Kampf- und Todesdarstellungen im Parzival: Unterschied zwischen den Versionen
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Der Artikel beschäftigt sich mit Darstellung, Ablauf und Spannungsaufbau der heldenepischen Einzelkämpfe im Parzival. | Der Artikel beschäftigt sich mit Darstellung, Ablauf und Spannungsaufbau der heldenepischen Einzelkämpfe im Parzival. | ||
== Kampfschilderungen == | |||
Wolfram von Eschenbach baut im Parzival, typisch für einen höfischen Roman, sehr stark auf heldenepische Einzelkampfsituationen und deren Inszenierung. Diese folgen meist dem klassischen Aufbau und können grob in drei Abschnitte unterteilt werden: Den ersten Teil bildet die Vorrede in der sich die beiden Kontrahenten oft in einem Wortwechsel gegenüberstehen oder ihre Ausstattung, wie zum Beispiel besondere Schwerter (Parzival) oder Rüstungen (Feirefiz), näher erläutert wird. Gerade der Verweis auf die bereits erstrittene Ehre der beiden Parteien trägt maßgeblich zum Spannungsaufbau bei. Die Einleitung soll den Rezipienten also auf standardisierten Bahnen auf die eigentliche Auseinandersetzung vorbereiten. Diese Auseinandersetzung bildet den zweiten Abschnitt und besteht aus der Tjost Situation. Nur in Einzelfällen wird hierbei der genaue Ablauf explizit dargestellt. Wenn dies der Fall ist, werden aber zumeist nur Schilde durchschlagen. Zu gravierenden Verletzungen, die auch im Detail beschrieben werden, kommt es nur in Schlüsselduellen des Romans. Bei der Verwundung Anfortas‘ hantelt es sich um eine solche: | |||
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| ''[…] mit einem gelupten sper'' | |||
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| ''wart er ze tjostieren wunt, | |||
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| ''sô daz er nimmer mêr gesunt | |||
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| ''wart, der süeze oeheim dîn,'' | |||
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| ''durch die heidruose sîn. (V. 479,8 – 479,12) | |||
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Hier wird explizit der Stich durch den Hoden erwähnt, der den Gralskönig verwundet hat. Ähnliche Beschreibungen finden sich auch bei der Schilderung des Kampfes zwischen Lishoys Gwelljus und Urjâns, an dessen Ende die Lanze ''„durch mînen [Urjâns] schilt und durch den lîp [fuhr]“ (V. 507,7)''. Die daraus resultierenden Verletzungen werden ebenfalls thematisiert und sind letztendlich ausschlaggebend für Gâwâns Begegnung mit Orgelûse. | |||
In der Regel benutzt Wolfram aber eher verknappende Formulierungen wie ''"man hôrt diu sper dâ krachen/ reht als es waere ein wolken rîz" (V. 378,10 – 11)'' oder ''"manc werder man entsetzet/ hinters ors ûfn acker" (V. 379,24 – 25)'', um den Tjost darzustellen. Der eigentliche Höhepunkt der Duelle fällt mit wenigen Versen eher kurz aus. Entscheidender ist der darauffolgende dritte Abschnitt. Dieser ist nicht in allen Kampfschilderungen gleichermaßen vorhanden, macht aber den überwiegenden Teil aus. Ist der Kampf nämlich beendet, setzt eine Art „Nachspiel“ ein in dem Sieger und Besiegter miteinander interagieren. In einem Gespräch wird dem Unterlegenen hierbei meistens ein Gelübde oder Versprechen abgenommen, zu dessen Erfüllung ihn die ritterliche Ehre zwingt. Die Selbstverständlichkeit mit der Konflikte zunächst gewaltsam gelöst werden, lässt sich in die Systemtheorie Luhmanns (Zitat/Quelle) einordnen in der Gewalt eine Form von Kommunikation darstellt. Diese Kommunikation wird nun nach dem Kampf umgehend in ein Machtgefüge umgewandelt, welches auf den höfischen Normen von Treue und Gehorsam basiert. | |||
== Todesdarstellungen und Sterbeszenen == | |||
Dem oben genannten, stehen vereinzelte Todessequenzen gegenüber in denen eine solche Umwandlung in ein Machtverhältnis entweder nicht möglich ist oder von vorneherein durch verschiedene Faktoren ausgeschlossen wird. Beispiele dafür sind unter anderem der Tod von Gahmuret und Ithêr. Bei beiden ist einerseits auffällig, dass ihr Tod verhältnismäßig ausführlich und sehr explizit beschrieben wird und andererseits starke Parallelen im Ablauf aufweisen: | |||
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| ''sînen [Gahmurets] helm versneit des spers ort'' | |||
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| ''durch sîn houbet wart gebort,'' | |||
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| ''daz man den trunzûn drinne vant.'' | |||
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| ''iedoch gesaz der wîgant, | |||
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| ''al töunde er ûz dem strîte reit'' | |||
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| ''ûf einen plân, die was breit. (v. 106,15 – 20) | |||
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| ''dâ der helm unt diu barbier | |||
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| ''sich locheten ob dem härsnier, | |||
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| ''durchz ouge in sneitdez gabylôt, | |||
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| ''unt durch den nac, sô daz er [Ithêr] tôt | |||
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| ''viel, valscheit widersatz. (V. 155,7 – 11)'' | |||
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Beide Ritter sterben durch einen Speer der sich in ihren Helm bohrt. Der einzige, aber zentrale, Unterschied besteht darin, dass es sich bei Gahmuret um die Lanze eines Ritters handelt und bei Ithêr um den Wurfspeer eines Jungen adeliger Abstammung (Parzival), der sich jedoch nicht mit den höfischen Verhaltensweisen auskennt. | |||
Im Folgenden soll versucht werden zu erläutern, warum Wolfram diese explizite Darstellungsform wählt, die doch sehr stark aus den übrigen heldenepischen Einzelkämpfen heraussticht. |
Version vom 12. Mai 2015, 09:52 Uhr
Der Artikel beschäftigt sich mit Darstellung, Ablauf und Spannungsaufbau der heldenepischen Einzelkämpfe im Parzival.
