Höfische Normen und Normverletzungen: Unterschied zwischen den Versionen

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== Höfische Normen ==
== Höfische Normen ==
Die erzählte Welt des Parzival ist geprägt von Verhaltensregeln, die das Miteinander regeln. Diese werden an manchen Stellen von verschiedenen Figuren explizit genannt, zum Teil beruhen sie auf den [[Höfische Leitbegriffe|höfischen Werten]]. Man kann also unter höfischen Normen Regeln verstehen, deren Einhaltung von der Gesellschaft erwartet werden.  
Die erzählte Welt des Parzival<ref>Alle Textangaben und Übersetzungen beziehen sich auf : Wolfram von Eschenbach: Parzival. Studienausgabe, 2. Auflage. Walter de Gruyter. Berlin, New York, 2003.</ref> ist geprägt von Verhaltensregeln, die das Miteinander regeln. Diese werden an manchen Stellen von verschiedenen Figuren explizit genannt, zum Teil beruhen sie auf den [[Höfische Leitbegriffe|höfischen Werten]]. Man kann also unter höfischen Normen Regeln verstehen, deren Einhaltung von der Gesellschaft erwartet werden.  


== Normverletzungen ==
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=== Orgeluse ===
=== Orgeluse ===
Um Rache für den Tod ihres Ehemanns Cidegast zu erlangen, der von Gramoflanz im Kampf getötet wurde, bedient sich Orgeluse des Minnedienstes. Dieser ist ein normiertes Verhalten, bei dem der Ritter für seine Dienste die Zuneigung der Dame erhält, oft auch ihre Hand und ihr Land. Die Art und Weise, in der Orgeluse mit Gawan spricht, ist von Anfang an nicht angemessen. Sie erklärt, dass sie nicht bereit ist, den Minnedienst zu entlohnen und sich nicht an geltende Verhaltensmuster zu halten.
Um Rache für den Tod ihres Ehemanns Cidegast zu erlangen, der von Gramoflanz im Kampf getötet wurde, bedient sich Orgeluse des Minnedienstes. Dieser ist ein normiertes Verhalten, bei dem der Ritter für seine Dienste die Zuneigung der Dame erhält, oft auch ihre Hand und ihr Land. Die Art und Weise, in der Orgeluse mit Gawan spricht, ist von Anfang an nicht angemessen und steht dem entgegen, was von einer höfischen Dame erwartet wird. So vespottet sie Gawan beispielsweise als ''ir gans'' (515,13). Gawan bleibt trotz der schlechten Behandlung standhaft bei seiner Entscheidung Minnedienst zu leisten (515,19-22).  Sie erklärt, dass sie nicht bereit ist, den Minnedienst zu entlohnen und sich nicht an geltende Verhaltensmuster zu halten.
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| des lônes ir an mir niht hât:  || von mir jedenfalls bekommt Ihr den Lohn nicht.
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Nachdem Gawan alle ''aventiuren'' überstanden hat, gelangt Orgeluse zu der Einsicht, dass sie falsch gehandelt hat (611,24-26) und erklärt anschließend ausführlich, warum sie so gehandelt hat. Alle Mittel waren ihr Recht, um ihr Rachebdürfnis zu stillen.
Orgeluse spricht nicht, wie dies von einer höfischen Dame erwartet wird, so vespottet sie Gawan beispielsweise als ''ir gans'' (515,13). Gawan bleibt trotz der schlechten Behandlung standhaft bei seiner Entscheidung Minnedienst zu leisten (515,19-22).  
 





Version vom 8. Juli 2015, 11:05 Uhr

Im folgenden Artikel soll der Umgang ausgewählter Figuren mit höfischen Normen untersucht werden.

Höfische Normen

Die erzählte Welt des Parzival[1] ist geprägt von Verhaltensregeln, die das Miteinander regeln. Diese werden an manchen Stellen von verschiedenen Figuren explizit genannt, zum Teil beruhen sie auf den höfischen Werten. Man kann also unter höfischen Normen Regeln verstehen, deren Einhaltung von der Gesellschaft erwartet werden.

Normverletzungen

Immer wieder kommt es zu Normverletzungen der handelnden Figuren. Diese geschehen aus ganz unterschiedlichen Situationen und Motivationen heraus.

Bewusste Normverletzungen

In einigen Szenen kommt es vor, dass Figuren bewusst und reflektiert gesellschaftliche Normen überschreiten, da diese in der Situation nicht zielführend sind.

Condwiramurs

Als Pelrapeire, die Burg Condwiramurs, belagert wird, taucht Parzival als möglicher Retter in der Not auf.(179,13ff)[2] Statt die Königin zu begrüßen, schweigt er, wie der Erzähler erklärt, weil "in der werde Gurnemanz von sîner tumpheit geschiet unde im vrâgen widerriet" (188,16-18), ohne zu überlegen, ob dieses Gebot für diese Situation angemessen ist.[* Münkler 2008 : S.499] Condwiramurs dagegen überlegt, was dieses ihr gegenüber unangemessene Verhalten auslösen könnte. Der Rezipient erfährt durch Innensicht der Figur ihren Gedankengang:

