Kryptogramm (Gottfried von Straßburg, Tristan): Unterschied zwischen den Versionen

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===Gesa Bonath===
===Gesa Bonath===
Unter dem Eindruck Schiroks schlägt Bonath eine weitere Variante vor die wiederrum dafür sprechen für eine Gliederungsfunktion des Kryptogramms sprechen würde. Im Gegensatz zu Bertau konzentriert sich Bonath nur auf die Kernbuchstaben des Schemas von Schirok und entwirft dabei folgende Gliederung:
Unter dem Eindruck Schiroks schlägt Bonath eine weitere Variante, die wiederrum für eine Gliederungsfunktion des Kryptogramms spricht. Im Gegensatz zu Bertau konzentriert sich Bonath nur auf die Kernbuchstaben des Schemas von Schirok und entwirft dabei folgende Gliederung:
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  1. Gruppe:  G - T I I T
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==Anmerkungen==
==Anmerkungen==

Version vom 15. Dezember 2010, 14:00 Uhr

Definition Kryptogramm [1]

Ein Kryptogramm ist ein Text in welchem sich eine zweite Botschaft verbirgt, die erst nach einem bestimmten Verfahren entschlüsselt werden muss. Es gibt verschiedene Arten, die Botschaft zu verschlüsseln. Entweder werden Buchstaben (etwa beim Akostichon, Mesostichon, Liptogramm), Silben (Retrogramm) oder Wörter (Palindrom) auf eine bestimmte Art und Weise gekennzeichnet. Im Tristan verwendet Gottfried das Akrostichon. Hierbei ergeben die ersten Buchstaben bestimmter Verse ein Wort, Name oder Satz.[Grimm 2007:9]


Probleme und Beschreibung des Kryptogramms im Tristan

Das Kryptogramm im Tristan ist seit den Beginn der Gottfried-Philiologie immer wieder Thema von Eröterungen. Einen Überblick dazu bietet B. Schirok in seiner 1984 erschienenden Ausatz "Zu den Akrosticha in Gottfrieds Tristan".[Schirok 1984] Als erstes entdeckt und in seiner Deutung relativ unbestritten[2] ist das DIETERICH-Akrostichon. [Schirok 1984: 189ff.] Wer Dieterich war, ist nicht sicher geklährt.[Schirok 1984: 191] Wahrscheinlich war er der Autraggeber des Werkes. Die Initialen gleich zu Beginn des Romans würden damit eine Ehrung für ihn darstellen.[Huber 2000: 38]
Über die genaue Struktur der restlichen Initialen herrscht nach wie vor Unsicherheit. Im Laufe der Jahre würden immer wieder verschiedene Vorschläge entwickelt, die jedoch alle zu keinem entgültigen Ergebnis führten.[3] Probleme bereiten vor allem eine ganze Reihe von Initialen, deren Zugehörigkeit unklahr ist und vermutlich auch unklar bleiben wird.[4] Möglich wäre:

  • Gottfried hat bewusst "sinnlose" Initialen plaziert, um die Entschüsselung seines Kryptogrammes zu erschweren und es geheimnissvoller scheinen zu lassen
  • Im Zuge der Überlieferung wurde dir ursprüngliche Größe von Initialien geändert/ist verloren gegangen.
  • Am Ende des Romans stehen Initialen, die das Rätsel lösen würden.
  • Gottfried hat es nicht geschafft, das Kryptgramm zu vollenden.
    Am Ende seiner Untersuchung schlägt Schitok eine Schema für das Kryptgramm vor, welches trotz einiger Schwachstellen [5] ein Großteil der jüngeren Forschung übernommen hat.[Huber 2000];[Tomasek 2007]

Schema [6]

Schirok geht davon aus, dass das erste G im Roman nicht den Titel grâve Dieterichs bezeichnet sondern den Anfangsbuchstaben des Autornames "Gottfried" darstellt. Damit die Symmetrie in der Initialenordnung aufgeht setzt er außerdem vorraus, dass Isolde im Akkusativ Isolden steht. [Schirok 1984: 208ff.] Den im Vergleich zu Tristan und Isolden um einen Buchstaben verlägerten Namen Gottfried sieht er nicht als Wiederspruch für die Symmentrie, sondern vielemehr als Voraussetzung für diese.[Schirok 1984: 212] Um die Namen zu vervollständigen ergänzt Schirok Buchstaben (in Klammern stehend), die seiner Vermutung nach im nicht vorhandenen Romanschluss stehen. Sie ergeben sich auch durch die regelmäßigen Dreierrythmen, welche aus den Versangaben ersichtlich werden.[7].
Unter Einbezug aller Annahmen entwirft Schirok also folgendes Schema:

