Treue und Verrat (Reinhart Fuchs): Unterschied zwischen den Versionen
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„[Reinhart] biedert sich als Gevatter an, stellt sich verliebt, wünscht einen Kuss.“ [Ruh 1980:17], wodurch dem Leser eine Beziehung zwischen beiden vermittelt wird. Die Art der Beziehung, ergo ob Reinhart und die Meise nun Bekannte, Freunde oder gar Verwandte sind, ist dabei unklar. Reinharts Intention besteht darin, durch jene Anrede ihr Vertrauen zu gewinnen. Er gibt vor, sie zur Begrüßung küssen zu wollen, was die Zuneigung hervorhebe und dem hungrigen Reinhart somit die Möglichkeit biete, der Meise nah genug zu kommen, um nach ihr schnappen zu können. | „[Reinhart] biedert sich als Gevatter an, stellt sich verliebt, wünscht einen Kuss.“ [Ruh 1980:17], wodurch dem Leser eine Beziehung zwischen beiden vermittelt wird. Die Art der Beziehung, ergo ob Reinhart und die Meise nun Bekannte, Freunde oder gar Verwandte sind, ist dabei unklar. Reinharts Intention besteht darin, durch jene Anrede ihr Vertrauen zu gewinnen. Er gibt vor, sie zur Begrüßung küssen zu wollen, was die Zuneigung hervorhebe und dem hungrigen Reinhart somit die Möglichkeit biete, der Meise nah genug zu kommen, um nach ihr schnappen zu können. | ||
Erkennbar ist eine Parallele zur Scantecler-Szene, denn auch hier spricht Reinhart das zurückhaltende Verhalten seines Gegenübers an, das entgegen der eigentlich bestehenden Treue zwischen Gevattern spreche. Ebenso wie bei Scantecler, zwingt Reinhart die Meise gleichermaßen zu einem Treuebeweis. Während Reinhart in der vorherigen Szene einen Treuebruch zwischen Scantecler und seinem biologischen Vater hervorhob, pointiert er hierbei die Verärgerung des Gott-Vaters, sollte die Meise seinem Gevatter keine Treue erweisen. | Erkennbar ist eine Parallele zur Scantecler-Szene, denn auch hier spricht Reinhart das zurückhaltende Verhalten seines Gegenübers an, das entgegen der eigentlich bestehenden Treue zwischen Gevattern spreche. Ebenso wie bei Scantecler, zwingt Reinhart die Meise gleichermaßen zu einem Treuebeweis. Während Reinhart in der vorherigen Szene einen Treuebruch zwischen Scantecler und seinem biologischen Vater hervorhob, pointiert er hierbei die Verärgerung des Gott-Vaters, sollte die Meise seinem Gevatter keine Treue erweisen. | ||
Im Gegensatz zur Meise stellt sich Reinhart selbst als treuer Verwandter dar, zumal er sich als Pate des Kindes der Meise präsentiert und somit erneut die bedeutsame Rolle der Treue in der Familie akzentuiert. Reinhart verspricht also seine Treue durch die bestehende Patenschaft und versucht hiermit die Meise von seiner freundlichen Gesinnung zu überzeugen, um sie vom Baum locken zu können. | Im Gegensatz zur Meise stellt sich Reinhart selbst als treuer Verwandter dar, zumal er sich als Pate des Kindes der Meise präsentiert und somit erneut die bedeutsame Rolle der Treue in der Familie akzentuiert. Reinhart verspricht also seine Treue durch die bestehende Patenschaft und versucht hiermit die Meise von seiner freundlichen Gesinnung zu überzeugen, um sie vom Baum locken zu können. | ||
Version vom 16. Januar 2021, 17:02 Uhr
Dieser Artikel thematisiert die im Reinhart Fuchs verschieden auftretenden Aspekte der Treue ("triuwe") sowie des Verrats. Dabei wird das Verhalten des gerissenen Reinharts analysiert, welcher die Treue in der Verwandtschaft als Vorwand nimmt, um durch den anschließenden Verrat an jenen Verwandten jegliche Gegebenheiten zu seinen Gunsten zu wenden. Ebenso werden Verhaltensweisen von Figuren untersucht, die Reinhart in seinem verräterischen Dasein gleichkommen.