188,26-189,5 Neuhochdeutsch
"ich wæn, mich smæhet dirre man "Ich glaube fast, dass dieser Mann sich schämt,
durch daz mîn lîp vertwâlet ist. sich mit mir abzugeben, nur weil mein leib so abgehärmt ist und zerquält.
nein, er tuotz durch einen list: Ach nein, er ist gut erzogen und denkt sich was dabei:
er ist gast, ich pin wirtîn: Er ist der Gast, ich bin hier daheim
diu êrste rede wære mîn. - es ist an mir, ihn anzureden.
dar nâch er güetlîch an mich sach, Er sieht mich schon die ganze Zeit lang mit so viel Freundlichkeit an,
sît uns ze sitzen hie geschach: seit wir hier Platz genommen haben:
er hât sich zuht gein mir enbart. Feinheit und Taktgefühl hat er mich sehen lassen.
mîn rede ist alze vil gespart: Viel zu viele Worte habe ich schon versäumt,
hie sol niht mêr geswigen sîn." Ich darf jetzt nicht länger schweigen."

Condwiramurs kommt zu dem Schluss, dass ihr Gast nur höflich sein will und erhält eine Bestätigung dieser Vermutung durch ihre Beobachtung, Parzival schaue freundlich. Sie zeigt sich hier als eine Figur, die die höfischen Verhaltensregeln kennt, denn sie erwartet nach der angemessenen Begrüßung (187,2-187,6)ein Gespräch. Aber sie zeigt auch ihre Fähigkeit, sich in die Lage ihres Gegenübers hineinzuversetzen und sein Verhalten aus seiner Sicht zu beurteilen. Dieser bewusste Umgang mit den Verhaltensnormen wird noch deutlicher als sie sich entschließt, nachts in die Kammer von Parzival zu schleichen, um ihn um Hilfe zu bitten (192,1-30). Der Erzähler greift vor, indem er, bevor Condwiramurs Handeln beschrieben wird, erklärt, dass sie keusch bleibt(192,3). So wird klar, dass zwar eine Normverletzung duch das Betreten der Schlafkammer Parzivals stattfindet, jedoch nicht aus unsittlichen Motiven, sondern aus Sorge um die Lage ihrer Stadt. Condwiramurs geht noch einen Schritt weiter und legt sich sogar zu Parzival ins Bett, versucht aber sich abzusichern, indem sie ihm das Versprechen abnimmt, "daz ir mit mir ringet niht"(194,1). Sie beruft sich auf die mâze, einer ritterlichen Tugend, um sich zu schützen. Einerseits überschreitet sie also Normen, um an ein Ziel zu gelangen, dass sie höher einschätzt als ihre eigene Sicherheit, andererseits nutzt sie eine Norm, um ihre Jungfräulichkeit zu erhalten. Münkler fasst das Verhalten folgendermaßen zusammen: "Sie greift also in einer völlig normwidrigen Situation reflektiert auf bestimmte Normen höfisch-ritterlicher Interaktionen zurück..."[* Münkler 2008 : S.502]

Orgeluse

Um Rache für den Tod ihres Ehemanns Cidegast zu erlangen, der von Gramoflanz im Kampf getötet wurde, bedient sich Orgeluse des Minnedienstes. Dieser ist ein normiertes Verhalten, bei dem der Ritter für seine Dienste die Zuneigung der Dame erhält, oft auch ihre Hand und ihr Land. Die Art und Weise, in der Orgeluse mit Gawan spricht, ist von Anfang an nicht angemessen und steht dem entgegen, was von einer höfischen Dame erwartet wird. So vespottet sie Gawan beispielsweise als ir gans (515,13). Gawan bleibt trotz der schlechten Behandlung standhaft bei seiner Entscheidung Minnedienst zu leisten (515,19-22). Sie erklärt, dass sie nicht bereit ist, den Minnedienst zu entlohnen und sich nicht an geltende Verhaltensmuster zu halten.

510,9-12 Übersetzung
dient nâch minne iwer hant, Wenn Eure Hand um Liebe dient,
hât iuch âventiure gesant wenn die Aventiure Euch nach Liebe hinausgeschickt hat
nâch minne ûf rîterlîche tât, zu ritterlichen Taten,
des lônes ir an mir niht hât: von mir jedenfalls bekommt Ihr den Lohn nicht.

Nachdem Gawan alle aventiuren überstanden hat, gelangt Orgeluse zu der Einsicht, dass sie falsch gehandelt hat (611,24-26) und erklärt anschließend ausführlich, warum sie so gehandelt hat. Alle Mittel waren ihr Recht, um ihr Rachebdürfnis zu stillen.


Unbewusste Normverletzung

Parzival

Fazit


Bibliographie <HarvardReferences />

  • [* Münkler 2008] Münkler, Marina: Inszenierung von Normreflexivität und Selbstreflexivität in Wolframs von Eschenbach Parzival. In:Zeitschrift für Germanistik,Vol.18, N.3 (2008),S.497-511.
  1. Alle Textangaben und Übersetzungen beziehen sich auf : Wolfram von Eschenbach: Parzival. Studienausgabe, 2. Auflage. Walter de Gruyter. Berlin, New York, 2003.
  2. Alle Textangaben zu Parzival beziehen sich auf: Wolfram von Eschenbach: Parzival. Studienausgabe, 2. Auflage. 6. Ausgabe von Karl Lachmann, Übersetzung von Peter Knecht. Walter de Gruyter, Berlin: 2003.