Kampfschilderungen
Wolfram von Eschenbach baut im Parzival, typisch für einen höfischen Roman, sehr stark auf heldenepische Einzelkampfsituationen und deren Inszenierung. Diese folgen meist dem klassischen Aufbau und können grob in drei Abschnitte unterteilt werden: Den ersten Teil bildet die Vorrede in der sich die beiden Kontrahenten oft in einem Wortwechsel gegenüberstehen oder ihre Ausstattung, wie zum Beispiel besondere Schwerter (Parzival) oder Rüstungen (Feirefiz), näher erläutert wird. Gerade der Verweis auf die bereits erstrittene Ehre der beiden Parteien trägt maßgeblich zum Spannungsaufbau bei. Die Einleitung soll den Rezipienten also auf standardisierten Bahnen auf die eigentliche Auseinandersetzung vorbereiten. Diese Auseinandersetzung bildet den zweiten Abschnitt und besteht aus der Tjost Situation. Nur in Einzelfällen wird hierbei der genaue Ablauf explizit dargestellt. Wenn dies der Fall ist, werden aber zumeist nur Schilde durchschlagen. Zu gravierenden Verletzungen, die auch im Detail beschrieben werden, kommt es nur in Schlüsselduellen des Romans. Bei der Verwundung Anfortas‘ hantelt es sich um eine solche:
[…] mit einem gelupten sper |
wart er ze tjostieren wunt,
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sô daz er nimmer mêr gesunt
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wart, der süeze oeheim dîn, |
durch die heidruose sîn. (V. 479,8 – 479,12)
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Hier wird explizit der Stich durch den Hoden erwähnt, der den Gralskönig verwundet hat. Ähnliche Beschreibungen finden sich auch bei der Schilderung des Kampfes zwischen Lishoys Gwelljus und Urjâns, an dessen Ende die Lanze „durch mînen [Urjâns] schilt und durch den lîp [fuhr]“ (V. 507,7). Die daraus resultierenden Verletzungen werden ebenfalls thematisiert und sind letztendlich ausschlaggebend für Gâwâns Begegnung mit Orgelûse.
In der Regel benutzt Wolfram aber eher verknappende Formulierungen wie "man hôrt diu sper dâ krachen/ reht als es waere ein wolken rîz" (V. 378,10 – 11) oder "manc werder man entsetzet/ hinters ors ûfn acker" (V. 379,24 – 25), um den Tjost darzustellen. Der eigentliche Höhepunkt der Duelle fällt mit wenigen Versen eher kurz aus. Entscheidender ist der darauffolgende dritte Abschnitt. Dieser ist nicht in allen Kampfschilderungen gleichermaßen vorhanden, macht aber den überwiegenden Teil aus. Ist der Kampf nämlich beendet, setzt eine Art „Nachspiel“ ein in dem Sieger und Besiegter miteinander interagieren. In einem Gespräch wird dem Unterlegenen hierbei meistens ein Gelübde oder Versprechen abgenommen, zu dessen Erfüllung ihn die ritterliche Ehre zwingt. Die Selbstverständlichkeit mit der Konflikte zunächst gewaltsam gelöst werden, lässt sich in die Systemtheorie Luhmanns (Zitat/Quelle) einordnen in der Gewalt eine Form von Kommunikation darstellt. Diese Kommunikation wird nun nach dem Kampf umgehend in ein Machtgefüge umgewandelt, welches auf den höfischen Normen von Treue und Gehorsam basiert.
Todesdarstellungen und Sterbeszenen
Dem oben genannten, stehen vereinzelte Todessequenzen gegenüber in denen eine solche Umwandlung in ein Machtverhältnis entweder nicht möglich ist oder von vorneherein durch verschiedene Faktoren ausgeschlossen wird. Beispiele dafür sind unter anderem der Tod von Gahmuret und Ithêr. Bei beiden ist einerseits auffällig, dass ihr Tod verhältnismäßig ausführlich und sehr explizit beschrieben wird und andererseits starke Parallelen im Ablauf aufweisen:
sînen [Gahmurets] helm versneit des spers ort |
durch sîn houbet wart gebort, |
daz man den trunzûn drinne vant. |
iedoch gesaz der wîgant,
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al töunde er ûz dem strîte reit |
ûf einen plân, die was breit. (v. 106,15 – 20)
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dâ der helm unt diu barbier
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sich locheten ob dem härsnier,
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durchz ouge in sneitdez gabylôt,
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unt durch den nac, sô daz er [Ithêr] tôt
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viel, valscheit widersatz. (V. 155,7 – 11) |
Beide Ritter sterben durch einen Speer der sich in ihren Helm bohrt. Der einzige, aber zentrale, Unterschied besteht darin, dass es sich bei Gahmuret um die Lanze eines Ritters handelt und bei Ithêr um den Wurfspeer eines Jungen adeliger Abstammung (Parzival), der sich jedoch nicht mit den höfischen Verhaltensweisen auskennt.
Im Folgenden soll versucht werden zu erläutern, warum Wolfram diese explizite Darstellungsform wählt, die doch sehr stark aus den übrigen heldenepischen Einzelkämpfen heraussticht.