnabel auf einem Kornkasten steht. |
VI | |
Swer in sîner tougen | Wer auch immer sein Geheimnis, |
ie líep òde léit gewán, | ihre Freude oder ihr Leid gewöhnt ist, |
dem sint mîne sorgen und mîn kumber wol bekant. | dem sind meine Sorgen und mein Kummer wohlbekannt. |
sît ich minen ougen | Seit ich meinen Augen |
den stîc nìht verbíeten kán, | den Weg nicht vorenthalten kann, |
sî enblicken hin, dà Rouze tanzet an ir hant, | blicken sie hin, wo Ruoze an ihrer Hand tanzt, |
sô verlâze ich kûme, deich mich selben niht enroufe: | deswegen verlasse ich ihn mühsam, damit ich denselben nicht verprügle: |
solhen wehsel nement, die dâ minnent, an ir koufe. | Solchen Handel nehmen jene, die dort einen Minnedienst an ihr verdienen. |
Minne, lâ mich vrî! mich twingent sêre dîniu bant. | Minne, lass mich frei! Mich bedrücken deine Leinen sehr. |
VII | |
Minne, dîne snüere | Minne, deine Schnüre, |
die twíngènt daz hérze mîn, | die bedrücken mein Herz, |
daz ich hân ze strîte wider dich deheine wer. | sodass ich mich gegen dich zur Wehr setzte. |
swie verholne ich rüere | Obwohl ich mich verborgen bewege, |
den zímbèl der zélle dîn, | die Glocke in deiner Kammer, |
sô bin ich betwungen des, daz ich dir hulde swer. | bin ich dennoch bezwungen, sodass ich dir meine Huld schwöre. |
vrouwe Minne, dîn gewalt ist wider mich ze strenge; | Dame Minne, deine Macht über mich ist zu gewaltig; |
küneginne, dîner ungenâde niht verhenge, | Königin, verhänge deine Unbarmherzigkeit nicht, |
daz si mich verderbe! ja ist si über mich ein her. | da sie mich zugrunde richten würde! Ja, sie ist Herr über mich. |
Übersetzung 6: Winterlied 1 (Neidhart)
Mittelhochdeutsch | Übersetzung |
---|---|
I | |
Winder, uns wil dîn gewalt | Winter, deine Gewalt will uns |
in die stuben dringen | in die Stuben, |
von der linden breit: | weg von den großen Linden, drängen. |
dîne winde die sint kalt. | Deine Winde sind kalt. |
lerche, lâ dîn singen! | Lerche, lasse dein Singen! |
dir hât widerseit | Gegen dich |
beide rîfe und ouch der snê; | haben sich sowohl der Frost als auch der Schnee gestellt; |
dû muost stille swîgen: | Du musst nun stillschweigen: |
sô klag ich den grüenen klê. | Nun trauere ich um den grünen Klee. |
meie, ich wil dir nîgen; | Mai, ich will mich dir entgegen neigen; |
mir tuot der winder wê. | der Winter tut mir weh. |
II | |
Tanzet, lachet, weset vrô! | Tanzt, lacht und seid froh! |
daz zimt wol den jungen | Das gehört sich wohl für den Jungen |
disen winder lanc. | diesen Winter lang. |
iu ze stiuwer gibe ich sô | Euch gebe ich zur Untersützung nun |
hiwer von mîner zungen | dieses Jahr mit meinen Worten |
einen niuwen sanc, | einen neuen Gesang, |
daz ir âne swæren muot | sodass ihr ohne drückendes Gemüt |
vreude mugt erbîten. | auf Freude warten mögt. |
Engelmâr, dîn stube ist guot: | Engelmar, deine Stube ist gut: |
küele ist an der lîten. | kühl ist es an den Abhängen. |
der winder schaden tuot. | Der Winter richtet Schaden an. |
III | |
Etzel, Ruoze und Adelber | Etzel, Ruoze, Adelber |
und der geile Rüele | und der wilder Rüele |
zesamen hânt gesworn | haben sich zusammen gegen |
alle ûf einen dörper hêr: | einen Bauern verschworen: |
derst von Wîtenbrüele | Der kommt von Witenbrüele |
und brüevet grôzen zorn. | und erfährt großen Zorn. |
daz enkunde ich ê noch sit | Das erfuhr ich noch bevor |
nie voltagedingen. | alles vonstattenging. |
Rüele enwolte enwiderstrît | Rüele wollte um die Wette |
an dem reien springen: | auf dem Reien/Tanz springen: |
