Tristan (Gottfried von Straßburg, Tristan): Unterschied zwischen den Versionen

Aus MediaeWiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Zeile 9: Zeile 9:
Tristans Mutter Blanscheflur verwendet bereits das Mittel der List, wie Tristan es später unzählige Male tun wird um Isolde zu begegnen. Sie schleicht sich als Ärztin verkleidet an das Krankenbett Riwalins, wo dann Tristan gezeugt wird [1266-1279]. Auch die Liebe der Eltern ist nur durch Heimlichkeit und Täuschung möglich, wie später die Liebe Tristans und Isoldes. Tristan wird also unehelich und heimlich gezeugt, die erste Spannung zu gesellschaftlichen Normen in seinem Leben.
Tristans Mutter Blanscheflur verwendet bereits das Mittel der List, wie Tristan es später unzählige Male tun wird um Isolde zu begegnen. Sie schleicht sich als Ärztin verkleidet an das Krankenbett Riwalins, wo dann Tristan gezeugt wird [1266-1279]. Auch die Liebe der Eltern ist nur durch Heimlichkeit und Täuschung möglich, wie später die Liebe Tristans und Isoldes. Tristan wird also unehelich und heimlich gezeugt, die erste Spannung zu gesellschaftlichen Normen in seinem Leben.


Blanscheflur geht mit Riwalin nach Parmenie, wo sie heimlich heiraten, sodass Tristan nicht durch eine uneheliche Geburt seinen Herrschaftsanspruch verliert. Allerdings stirbt Riwalin noch vor Tristans Geburt im Kampf und Blanscheflur aus Trauer kurz nach der Geburt. Tod und Leben sind also für Tristan von Anfang an miteinander verknüpft (Gottzmann 129, Wolf 125). Tristan bleibt als unvollkommenes Kind zurück, da er keinen Namen hat. Rual übernimmt die Rolle des Ziehvaters und gibt Tristan einen Namen, der seinen bisherigen Lebensumständen entspricht und auch weiter sein ganzes Leben prägen wird: [[Seminar:Tristans Name]]. ''Triste'' bedeutet ''triure'' und tristan ist ja in Trauer gezeugt und in Trauer geboren worden. An dieser Stelle wird bereits angekündigt, dass auch sein weiteres Leben in Trauer verlaufen wird und er auch in Trauer sterben wird [1991-2022].  
Blanscheflur geht mit Riwalin nach Parmenie, wo sie heimlich heiraten, sodass Tristan nicht durch eine uneheliche Geburt seinen Herrschaftsanspruch verliert. Allerdings stirbt Riwalin noch vor Tristans Geburt im Kampf und Blanscheflur aus Trauer kurz nach der Geburt. Tod und Leben sind also für Tristan von Anfang an miteinander verknüpft (Gottzmann 129, Wolf 125). Tristan bleibt als unvollkommenes Kind zurück, da er keinen Namen hat. Rual übernimmt die Rolle des Ziehvaters und gibt Tristan einen Namen, der seinen bisherigen Lebensumständen entspricht und auch weiter sein ganzes Leben prägen wird: [[Tristans Name|Tristan]]. ''Triste'' bedeutet ''triure'' und tristan ist ja in Trauer gezeugt und in Trauer geboren worden. An dieser Stelle wird bereits angekündigt, dass auch sein weiteres Leben in Trauer verlaufen wird und er auch in Trauer sterben wird [1991-2022].  


Da Rual und Floraete Tristan als ihren Sohn ausgeben, wächst er in Unwissenheit über seine eigene Identität auf. Es besteht also ein Zwiespalt zwischen seiner wahren Bestimmung, der eines Königs, und der, die er erlernt und erfährt, die eines Vasallen (Gotzmann 132). Wie sich später am Hofe Markes und auch am Hofe König Jovelins zeigen wird, zieht Tristan die Rolle des Vasallen immer einer eigenen Herrschaft vor.
Da Rual und Floraete Tristan als ihren Sohn ausgeben, wächst er in Unwissenheit über seine eigene Identität auf. Es besteht also ein Zwiespalt zwischen seiner wahren Bestimmung, der eines Königs, und der, die er erlernt und erfährt, die eines Vasallen (Gotzmann 132). Wie sich später am Hofe Markes und auch am Hofe König Jovelins zeigen wird, zieht Tristan die Rolle des Vasallen immer einer eigenen Herrschaft vor.

