Wolfram von Eschenbach und die Liebe: Unterschied zwischen den Versionen
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Dieser Artikel wird sich mit der besonderen Beziehung Wolfram von Eschenbach zum weiblichen Geschlecht befassen. Hierbei ist auffällig, dass an er sich selbst an vielen Stellen als Gegenstück eines tapferen Ritters charaktisiert und augenscheinlich auch kein Glück in der Liebe zu haben. | Dieser Artikel wird sich mit der besonderen Beziehung Wolfram von Eschenbach zum weiblichen Geschlecht befassen. Hierbei ist auffällig, dass an er sich selbst an vielen Stellen als Gegenstück eines tapferen Ritters charaktisiert und augenscheinlich auch kein Glück in der Liebe zu haben. | ||
== 1. Passage 114,5 – 116,4: Einblick in die persönlichen Erfahrungen des Autors<ref>Allgemein ist zu beachten, dass der reale Autor eines literarischen Werkes nicht gleichzeitig auch der Erzählinstanz entspricht. Dennoch kann die persönliche Vorstellung des Erzählers als ich bin Wolfram von Eschenbach, unt kann ein teil mit sange( 114, 12-13) und die damit verbundene Verschmelzung zu einer Personalunion, als charakteristisches Merkmal für Wolframs Erzählkonzept betrachtet werden, um sich von den französischen Vorlagen zu distanzieren und die orale Erzählsituation zu verstärken. Vgl.: Bauschke, Ricarda: Chrétien und Woolfram. Erzählerische Selbstfindung zwischen Stoffbewältigung und Narrationskunst, S. 119-120, in: Ridder, Klaus: Wolframstudien XIII, Berlin 2014.</ref> == | |||
Wolframs Einstellung zu dem weiblichen Geschlecht ist vorbelastet durch die Enttäuschung, die er durch eine bestimmte Frau in der Vergangenheit erfahren hat. Er spricht davon, dass sein „zorn […] immer niuwe gein ir, sît ich se an wanke sach ( 114,10-11).“ Der Grund für seinen anhaltenden Hass ist die Untreue seiner Geliebten, der er offensichtlich ihre Verfehlung bis zum heutigen Tag nicht verzeihen kann. Dies illustriert er anschaulich durch ein Zangengleichnis, indem er seinen Hass auf diese Frau nicht los lässt, sondern fest umklammert (unt bin ein habendiu zange mînen zorn gein einem wîbe 114, 14-15). Jene unverarbeiteten Emotionen verhindern laut Wolfram allerdings auch jegliche neue Liebesbeziehungen, da er deswegen auch „ hân ich der andern hâz“( 114, 19). An dieser Stelle diagnostiziert Wolfram einen allgemeinen hâz der Frauen ihm gegenüber, da sie mit der ehemaligen Geliebten eine Allianz eingehen. Diese kollektive Abneigung gegen ihn beschreibt er als typische Charaktereigenschaft des weiblichen Geschlechts. Nichtsdestotrotz reflektiert er selbstkritisch, dass er sich ebenfalls unrecht verhalten hat, indem er sich versprochen hân und an mir selben missetân( 114, 23-24). Dadurch verletzt er nämlich das Konzept der Minnedichtung bezüglich ihrer idealisierten Darstellung von Frauen, was dem Berufsethos eines Minnesängers widerspricht. | |||
Desweitern versucht er sich über die willkürliche Antipathie der Frauenwelt ihm gegenüber zu erheben, indem er unterstreicht dass, „ ine hân des niht vergezzen, ine künne wol gemezzen beide ir baerde unt ir site“ (114, 29 – 115,1). Trotz seiner negativen Erfahrungen mit einer Frau, betrachtet er sich selbst also noch als objektiv genug, um die weiblichen Figuren dieses Romans gerecht beurteilen zu können. Diese Selbsteinschätzung ist für den Leser bzw. Zuhörer von Bedeutung, da Wolfram als auktorialer und ebenso heterodiegetischer Erzähler fungiert und somit nur seine Perspektive übermittelt wird.<ref>Die zahlreichen positiven Darstellungen von Frauen im Parzivalroman unterstützen die Behauptung des Autors. Als Beispiel kann hier die Charakterisierung von Herzeloyde angeführt werden: „ Rîcheit bî jugent phlac daz wîp, und freuden mêre dan ze vil: si was gar ob dem wunsches zil.“ 102, 28-30.</ref> | |||
== Zwigespräch mit Frou minne == | |||
Zu Beginn des sechsten Buches illustriert Wolfram von Eschenbach in einer langen Episode (282, 24- 302,5) die immense Macht der Liebe über die Minneritter. Die sogenannte Blutstropfenepisode veranschaulicht Parzivals partielles Unvermögen sich aktiv mit seiner Umgebung auseinanderzusetzen, da er sich in einer Minnetrance befindet. Jene durchaus als lebensgefährlich zu betrachtende Situation, nimmt Wolfram zum Anlass um einen kritischen Minneexkurs einzuschieben. Dabei adressiert er Frou minne persönlich und beschuldigt sie ihre Macht über die Liebenden ungerecht auszuüben mit den Worten: wie stêt iu daz, frou minne, daz ir manlîche sinne und herzehaften hôhen muot alsus enschumpfieren tuot?<ref>An dieser Stelle unterstellt Peter Knecht möglicherweise Wolfram von Eschenbach ein zu hohes Maß an Angriffslustigkeit, indem er „ wie stêt iu daz“ mit Schämt ihr euch nicht übersetzt (291,5).</ref> | |||
== Textausgabe == | |||
[*Parzival]Wolfram von Eschenbach: Parzival. Studienausgabe. Mittelhochdeutscher Text nach der sechsten Ausgabe von Karl Lachmann. Übersetzung von Peter Knecht. Mit einer Einführung zum Text der Lachmannschen Ausgabe und in Probleme der 'Parzival'-Interpretation von Bernd Schirok, 2. Aufl., Berlin/New York 2003. |
Version vom 5. Juli 2015, 15:42 Uhr
Dieser Artikel wird sich mit der besonderen Beziehung Wolfram von Eschenbach zum weiblichen Geschlecht befassen. Hierbei ist auffällig, dass an er sich selbst an vielen Stellen als Gegenstück eines tapferen Ritters charaktisiert und augenscheinlich auch kein Glück in der Liebe zu haben.