daz was Lanzen nît. | das wollte Lanzen nicht. |
IV | |
Lanzen einen treien treit, | Lanzen bringt einen Tanz, |
diu ist von barchâne, | der aus Barchent ist (?) |
grüene also der klê. | und grüner als der Klee. |
ze wîge hât er sich bereit: | Zur Weihe hat er sich bereit gemacht: |
er lebet in dem wâne, | Er lebt in dem Glauben, |
daz im niht widerstê. | dass man sich ihm nicht entgegenstellt. |
dar in er gesteppet hât | Dazu hat man ihm |
ein guot îsnîn hemde. | ein gutes Eisenhemd genäht. |
limmende als ein ber er gât; | Er geht so brüllend wie ein Bär; |
guot muot ist im vremde. | gute Besinnung ist ihm fremd. |
erst kint, der in bestât. | Wer ihn angreift, ist unbedacht. |
IVa | |
Lanze der hât noch die frünt, | Lanzen hat noch die Freunde |
die in niht enlâzen, | die ihn nicht lassen, |
swie gar er sî ein kint. | auch wenn er noch wie ein Kind ist. |
drî hân ich iu schiere gekünt, | Drei habe ich euch schnell bekannt gemacht: |
die im ûf der strâzen | Die, die ihm auf der Straße |
bîgestendic sint: | beigestanden sind: |
Îsenbolt und Îsenhart | Isenbolt und Isenhart |
und der junge Vrîte. | und der junge Vrite. |
Rüele der wart nie sô zart, | Rüele, der war nie so schwach, |
er wær an dem strîte | er wäre bei dem Streit |
ze verhe wol bewart. | wohl verschont geblieben. |
IVb | |
Sô lâz wirs vehten umb den lîp. | Nun lasst uns ums Leben kämpfen. |
und gê wir zuo dem tanze: | Und wir gehen zum dem Tanz: |
da spring wir schône enbor. | Dort springen wir tüchtig empor. |
nu wol ûf, meide und jungiu wîp, | Nun wohl auf, Mädchen und junge Frauen, |
Afrâ, Englîn, Franze, | Afra, Eglin, Franze, |
diu wil uns singen vor. | die werden uns vorsingen. |
Metze beit .. | Metze wartet .. |
und kumet Adelheite | und Adelheit kommt |
und über ... Engellint | und über ... Engellint |
und Irmengart gemeite | und die schöne Irmengart |
daz sint gar schoeniu kint. | das sind gar schöne Mädchen. |
Übersetzung 7: Winterlied 27 (Neidhart)
Mittelhochdeutsch | Übersetzung |
---|---|
I | |
Mirst von herzen leide, | Mir tut es von Herzen leid, |
daz der küele winder | dass der kühle Winter |
verderbet schœner bluomen vil: | die schönen vielen Blumen verdorben hat: |
sô verderbet mich ein senelîchiu arebeit. | so wie mich mein Liebesdienst verdorben hat. |
dise sorge beide | Diese beiden Sorgen |
dringent mich hin hinder | hindern mich daran, |
ze ende an mîner vreuden zil. | dass freudige Ziel zu erreichen. |
owê, daz diu guote mit ir willen daz vertreit, | Oh weh, dass die Gute mit ihrem Willen dies beendet, |
sît si wol geringen mac | da sie wohl |
alle mîne swaere! | all meinen Schmerz reduzieren kann! |
hei, gelebte ich noch den tac, | Ach, könnte ich noch den Tag erleben, |
daz sî gnædic wære! | an dem sie gnädig wäre! |
II | |
Swenne ich mich vereine | Immer wenn ich mich vereine |
unde an sî gedenke, | und an sie denke, |
wær inder wîbes güete dâ, | war in in dieser Frau die Güte da, |
diune hæte sich sô lange bî ir niht verholn. | die ich solange bei ihr nicht verdienen konnte. |
sît sî lônet kleine | Obwohl sie |
mîner niuwen klenke, | meine neue Klänge nur wenig belohnt, |
wan mag ich dienen anderswâ? | wem sollte ich sonst anderswo dienen? |
nein, ich wil mit willen disen kumber langer doln. | Nein, ich will willens diesen Kummer länger ertragen. |
waz, ob noch ein sælic wîp | Was, wenn sich nicht noch eine edle Frau |
gar den muot verkêret? | meiner Gesinnung zuwendet? |
vreu mîn herze und trœste den lîp! | Erfreue mein Herz und tröste mir das Leben! |
