Ritterliche Tugenden (Gottfried von Straßburg, Tristan): Unterschied zwischen den Versionen
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Als institutionalisierten Akt der Ritterwerdung, der Erlangung der Ritterwürden also, ist die sog. Schwertleite zu sehen. Spätestens ab hier hat sich ein Ritter tugendhaft und konform zu bestimmten Werten und Normen zu verhalten. Doch hat ein jeder zum Ritter bestimmter Mann auf dem Weg dahin gewisse Grundvoraussetzungen zu erfüllen; sei es, dass sie ihm 'in die Wiege gelegt worden sind', oder dass er sich im Laufe seiner Kindheit und Jugend so manche ritterliche Fertigkeit und Tugend anzueignen hat. | |||
Aber gerade mit dem offiziell vollzogenen Akt der Ritterwerdung beginnt für den Ritter ein Leben, in dem er weitere Pflichten zu erfüllen, Werte umzusetzen und sich in seiner tugendhaften Ritterlichkeit zu üben und zu verbessern hat. | |||
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Was aber | Was aber Voraussetzungen sind, Ritter zu werden, machen gleich die folgenden V.4394f. von Ruals Ausführungen sowie die Antwort der anwesenden Adligen auf Ruals Ansprache in V.4399-4401 deutlich: | ||
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Die folgende Antwort Tristans auf Ruals Vorschlag kommt einem '''Ritterlichkeit-Exkurs''' gleich. | Die folgende Antwort Tristans auf Ruals Vorschlag kommt einem '''Ritterlichkeit-Exkurs''' gleich. | ||
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Mit dem Titel 'Ritter', so führt die Rede Tristans aus, ist hohes Ansehen verbunden; aber nicht nur solches, dass man mit dem Führen des Titels erlangt, sondern auch solches, welches man selbst als Voraussetzung mit erfüllen, in die Ritterwerdung mit hinein bringen muss, ganz besonders nämlich ''rîlîches guot'' (V.4406). Denn der klare Sinn, Ritter geworden zu sein, besteht also darin, ''werltlîche êre'' zu erwerben und zwar genauer dadurch, indem man müßige Jugend dafür benutzt. Dass Tristan eben dies nicht getan hatte, seine Jugend also nicht darauf verwendet hat, ritterliche Würde und Tugenden zu erwerben und sich darin zu üben, obwohl Ritterschaft schon in der Kindheit anfängt, verleitet ihn zu einer vorwurfsvollen Selbstkritik. Denn Tristan weiß schon lange, hat davon auch selbst gelesen, dass ritterliche Ehre ''des lîbes nôt'' (körperliche Anstrengungen, V.4431) verlangt, somit gleichzeitig Bequemlichkeit und jugendliche Müßigkeit ausschließt. Nur hat Tristan seine Jugend nicht gerade auf diese Weise eines Ritters würdig verlebt, er wusste ja schließlich auch nicht um diese seine Zukunft, weswegen er dies nachholen will, wozu er sich körperlich und geistig bereit sieht.<ref>Vgl. auch Hans Fromm: Tristans Schwertleite. In: ders.: Arbeiten zur deutschen Literatur des Mittelalters. Tübingen 1989. S.155-172. Hier bes.: S.156f. Hinzuweisen sei auch auf Fromms Hinweis auf purifizierende Selbstbezichtigung.</ref> | |||
Ritterliche Tugenden sind also nicht nur 'Besitz' und 'weltliches Ansehen', sondern auch bereitwilliger 'Einsatz von Körper und Geist'. Mit den körperlichen Bemühungen als Ritter, ist ein Verweis auf militärische Fertigkeiten ersichtlich, dass sich der Ritter also im [[Kampf]] zu üben hat und sein Können im Turnier, aber auch auf dem Felde unter Beweis zu stellen hat, um Ehre zu erwerben. Geistige Fähigkeiten, welche hier als Selbstverständlichkeit durch zu schimmern vermögen, weisen auf Bildung und Gelehrtheit in Dingen wie Lesen und Schreiben hin,<ref>Denn, dass Tristan zu schreiben, oder jedenfalls zu lesen vermag (vgl. V. 4430 ''ouch hân ich selbe wol gelesen''), kann keineswegs als Selbstverständlichkeit angesehen werden.</ref> die als wichtiges Bestandteil höfischer Kultur und höfischen Selbstverständnisses zu sehen sind. | |||
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== Primärliteratur == | |||
Gottfried von Straßburg: Tristan. Nach dem Text von Friedrich Ranke. Hrsg. v. Rüdiger Krohn. Bd. 1/2. Stuttgart 1993/1994 | |||
== Sekundärliteratur == | |||
Fromm, Hans: Tristans Schwertleite. In: ders.: Arbeiten zur deutschen Literatur des Mittelalters. Tübingen 1989. S.155-172. |
Version vom 28. November 2010, 16:58 Uhr
Thema dieses Artikels sind die ritterlichen Werte und Normen im Tristan. Die Frage ist, was einen Ritter ausmacht, welche Vorrechte und Pflichten ihm obliegen, wie dieser beschrieben wird. So soll die ritterliche Rolle in der höfischen Welt des Tristan-Romans genauer verortet werden.