1. Passage 114,5 – 116,4: Einblick in die persönlichen Erfahrungen des Autors[1]
Wolframs Einstellung zu dem weiblichen Geschlecht ist vorbelastet durch die Enttäuschung, die er durch eine bestimmte Frau in der Vergangenheit erfahren hat. Er spricht davon, dass sein „zorn […] immer niuwe gein ir, sît ich se an wanke sach ( 114,10-11).“ Der Grund für seinen anhaltenden Hass ist die Untreue seiner Geliebten, der er offensichtlich ihre Verfehlung bis zum heutigen Tag nicht verzeihen kann. Dies illustriert er anschaulich durch ein Zangengleichnis, indem er seinen Hass auf diese Frau nicht los lässt, sondern fest umklammert (unt bin ein habendiu zange mînen zorn gein einem wîbe 114, 14-15). Jene unverarbeiteten Emotionen verhindern laut Wolfram allerdings auch jegliche neue Liebesbeziehungen, da er deswegen auch „ hân ich der andern hâz“( 114, 19). An dieser Stelle diagnostiziert Wolfram einen allgemeinen hâz der Frauen ihm gegenüber, da sie mit der ehemaligen Geliebten eine Allianz eingehen. Diese kollektive Abneigung gegen ihn beschreibt er als typische Charaktereigenschaft des weiblichen Geschlechts. Nichtsdestotrotz reflektiert er selbstkritisch, dass er sich ebenfalls unrecht verhalten hat, indem er sich versprochen hân und an mir selben missetân( 114, 23-24). Dadurch verletzt er nämlich das Konzept der Minnedichtung bezüglich ihrer idealisierten Darstellung von Frauen, was dem Berufsethos eines Minnesängers widerspricht. Desweitern versucht er sich über die willkürliche Antipathie der Frauenwelt ihm gegenüber zu erheben, indem er unterstreicht dass, „ ine hân des niht vergezzen, ine künne wol gemezzen beide ir baerde unt ir site“ (114, 29 – 115,1). Trotz seiner negativen Erfahrungen mit einer Frau, betrachtet er sich selbst also noch als objektiv genug, um die weiblichen Figuren dieses Romans gerecht beurteilen zu können. Diese Selbsteinschätzung ist für den Leser bzw. Zuhörer von Bedeutung, da Wolfram als auktorialer und ebenso heterodiegetischer Erzähler fungiert und somit nur seine Perspektive übermittelt wird.[2]
Zwigespräch mit Frou minne
Zu Beginn des sechsten Buches illustriert Wolfram von Eschenbach in einer langen Episode (282, 24- 302,5) die immense Macht der Liebe über die Minneritter. Die sogenannte Blutstropfenepisode veranschaulicht Parzivals partielles Unvermögen sich aktiv mit seiner Umgebung auseinanderzusetzen, da er sich in einer Minnetrance befindet. Jene durchaus als lebensgefährlich zu betrachtende Situation, nimmt Wolfram zum Anlass um einen kritischen Minneexkurs einzuschieben. Dabei adressiert er Frou minne persönlich und beschuldigt sie ihre Macht über die Liebenden ungerecht auszuüben mit den Worten: wie stêt iu daz, frou minne, daz ir manlîche sinne und herzehaften hôhen muot alsus enschumpfieren tuot?[3]
Textausgabe
[*Parzival]Wolfram von Eschenbach: Parzival. Studienausgabe. Mittelhochdeutscher Text nach der sechsten Ausgabe von Karl Lachmann. Übersetzung von Peter Knecht. Mit einer Einführung zum Text der Lachmannschen Ausgabe und in Probleme der 'Parzival'-Interpretation von Bernd Schirok, 2. Aufl., Berlin/New York 2003.
- ↑ Allgemein ist zu beachten, dass der reale Autor eines literarischen Werkes nicht gleichzeitig auch der Erzählinstanz entspricht. Dennoch kann die persönliche Vorstellung des Erzählers als ich bin Wolfram von Eschenbach, unt kann ein teil mit sange( 114, 12-13) und die damit verbundene Verschmelzung zu einer Personalunion, als charakteristisches Merkmal für Wolframs Erzählkonzept betrachtet werden, um sich von den französischen Vorlagen zu distanzieren und die orale Erzählsituation zu verstärken. Vgl.: Bauschke, Ricarda: Chrétien und Woolfram. Erzählerische Selbstfindung zwischen Stoffbewältigung und Narrationskunst, S. 119-120, in: Ridder, Klaus: Wolframstudien XIII, Berlin 2014.
- ↑ Die zahlreichen positiven Darstellungen von Frauen im Parzivalroman unterstützen die Behauptung des Autors. Als Beispiel kann hier die Charakterisierung von Herzeloyde angeführt werden: „ Rîcheit bî jugent phlac daz wîp, und freuden mêre dan ze vil: si was gar ob dem wunsches zil.“ 102, 28-30.
- ↑ An dieser Stelle unterstellt Peter Knecht möglicherweise Wolfram von Eschenbach ein zu hohes Maß an Angriffslustigkeit, indem er „ wie stêt iu daz“ mit Schämt ihr euch nicht übersetzt (291,5).