diu zwei diu sind gesêret. | Diese beiden sind verletzt. |
III | |
Zuo dem umgemache, | Zu dem Unbehagen, |
den ich von ir lîde, | das ich durch sie erleide, |
sô twinget mich ein ander leit, | bedrängt mich von ein weiteres Leid, |
daz vor allem leide mich sô sêre nie betwanc, | das mich so sehr wie kein anderes jemals bezwingt, |
swiech dar umbe lache | auch wenn ich deswegen lache |
und gebâre blîde: | und heiter bin: |
mir hât ein dörper widerseit | Mir hat sich ein Bauer entgegengestellt |
umb anders niht wan umbe den mînen üppeclîchen sanc. | um nichts Anderes als meinen übermütigen Gesang. |
derst geheizen Adeltir, | Er heißt Adeltir, |
bürtic her von Ense, | gebürtig aus Ense, |
zallen zîten drôt er mir | und bedroht mich zu allen Zeit |
als einer veizten gense. | wie eine fette Gans. |
IV | |
Hiwer an einem tanze | Dieses Jahr bei einem Tanz |
gie er umbe und umbe. | ging er im Kreis umher. |
den wehsel het er al den tac: | Den Wechsel schaffte er den ganzen Tag: |
glanziu schapel gap er umbe niuwiu krenzelîn. | er verschenkte prachtvolle Bänder und neue Kränzlein |
Etzel und Lanze, | Etzel und Lanze, |
zwêne knappen tumbe, | zwei törichte Knappen |
die phlâgen ouch, des jener phlac. | die machten auch, was jener machte. |
Lanze der beswæret ein vil stolzez magedîn: | Lanze belästigte ein sehr stolzes Mädchen: |
eine kleine rîsen guot | einen kleinen kostbaren Schleicher |
zarte er ab ir houbet, | riss er ihr vom Kopf |
dar zuo einen bluomenhuot: | und auch einen Blumenhut: |
wer het im daz erloubet? | Wer hat ihm das erlaubt? |
V | |
Owê sîner hende! | Weh seinen Hände! |
daz si sîn verwâzen! | Auf das sie verflucht seien! |
die vinger müezen werden vlorn, | Die Finger muss er verlieren, |
dâ mit er gezerret hât den schedelîchen zar! | mit welchen er die schändlichen Riss/Entriss verursacht hat |
hiete er ir gebende | Hätte er ihren Kopfschmuck |
ungezerret lâzen, | unberührt gelassen, |
daz kränzel hiete ouch sî verkorn. | so hätte sie ihm das Kränzchen auch verziehen. |
er ist ungevüeger danne wîlen Engelmâr, | Er ist ungehobelter als eins Engelmar, |
der gewalticlîchen nam | der mit Gewalt |
den spiegel Vriderûne, | Friderun den Spiegel entriss, |
des bin ich dem dörper gram, | deswegen bin ich den Bauern böse, |
dem selben Walberûne. | wie auch Walberune. |
VI | |
Dise alten schulde | Diese alte Schuld |
wecket mir diu niuwe: | hat in mir eine neue geweckt: |
ez hât ein geiler getelinc | Es hat ein wilder Bauer |
hiwer an mir erwecket, swaz mir leides ie geschach. | dieses Jahr in mir etwas geweckt, was mir an Leid noch nie geschehen war. |
ê ichz langer dulde, | Je länger ich es erdulde, |
set des mîne triuwe, | schwöre ich bei meiner Treue, |
gespringe ich zuo zim in den rinc, | desto eher springe ich zu ihm in den Ring, |
er bestât sîn buoze, daz er ir ze vrouwen jach, | er erhält noch seine Strafe, weil er zu der Dame ging, |
der ich lange gedienet hân | der ich lange gedient habe |
der mit ganzer stæte! | mit meiner ganzen Beständigkeit! |
wolde er sî geruowet lân, | Wollte er sie in Ruhe lassen, |
wie rehte der danne tæte! | wie rechtens er dann handeln würde! |
VII | |
Wê, waz hât er muochen! | Weh, was hat er für Flausen im Kopf! |
si kumt im niht ze mâze. | Sie kommen ihm nicht zugute. |
zwiu sol sîn pîneclîch gebrech? | Was soll sein peinlicher Mangel? |
im enmac gehelfen niht sîn hovelich gewant. | Nicht einmal sein höfisches Gewand mag ihm helfen. |
er sol im eine suochen, | Er soll sich eine suchen, |