Textstellen
Beispielhafte Passagen im Tristan, die die weiteren Ausführungen stützen und veranschaulichen sind u.a.:[1]
- V.4379-4488 Vorschlag und Annahme der Schwertleite
- V.4975-5068 Tristans Schwertleite
- (V.5267-5309 Vasallen)
- V.5713-5745 Ritterweihe durch Tristan
- V.6064-6192 Diskussion Tristans mit den Baronen
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Der Ritterwerdungsprozess
Als institutionalisierten Akt der Ritterwerdung, der Erlangung der Ritterwürden also, ist die sog. Schwertleite zu sehen. Spätestens ab hier hat sich ein Ritter tugendhaft und konform zu bestimmten Werten und Normen zu verhalten. Doch hat ein jeder zum Ritter bestimmter Mann auf dem Weg dahin gewisse Grundvoraussetzungen zu erfüllen; sei es, dass sie ihm 'in die Wiege gelegt worden sind', oder dass er sich im Laufe seiner Kindheit und Jugend so manche ritterliche Fertigkeit und Tugend anzueignen hat. Aber gerade mit dem offiziell vollzogenen Akt der Ritterwerdung beginnt für den Ritter ein Leben, in dem er weitere Pflichten zu erfüllen, Werte umzusetzen und sich in seiner tugendhaften Ritterlichkeit zu üben und zu verbessern hat.
Die Schwertleite
Ausführlich sollte sich zu diesem Punkt der Hauptartikel Tristans Schwertleite befassen. An dieser Stelle soll daher explizieter nur auf konkrete Rückschlüsse zum Ritterbegriff eingegangen werden, die für diesen Artikel relevant sind.
Vorschlag zur Schwertleite
Bereits aus den Vorreden zur Schwertleite erfährt man durch Rual li Foitenant, welcher Tristan am Hofe König Markes von Britannien nach jahrelanger Suche gefunden hat, Interessantes zur Wichitgkeit der Erlangung der Ritterwürden. Würde Tristan nämlich Ruals Rat folgen und sich von Marke zum Ritter schlagen lassen, so wäre er iemer mêre / allen künegen ebenhêr (V.4388f.)[1]. Denn Tristan stammt von zwei Königen ab, genealogisch hat er folglich ähnlich privilegierte Anrechte; er müsste lediglich die Schwertleite erhalten, um diese Stellung zu erlangen. Aus dieser Textstelle lässt sich also entnehmen, welch gewichtige Rolle der Ritterstellung innerhalb der hierarschich-machtrechtlichen Strukturen zukommt, dass diese Stellung Vorraussetzung höchster herrschaftlicher Ansprüche und Rechte ist.
Was aber Voraussetzungen sind, Ritter zu werden, machen gleich die folgenden V.4394f. von Ruals Ausführungen sowie die Antwort der anwesenden Adligen auf Ruals Ansprache in V.4399-4401 deutlich:
wan dû maht dîner sache sus hin wol selbe nemen war (V.4394f.) »hêrre, ez hât guote vuoge. Tristan hât craft genuoge und ist ein wol gewahsen man.« (V.4399-4401)
Rechtliche Bedingung Ritter zu werden scheint also zu sein, dass man in der Lage sein muss, sich selbst um eigene Sachen (rechtliche Angelegenheiten) kümmern zu können, was dann möglich sein sollte, so man körperlich und juristisch erwachsen ist, was Tristan, wie zu lesen ist, erreicht hat.