Definition von „Treue“ und „Verrat“
Treue
Verrat
Reinhart und der Hahn Scantecler
Reinhart versucht durch seine gerissenen Überzeugungsfähigkeiten das Vertrauen des Hahns Scantecler zu gewinnen, um ihn von einem Ast herunterzulocken, da er als potentielle Mahlzeit diene. Dies gelingt ihm durch die Hervorhebung der Treue, die innerhalb der Verwandtschaft herrsche. Reinhart erwähnt den Vater Scanteclers und erzählt davon, wie dieser sich stets über den Besuch des Vaters von Reinhart gefreut haben solle und, im Gegensatz zu Scantecler, nie auf jegliche Äste geflüchtet sei:
V. 110-125
Mittelhochdeutsch | Übersetzung |
---|---|
Reinhart sprach: ,daz mac wol sin. | Reinhart sprach: ,das mag wohl sein. |
nv rewet mich dines vater tot, | Nun tut mir der Tod deines Vaters leid, |
wen der dem minnisten ere bot; | denn dieser bot dem Geringsten seine Anerkennung; |
wan trewe vndir kvnne | Besonders die Treue unter Verwandten |
daz ist michel wunne. | ist eine große Freude. |
dv gebares zv vntare, | Du benimmst dich zu unfreundlich, |
daz sag ich dir zware. | das sag ich dir gewiss. |
din vater was des minen vro, | Dein Vater freute sich über meinen, |
ern gesaz svst hohe nie also, | er saß nie so hoch wie du, |
gesaech er den vater min, | sah er meinen Vater, |
erne vlvge zv ime vnde hiez in sin | so flog er zu ihm hin und hieß ihn |
willekvmen, ovch vermeit er nie, | willkommen, auch fluchte er nie, |
ern swunge sine vitichen ie, | noch schwang er seine Flügel, |
iz were spate oder vru, | egal, ob es spät oder früh war, |
die ovgen tet er beide zv | er schloss beide Augen |
vnde sang im als ein vrolichez hvn.' | und sang ihm wie ein fröhliches Huhn vor.' |
Durch das Eingehen auf die Familie bekräfigt Reinhart die innige Treue, die bereits zwischen ihren Vorfahren, nämlich seinem Vater und dem Vater Scanteclers bestanden haben solle. Somit fordert Reinhart Scantecler nicht nur dazu auf, ihm, seinem Verwandten, die Treue zu erweisen und sich zu ihm zu begeben - er weist geradezu auf einen Verrat an ihren Vätern hin, den Scantecler beginge, sollte er sich der jahrelangen Vertrautheit der Väter entgegenstellen.
Scantecler ist durch seine Treue zu seinem Vater förmlich gezwungen, zu Reinhart zu fliegen und willigt somit, ohne jegliches Zögern, ein. Reinhart nutzt ebenjene Treue aus und ergreift Scantecler sofort mit seinem Maul, der unmittelbar seine Augen geschlossen hat, um mit dem Gesang beginnen zu können:
V. 126-138
Mittelhochdeutsch | Übersetzung |
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Scantecler sprach: ,daz wil ich tvn, | Scantecler sprach: „Das will ich tun, |
iz larte mich der vater min: | es lehrte mich mein Vater; |
dv solt groz wilkvmen sin.' | du sollst sehr willkommen sein.“ |
die vitich begond er swingen | Er begann die Flügel zu schwingen |
vnde vrolich nider springen. | und sprang fröhlich herunter. |
des was dem toren ze gach, | Da war der Narr allzu eifrig, |
daz gerowe in sere dar nach. | was ihm rasch Leid tun sollte. |
slinzende er singende wart, | Als er blinzelnd singen wollte, |
bi dem hovbete nam in Reinhart. | packte Reinhart ihn beim Nacken. |
Pinte smrei vnde begonde sim missehaben, | Pinte schrie und beginn zu klagen. |
Reinhart tet niht danne draben | Darauf trabte Reinhart nur |
vnde hvb sich wundernbalde | und brach in Windeseile auf |
remte hin gegn dem walde. | in Richtung des Waldes. |
Bereits zu Beginn des Werkes werden Treue und Verrat als zentrales Thema aufgegriffen; den Lesenden wird bei der ersten Begegnung die Skrupellosigkeit Reinharts vorgeführt: Seinem entschlossenen Handeln zufolge täuscht er offenbar nicht zum ersten Mal eine gegenseitige Treue vor, um den Gegenüberstehenden von sich überzeugen zu können. Reinhart scheint bereits mehrere Male auf die Treue innerhalb der Verwandtschaft zurückgegriffen zu haben, zumal er gekonnt und ohne Scheu Scantecler umstimmt und ihn letztendlich verrät.