Version vom 29. November 2010, 20:35 Uhr

Dualität und Zwiespalt – Tristan als gespaltene Persönlichkeit

Tristans Leben ist bestimmt durch unzählige Konflikte und Gegensätze, die sich in seinem eigenen Charakter oder in seine Beziehungen zur Umwelt ergeben und verhindern, dass er in Ruhe und Frieden Leben kann. Bereits in den Umständen seiner Zeugung und Geburt und seiner Jugend sind diese Spannungen angelegt (1.). Er beeindruckt seine Umwelt immer wieder durch sein wundervolles Äußeres, das seine wahre Herkunft verrät und seine eigentliche Bestimmung, als König zu herrschen, zeigt. Der Eindruck, den er bei anderen hinterlässt, wird ergänzt durch seine Fähigkeiten. Einerseits hat er eine ritterliche Ausbildung erhalten und stellt seine kämpferische Überlegenheit in diversen Kämpfen unter Beweis. Andererseits ist er ein herausragender Künstler, kann musizieren, dichten, Fremdsprachen sprechen oder einen Hirsch kunstvoll zerlegen. Die Gegensätze in Tristans Charakter und seinem Leben bewirken, dass er nicht das einfache unkomplizierte Leben eines Ritters und Lehnsherren führen kann, sondern als lantlôser umher zieht.

Das Erbe der Eltern

Carola Gotzmann sagt, dass das Schicksal Tristans durch seine Eltern antizipiert sei. (130). Das erste, was Tristan durch seine Eltern mitgegeben wird, ist die königliche Abstammung. Riwalin ist König von Parmenie und herrscht über dieses Reich, Blanscheflur ist die Schwester König Markes, Herrscher über Cornwall und England. In Tristans Adern fließt also königliches Blut, was sich in seinem Äußeren zeigt und seine Rolle in der Gesellschaft vorherbestimmt. Außerdem erbt Tristan von seinen Eltern Charakerzüge. Sein Vater Riwalin ist ausgezeichneter Mann, der am Hofe Markes eine Ausbildung genoss und als vorbildlicher und erfolgreicher Ritter sein Land regiert. Aber in seinen Eifer mischt sich jugendlicher Übermut und er greift Morgan grundlos und mit viel Gewalt an. Tristan wird seinen Vater in all den guten Eigenschaften sogar noch übertreffen, aber auch er ist übermütig und greift Morgan brutal und hinterhältig an und tötet ihn[5363- 5458].

Tristans Mutter Blanscheflur verwendet bereits das Mittel der List, wie Tristan es später unzählige Male tun wird um Isolde zu begegnen. Sie schleicht sich als Ärztin verkleidet an das Krankenbett Riwalins, wo dann Tristan gezeugt wird [1266-1279]. Auch die Liebe der Eltern ist nur durch Heimlichkeit und Täuschung möglich, wie später die Liebe Tristans und Isoldes. Tristan wird also unehelich und heimlich gezeugt, die erste Spannung zu gesellschaftlichen Normen in seinem Leben.

Blanscheflur geht mit Riwalin nach Parmenie, wo sie heimlich heiraten, sodass Tristan nicht durch eine uneheliche Geburt seinen Herrschaftsanspruch verliert. Allerdings stirbt Riwalin noch vor Tristans Geburt im Kampf und Blanscheflur aus Trauer kurz nach der Geburt. Tod und Leben sind also für Tristan von Anfang an miteinander verknüpft (Gottzmann 129, Wolf 125). Tristan bleibt als unvollkommenes Kind zurück, da er keinen Namen hat. Rual übernimmt die Rolle des Ziehvaters und gibt Tristan einen Namen, der seinen bisherigen Lebensumständen entspricht und auch weiter sein ganzes Leben prägen wird: Tristan. Triste bedeutet triure und tristan ist ja in Trauer gezeugt und in Trauer geboren worden. An dieser Stelle wird bereits angekündigt, dass auch sein weiteres Leben in Trauer verlaufen wird und er auch in Trauer sterben wird [1991-2022].

Da Rual und Floraete Tristan als ihren Sohn ausgeben, wächst er in Unwissenheit über seine eigene Identität auf. Es besteht also ein Zwiespalt zwischen seiner wahren Bestimmung, der eines Königs, und der, die er erlernt und erfährt, die eines Vasallen (Gotzmann 132). Wie sich später am Hofe Markes und auch am Hofe König Jovelins zeigen wird, zieht Tristan die Rolle des Vasallen immer einer eigenen Herrschaft vor.

