Das Heidentum als Hindernis: Unterschied zwischen den Versionen

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Im folgenden Artikel soll die Darstellung des Heidentums im Parzival untersucht werden. Vor allem soll die Charakterisierung des Heidentums als Hindernis sowie das Überwinden oder Vermeiden desselben herausgestellt werden.  
Im folgenden Artikel soll die Darstellung des Heidentums im Parzival untersucht werden. Vor allem soll die Charakterisierung des Heidentums als Hindernis sowie das Überwinden oder Vermeiden desselben herausgestellt werden. <ref>  Alle folgenden Versangaben beziehen sich auf die Ausgabe: Wolfram von Eschenbach: Parzival. Text und Übersetzung. Studienausgabe. Mittelhochdeutscher Text nach der sechsten Ausgabe von Karl Lachmann. Übersetzung von Peter Knecht. Mit einer Einführung zum Text der Lachmannschen Ausgabe und in Probleme der 'Parzival'-Interpretation  von Bernd Schirok, 2. Aufl., Berlin/ New York 2003. </ref>


===Wege zwischen Heiden- und Christentum===
 
== Wege zwischen Heiden- und Christentum ==


Für die Figuren, die die Grenzen zwischen der Welt der Heiden und der Christen überqueren, ist dies niemals einfach. Die Religionen sind durch die geographische Distanz deutlich voneinander abgetrennt und nur durch eine mühsame Reise ist es möglich, in den Wirkensbereich des jeweils anderen Glauben vorzudringen.  
Für die Figuren, die die Grenzen zwischen der Welt der Heiden und der Christen überqueren, ist dies niemals einfach. Die Religionen sind durch die geographische Distanz deutlich voneinander abgetrennt und nur durch eine mühsame Reise ist es möglich, in den Wirkensbereich des jeweils anderen Glauben vorzudringen.  
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| wie vil er lande durchrite  || Wie viele Länder er durchritt
! Mittelhochdeutsch !! Neuhochdeutsch
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| und in schiffen umbefüere? || und in Schiffen umfuhr?
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| daz mer warf in mit Sturme dar,  || Das Meer hatte ihn mit Sturm dorthingeworfen,
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sô daz er kûme iedoch genas.
 
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so daß er kaum, doch immerhin, am Leben geblieben war.
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===Gahmuret und Belacane===
 
 
== Gahmuret und Belacane ==
Da sich Königin Belacane und ihr Königreich Zazamanc in Bedrängnis befinden, stellt sich Gahmuret in ihren Dienst (29, 14 - 16). Trotz der Unterschiede bezüglich ihrer Hautfarbe sind sich die beiden recht schnell zugetan: Belacane erkennt Gahmuret als schönen Mann (29, 2) und löst bei Gahmuret eine ähnliche Reaktion aus (vgl. 29, 8 und 34, 16). Nachdem Gahmuret ausstehende Gefahren in der Form von Rittern, die Belacane die Schuld am Tod eines ihr dienenden Königs gaben, abgewendet hat, kommt es dementsprechend zunächst zu einer Liebesnacht (vgl. 44, 27 - 30) und dann zur Hochzeit zwischen den beiden. Gahmuret's Liebe zu Belacane wird als stark und aufrichtig beschrieben, denn er "hatte [...] die schwarze Frau lieber als seinen eigenen Leib." (54, 21 - 22).  
Da sich Königin Belacane und ihr Königreich Zazamanc in Bedrängnis befinden, stellt sich Gahmuret in ihren Dienst (29, 14 - 16). Trotz der Unterschiede bezüglich ihrer Hautfarbe sind sich die beiden recht schnell zugetan: Belacane erkennt Gahmuret als schönen Mann (29, 2) und löst bei Gahmuret eine ähnliche Reaktion aus (vgl. 29, 8 und 34, 16). Nachdem Gahmuret ausstehende Gefahren in der Form von Rittern, die Belacane die Schuld am Tod eines ihr dienenden Königs gaben, abgewendet hat, kommt es dementsprechend zunächst zu einer Liebesnacht (vgl. 44, 27 - 30) und dann zur Hochzeit zwischen den beiden. Gahmuret's Liebe zu Belacane wird als stark und aufrichtig beschrieben, denn er "hatte [...] die schwarze Frau lieber als seinen eigenen Leib." (54, 21 - 22).  




