Der Königinnenstreit (Nibelungenlied): Unterschied zwischen den Versionen

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<!--=Kurze Zusammenfassung des Königinnenstreits=
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Der Streit der Königinnen wird in der 14. Aventiure des [[Das Nibelungenlied|Nibelungenlieds]] ausgetragen. Kriemhild und Brünhild geraten, während sie bei einem Turnier zusehen, in einen Streit über den Rang ihrer Ehemänner, der seinerseits aus der Schemaüberkreuzung der [[Die Brautwerbung (Nibelungenlied)|Brautwerbung]] und der damit verbundenen Zeichenhaftigkeit resultiert. Für den weiteren Verlauf der Handlung stellt der Königinnenstreit ein richtungsweisendes und bedeutungsträchtiges Element dar.  
Der Streit der Königinnen wird in der 14. Aventiure des [[Das Nibelungenlied|Nibelungenlieds]] ausgetragen. [[Kriemhild (Nibelungenlied)|Kriemhild]] und [[Brünhild (Nibelungenlied)|Brünhild]] geraten, während sie bei einem Turnier zusehen, in einen Streit über den Rang ihrer Ehemänner, der seinerseits aus der Schemaüberkreuzung der [[Die Brautwerbung (Nibelungenlied)|Brautwerbung]] und der damit verbundenen Zeichenhaftigkeit resultiert. Für den weiteren Verlauf der Handlung stellt der Königinnenstreit ein richtungsweisendes und bedeutungsträchtiges Element dar.  


==Allgemeine Informationen zu den Königinnen==
==Allgemeine Informationen zu den Königinnen==
===Figur der Brünhild===
===Figur der Brünhild===
<ref> Dieser Artikel zitiert das Nibelungenlied in Strophenform nach der Textausgabe hg. von Ursula Schulze, die von Siegfried Grosse ins Neuhochdeutsche übersetzt und kommentiert wurde, vgl. hierzu [Nibelungenlied 2004]. </ref>
===Figur der Kriemhild===
===Figur der Kriemhild===




==Ablauf des Streits==
==Ablauf des Streits==
Entscheidend für die Darstellung des Streits ist die Unterscheidung zwischen Direktheit (Gesagtes benötigt keine Interpretation) und Indirektheit (Gesagtes benötigt Interpretation durch den Hörer). Indirektheit verweist auf die stärkere Position innerhalb des Konflikts, während die schwächere Position sich entweder durch den Versuch auszeichnet, durch Verstärkung der Indirektheit die Oberhand zurückzugewinnen oder durch Direktheit die untergeordnete Position akzeptiert.[Bryan 2012: 349]
Kriemhild wird zur auslösenden Instanz des Streits: „ich hân einen man, / daz elliu disiu rîche ze sînen handen solden stân.“ (Str. 812). Brünhild fasst ihre Aussage als Bedrohung auf und antwortet gleichermaßen aggressiv und indirekt, dass dies niemals geschehen könne, solange Gunther lebe (Vgl. Str. 813). Ihr Versuch, in der Auseinandersetzung die Überhand zu gewinnen, schlägt fehl, da Kriemhild ihre Indirektheit auf eine neue Ebene hebt, indem sie sich so verhält, als habe Brünhild überhaupt nicht gesprochen.[Bryan 2012: 360] Die Implikation, dass Siegfried besser sei als Gunther, drängt Brünhild in eine defensive Position. Kriemhild hält ihre indirekte Position aufrecht und drängt Brünhild in zwei volle Strophen direkter Rede. In diesen Strophen erklärt Brünhild, dass sie Siegfried als Leibeigenen Gunthers sieht, weil Siegfried selbst gesagt habe, er wäre es (Vgl. Str. 818). Durch den Streit der Königinnen steht die Struktur, aus der heraus die Königinnen ihre und die Stellung ihrer Ehemänner legitimieren, auf dem Spiel.[Bryan 2012: 361] Gefolgt von Brünhilds Direktheit behält Kriemhild ihre Indirektheit bei. Sie fragt, warum, wenn Siegfried Gunthers Leibeigener sei, sie nie Abgaben entrichten mussten (Vgl. Str. 822). Eine Frage, die Brünhild sich selbst bereits gestellt hat (Vgl. Str. 721).
Der Königinnenstreit findet seinen Höhepunkt, als Kriemhild verkündet, dass sie die Kirche vor Brünhild betreten wird, eine Geste, die Kriemhilds höheren Status unterstreichen würde. Dadurch zwingt Kriemhild Brünhild vollständig in die Defensive. Wenn sie die Kirche betritt, ohne Kriemhild die Chance zu geben, die Kirche zuerst zu betreten, würde sie Kriemhild die Chance nehmen, einzulenken. Daraus resultierend kann Brünhild lediglich abwarten. Kriemhild nutzt die Gelegenheit und wendet sich mit einer indirekten und aggressiven Frage an Brünhild: „kundestu noch geswîgen, daz wære dir guot. / du hâst geschendet selbe den dînen schœnen lîp. / wi mohte mannes kebse werden immer küniges wîp?“ (Str. 836). Brünhild ruft ihre eigene, wenn nicht aggressive, zumindest aber empörte Indirektheit auf, wenn sie fragt: „Wen hâstu hie verkebset?“ (Str. 837). Das darf nicht als Widerspruch dazu verstanden werden, dass die schwächere Position innerhalb des Konflikts sich auf Direktheit beruft, viel eher wurde Brünhild in höchstem Maße in die Defensive gedrängt, sodass sie zu verzweifelten Mitteln greift.[Bryan 2012: 362] Kriemhild spricht daraufhin direkt aus, was sie zuvor nur angedeutet hat: „den dînen schœnen lîp, / den minnet êrste Sîfrit, der mîn vil lieber man. / jâne was ez niht mîn bruoder, der dir den magetuom angewan.“ (Str. 837). Brünhild ist nun vollständig entwaffnet und Kriemhild betritt die Kirche vor ihr.


Nach dem Gottesdienst unternimmt Brünhild einen letzten verzweifelten Versuch, ihren verlorenen sozialen Status zu retten. In direkter Rede fordert sie von Kriemhild Beweise für ihre zuvor getroffenen Aussagen (Vgl. Str. 843). Kriemhild behält ihre indirekte Aggression bei, wenn sie ihre Attacke mit einem indirekten einleitenden Element versieht, ehe sie den Ring und den Gürtel physisch präsentiert: „ir mohtet mich lâzen gân.“ (Str. 844). Brünhild ist besiegt, aber ihre Niederlage ist weitreichender, als es zunächst den Anschein hat. Die gesamte Sozialstruktur, auf der das Königreich fußt, ist ins Wanken geraten. Wenn sie bewahrt werden soll, muss Siegfried den Tod finden.[Bryan 2012: 363] Für Gunther ist die Angelegenheit erledigt, als Siegfried schwört, Kriemhild gegenüber nie behauptet zu haben, Brünhild sei seine „kebse“ (Str. 836). Doch nicht für alle Untertanen ist die Kränkung der Königin bereinigt. Hagen will sich dafür rächen und bedrängt Gunther, Siegfried zu töten.


==Stellung der Zeichen im Königinnenstreit==
==Stellung der Zeichen im Königinnenstreit==

Version vom 28. August 2020, 09:15 Uhr