Reinhart und die Meise
Nach Reinharts misslungenen Versuch, Scantecler als Beute zu erlangen, trifft er auf eine kleine Meise. Da er noch immer keine Mahlzeit zu sich genommen hat, versucht er, auch die Meise mit seinen Listen dazu zu bringen, ihm zu vertrauen, um sie anschließend verspeisen zu können.
V. 178 - 188
Mittelhochdeutsch | Übersetzung |
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er sprach: ,got grveze evch, gevater min! | Er sprach: „Gott grüße Euch, mein Gevatter! |
ich bin in einem geluste, | Ich habe das Verlangen, |
daz ich gerne chvste, | dass ich gerne küsste; |
wan, sam mir got der riche, | doch, beim mächtigen Gott, |
dv gebares zv vremdicliche. | du verhältst dich so befremdlich. |
gevatere, dv solt pflegen treuwen! | Gevatter, du sollst deine Treue beweisen! |
nv mveze iz got rewen, | Nun müsste es Gott ärgern, |
daz ich ir an dir niht envinde! | wenn ich sie an dir nicht finden könnte! |
sam mir die trewe, die ich dinem kinde[] | Bei der Treue, die ich deinem Kinde, |
bin schvldic, daz min bate ist, | dessen Pate ich bin, schuldig bin, |
ich bin dir holt ane arge Iist!' | ich bin dir wohlgesinnt ohne arger List!“ |
„[Reinhart] biedert sich als Gevatter an, stellt sich verliebt, wünscht einen Kuss.“ [Ruh 1980:17], wodurch dem Leser eine Beziehung zwischen beiden vermittelt wird. Die Art der Beziehung, ergo ob Reinhart und die Meise nun Bekannte, Freunde oder gar Verwandte sind, ist dabei unklar. Reinharts Intention besteht darin, durch jene Anrede ihr Vertrauen zu gewinnen. Er gibt vor, sie zur Begrüßung küssen zu wollen, was die Zuneigung hervorhebe und dem hungrigen Reinhart somit die Möglichkeit biete, der Meise nah genug zu kommen, um nach ihr schnappen zu können. Erkennbar ist eine Parallele zur Scantecler-Szene, denn auch hier spricht Reinhart das zurückhaltende Verhalten seines Gegenübers an, das entgegen der eigentlich bestehenden Treue zwischen Gevattern spreche. Ebenso wie bei Scantecler, zwingt Reinhart die Meise gleichermaßen zu einem Treuebeweis. Während Reinhart in der vorherigen Szene einen Treuebruch zwischen Scantecler und seinem biologischen Vater hervorhob, pointiert er hierbei die Verärgerung des Gott-Vaters, sollte die Meise seinem Gevatter keine Treue erweisen. Im Gegensatz zur Meise stellt sich Reinhart selbst als treuer Verwandter dar, zumal er sich als Pate des Kindes der Meise präsentiert und somit erneut die bedeutsame Rolle der Treue in der Familie akzentuiert. Reinhart verspricht also seine Treue durch die bestehende Patenschaft und versucht hiermit die Meise von seiner freundlichen Gesinnung zu überzeugen, um sie vom Baum locken zu können.
Reinhart und der Rabe Diezelin
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Reinhart und Isengrin
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Reinhart am Hoftag
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Fazit
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Literaturverzeichnis
<HarvardReferences /> [*Ruh 1980] Ruh, Kurt: Höfische Epik des deutschen Mittelalters. Bd. 2: 'Reinhart Fuchs', 'Lanzelet', Wolfram von Eschenbach, Gottfried von Straßburg, Berlin 1980 (Grundlagen der Germanistik 25), S. 13-33.