G TIIT O RSSR T IOOI E SLLS (F TDDT R AEEA I NNNN T)
    1    1751   5069   12183
   41    1791   5099   12431
   45    1795   5103   12453
  131    1865   5177   12503
  135    1869   5181   12507
G      O      T      E       (F      R      I      T)
 T       R      I      S      (T      A      N)
  I       S      O      L      (D      E      N)
   I       S      O      L      (D      E      N)
    T       R      I      S      (T      A      N) 

Anhand der Versangaben ist zu sehen, dass die Buchstaben immer verschränkt angeordnet sind. Dadurch wird die Liebesbeziehung Tristans und Isoldes auch bildlich veranschaulicht.


Das Kryptogramm als Hinweis auf eine Handlungsgliederung?

Welche Funktion hat das Kryptogramm? Sicherlich ist es ästethischer Ausdruck. Zumindest das erste Akrostichon dient sicherlich zum Dieterichs, unabhängig von der Frage ob dieser nun Auftraggeber des Werkes, Freund öder Förderer war.
Immer wieder wurde jedoch auch die Annahme diskutiert, ob das Kryptogramm nicht auch eine versteckte Gliederungsfunktion im Roman erfülle.

Karl Bertau

Karls Bertrau geht davon aus, dass Gottfried mit dem Initialenspiel die Struktur des Gedichtes bezeichnet: "Nicht von einem modernen Verständnis des epischen Vorgangs und seiner Einheiten her wäre der Tristan gliedern aufzufassen, sondern von diesem geheimen Muster aus." [Bertau 1972: 934] Unter Hinzunahme aller Initialen gliedert Bertau den Roman in vier Haupstücke:[Bertrau 1972: 953f.]

  1. Fortdauern des Vergänglichen
  2. Die Fortuna des jungen Tristan
  3. Haß und Liebe des jungen Tristan
  4. List, Schmerz und Tod durch die Liebe

Gegen Karl Bertau wendet sich Kurt Ruth: "Diese kryptographische Struktur sollte nun nicht als Gliederungsprinzip mißverstanden werden, da sie keine Handlung strukturieren vermag. Sie gehört aber auch nicht zu einem Kommentarsystem."[Ruh 1980: 225]. Stattdessen, argumentiert Ruh, diene sie dazu, die Liebenden durch Zeichen zu preisen.[Ruh 1980: Ebd.]

Gesa Bonath

Unter dem Eindruck Schiroks schlägt Bonath eine weitere Variante, die wiederrum für eine Gliederungsfunktion des Kryptogramms spricht. Im Gegensatz zu Bertau konzentriert sich Bonath nur auf die Kernbuchstaben des Schemas von Schirok und entwirft dabei folgende Gliederung:

1. Gruppe:  G - T I I T

       V.        1  G       eröffnet den Prolog.
       V.       41  T
       V.       45  I       trennt den strophischen Prolog vom Reimpaarprolog.
       V.      131  I
       V.      135  T       folgt unmittelbar auf die Nennung des Helden,
                            trennt den Prolgus prater rem vom Prologus ante rem.
2. Gruppe:  O - R S S R
       V.     1749  O       folgt unmittelbar auf Tristans Geburt, leitet über zur
                            Klage über den Tod Riwalins und Blanscheflurs.
       V.     1789  R 
       V.     1763  S       leitet über zu Ruals Sorge für das verwaiste Kind
                            und zum Begräbnis Blanscheflurs.
       V.     1863  S
       V.     1867  R       leitet die entschiedene Zuwendung des Autors zur Geschichte
                            der lebenden ein.
3. Gruppe:  T - I O O I 
       V.     5067  T       folgt auf Tristans Schwertleite, leitet über zu seiner
                            Verpflichtung, den toten Vater zu rächen.
       V.     5097  I
       V.     5101  O       leitet Tristans Vorbereitungen zur Heimkehr ins Land
                            des Vaters ein.
       V.     5175  O 
       V.     5179  I       folgt unmittelbar auf Tristans Ankaunft in Parmenien,
                            leitet über zur Huldigung der Vasallen 
4. Gruppe:  T - E S LL S
       V.    12187  E       folgt unmittelbar auf die erste Liebesnacht Tristans und
                            Isoldes, leitet eine Minnerefelxio ein und über zur
                            Schilderung von Glück und Sorge der Liebenden während der Überfahrt.
       V.    12435  S
       V.    12439  L       leitet über zu den Präventivmaßnahmen, die für die
                            Hochzeitsnacht geplant werden.
       V.    12507  L
       V.    12511  S       folgt auf Tristans Bekenntnis zur seiner Liebe mit allen
                            Konsequenzen, leitet über zur Ankunft im Land Markes. 