Äußere Erscheinung

Obwohl Tristan sich seiner eigenen königlichen Abstammung lange Zeit nicht bewusst wird oder er sie später verleugnet, wenn er sich etwa als Kaufmann oder Spielmann ausgibt, ist es doch nicht möglich sie vollkommen zu verstecken. Sein makelloses Äußeres verrät stets seine noble Herkunft, was auch von seinen erstaunten Beobachtern immer wieder erkannt wird und sie wundern sich, wie z.B. ein Kaufmannssohn so höfisch sein kann. Tristans Körper wird dadurch oft noch durch edle Kleidung hervorgehoben, die sein wunderschönes Aussehen ergänzen. Das Äußere spiegelt dabei die inneren Werte und die innere Vollkommenheit an Tugend von Tristan wieder. Zum Bild Tristans gehört außerdem sein Auftreten, seine gewählte Weise sich auszudrücken und seine angemessenen Gesten. Dieses Phänomen begegnet uns in jeder Szene, in der Tristan auf Fremde trifft. Die norwegischen Kaufleute sind so beeindruckt von Tristan, dass sie ihn entführen. Die Pilger fragen sich, wer dieses wunderbare Kind sei und auch die Jäger nehmen ihn mit an den Hof und führen ihn dem König vor. Dort stellt die Hofgesellschaft bald fest: „alle die künege, die nu sint/ dien erzügen alle ein kint niht baz.“ [3133/3134]. Die Erziehung Tristans ist also eindeutig die eines Königs, auch wenn er behauptet hat ein Kaufmannssohn zu sein. In Cornwall ist es vor allem Isolde, die den Fremden genau besieht und seine körperlichen Vorzüge erkennt. Sie fragt sich, warum so ein edler Mann wie Tristan umherziehen und sein Glück suchen muss, wo ihm doch ein Königreich zustehen sollte [10014- 10032].

In den Szenen, in denen Tristan gezielt eine Rüstung anlegt um einen Kampf zu bestreiten, wird auch immer wieder darauf hingewiesen, wie gut diese zu seinem vortrefflichen Körper passt. Das geschieht einmal vor dem Kampf mit Morolt und außerdem bei dem Gerichtstermin mit dem Truchseß, auch wenn es dort nicht zum Kampf kommt.

An mehreren Stellen aber vor allem in der Szene, als Tristan an Markes Hof musiziert, wird außerdem auf seine wunderschönen Hände hingewiesen, die perfekt zur Harfe passen: „ Die wâren, alse ich hân gelesen,/ daz sî niht schoener kunden wesen:/ weich unde linde, cleine, lanc/ und rehte alsam ein harm blanc.“ [3349-3352].

Tristans Bildung – Künstler oder Kämpfer?

Tristan erhält von Rual die beste Ausbildung, die man zu jener Zeit erhalten kann. Er wird ins Ausland gesandt um Fremdsprachen zu lernen, mit denen er immer wieder beeindruckt, zum Beispiel mit der Rarität Norwegisch zu sprechen (Wolf 136). Er studiert Bücher und zwar so intensiv, „daz er der bouche mêre/ gelernete in sô kurzer zît/ danne ie kein kint ê oder sît.“ [2090-2092]. Er lernt viele Arten des Saitenspiels, des Dichtens und des Singens „biz er es wunder kunde“ [2099] und auch höfische Spiele, zum Beispiel Schach.

Er lernt in seiner Ausbildung auch kämpferische Fähigkeiten: Reiten, mit Schild und Speer umgehen, laufen, Springen, Speer werfen und Jagen [2104-2120].

Es sind ausschließlich die musischen Fähigkeiten, die Tristan weiter bringen und mit denen er Anerkennung erlangt (Jackson 292). Zugang zum Hofe Markes bekommt er aufgrund seiner Zerlegekunst und seines wunderbaren Hornspiels, Anerkennung am Hofe durch sein Saitenspiel mit dem er das Hofvolk regelrecht in Ekstase versetzt (Wolf 140) [3710-3720]. In Cornwall ist es sein Harfenspiel, das zuerst die Aufmerksamkeit des anderen Schiffes weckt und das sich dann so schnell herum spricht, dass es ihm Zugang zum Königshof verschafft. Dort wird er als Lehrer für Isolde angestellt, der er natürlich nur den musischen und nicht den kämpferischen Teil seiner Ausbildung weiter gibt. W.T.H. Jackson (303) stellt außerdem die These auf, dass es diese künstlerische Ausbildung ist, die erst zur vollkommenen Liebe befähigt. Tristan hat sie bereits erworben und gibt sie zuerst an Isolde weiter, bevor der Liebestrank die beiden verbindet. In der Minnegrotte verbringen sie die Zeit dann auch damit, sich gegenseitig vorzuspielen, zu singen und zu erzählen, und zwar antike Liebesgeschichten wie zum Beispiel von Phyllis, von Kanake, von Byblis und Dido [17182-17199]. Liebe wird also nicht einfach irgendwie ausgelebt sondern sie folgt antiken Vorbildern, die nur ein gebildeter Mensch kennen kann.

