Triuwe (Wolfram von Eschenbach, Parzival): Unterschied zwischen den Versionen

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=="triuwe" in der höfischen Dichtung==
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==="triuwe" als höfisches Standesideal===  
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Zahlreiche  Belege zeugen  von der großen Wertschätzung, welche mittelalterliche  Dichter der „triuwe“ entgegenbrachten. So bezeichnet beispielsweise  Reinmar von Zweter diese als die höchste Tugend des vornehmen Mannes  (68,3) <ref>Reinmar von Zweter, Leipzig, 1887</ref>.  Auch  in der Epik wird die „triuwe“ als eine der wichtigsten Eigenschaften des  Mannes dargestellt. So behauptet Hartmann von Aue in seinem ''Iwein'',  „daz nimmer ein wol vrumer man/ âne triuwe werden kan." (3179  f.)<ref> Alle Versangaben des ''Iwein'' und ''Gregorius'' beziehen  sich auf:  Hartmann von Aue: Gregorius. Der arme Heinrich. Iwein.  Herausgegeben  und übersetzt von Volker Mertens, Frankfurt a. M. 2004  </ref>, dass es keinen angesehenen ohne Treue geben kann. Auch  zählt Hartmann die „triuwe“ zu den Vorzügen vieler seiner Helden, wie  beispielsweise im ''Erec''. Hier wird Gawein unter anderem aufgrund seiner „triuwe“  zu den ersten Helden der Tafelrunde gezählt:  
Zahlreiche  Belege zeugen  von der großen Wertschätzung, welche mittelalterliche  Dichter der „triuwe“ entgegenbrachten. So bezeichnet beispielsweise  Reinmar von Zweter diese als die höchste Tugend des vornehmen Mannes  (68,3) <ref>Reinmar von Zweter, Leipzig, 1887</ref>.  Auch  in der Epik wird die „triuwe“ als eine der wichtigsten Eigenschaften des  Mannes dargestellt. So behauptet Hartmann von Aue in seinem ''Iwein'',  „daz nimmer ein wol vrumer man/ âne triuwe werden kan." (3179  f.)<ref> Alle Versangaben zu Hartmanns ''Iwein'' und ''Gregorius'' beziehen  sich auf:  Hartmann von Aue: Gregorius. Der arme Heinrich. Iwein.  Herausgegeben  und übersetzt von Volker Mertens, Frankfurt a. M. 2004  </ref>, dass es keinen angesehenen ohne Treue geben kann. Auch  zählt Hartmann die „triuwe“ zu den Vorzügen vieler seiner Helden, wie  beispielsweise im ''Erec''. Hier wird Gawein unter anderem aufgrund seiner „triuwe“  zu den ersten Helden der Tafelrunde gezählt:  


(Erec  2730ff.) <ref> Alle Versangaben des Erec beziehen sich auf:  Hartmann von Aue: Erec. Herausgegeben von Manfred Günter Scholz,  übersetzt von Susanne Held, Frankfurt a.M. 2007</ref>
(Erec  2730ff.) <ref> Alle Versangaben zu Hartmanns ''Erec'' beziehen sich auf:  Hartmann von Aue: Erec. Herausgegeben von Manfred Günter Scholz,  übersetzt von Susanne Held, Frankfurt a.M. 2007</ref>
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Vera  Vollmer bezeichnet „triuwe“ als eine der wichtigsten höfischen  Eigenschaften, da „sie am Hofe des [[König Artus (Wolfram von Eschenbach, Parzival)|Artus]] besonders hoch gewertet wurde“.  Sie zählt den Besitz der „triuwe“ als Wesensmerkmal zum „Begriff der hövescheit“ , welcher weitere Tugenden wie gesellschaftliche Vorzüge angehören. Dazu zählen beispielsweise „zuht“ als feine Form im Benehmen und Miteinander, ritterliche Eigenschaften wie vor allem die „küene“ und  nicht zuletzt auch „diemüete“ als eine der wichtigsten kirchlichen  Tugenden. [Vollmer 1914: S.25]
Vera  Vollmer bezeichnet „triuwe“ als eine der wichtigsten höfischen  Eigenschaften, da „sie am Hofe des [[König Artus (Wolfram von Eschenbach, Parzival)|Artus]] besonders hoch gewertet wurde“.  Sie zählt den Besitz der „triuwe“ als Wesensmerkmal zur "hövescheit". In diesem Sine gehören der "triuwe" wiederum weitere Tugenden an, welche gesellschaftliche Vorzüge mit sich bringen. Dazu zählen beispielsweise „zuht“ als feine Form im Benehmen und Miteinander, ritterliche Eigenschaften wie vor allem die „küene“ und  nicht zuletzt auch „diemüete“ als eine der wichtigsten kirchlichen  Tugenden. [Vollmer 1914: S.25]
Das höfische Menschenideal  beinhaltet neben den gesellschaftlichen, ritterlich-heldenhaften und  geistlichen Tugenden auch die ethischen Werte wie „wârheit“, „staete“  und „milte“. In diesen Zusammenhang zählt Vera Vollmer auch die „triuwe“.
Das höfische Menschenideal  beinhaltet neben den gesellschaftlichen, ritterlich-heldenhaften und  geistlichen Tugenden auch die ethischen Werte wie „wârheit“, „staete“  und „milte“. In diesen Zusammenhang zählt Vera Vollmer auch die „triuwe“.
„Getriuwe“  bezeichnet im absoluten Sinn eine Charaktereigenschaft und äußert  sich dann vor allem in Wahrhaftigkeit und Aufrichtigkeit. Heranzuziehen ist hierzu die Schilderung des Pâris beispielsweise im ''Trojanischen Krieg'' Konrads von Würzburg. Der  "getriuwe sin" (1616)[Keller 1858], die Aufrichtigkeit also, so Pâris, verhindere, dass keine Schlacht, keine Liebe und kein Leid "zerbraeche sîne wârheit" (1619)[Keller 1858], seine Wahrheit brechen könne.
„Getriuwe“  bezeichnet im absoluten Sinn eine Charaktereigenschaft und äußert  sich dann vor allem in Wahrhaftigkeit und Aufrichtigkeit. Heranzuziehen ist hierzu die Schilderung des Pâris beispielsweise im ''Trojanischen Krieg'' Konrads von Würzburg. Der  "getriuwe sin" (1616)[Keller 1858], die Aufrichtigkeit also, so Pâris, verhindere, dass keine Schlacht, keine Liebe und kein Leid "zerbraeche sîne wârheit" (1619)[Keller 1858], seine Wahrheit brechen könne.