diu in werben lâze. | die ihn um sich werben lässt. |
diu sînen rôten buosemblech | Seine rote Brustplatte, |
diu sint ir ungenæme gar, dar zuo sîn hiufelbant. | die ist ihr unangenehm, wie auch sein Hüftgürtel. |
enge ermel treit er lanc, | Er trägt lange enge Ärmel, |
die sint vor gebræmet, | die sind verbrämt, |
innen swarz und ûzen blanc. | innen schwarz und außen weiß. |
mit sîner rede er vlæmet. | Mit seiner rede flämelt er. |
VIIa | |
Sîner snüere strangen | Seine Riemen |
tengelnt an den orten: | baumeln überall: |
dâ hanget wunder pfeffers an, | Daran hängen wundersamer Pfeffer, |
muscât, negele, pfâwenspiegel: dêst der dörper glanz. | Muskat, Nelken, Pfauenkraut: das ist der Glanz der Bauern. |
er wil überdrangen | Er will |
ein meit mit süezen worten, | ein Mädchen mit schönen Worten gewissen, |
des im doch nîht gehelfen kan | die ihm aber nicht helfen können, |
sîn üppiclîch gewant und dar zuo sîn vil wæher swanz. | genauso wie sein üppiges Gewand und seine kostbare Schleppe. |
ein vil guotez lînîn tuoch, | Ein sehr gutes Leinentuch, |
sehzehn elen kleine, | sechzehn Ellen lang, |
hât sîn hemde und ouch sîn bruoch: | enthalten sowohl sein Hemd als auch seine Hose: |
der site ist ungemeine. | Seine Beschaffenheit ist fremd. |
VIIb | |
Her Nîthart, mugt irz lâzen? | Herr Neidhart, könnt ihr das lassen? |
iu mac misselingen. | Es mag euch misslingen. |
nu habt ez ûf die triuwe mîn. | Nun Habt ihr es auf meine Treue abgesehen. |
und mag ich, ez muoz iu bî dem tanze werden leit! | Und wenn ich kann, wird es euch beim Tanze leidtun! |
welt ir ûf der strazen | Wenn ihr euch auf der Straße |
vil mit uns gedringen, | mit uns drängen wolltet, |
swie breit ab iuwer multer sîn, | so weit wir euer Brustharnisch sei, |
dâ gelpfe schînet under iuwer ringelehte pfeit, | da zeigt sich euer Übermut unter eurem Kettenhemd |
und sult ir sîn der tiuvel gar | und solltet ihr der Teufel sein, |
mit iuwerm glitzeden huote, | mit eurem glitzerndem Hut, |
zwâre ich mache in bluotes war | so schwöre ich, ich mache es durch Blut |
mit mînem swerte guote. | mit meinem guten Schwert wahr. |
VIIc | |
"Nû dar, ziere gesellen, | "Nun dann, edle Gesellen, |
nu stât mir algelîche, | nun steht mir zur Seite |
helfet, daz wir in bestân, | und helft, damit wir jenem standhalten, |
der uns bî dem tanze mit gemache nîht enlât! | der uns beim Tanze nicht in Frieden lässt! |
ich trûwe in wol ervellen", | ich will ihn zu Fall bringen!", |
sô sprach Amelrîche; | sprach Amelrich; |
"die hant die muoz er mir hie lân, | "Die Hand muss er mir hier lassen, |
da der spreckelehte vogel oben ûfe stât, | weil sich dieser gefleckte Vogel für höher gestellt hält, |
und dar zuo den zeswen fuoz, | und noch dazu sein rechter Fuß, |
dar an der spore klinget. | da wo die Spore erklingt. |
jâ geschaffe ich mir sîn buoz, | Ja, ich beschaffe mir seine Buße, |
daz er von uns niht singet." | sodass er nicht von uns singt." |
Übersetzung 8: c1 (Neidhart)
Mittelhochdeutsch | Übersetzung |
---|---|
I | |
Der swarcze dorn ist worden weis, | Die schwarze Dorne ist weiß geworden, |
nun hat der maie seinen vleis | denn nun hat der Mai seinen Leib |
geleget an den anger, | auf die Wiese niedergelegt, |
gar zergangen ist der schne, | der Schnee ist völlig geschmolzen, |
man siht hewer aber als ee | man sieht sogleich eher als sonst, |
die liechten plumblein swanger. | dass die leuchtenden Blümlein blühen. |
der maie hat die veld gar schön beseczet | Der Mann hat die Felder sehr schön |