Auch wenn Tristan kämpferisch alle seinen Zeitgenossen überlegen ist, tragen diese dagegen kaum zu seiner Anerkennung am Hofe bei. Immerhin bestreitet Tristan vier entscheidende Kämpfe, die kein anderer vor ihm hat gewinnen können: gegen Morgan, gegen Morolt, gegen den Drachen und gegen den Riesen Urgan. Doch keiner dieser Kämpfe trägt dazu bei, sein Ansehen zu steigern. Sein erster Kampf gegen Morgan bringt ihm zwar ein größeres Reich, ist allerdings kein ehrwürdiger Kampf. Tristan und seine Gefährten schleichen sich als Kaufleute verkleidet ein und Tristan erschlägt Morgan ohne vorhergehenden ehrenvollen Kampf. Außerdem muss er am Ende noch durch die von Rual geschickten Truppen unterstützt werden, da er und seine Leute nicht alleine in der Lage sind Morgans Truppen zu besiegen. Es handelt sich um einen hinterrücksen Überfall und somit unritterliches Verhalten, das keinerlei Ehre einbringt sondern unter Beweis stellt, dass Tristan auch zu diesen brutalen Taten fähig ist. Die Kämpfe gegen Morolt, den Drachen und den Riesen Urgan würden Tristan von ihrer Art her schon Ehre bringen, so wie etwa Riwalin vor Blanscheflur im Kampf besteht. Allerdings finden sie alle ohne Zuschauer statt, der Kampf mit Morolt auf einer Insel, die anderen beiden Kämpfe in der Wildnis und Tristan nimmt jeweils ein Körperteil der Bestien an sich, um seine Tat beweisen zu können. Der einzige potenziell ruhmbringende Kampf wäre der Gerichtskampf gegen den Truchseß, doch dieser findet dann garnicht statt.

Auffällig ist auch, dass alle diese Kämpfe erst nach Tristans Schwertleite stattfinden. Sie dienen also nicht dazu, seine Ritterlichkeit unter Beweis zu stellen, dies ist durch sein musikalisches und jägerisches Können anscheinend schon hinreichend geschehen. Vielmehr ist es das Rittertum, das ihm diese Aufgaben erst auferlegt. Seine Taten vollbringt er außerdem nie für sich selber sondern immer im Dienste anderer. Morgan ist zwar der alte Feind seines Vaters, doch als Tristan ihn besiegt hat nimmt er nicht etwa den Königssitz seines Reiches ein sondern übergibt ihn Rual. Morolt tötet er im Dienste Markes um das Land von den Tributzahlungen zu befreien, den Drachen tötet er um Marke Isolde zur Braut geben zu können. Den Riesen Urgan tötet er für den Herzog Gilan, der ihm zum Dank den Hund Petitcrü für Isolde gibt. Am Ende tut er sich noch im Krieg in Arundel hervor, diesmal im Dienste Kaedins. In Isoldes Diensten vollbringt er keine einzige Heldentat (Jackson 303).

Auch wenn Tristan sowohl als Kämpfer als auch als Musiker der Beste seiner Zeit ist, wird seiner musischen Seite mehr Bedeutung zugemessen.

Tristan der Lantlôse

Literatur

  • Wolf, Alois: Gottfried von Strassburg und die Mythe von Tristan und Isolde. Darmstadt 1989.
  • Jackson, W.T.H.: Der Künstler Tristan in Gottfrieds Dichtung. In: Wolf, Alois: Gottfried von Strassburg. Darmstadt 1973, S.280-304.
  • Gottzmann, Carola L.: Identitätsproblematik in Gottfrieds "Tristan", in : Germanisch-romanische Monatsschrift 39 (1989), S. 129-146.