Königin Belacane wird insgesamt auffallend positiv charakterisiert:  
Königin Belacane wird insgesamt auffallend positiv charakterisiert:  
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| ez enwart nie wîp geschicket baz: || Nie gab es eine Frau mit einem besseren Wesen;
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| der frouwen herze nie vergaz, || das Herz dieser Dame blieb niemals ganz allein,
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| im enfüere ein werdiu volge mite || immer hatte es edle Begleitung
der frouwen herze nie vergaz,
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| an rehter kiusche wîplich site. || weibliche Sitte, die aus der Ruhe einer reinen Seele kommt.
im enfüere ein werdiu volge mite
 
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|| Nie gab es eine Frau mit einem besseren Wesen;
 
das Herz dieser Dame blieb niemals ganz allein,
 
immer hatte es edle Begleitung
 
weibliche Sitte, die aus der Ruhe einer reinen Seele kommt.
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| waer dîn ordn in mîner ê, || Wäre nur dein Glaube in der Ordnung meiner Religion,
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| sô waer mir immer nâch dir wê: || so müßte ich mich immer nach dir sehnen
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| frouwe, wiltu toufen dich, || Meine Dame, wenn du dich taufen läßt,
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| du maht ouch noch erwerben mich. || vielleicht kannst du mich dann doch noch wiedergewinnen.
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du maht ouch noch erwerben mich.
 
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vielleicht kannst du mich dann doch noch wiedergewinnen.
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| Des engerte se keinen wandel niht. || Dagegen hatte sie nicht das geringste einzuwenden.
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| 'ôwe wie balde daz geschiht! || >> Ach, wie schnell ist das getan!
| Des engerte se keinen wandel niht.
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| wil er wider wenden, || Wenn er nur wiederkommen will –
'ôwe wie balde daz geschiht!
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| schiere sol ichz enden. || sofort kann das geschehen sein.
wil er wider wenden,
 
schiere sol ichz enden.
 
|| Dagegen hatte sie nicht das geringste einzuwenden.
 
>> Ach, wie schnell ist das getan!
 
Wenn er nur wiederkommen will –
 
sofort kann das geschehen sein.
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56, 25 - 26 (?)


= Literaturnachweise =
<HarvardReferences/>





Version vom 25. Juni 2015, 16:15 Uhr

Im folgenden Artikel soll die Darstellung des Heidentums im Parzival untersucht werden. Vor allem soll die Charakterisierung des Heidentums als Hindernis sowie das Überwinden oder Vermeiden desselben herausgestellt werden. [1]


Wege zwischen Heiden- und Christentum

Für die Figuren, die die Grenzen zwischen der Welt der Heiden und der Christen überqueren, ist dies niemals einfach. Die Religionen sind durch die geographische Distanz deutlich voneinander abgetrennt und nur durch eine mühsame Reise ist es möglich, in den Wirkensbereich des jeweils anderen Glauben vorzudringen.

Die erste Figur im Parzival von Wolfram von Eschenbach, die sich aufmacht, die Grenze zu überschreiten, ist Parzivals Vater Gahmuret. Nach dem Tod von Gahmurets Vater König Gandin von Anschouwe, beschließt Gahmuret auf das Angebot seines Bruders , sich das Erbe zu teilen, zu verzichten, und stattdessen Ruhm und Ehre anderswo zu finden. So begibt er sich auf seine Reise in den Orient um dort dem mächtigen, heidnischen Herrscher Barûc in Baldac zu dienen. Interessanterweise ist der Glaube dieses Herrschers an dieser Stelle keinerlei Hindernis für Gahmuret, den Barûc aufzusuchen und mindert den Respekt für den Barûc in keinster Weise. Das Heidentum als solches wird eher beiläufig erwähnt und es wird kaum näher auf den Glauben eingegangen. Gahmuret nimmt eine sehr weite und gefährliche Reise auf sich, um dem heidnischen Herrscher zu dienen, wie u.a. im folgenden durch eine rhetorische Frage beschrieben wird:


Mittelhochdeutsch Neuhochdeutsch
wie vil er lande durchrite

und in schiffen umbefüere?

Wie viele Länder er durchritt

und in Schiffen umfuhr?

15, 8 – 9


Auch Gahmurets Ankunft im Königreich Zazamanc, wo die Königin Belacane herrscht, ist von schwer überwindbaren Elementen wie Wasser und Wind gekennzeichnet und zeugt von der Gefahr, die das Betreten der Region des Heidentums mit sich bringt:


Mittelhochdeutsch Neuhochdeutsch
daz mer warf in mit Sturme dar,

sô daz er kûme iedoch genas.

Das Meer hatte ihn mit Sturm dorthingeworfen,

so daß er kaum, doch immerhin, am Leben geblieben war.

