Parzival: Aufeinandertreffen christlicher und heidnischer Kultur: Unterschied zwischen den Versionen
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Nicht nur in der erzählten Welt selbst, sondern auch in Bezug auf das Wissen über diese, spielt das Aufeinandertreffen der heidnischen und christlichen Kultur eine entscheidende Rolle und zwar in Bezug auf die Quellenfrage. Wolfram gibt an, dass die erste Person, die das Wissen um den [[Der Gral im Parzival (Wolfram von Eschenbach, Parzival)|Gral]] niederschrieb der Heide Flegetanis gewesen sei (453, 25-30). Interessant ist an dieser Stelle, dass Flegetanis, ''der ein kalp bette als ob ez waer ein got'' (454,2f.), gleichzeitig als ''wiser'' (454,5) bezeichnet wird. Seine Weisheit bzw. Bildung wird im Weiteren anhand seiner Kenntnis der Gestirne, in denen er die Geschichte über den Gral las (454, 21ff.), veranschaulicht. Hervorzuheben ist nun, dass Flegetanis zwar als erster das Wissen über den Gral niederschrieb, dieses allerdings nicht verstand. Erst durch den getauften Kyot, der aus Toledo stammt, wurde die wahre Bedeutung erkannt (453,11-24). Die Frage, die sich nun stellt, ist die, warum Wolfram das Wissen über das christliche Symbol des Grals zunächst von einem Heiden aufschreiben lässt, um es erst dann von einem Christen durchschauen zu lassen? Kathrin Chlench stellt dafür die These auf, dass Wolfram die Überlegenheit des Christentums -insbesondere die Fähigkeit der inneren Erkenntnis nach Augustinus- darstellen und gleichzeitig seine Wertschätzung der heidnischen Bildung, vor allem der Astronomie, zum Ausdruck bringen wollte. [Chlench 2014: 73] | Nicht nur in der erzählten Welt selbst, sondern auch in Bezug auf das Wissen über diese, spielt das Aufeinandertreffen der heidnischen und christlichen Kultur eine entscheidende Rolle und zwar in Bezug auf die Quellenfrage. Wolfram gibt an, dass die erste Person, die das Wissen um den [[Der Gral im Parzival (Wolfram von Eschenbach, Parzival)|Gral]] niederschrieb der Heide Flegetanis gewesen sei (453, 25-30). Interessant ist an dieser Stelle, dass Flegetanis, ''der ein kalp bette als ob ez waer ein got'' (454,2f.), gleichzeitig als ''wiser'' (454,5) bezeichnet wird. Seine Weisheit bzw. Bildung wird im Weiteren anhand seiner Kenntnis der Gestirne, in denen er die Geschichte über den Gral las (454, 21ff.), veranschaulicht. Hervorzuheben ist nun, dass Flegetanis zwar als erster das Wissen über den Gral niederschrieb, dieses allerdings nicht verstand. Erst durch den getauften Kyot, der aus Toledo stammt, wurde die wahre Bedeutung erkannt (453,11-24). Die Frage, die sich nun stellt, ist die, warum Wolfram das Wissen über das christliche Symbol des Grals zunächst von einem Heiden aufschreiben lässt, um es erst dann von einem Christen durchschauen zu lassen? Kathrin Chlench stellt dafür die These auf, dass Wolfram die Überlegenheit des Christentums -insbesondere die Fähigkeit der inneren Erkenntnis nach Augustinus- darstellen und gleichzeitig seine Wertschätzung der heidnischen Bildung, vor allem der Astronomie, zum Ausdruck bringen wollte. [Chlench 2014: 73] Um diese Bewunderung der heidnischen Kultur zum Ausdruck bringen zu können, betont der Autor die Fähigkeiten des Individuums Flegetanis und wertet gleichzeitig die Religion ab. In Bezug auf die von Alfred Raucheisen beschriebene Entwicklung der Heidendarstellung im Laufe der Kreuzzüge, könnte diese Stelle exemplarisch für die Offenheit gegenüber der anderen Kultur und den gleichzeitig fortexistierenden Vorbehalten und abwertenden Motiven gegenüber dem Heidentum stehen. | ||
=== Ebene der Rezipienten === | === Ebene der Rezipienten === |
Version vom 11. Juni 2015, 12:16 Uhr
Wolfram von Eschenbach präsentiert in seinem Parzival die heidnische Welt des Orientalen als tugendhaft und vollkommen.[1] Er verleiht ihr moralisch hoch angesehene Akteure, wie Feirefiz. Diese Darstellung ist mit Blick auf die literarische Tradition durchaus ungewöhnlich, da Heiden sonst als moralisch verwerflichen Gegenentwurf zum Abendland präsentiert werden.[2] Insbesondere in den Gahmuret-Büchern findet jedoch keine derartige Abgrenzung zwischen Heiden und Christen statt. Vielmehr wird eine Liebesbeziehung eingegangen, aus der ein Kind entsteht. Der Artikel befasst sich damit, welchen Zweck diese Vermischung heidnischer und christlicher Kultur für die Handlung besitzt. Wichtig ist dabei, den historischen Kontext zu beachten, der im Gegensatz zu Wolframs Handlung von gewaltsamen Konfrontationen heidnischer und christlicher Kultur –in Form der Kreuzzüge- geprägt war.
