Bestiarien: Unterschied zwischen den Versionen

Aus MediaeWiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen
(Beispiele hinzugefügt)
(Bild hinzugefügt, Überschriften)
Zeile 6: Zeile 6:




'''Deutung:'''
==Deutung:==


Die Tiergeschichten sollten dem Leser nicht einfach naturkundliche Informationen vermitteln, hinter ihnen verbergen sich meist moralische- lehrhafte- oder religiöse Bedeutungen, die dem Verfahren des [[vierfacher Schriftsinn|vierfachen Schriftsinns]] zugrunde liegen. Denn in den beschriebenen tierischen Eigenschaften, Charakterzügen und Verhaltensweisen finden sich oft Parallelen zur christlichen Heilsgeschichte.
Die Tiergeschichten sollten dem Leser nicht einfach naturkundliche Informationen vermitteln, hinter ihnen verbergen sich meist moralische- lehrhafte- oder religiöse Bedeutungen, die dem Verfahren des [[vierfacher Schriftsinn|vierfachen Schriftsinns]] zugrunde liegen. Denn in den beschriebenen tierischen Eigenschaften, Charakterzügen und Verhaltensweisen finden sich oft Parallelen zur christlichen Heilsgeschichte.


Dies lässt sich gut am Beispiel des Panthers veranschaulichen:
 
Dies lässt sich gut am Beispiel des '''Pelikans''' veranschaulichen:
 
 
[[Datei:PELIKN~1.PNG]]
 




Die Jungen des ''Pelikans'' greifen ihre Eltern so lange mit dem Schnabel an, bis der Vater seine eigenen Kinder zu Tode hackt. Danach ist er aber voller Reue und öffnet seine eigenen Brust, um die Jungen mit seinem Blut wieder zum Leben zu erwecken.
Die Jungen des Pelikans greifen ihre Eltern so lange mit dem Schnabel an, bis der Vater seine eigenen Kinder zu Tode hackt. Danach ist er aber voller Reue und öffnet seine eigenen Brust, um die Jungen mit seinem Blut wieder zum Leben zu erwecken.
Das Fehlverhalten der Pelikanjungen ist hier mit dem Ungehorsam der Menschen auf Erden gleichzusetzen und die Reaktion des Vaters, mit dem Zorn Gottes auf die Menschheit. Durch das Blut seinen Sohnes schenkt Gott den Menschen ein neues Leben, sie sind von allen Sünden befreit. Auch der Pelikanvater schenkt seinen Kindern durch Blutvergießen neues Leben. Der Pelikan ist also ein Symbol für die Vergebung Gottes durch den Opfertod Christi.
Das Fehlverhalten der Pelikanjungen ist hier mit dem Ungehorsam der Menschen auf Erden gleichzusetzen und die Reaktion des Vaters, mit dem Zorn Gottes auf die Menschheit. Durch das Blut seinen Sohnes schenkt Gott den Menschen ein neues Leben, sie sind von allen Sünden befreit. Auch der Pelikanvater schenkt seinen Kindern durch Blutvergießen neues Leben. Der Pelikan ist also ein Symbol für die Vergebung Gottes durch den Opfertod Christi.
Ein weiteres Beispiel ist derer ''Panther''. Er ist allen Tieren gegenüber freundlich gesinnt, außer dem Drachen.
Ein weiteres Beispiel ist der '''Panther'''. Er ist allen Tieren gegenüber freundlich gesinnt, außer dem Drachen.
Der Panther ist auch hier mit Christus gleichzusetzen, da auch er allen Geschöpfen, außer dem Teufel, gegenüber wohlgesonnen ist
Der Panther ist auch hier mit Christus gleichzusetzen, da auch er allen Geschöpfen, außer dem Teufel, gegenüber wohlgesonnen ist
   
   


Die Tiergeschichten dienen außerdem als lehrhaftes Beispiele für tugendhafte Verhaltensweisen.
Die Tiergeschichten dienen außerdem als lehrhaftes Beispiele für tugendhafte Verhaltensweisen.
Der ''Wal'' beispielsweise verlockt müde Schiffahrer dazu auf seinem Rücken, wie auf einer Insel zu rasten, um sie dann in die Tiefe zu ziehen.
Der '''Wal''' beispielsweise verlockt müde Schifffahrer dazu auf seinem Rücken, wie auf einer Insel zu rasten, um sie dann in die Tiefe zu ziehen.
Der Wal ist hier mit dem Teufel gleichzusetzen, der Seelen anlockt, um sie ins Verderben zu führen. Die Fabel hat also lehrhaften Charakter.
Der Wal ist hier mit dem Teufel gleichzusetzen, der Seelen anlockt, um sie ins Verderben zu führen. Die Fabel hat hier also lehrhaften Charakter.