Version vom 23. Juli 2012, 17:37 Uhr

Darauf, dass „triuwe“ in der mittelalterlichen Gesellschaft eine große Rolle spielte, weisen zahlreiche Belege in der höfischen Dichtung hin. Bei genauerer Betrachtung dieser ist zu erkennen, dass die Bedeutungen dieses mittelhochdeutschen Begriffes mannigfaltig sind und zu unterschiedlichen Übersetzungen im Neuhochdeutschen führen. Der nachfolgende Artikel soll anhand beispielhafter Belege der mittelalterlichen Dichtung über einzelne Bedeutungen der „triuwe“ in der höfischen Dichtung aufklären. Darüber hinaus soll der „triuwe“ Begriff Wolframs von Eschenbach anhand Wolframs von Eschenbach Parzival untersucht werden.


"triuwe" in der höfischen Dichtung

"triuwe" als höfisches Standesideal

Zahlreiche Belege zeugen von der großen Wertschätzung, welche mittelalterliche Dichter der „triuwe“ entgegenbrachten. So bezeichnet beispielsweise Reinmar von Zweter diese als die höchste Tugend des vornehmen Mannes (68,3) [1]. Auch in der Epik wird die „triuwe“ als eine der wichtigsten Eigenschaften des Mannes dargestellt. So behauptet Hartmann von Aue in seinem Iwein, „daz nimmer ein wol vrumer man/ âne triuwe werden kan." (3179 f.)[2], dass es keinen angesehenen ohne Treue geben kann. Auch zählt Hartmann die „triuwe“ zu den Vorzügen vieler seiner Helden, wie beispielsweise im Erec. Hier wird Gawein unter anderem aufgrund seiner „triuwe“ zu den ersten Helden der Tafelrunde gezählt:

(Erec 2730ff.) [3]

vil ritterlîchen stuont sîn muot: Er war von großer Ritterlichkeir,
an im erschein niht wan guot: man kannte von ihm nur vorbildliches Verhalten,
rîch und edel was er genouc, großzügig und edelmütig war er,
sîn herze niemen nît entrouc. sein Herz war keinem feindselig gesinnt.
er was getriuwe Er war verläßlich
und milte âne riuwe, und vorbehaltlos freigebig,


„Triuwe“ ist allerdings nicht nur Standeseigenschaft des Mannes, sondern gehört, wie Wolfram im Parzival anmerkt, ebenfalls zu dem Wesen der Frau:

(Parz. 116, 13-14)[4]

wîpheit, dîn ordenlîcher site, Zum Wesen des Frauseins in der Ordnung der Welt gehört
dem vert und fuor ie triwe milte. - und gehört seit je - die Treue.


Vera Vollmer bezeichnet „triuwe“ als eine der wichtigsten höfischen Eigenschaften, da „sie am Hofe des Artus besonders hoch gewertet wurde“. Sie zählt den Besitz der „triuwe“ als Wesensmerkmal zur "hövescheit". In diesem Sine gehören der "triuwe" wiederum weitere Tugenden an, welche gesellschaftliche Vorzüge mit sich bringen. Dazu zählen beispielsweise „zuht“ als feine Form im Benehmen und Miteinander, ritterliche Eigenschaften wie vor allem die „küene“ und nicht zuletzt auch „diemüete“ als eine der wichtigsten kirchlichen Tugenden. [Vollmer 1914: S.25] Das höfische Menschenideal beinhaltet neben den gesellschaftlichen, ritterlich-heldenhaften und geistlichen Tugenden auch die ethischen Werte wie „wârheit“, „staete“ und „milte“. In diesen Zusammenhang zählt Vera Vollmer auch die „triuwe“. „Getriuwe“ bezeichnet im absoluten Sinn eine Charaktereigenschaft und äußert sich dann vor allem in Wahrhaftigkeit und Aufrichtigkeit. Heranzuziehen ist hierzu die Schilderung des Pâris beispielsweise im Trojanischen Krieg Konrads von Würzburg. Der "getriuwe sin" (1616)[Keller 1858], die Aufrichtigkeit also, so Pâris, verhindere, dass keine Schlacht, keine Liebe und kein Leid "zerbraeche sîne wârheit" (1619)[Keller 1858], seine Wahrheit brechen könne.