mit gamillen plúmlein fein, | mit feinen Kamillenblümlein besetzt, |
fro so singen die vogelein, | deshalb singen die Vögelchen froh, |
irs laids sind sie ergeczet. | ihr Leid wurde ihnen entschädigt. |
II | |
Da fúr ich lob die rainen weib, | Dafür lobe ich die reinen Frauen, |
der wolgetraut globter leib. | deren gepriesener Leib |
kan pringen hoch gemúte. | Freude bringen kann. |
die sich vor valsche hand behút, | Die, die sich vor der falschen Hand hüten, |
die lob ich fur alles gut, | die lobe ich gut für alles, |
so wol dir, weibes gute! | so gewiss dir, gute Frau! |
weib, behalt dein er, das will ich dir raten, | Frau, behalte deine Ehre, das möchte ich dir raten, |
durch dein frölich weiblich zucht | durch deine fröhliche weibliche Keuschheit |
weib, du auserwelte frucht, | Frau, du auserwählte Frucht, |
la túme minner braten! | lass deinen Leib weniger taumeln! |
III | |
Nun sung ich gern der frawen mein, | Als ich gerne für meine Dame sang, |
so irret mich ein ander pein, | störte mich eine andere Pein, |
ich sahe die dörper raien | ich sah die Bauern |
gar uppiglichen auf dem plan, | sehr unangebracht auf dem Platz tanzen, |
baide, frawen unde man, | beide, Damen und Männer, |
die empfiengen schön den maien. | die den Mai schön empfingen, |
her langer Lancze, daz sult ir mir rechen, | Herr großer Lanze, das sollt ihr mir vergelten, |
darczu so clag ich euch, herr Pflug, | dazu beklage ich mich über euch, Herr Pflug, |
ir rechet mir diesen ungefug, | ihr vergeltet mir diesen Unfug, |
das in ir rúcken brechen. | sodass ihnen ihre Rücken brechen. |
IV | |
Ich kam dohin gein Zeisselmaur, | Ich kam dort zu Zeisselmauer hin, |
die fart ward mir eins tails zu sawer, | die Fahrt war mir teilweise zu schwer, |
ich hört da fremde mere. | da ich unbekannte Geschichten hörte. |
do fand ich einen lobetancz | Darauf fand ich einen Ehrentanz |
und von rosen mangen krancz, | und manche Rosenkränzen, |
zergangen was mein swere. | und so verging mein Schmerz. |
ich zogt zu einem wirte, der was ziere, | Ich kam zu einem Wirt, der herrlich war, |
des ward Engelmair gewar, | das war der sorgfältige Engelmar, |
elen weit was im sein har, | sein Haar ging ihm bis zur Elle. |
da hin so eilt er schiere | dahin eilte er sogleich |
V | |
zu vierczig gattelingen gut, | zu vierzig guten Bauern, |
uppiglich stund in ir mut, | übermütig war ihre Gesinnung, |
die tanczten bei der linden. | die tanzten bei den Linden. |
er sprach: "herr Neithart der ist hie, | Er sprach: "Herr Neidhart ist hier, |
der uns gespöttes nie erlie, | der uns sein Spotten nie erlässt, |
wol auf, das wir in finden. | wohl auf, sodass wir ihn finden mögen. |
ir solt euch keines argen nicht gedencken, | Ihr sollt euch keine Sorgen machen, |
ir get mir zúchtiglichen nach, | ihr folgt mir, |
auch seit zu fechten nicht zu gache, | auch seid mit dem Kämpfen nicht zu schnell, |
wir sond im frolich schencken." | wir sollen ihm fröhlich zu trinken geben." |
VI | |
Vierczig käntelin mit wein | Vierzig Kannen mit Wein, |
sie trungen in ein gertelein, | trugen sie in Gärtchen, |
gar gros was ir geraisse: | ihr Zug/Reisezug: war sehr groß |
"seit got wilkum, herr Neithart, | "Seid Willkommen, Herr Neidhart, |
euch sei geschenckt an diser fart." | euch soll auf dieser Fahrt zu trinken gegeben sein." |
ich saß in einem swaisse, | Ich saß in einem ..., |
ich sprach:"ich pin dem Neidhart ungeleiche, | ich sprach. "Ich bin nicht Neidhart, |
ich pin ein jeger, mir ist zorn, | ich bin ein Jäger und ich bin zornig, |