Historischer Hintergrund
Die Kreuzzüge wirkten sich in Bezug auf die ritterlich-höfische Literatur auch in soweit aus, dass Heiden vornehmlich in kriegerischen Situationen auftauchen, wobei es sich nicht nur um interkulturelle sondern auch um intrakulturelle Auseinandersetzungen handelt. [Schotte 2009: 42]
Literarische Tradition
In mittelalterlicher Literatur existierten von Beginn an Darstellungen des Orients. Bis zu den Kreuzzügen entnahmen die Autoren ihr Wissen vor allem aus antiken Quellen und der christlichen Kirchenlehre. Mit Beginn der Kreuzzüge wurde vor allem darauf Wert gelegt, das Christentum als die einzig richtige Religion zu charakterisieren und heidnische Religionen abzuwerten. Dabei wurden Heiden vor allem äußerlich als hässlich und märchenhaft dargestellt. Ebenso wurde den Heiden generell eine dunkle Hautfarbe zugesprochen, die als ein Verweis auf die Hölle angesehen wurde. Walther von der Vogelweide ging sogar so weit, dass er den Teufel als hellemor bezeichnete. [Raucheisen 1997: 49ff.] Aufgrund der Kreuzzüge und des sich ausweitenden Handels zwischen Orient und Okzident, löste sich das literarische Bild der Heiden in den ritterlich-höfischen Romanen zunehmend von den kirchlichen Vorstellungen ab. Zeitgemäß wurden die Heiden aufgrund ihrer Religion weiterhin als grundsätzlich verdammt bezeichnet, in der Literatur wurde aber zunehmend Wert auf die höfischen und ritterlichen Verhaltensweisen gelegt. Trotz dieser zunehmenden Offenheit, blieben dennoch die typischen Motive des schlechten und hässlichen Heiden bestehen [Raucheisen 1997: 59]
Aufeinandertreffen der Kulturen im Parzival
Das Aufeinandertreffen der Kulturen findet, wie Kathrin Clench herausgearbeitet hat, auf drei verschiedenen Ebenen statt - intradiegetisch, extradiegetisch und auf der Ebene der Rezipienten. [Clench 2014] Im Folgenden werden nun die Berührungspunkte der Kulturen dahingehend analysiert, welche Funktion sie für ihre jeweilige Ebene besitzen. Abschließend findet eine Gesamtbewertung der Darstellung Wolframs statt, die die Ergebnisse in die historische Situation und die literarische Tradition einordnet.
Intradiegetische Ebene
Im Folgenden sollen Berührungspunkte der Kulturen auf der intradiegetischen Ebene, also innerhalb der erzählten Welt, auf ihre Darstellung und Funktion analysiert werden. Da sich Christen und Heiden an vielzähligen Stellen begegnen, werden im Weiteren nur exemplarische Stellen untersucht.
Gahmuret und der Orient
Cundrie
Besonders deutlich wird das Aufeinandertreffen der Kulturen in Form von Cundrie. Durch ihre wilde Erscheinung wird sie bei ihrem ersten Auftreten schon rein durch ihr Äußerliches (313-314,10) von der höfischen Welt abgegrenzt. Durch diese sehr ausdrucksstarke Beschreibung wirkt sie trotz ihrer Bildung (314,20) fremd. Manuela Schotte sieht darin die Besonderheit in dieser Szene, in der Cundrie von Außen an den Artushof kommt und Parzival anklagt (314,26-30). Denn aufgrund ihrer Fremdheit und der gleichzeitigen Tugendhaftigheit (triuwe 318,9) eigne sie sich besonders dafür, in die Rolle der Anklägerin zu schlüpfen. Ihre moralische Stärke legitimiere sie dabei als Heidin Kritik zu äußern, die von den Rezipienten ernst genommen geworden sei.[Schotte 2009: 82f.] Die Begegnung von Figuren aus den verschiedenen Kulturen eröffnet somit einen Raum in dem Kritik an der höfischen Welt geübt werden kann.
