Gandin (Gottfried von Straßburg, Tristan): Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 2. Februar 2011, 23:21 Uhr
Gandin
Gandin ist ein vornehmer Baron aus Irland. Er kommt nach Cornwall, um Marke mit seinem Rottenspiel zu überlisten und die schöne Isolde nach Irland mitzunehmen. Er ist ein starker, höfischer Mann von prächtiger Gestalt und in seinem Heimatland sehr gut beleumundet.
- dâ reit ein ritter ûz und abe,
- ein edel barûn von Îrlant,
- der was Gandîn genant
- und was höfisch, schoene und rîch,
- des lîbes alsô menlîch,
- daz allez Îrlant seite
- von sîner manheite.
(V. 13106-13112)[1]
(Aus dem [Hafen] kam ein Ritter herausgeritten,/ ein vornehmer Baron aus Irland,/ der Gandin hieß/ und vornehm, herrlich und prächtig war,/ eine so männliche Erscheinung,/ daß ganz Irland sprach/ von seinen Taten.) Krohn 2009: 195
Doch nachdem Gandins Absicht klar wird, wird er als Betrüger bezeichnet: der trügenaere erlachte vil inneclîche wider sich (V 13202- V 13203).
Letztendlich taucht er nur in der "Rotte und Harfe"- Episode auf und nimmt einen geringen Teil der Erzählung ein.
Rotte und Harfe
Gandin ist Isoldes Verehrer und kommt eines Tages ihretwegen nach Cornwall aus Irland. Isolde erkennt ihn sofort und stellt ihn Marke vor. Gandin wird sehr gastfreundlich aufgenommen. Er isst zusammen mit dem König und der Königin, weigert sich aber beim Essen seine Rotte abzulegen, was allen anderen Gäste "unhöfisch und unschicklich" (V. 13168) erscheint.
Nach dem Essen bietet Marke Gandin seine Spielkunst zu demonstrieren. Der Baron möchte dafür einen Lohn, sagt aber nicht genau was er sich vorstellt. Marke versichert ihm, dass er bekäme swaz iu liep ist (V. 13196). Nachdem er sehr meisterhaft zwei Stücke vorspielt, fordert er seinen Lohn: Marke soll Gandin seine geliebte Frau Isolde geben. An dieser Stelle wird der Baron Gandin zum ersten Mal als Betrüger bezeichnet (V. 12202). Marke weigert sich dies zu tun und wird von Gandin beschuldigt, wortbrüchig zu sein. Deswegen wird der König zum Zweikampf aufgefordert. Doch weder er noch ein Anderer will gegen Gandin kämpfen, denn er ist von solher craft, sô menlîch und sô herzehaft(V. 13251 f.), dass keiner von Markes Rittern sich gegen Gandin stellen will. Tristan ist zur Jagd ausgeritten und zu dieser Zeit nicht im Schloss, sodass er seiner Geliebten nicht zu Hilfe eilen kann. Isolde wird Gandin ausgeliefert.
Als Tristan während der Jagd erfährt, was sich am Hofe zuträgt, kehrt er sofort heim. Er nimmt seine Harfe und eilt zum Ufer, wo der Baron mit der Königin auf die Flut wartet, damit sein Schiff, das am Strand, aufgrund der Ebbe feststeckt, weiterfahren kann. Tristan hat sich schon eine List überlegt und will den Betrüger um den Finger wickeln und seine Geliebte zurückgewinnen.
Als Tristan zum Ufer kommt, denkt Gandin, er sei nur ein Harfner. Tristan selbst gibt sich als Iren aus und bittet darum, ihn nach Irland mitzunehmen. Gandin hält Tristan an irgendetwas vorzuspielen, um damit Isolde zu trösten und ihren Kummer zu lindern. Als Lohn dafür verspricht er Tristan das beste Gewand in seinem Zelt und auch ihn nach Irland mitzunehmen. Nachdem der Spielmann zwei Stücke vorträgt, sind Isoldes Sorgen gelindert. Es kommt die Flut und Gandins Schiff wird wieder fahrtüchtig gemacht. Gandins Männer warnen ihn schon vor Tristan, nichtsahnend, dass er bereits unter ihnen ist, und drängen auf eine schnelle Abreise. Von dem Unvertrauen seiner Männer in Kraft und Edelmut ihres Anführers gekränkt, verharrt Gandin nur noch länger, um seine Tapferkeit unter Beweis zu stellen.