ich hab die hunde sein verlorn, | ich habe die Hunde |
des fursten von Osterreiche." | der Fürste von Österreich verloren." |
VII | |
Engelmair in da gepot | Engelmar befahl ihnen |
bei dem Leben an den todt, | bei Leben und Tod, |
das sie sich saczten alle. | dass sie sich alle setzten. |
so zuhant da schankt man ein | Sogleich schenkte man |
den vil klaren osterwein, | der sehr reinen Osterwein ein, |
den truncken sie mit schalle. | den sie alle mit Jubel tranken. |
er sprach: "und wolt ir gogelfur erkennen, | Er sprach: "Und wollt ihr die Scherzen kennen lernen, |
so siczt und seit ein frolich man, | so setzt euch und seid ein fröhlicher Mann, |
ich hilf euch mit gemach hin dan, | ich helfe euch mit Bequemlichkeit, |
wolt ir mich nimmer nennen." | wenn ihr mich nie mehr nennt." |
VIII | |
"Dir sei gelobet an die hant: | "Dir sei versichert: |
du wirst von mir nicht mer genant, | du wirst von mir nicht mehr genannt, |
was ich will furbas singen, | bei dem was ich singen |
und auch was gedichten kan, | und bei dem was ich dichten werde/kann, |
du haist der ungenante man, | wirst du der ungenannte Mann sein, |
du solt frolichen springen, | du sollst fröhlich springen, |
und hais die öden schaiden aus dem garten." | und die öden ... aus dem Garten ..." |
"wol auf, ir herrn, wir sollen gan | "Wohl auf, ihr Herren, wir sollen |
gar zuchtiglichen auf den plan | sehr schnell auf den Platz gehen |
und dienen frauen zarten." | und den teuren Damen dienen." |
IX | |
Die verswunden so zuhant, | Sie verschwanden so schnell, |
do bracht man mir ein gut gewant, | dass man mir ein gutes Gewand brachte, |
das must ich dannen furen. | dass ich dann wegfahren musste. |
darczu so gabns mir ein pfert, | Dazu gaben sie mir ein Pferd, |
das was wol dreissig pfunde werdt | das wohl dreißig Pfund wert war |
und zeltet nach den schnúren. | und nach den Leinen ging. |
des danckt ich schon den manen und den frawen | Das dankte ich schon den Männern und den Damen |
und rait daczu in auf den plan, | und ritt zu ihnen auf den Platz, |
da mochten siben hundert stan, | dort mochten siebenhundert stehen |
die mich begunden schawen. | die anfingen, mich anzuschauen. |
X | |
Auf die rais so was mir gah, | Auf dieser Reise hatte ich es so eilig, |
mir ward ein michel kaffen nach | mir schauten sie |
von liechten augen schöne. | mit schönen leuchtenden Augen nach. |
Friderunen näckelin, | Frideruns Nacken, |
das gab fur die andern schein, | der war für die anderen sichtbar, |
mit lob ichs imber kröne, | mit Lob versehe ich es immer, |
ich rait gein Wien und sagt die abenteure, | ich reite nach Wien und erzähle das Abenteuer, |
wie sie mir alle trúgen has, | wie sich mich alle hassten, |
da ich in dem garten saß, | weil ich in dem Garten saß, |
iedoch ward mir ir stewre. | jedoch war mir ihr ... |
XI | |
Der herczog sandt gein Zeisselmaur, | Der Herzog sandte nach Zeisselmauer, |
er lie frei den selben pauer | und ließ denselben Bauern |
und all sein hausgenossen. | und all seine Hausgenossen frei. |
des ward fro der Engelmar, | Deswegen war Engelmar froh, |
der mir half frölich von der schar | der mir fröhlich mit der Schar |
wol auf des reiches strassen. | auf den Straßen ssehr half. |
und Engelmair wil ich nimmer nennen, | Und Engelmar möchte ich nie wieder nennen, |
er haist der ungenante man, | er ist der ungenannte Mann, |
der wol mit Friderúnen kan, | der wohl mit Friderun kam, |
ir múgt in wol erkennen. | ihr mögt ihn gewiss erkennen. |
Übersetzung 9: Sommerlied 22 (Neidhart)