Im weiteren Verlauf wird die Cundrie jedoch nicht, wie zu erwarten wäre, weiterhin von der christlichen Welt abgegrenzt. Ganz im Gegenteil, sie wird ein Teil der Gralsgemeinschaft und übernimmt sogar die besonders wichtige Aufgabe der Gralsbotin (781f.). Diese Veränderung ihrer Position macht sich auch in ihrer Erscheinung wahrnehmbar. So trägt sie einerseits das Gralswappen (780,13) und andererseits beschreibt Wolfram ihr Äußeres zwar als wild, aber keineswegs abwertend (780,18-26). Hinsichtlich ihrer Rolle als moralische Bewertungsinstanz ist hier eine Einschränkung ihrer Rolle zu vermerken. Denn sie stellt fest, dass sie mit ihrer vorherigen Anklage geirrt hat und entschuldigt sich bei Artus und Parzival (799,28-780,29). Schotte folgert hieraus, dass aus der Revidierung der Aussagen Cundries eine große Aufwertung und Bestätigung der christlichen Charaktere folge. Allerdings sieht Schotte hierin nicht die wichtigste Funktion von Cundries Wirken, sondern vielmehr in der Zusammenführung der Kulturen, in dieser äußerlich klar als heidnisch gekennzeichneten Figur. Durch die Vermischung der Kulturen bereite Wolfram die völlige Verschmelzung in Gestalt von Feirefiz vor. [Schotte 2009: 85]
Feirefiz
Extradiegetische Ebene
Nicht nur in der erzählten Welt selbst, sondern auch in Bezug auf das Wissen über diese, spielt das Aufeinandertreffen der heidnischen und christlichen Kultur eine entscheidende Rolle und zwar in Bezug auf die Quellenfrage. Wolfram gibt an, dass die erste Person, die das Wissen um den Gral niederschrieb der Heide Flegetanis gewesen sei (453, 25-30). Interessant ist an dieser Stelle, dass Flegetanis, der ein kalp bette als ob ez waer ein got (454,2f.), gleichzeitig als wiser (454,5) bezeichnet wird. Seine Weisheit bzw. Bildung wird im Weiteren anhand seiner Kenntnis der Gestirne, in denen er die Geschichte über den Gral las (454, 21ff.), veranschaulicht. Hervorzuheben ist nun, dass Flegetanis zwar als erster das Wissen über den Gral niederschrieb, dieses allerdings nicht verstand. Erst durch den getauften Kyot, der aus Toledo stammt, wurde die wahre Bedeutung erkannt (453,11-24). Die Frage, die sich nun stellt, ist die, warum Wolfram das Wissen über das christliche Symbol des Grals zunächst von einem Heiden aufschreiben lässt, um es erst dann von einem Christen durchschauen zu lassen? Kathrin Chlench stellt dafür die These auf, dass Wolfram die Überlegenheit des Christentums -insbesondere die Fähigkeit der inneren Erkenntnis nach Augustinus- darstellen und gleichzeitig seine Wertschätzung der heidnischen Bildung, vor allem der Astronomie, zum Ausdruck bringen wollte. [Chlench 2014: 73] Um diese Bewunderung der heidnischen Kultur zum Ausdruck bringen zu können, betont der Autor die Fähigkeiten des Individuums Flegetanis und wertet gleichzeitig die Religion ab. In Bezug auf die von Alfred Raucheisen beschriebene Entwicklung der Heidendarstellung im Laufe der Kreuzzüge, könnte diese Stelle exemplarisch für die Offenheit gegenüber der anderen Kultur und den gleichzeitig fortexistierenden Vorbehalten und abwertenden Motiven gegenüber dem Heidentum stehen.
Ebene der Rezipienten
Fazit
Literaturverzeichnis
<HarvardReferences /> [*Chlench 2014]Chlench, Kathrin: Die Wahrnehmung göttlichen Wirkens im interreligiösen Kontakt am Beispiel des >Parzival< Wolframs von Eschenbach, in: Thomas, Honegger et al. (Hgg.): Gottes Werk und Adams Beitrag: Formen der Interaktion zwischen Menschen und Gott im Mittelalter, Berlin 2014, S. 63-76. <HarvardReferences /> [*Raucheisen 1997]Raucheisen, Alfred: Orient und Abendland. Ethisch-moralische Aspekte in Wolframs Epen Parzival und Willehalm, Frankfurt a.M./New York 1997. <HarvardReferences /> [*Schotte 2009]Schotte, Manuela: Christen, Heiden und der Gral. Die Heidendarstellung als Instrument der Rezeptionslenkung in den mittelhochdeutschen Gralromanen des 13. Jahrhunderts, Frankfurt a.M. 2009.
- ↑ Im Folgenden immer zitiert aus: Wolfram von Eschenbach: Parzival. Studienausgabe. Mittelhochdeutscher Text nach der sechsten Ausgabe von Karl Lachmann. Übersetzung von Peter Knecht. Mit einer Einführung zum Text der Lachmannschen Ausgabe und in Probleme der 'Parzival'-Interpretation von Bernd Schirok, 2. Aufl., Berlin/New York 2003.
- ↑ Die hier angewendete Definition des Orients ist die von Paul Kunitzsch, der den "zeitgenössischen mittelalterlichen Orient, d.h. die islamische Welt, die ja immer die fremde, feindliche, exotische Gegenwelt zu der bekannten heimischen Umwelt der Dichter darstellt[e]."