16, 20 – 21


Gahmuret und Belacane

Da sich Königin Belacane und ihr Königreich Zazamanc in Bedrängnis befinden, stellt sich Gahmuret in ihren Dienst (29, 14 - 16). Trotz der Unterschiede bezüglich ihrer Hautfarbe sind sich die beiden recht schnell zugetan: Belacane erkennt Gahmuret als schönen Mann (29, 2) und löst bei Gahmuret eine ähnliche Reaktion aus (vgl. 29, 8 und 34, 16). Nachdem Gahmuret ausstehende Gefahren in der Form von Rittern, die Belacane die Schuld am Tod eines ihr dienenden Königs gaben, abgewendet hat, kommt es dementsprechend zunächst zu einer Liebesnacht (vgl. 44, 27 - 30) und dann zur Hochzeit zwischen den beiden. Gahmuret's Liebe zu Belacane wird als stark und aufrichtig beschrieben, denn er "hatte [...] die schwarze Frau lieber als seinen eigenen Leib." (54, 21 - 22).


Königin Belacane wird insgesamt auffallend positiv charakterisiert:


Mittelhochdeutsch Neuhochdeutsch
ez enwart nie wîp geschicket baz:

der frouwen herze nie vergaz,

im enfüere ein werdiu volge mite

an rehter kiusche wîplich site.

Nie gab es eine Frau mit einem besseren Wesen;

das Herz dieser Dame blieb niemals ganz allein,

immer hatte es edle Begleitung

weibliche Sitte, die aus der Ruhe einer reinen Seele kommt.

54, 23 – 26


Obwohl Belacane demnach in ihrer Reinheit und ihrem Edelmut perfekt ist und Gahmuret sie wirklich liebt, verlässt er sie einige Zeit später, als sie mit dem gemeinsamen Kind Feirefiz schwanger ist (vgl. 55, 13 - 16). Die Gründe hierfür erscheinen widersprüchlich. Auf der einen Seite erklärt der Erzähler, dass Gahmuret sich wieder nach ritterlichen Abenteuern sehnt (vgl. 54, 17 - 20). Andererseits erwähnt Gahmuret in seinem Abschiedsbrief an seine Frau nichts davon, sondern führt ihre Religion als Abreisegrund an.


Mittelhochdeutsch Neuhochdeutsch
waer dîn ordn in mîner ê,

sô waer mir immer nâch dir wê:

Wäre nur dein Glaube in der Ordnung meiner Religion,

so müßte ich mich immer nach dir sehnen

55, 25 - 26


Mittelhochdeutsch Neuhochdeutsch
frouwe, wiltu toufen dich,

du maht ouch noch erwerben mich.

Meine Dame, wenn du dich taufen läßt,

vielleicht kannst du mich dann doch noch wiedergewinnen.

56, 25 - 26


Bis zu diesem Zeitpunkt wurde Belacanes heidnischer Glaube nur als Unterschied erwähnt, jedoch nicht kommentiert oder als Hindernis beschrieben. Es ist demnach fraglich, ob das Heidentum wirklich Gahmurets Antriebsgrund ist - es ist in jedem Fall nicht der einzige Grund für sein Verschwinden. Ein weiteres Indiz dafür ist, dass Belacane kein Problem damit gehabt hätte, ihren Glauben für ihren Gatten aufzugeben.


Mittelhochdeutsch Neuhochdeutsch
Des engerte se keinen wandel niht.

'ôwe wie balde daz geschiht!

wil er wider wenden,

schiere sol ichz enden.

Dagegen hatte sie nicht das geringste einzuwenden.

>> Ach, wie schnell ist das getan!

Wenn er nur wiederkommen will –

sofort kann das geschehen sein.

56, 25 - 26 (?)

Literaturnachweise

<HarvardReferences/>


(siehe: Gahmuret als Ritter (Wolfram von Eschenbach, Parzival)

(siehe: Die Beziehung zwischen Gahmuret und Belacane (Wolfram von Eschenbach, Parzival)

  1. Alle folgenden Versangaben beziehen sich auf die Ausgabe: Wolfram von Eschenbach: Parzival. Text und Übersetzung. Studienausgabe. Mittelhochdeutscher Text nach der sechsten Ausgabe von Karl Lachmann. Übersetzung von Peter Knecht. Mit einer Einführung zum Text der Lachmannschen Ausgabe und in Probleme der 'Parzival'-Interpretation von Bernd Schirok, 2. Aufl., Berlin/ New York 2003.