Mittelhochdeutsch | Übersetzung |
---|---|
I* | |
Der winter hât ein ende. | Der Winter hat ein Ende. |
komen ist uns der meie, | Zu uns gekommen ist der Mai, |
der uns bluomen bringet mager leie. | der uns Blumen auf kargen Wegen bringt. |
ich hoer diu vogelîn singen. | Ich höre die Vögelchen singen. |
wir suln alle springen, | Wir sollen alle springen, |
sîn gemeit. | und fröhlich sein. |
der walt ist wol geloubet, | Der Wald ist gar belaubt, |
diu linde guldîn tolden treit. | die Linde trägt eine goldene Baumkrone. |
I | |
Der linden welnt ir tolden | Die Linden wollen ihre Baumkronen |
von niuwem loube rîchen; | mit neuem Laub ausstatten; |
da under lâzent nahtigal dar strîchen: | unter diesen lassen sich die Nachtigallen nieder; |
si singent wol ze prîse | Sie singen wohl, um |
vremde süeze wîse, | die fremde süße Wiese zu preisen, |
doene vil. | sie ertönen viel. |
si vreunt sich gein dem meien: | Sie erfreuen sich am Mai: |
sîn kunft diu ist ir herzen spil. | seine Ankunft ist ihre Herzensfreude. |
II | |
Si sprechent, daz der winder | Sie sagen, dass der Winter |
hiuwer sî gelenget. | sich dieses Jahr in die Länge ziehen würde. |
nu ist diu wise mit bluomen wol gemenget, | Nun ist die Wiese aber voller Blumen, |
mit liehter ougenweide | eine leuchtende Augenweide |
rôsen ûf der heide | sind die Rosen auf der Heide |
durch ir glanz. | durch ihren Glanz. |
der sante ich Vriderûnen | Da sandte ich Friderun |
einen wolgetânen kranz. | einen schönen Kranz. |
III | |
Die vogele in dem walde | Die Vögel im Wald |
singent wünneclîchen. | singen herrlich. |
stolze mägde, ir sult ein niuwez tîchen. | Stolze Mägde, ihr sollt etwas Neues treiben. |
vreut iuch lieber maere! | Erfreut euch an der lieben Geschichte! |
maneges herzen swaere | Manches schweres Herz |
wil zergân. | wird vergehen. |
tuot, als ich iuch lêre, | Macht, was ich euch lehre, |
strîchet iuwer kleider an! | legt eure Kleider an! |
IV | |
Ir brîset iuch zen lanken, | Ihr schnürt es euch um die Hüfte, |
stroufet ab die rîsen! | streift die Schleier ab! |
wir sulnz ûf dem anger wol wikîsen. | Wir sollen auf dem Feld schön tanzen. |
Vriderûn als ein tocke | Friderun sprang wie eine Puppe |
spranc in ir reidem rocke | in ihrem gefälteten Rock |
bî der schar: | vor der Gruppe: |
des nam anderthalben | Das nahm auf der anderen Seite |
Engelmâr vil tougen war. | Engelmar heimlich wahr. |
V | |
Dô sich aller liebes | Als sich alle Liebenden |
gelîch begunde zweien, | zu zweit zusammentaten, |
dô sold ich gesungen haben den reien, | da sollte ich zu den Tänzen singen, |
wan daz ich der stunde | jedoch konnte ich in diesem Moment |
niht bescheiden kunde | nicht bestimmen |
gegen der zît | zu dieser Zeit, |
sô diu sumerwünne | in der die Sommerwonne |
manegem herzen vreude gît. | manchen Herzen Freude gibt. |
VI | |
Nu heizent sî mich singen; | Nun heißen sie mich zu singen; |
ich muoz ein hûs besorgen, | ich muss ein Haus versorgen, |
daz mich sanges wendet manegen morgen. | das mich an manchem Morgen vom Singen abhält. |
wie sol ich gebâren? | Wie soll ich verfahren? |
mirst an Engelmâren | Mir ist Engelmar |
ungemach, | unangenehm, |
daz er Vriderûnen | weil er Friderun |
ir spiegel von der sîten brach. | ihren Spiegel von der Hüfte brach. |
VIa | |
Sîner basen bruoder | Ihrem Vater |
hiet sis wol erlâzen. | hätte sie wohl verziehen. |
er kan sich deheiner dinge mâzen; | Er kann sich bei keinen Dingen zurückhalten; |
er ist ein toerscher Beier. | er ist ein törichter Bayer. |