'''Entstehung:'''
==Entstehung:==


als Vorlage mittelalterlicher Bestiarien diente der etwa im 2. Jh. n. Chr. in griechischer Sprache verfasste Physiologus. Er umfasste anfangs 49 Kapitel, die meist Beschreibungen wilder Tiere und verschiedener Pflanzen enthielten.
als Vorlage mittelalterlicher Bestiarien diente der etwa im 2. Jh. n. Chr. in griechischer Sprache verfasste Physiologus. Er umfasste anfangs 49 Kapitel, die meist Beschreibungen wilder Tiere und verschiedener Pflanzen enthielten.
Zeile 30: Zeile 37:




'''Quellennachweis''':
==Quellennachweise:==


Pelikan-Beispiel: Vorlesung 14.11.2011, Dr. Jochen Conzelmann, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Pelikan-Beispiel: Vorlesung 14.11.2011, Dr. Jochen Conzelmann, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg

Version vom 13. Januar 2012, 02:26 Uhr

Bodleian Library, The Ashmole Bestiary, Folio 21r: Monoceros and Bear, England, Early 13th century


Als Bestiarien (von bestia, lateinisch „Tier“) werden Textsammlungen des Mittelalters bezeichnet, in denen verschiedene Tierarten in ihren Eigenschaften beschrieben werden. Es handelt sich dabei jedoch nicht zwangsläufig um tatsächlich lebende Tiere und ihre wahrhaftigen Eigenschaften. So tauchen unter anderem auch Fabelwesen wie zum Beispiel Einhörner oder Drachen auf.


Deutung:

Die Tiergeschichten sollten dem Leser nicht einfach naturkundliche Informationen vermitteln, hinter ihnen verbergen sich meist moralische- lehrhafte- oder religiöse Bedeutungen, die dem Verfahren des vierfachen Schriftsinns zugrunde liegen. Denn in den beschriebenen tierischen Eigenschaften, Charakterzügen und Verhaltensweisen finden sich oft Parallelen zur christlichen Heilsgeschichte.


Dies lässt sich gut am Beispiel des Pelikans veranschaulichen:


Datei:PELIKN~1.PNG



Die Jungen des Pelikans greifen ihre Eltern so lange mit dem Schnabel an, bis der Vater seine eigenen Kinder zu Tode hackt. Danach ist er aber voller Reue und öffnet seine eigenen Brust, um die Jungen mit seinem Blut wieder zum Leben zu erwecken. Das Fehlverhalten der Pelikanjungen ist hier mit dem Ungehorsam der Menschen auf Erden gleichzusetzen und die Reaktion des Vaters, mit dem Zorn Gottes auf die Menschheit. Durch das Blut seinen Sohnes schenkt Gott den Menschen ein neues Leben, sie sind von allen Sünden befreit. Auch der Pelikanvater schenkt seinen Kindern durch Blutvergießen neues Leben. Der Pelikan ist also ein Symbol für die Vergebung Gottes durch den Opfertod Christi. Ein weiteres Beispiel ist der Panther. Er ist allen Tieren gegenüber freundlich gesinnt, außer dem Drachen. Der Panther ist auch hier mit Christus gleichzusetzen, da auch er allen Geschöpfen, außer dem Teufel, gegenüber wohlgesonnen ist


Die Tiergeschichten dienen außerdem als lehrhaftes Beispiele für tugendhafte Verhaltensweisen. Der Wal beispielsweise verlockt müde Schifffahrer dazu auf seinem Rücken, wie auf einer Insel zu rasten, um sie dann in die Tiefe zu ziehen. Der Wal ist hier mit dem Teufel gleichzusetzen, der Seelen anlockt, um sie ins Verderben zu führen. Die Fabel hat hier also lehrhaften Charakter.


Entstehung:

als Vorlage mittelalterlicher Bestiarien diente der etwa im 2. Jh. n. Chr. in griechischer Sprache verfasste Physiologus. Er umfasste anfangs 49 Kapitel, die meist Beschreibungen wilder Tiere und verschiedener Pflanzen enthielten.


Quellennachweise:

Pelikan-Beispiel: Vorlesung 14.11.2011, Dr. Jochen Conzelmann, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg

Panther-Beispiel: "Lexikon des Mittelalters" Artemis Verlag München, Eintrag Physiologus

Wal-Beispiel: "Lexikon des Mittelalters" Artemis Verlag München, Eintrag Physiologus

zu Entstehung: "Lexikon des Mittelalters", Artemis Verlag München, Eintrag Bestiarium (Seite 2075/207)