Mittlerweile ist die Strömung aber so stark, dass niemand ohne ein Pferd zur Landungsbrücke gelangen kann. Hier bietet Tristan seine Hilfe an. Er sagt Gandin er wolle Isolde auf seinem Pferd zur Brücke bringen. Sehr ungerne erlaubt dies Gandin, nachdem Isolde ihm dazurät, und übergibt sie dem vermeintlichen Spielmann. Kaum setzt sich Isolde auf das Pferd, kehrt Tristan dem Schiff den Rücken und klärt seine Identität auf. Genau so, wie Gandin Marke mit seinem Rottenspiel überlistet hat, wird er selbst mit der Harfe von Tristan getäuscht.
Tristan reitet mit Isolde zum Marke und Gandin bleibt traurig und blamiert zurück. Er kehrt nach Irland zurück und taucht in der weiteren Erzählung nicht mehr auf.
Einordnung der Episode in den Zusammenhang
Das kurze Intermezzo um Gandin und der Versuch, Cornwall seiner Königin zu berauben hat keinen direkten Einfluss auf die Handlung. Weder wird der Zwischenfall eingeleitet noch wird zu einem späteren Zeitpunkt wieder auf ihn verwiesen. Die Handlung spielt sich in einem eigenen kurzen Kapitel ab, das eingeschlossen ist von der Liebesgeschichte Tristans und Isoldes, vorher durch die langsame Anbahnung der Gefühle, den Betrug der Hochzeitsnacht und die heimliche und unerkannte Liebe am Hofe, hinterher durch die Zweifel König Markes an seinen zwei Getreuen und den zahlreichen Listen.
Man kann durchaus davon sprechen, dass an dieser Stelle etwas vorweggenommen wird. Der listenreiche Gandin verschafft sich durch seine Schläue einen Vorteil gegenüber dem gutgläubigen Marke, so wie es auch die Liebenden später tun. Tristan wiederum schafft es, den gerissenen Gegenspieler mit den eigenen Waffen zu schlagen. Dasselbe passiert in der späteren Geschichte dem König, als Isolde, nachdem Tristan sie beraten hat, Markes Finte mit einer Gegenlist kontert und so vorerst eine Aufdeckung des Betrugs vereiteln kann.
Es wird also kurz bevor die Listen am Hof erdacht und durchgeführt werden bereits von vergleichbaren Ereignissen berichtet, die deutlich aufzeigen, dass Marke hier einen Nachteil hat gegenüber Isolde, aber vor allem seinem heimlichen Nebenbuhler Tristan.
Fazit
Anmerkungen
- ↑ Zitierung mit Versangabe im Folgenden aus Gottfried von Straßburg: Tristan. Nach dem Text von Friedrich Ranke neu herausgegeben, ins Neuhochdeutsche übersetzt, mit einem Stellenkommentar und einem Nachwort von Rüdiger Krohn. Bd. 1–3. Stuttgart 2009 (RUB 4471-4473).
Literatur
<HarvardReferences />
- [*Krohn 2009] Gottfried von Straßburg: Tristan. Nach dem Text von Friedrich Ranke neu herausgegeben, ins Neuhochdeutsche übersetzt, mit einem Stellenkommentar und einem Nachwort von Rüdiger Krohn. Bd. 1–3. Stuttgart 2009 (RUB 4471-4473).
- [*Tomasek 2007] Tomasek, Tomas: Gottfried von Straßburg. Stuttgart 2007.