Annahme der Schwertleit
Die folgende Antwort Tristans auf Ruals Vorschlag kommt einem Ritterlichkeit-Exkurs gleich.
(V.4405-4445)
Mit dem Titel 'Ritter', so führt die Rede Tristans aus, ist hohes Ansehen verbunden; aber nicht nur solches, dass man mit dem Führen des Titels erlangt, sondern auch solches, welches man selbst als Voraussetzung mit erfüllen, in die Ritterwerdung mit hinein bringen muss, ganz besonders nämlich rîlîches guot (V.4406). Denn der klare Sinn, Ritter geworden zu sein, besteht also darin, werltlîche êre zu erwerben und zwar genauer dadurch, indem man müßige Jugend dafür benutzt. Dass Tristan eben dies nicht getan hatte, seine Jugend also nicht darauf verwendet hat, ritterliche Würde und Tugenden zu erwerben und sich darin zu üben, obwohl Ritterschaft schon in der Kindheit anfängt, verleitet ihn zu einer vorwurfsvollen Selbstkritik. Denn Tristan weiß schon lange, hat davon auch selbst gelesen, dass ritterliche Ehre des lîbes nôt (körperliche Anstrengungen, V.4431) verlangt, somit gleichzeitig Bequemlichkeit und jugendliche Müßigkeit ausschließt. Nur hat Tristan seine Jugend nicht gerade auf diese Weise eines Ritters würdig verlebt, er wusste ja schließlich auch nicht um diese seine Zukunft, weswegen er dies nachholen will, wozu er sich körperlich und geistig bereit sieht.[2]
Ritterliche Tugenden sind also nicht nur 'Besitz' und 'weltliches Ansehen', sondern auch bereitwilliger 'Einsatz von Körper und Geist'. Mit den körperlichen Bemühungen als Ritter, ist ein Verweis auf militärische Fertigkeiten ersichtlich, dass sich der Ritter also im Kampf zu üben hat und sein Können im Turnier, aber auch auf dem Felde unter Beweis zu stellen hat, um Ehre zu erwerben. Geistige Fähigkeiten, welche hier als Selbstverständlichkeit durch zu schimmern vermögen, weisen auf Bildung und Gelehrtheit in Dingen wie Lesen und Schreiben hin,[3] die als wichtiges Bestandteil höfischer Kultur und höfischen Selbstverständnisses zu sehen sind.
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Anmerkungen
- ↑ 1,0 1,1 Die Zitierung einfacher Versangaben im Folgenden (abgekürzt mit 'V.') bezieht sich innerhalb dieses Artikels auf: Gottfried von Straßburg: Tristan. Nach dem Text von Friedrich Ranke. Hrsg. v. Rüdiger Krohn. Bd. 1/2. Stuttgart 1993/1994.
- ↑ Vgl. auch Hans Fromm: Tristans Schwertleite. In: ders.: Arbeiten zur deutschen Literatur des Mittelalters. Tübingen 1989. S.155-172. Hier bes.: S.156f. Hinzuweisen sei auch auf Fromms Hinweis auf purifizierende Selbstbezichtigung.
- ↑ Denn, dass Tristan zu schreiben, oder jedenfalls zu lesen vermag (vgl. V. 4430 ouch hân ich selbe wol gelesen), kann keineswegs als Selbstverständlichkeit angesehen werden.
Literaturangaben
Primärliteratur
Gottfried von Straßburg: Tristan. Nach dem Text von Friedrich Ranke. Hrsg. v. Rüdiger Krohn. Bd. 1/2. Stuttgart 1993/1994
Sekundärliteratur
Fromm, Hans: Tristans Schwertleite. In: ders.: Arbeiten zur deutschen Literatur des Mittelalters. Tübingen 1989. S.155-172.