er un der junge meier | Er und der junge Meier |
tuont ir leit. | fügen ihr Leid hinzu. |
noch hât sî den vriunt, | Noch hat sie den Freund, |
der imz die lenge niht vertreit. | der ihr lange Zeit nicht verzeiht. |
VIb | |
Dar umbe wil sie aber | Darum will sie aber |
ein Engelmâr vertrîben. | Engelmar vertreiben. |
er ist ein gemzinc under jungen wîben. | Unter den jungen Frauen ist er ein Gemsbock. |
er ist ein ridewanzel, | Er ist einer, der den Ridewanzel |
in dem geu vortanzel. | beim Vortanzen tanzt. |
sîn gewalt | Seine Gewalt |
der ist an dem reien | ist bei dem Tanze |
under den kinden manicvalt. | unter den Frauen vielfältig. |
VIc | |
Daz ist Friderûne | Das ist für Friderun |
ein lange werndiu swaere | ein lang anhaltender Schmerz, |
von Engelmâre dem toerschen tanzprüevaere, | den ihr Engelmar, der törichte Tänzer, zugefügt hat, |
daz er ir torste lâgen. | als er es wagte ihr aufzulauern/nachzustellen. |
daz klagtes al ir mâgen. | Das beklagten all ihre Verwandten. |
umbe den schal | Vor dem Gerede |
solt dû dich nu hüeten, | sollst du dich nun in acht geben, |
Friderûn! fliuch gein Riuwental! | Friderun! Fliehe nach Reuental! |
VId | |
Der het ir genomen | Der hätte ihr |
in schimphe ein tockenwiegel. | eine Puppenwiege im Spotte genommen. |
daz hiet wir verklagt, niewan den spiegel | Das hätten wir verschmerzt, nur nicht den Spiegel |
(der was von helfenbeine, | (der war aus Elfenbein, |
waehe, ergraben kleine), | schön und fein graviert), |
den sîn hant | den seine Hand |
ir nam gewalticlîche; | ihr gewaltsam entriss; |
dâ von al mîn vreude swant. | wovon all meine Freund schwand. |
VIe | |
Ir sult mirz wol gelouben, | Ihr sollt es mir wohl glauben, |
ich sag iz niht gerne: | ich sage es nicht gerne: |
diu spiegelsnuor diu kom her von Iberne. | das Band des Spiegels kommt aus Irland. |
ez was ein waeher borte. | Es war eine kostbare Borte. |
niden an dem orte | Unten an der Stelle |
stuonden tier | befanden sich Tiere |
geworht von rôtem golde. | aus rotem Gold gemacht. |
nie geschach sô leide mir. | Nie geschah mir so ein Leid. |
VIf | |
Daz ich niht froelîch singe, | Dass ich nicht fröhlich singe, |
daz wendet mir ein swaere, | dass fügt mir ein Leid zu, |
von der ich alsô gerne ledic waere. | von dem ich so gern befreit wäre. |
diese dorfgebûwer | Diese Dorfbauern |
die nimt des gar untûwer; | kümmert das gar nicht; |
sie tragent mir haz. | Sie bringen mir Hass entgegen. |
ob si niht enwaeren, | Wenn sie nicht da wären, |
sô sunge ich für wâr fürebaz. | so würde ich fürwahr weitersingen. |
VIg | |
Erkenbreht und Uoze | Erkenbrecht und Uoze |
und der ungenante, | und der Ungenannte, |
Gôzbreht, der mich ofte sanges wante, | Gozbrecht, der mich oft von meinem Gesang abbrachte, |
die sint nu gar gesweiget | die sind nun verstummt |
unde ihr freude seiget | und ihre Freude neigt sich |
hin und her. | hin und her. |
ir schîbe, diu gienc ebene, | Ihr Rad, das gleichmäßig ging, |
diu ust gestrûchet nû entwer. | das ist nun am hin und her Straucheln. |
VIh | |
Frou Hilde und getelinge, | Frau Hilde und die Gesellinen, |
die sprungen an ir hende, | die an ihrer Hand sprangen, |
ir tanz der was dô âne missewende. | deren Tanz, der war so tadellos. |
nu habent sî erworben, | Nun haben sie erreicht, |
daz er ist verdorben. | dass er zu Schaden kommt. |
ir üppekeit | Ihre Eitelkeit, |
ich waen diu hât geprüevet | das meine ich, die hat |
in manec gespötte unde leit. | manchen Spott und manches Leid hervorgebracht. |