Anmerkungen

  1. Nach [Köhler 2007: 406f.] und [Kiermeier-Debre 2000: 349ff.]
  2. Einen Einwand fomuliert [Krohn 2008: 16]. Zur Erläuterung siehe auch Kapitel 3.
  3. Etwa [Scholte 1942];[Bertau 1972: 933ff.];[Fourquet 1973]. Vgl. dazu ausführlich [Schirok 1984: 189ff.]
  4. Vgl. dazu die Tabellen bei [Schirok 1984: 196f.].
  5. Etwa [Bonath 1986: 112ff.], die Einwände gegen die Argumentation, der Name Isoldes stehe im Kryptogramm im Akkusativ Isolden, brint.
  6. Nach [Schirok 1984: 212]. Die Ergänzung der Versangaben richtet sich nach [Tomasek 2007: 93].
  7. Vgl. dazu auch [Tomasek 2007: 93]

Literatur


<HarvardReferences />

  • [*Bertau 1972] Bertau, Karl: Deutsche Literatur im Mittelalter. 2 Bde. München 1972-1973.
  • [*Bonath 1986] Bonath, Gesa: Nachtrag zu den Akrosticha in Gottfrieds 'Tristan'. In: ZfA 115 (1986), S. 101-116.
  • [*Fourquet 1973] Fourquet, Jean: Das Kryptogramm des „Tristan“ und der Aufbau des Epos. In: Gottfried von Straßburg. Hrsg. Von Alois Wolf. Darmstadt 1973 (WdF, 320),S. 362-370.
  • [*Grimm 2007] Grimm, Gunter E: Art.: Akostichon. In: Metzler Lexikon der Literatur. Stuttgart 2007, S.9.
  • [*Huber 2000] Huber, Christoph: Gottfried von Straßburg. Tristan und Isolde. Eine Einführung. Berlin 2000.
  • [*Kiermeier-Debre 2000] Kiermeier-Debre, Joseph: Art.: Kryptogramm. In: RLW Bd. 2. Berlin/ New York 2000, S. 349ff.
  • [*Köhler 2007] Köhler, Peter: Art.: Kryptogramm. In: Metzler Lexikon der Literatur. Stuttgart 2007, S.406 f.
  • [*Krohn 2008] Gottfried von Straßburg: Tristan. Band 3. Kommentar. Hrsg. von Rüdiger Krohn. Stuttgart 2008.
  • [*Ruh 1980] Ruh, Kurt: Höfische Epik des deutschen Mittelalters. Bd. 2. 'Reinhart Fuch','Lanzelet', Wolfram von Eschenbach, Gottfried von Straßburg. Berlin 1980 (Grundlagen der Germanisitik 25).
  • [*Schirok 1984] Schirok, Bernd: Zu den Akrosticha in Gottfrieds Tristan. Versuch einer kritischen und weiterführenden Bestandsaufnahme. In: ZdA 113 (1984), S. 188-213.
  • [Scholte 1942] Scholte, Janh Hendrik: Gottfrieds von Straßburg Initialenspiel. In: Gottfried von Straßburg. Hrsg. Von Alois Wolf. Darmstadt 1973 (WdF, 320),S. 47-97.
  • [*Tomasek 2007] Tomasek, Thomas: Gottfried von Straßburg. Stuttgart 2007.