Auch ältere Belege (Alex. 3806, 6888[5] und En. 12617[6]) sprechen dafür „triuwe“ in Verbindung mit Wahrhaftigkeit und Aufrichtigkeit zu bringen, da „getriuwe“ oft mit wârhaft genannt wird. Andere Belege deuten darauf hin, dass „triuwe“ auch als Rechtschaffenheit und „Geradheit des Wesens“ [Vollmer 1914: S. 28] verstanden wurde (Walter von der Vogelweide 30, 19). Die Bedeutung von „triuwe“ wird besonders deutlich, wenn als Gegensätze die Begriffe „liegen“, „triegen“, „mein“ und „valsch“ verwendet werden. Da „valsch“ etwas bezeichnet, „was nicht so ist, wie es sein soll“, definiert Vera Vollmer „triuwe“, als den Inbegriff dessen, was so ist, wie es sein soll. [Vollmer 1914: S.28] In diesem Sinne teilte Walter von der Vorgelweide in einem seiner Sprüche (30,19ff) die Menschheit in die „getriuwen“ und die „valschen“. Hier verwendet er die Begriffe in der ethischen Bedeutung von sittlich gut und böse. Auch Hartmann von Aue schrieb im Gregorius vom Vater des Helden, dass er „seine aufrichtige Liebe in falsches Begehren verkehrte: „verkêrte sîne triuwe guot ûf einen valschen muot" (Greg. 321-322)[7] Häufig werden Begriffe wie „guot“ (Erec 3687) und „vrum“ (Iwein 3179f.) in Verbindung mit „triuwe“ gebracht. Jedoch beschreiben diese eher die äußere Wertschätzung, wohingegen „triuwe“ die innere Gesinnung beschreibt.

Auch ist auf die Beziehung zwischen „triuwe“ und „êre“ hinzuweisen. So wird im Nibelungenlied die „êre“ als Folge der „triuwe“ dargestellt. Hier fordert Gêrnôt seine Brüder auf gegenüber Kriemhild „getriuwe“ zu sein, da das ihrem Ansehen dienlich sei: „wir suln ir sîn getriuwe,daz ist zen êren und gewant“ (Nib. 1211, 4)[8] Es zeigt sich, dass nach dieser Auffassung „triuwe“ äußeres Ansehen und Ruhm hervorruft. Andere Belege sprechen dafür, dass „êre“ und „triuwe“ zu einem Gesamtbegriff zusammenfallen und das Gute im Menschen sowie die innere Ehrenhaftigkeit bezeichnen. So kämpfen im Tristan Gottfrieds von Straßburg „triuwe“ und „êre“ des Protagonisten gegen die „minn“, als dieser sich seiner Liebe zu Isolde bewusst wird:

(Trist. 11741-11743)

Tristan, dô er der minne enpfant, Als Tristan seiner Liebe inne wurde,
er gedâhte sâ zehant da galten seine ersten Gedanken
der triuwen und der êren der Treue und der Ehre,



Andere Stellen belegen, dass „triuwe“ auch mit der Bedeutung von Wort und Versprechen verwendet wurde. Man setzte seine „triuwe“ als Bürgschaft dafür ein, dass das Versprochene gilt und der andere „nimt“ die Treue an (Tristan 9978f.). So verlangt im Erec beispielswiese Gâwân bei Keie, dass dieser mit seiner „triuwe“ das Gesagte geloben soll:

(Erec 4811f)

„mit iuwern triuwen müezet ir Auf Ehrenwort müßt Ihr
daz geloben wider mich." mir das versprechen.

Es ist überdies zu unterscheiden aus welchem Beweggrund „triuwe“ geschworen oder „getriuwe“ gehandelt wird. Auch muss differenziert werden, ob sie ganz freiwillig oder an Pflichten gebunden ist. Ehrismann bezeichnet beispielsweise die „triuwe“ als „die Tugend des Altruismus schlechthin“ [9].

Relative Bedeutung

Nach der Darstellung der inhaltlichen Bedeutung von „triuwe“, soll jetzt untersucht werden zwischen welchen Personen eine Beziehung in „triuwe“ beschrieben wird und wie sich diese in der Beziehung äußert. In seiner relativen Bedeutung kann „triuwe“ einen unterschiedlichen Sinn ergeben. Je nach Verhältnis der Personen zueinander äußert sich diese als Ergebenheit bei dem Verhältnis von Fürst und Untertan, als Wohlwollen, Liebe und Freundschaft unter Gefährten, Geschwistern, Freunden und Liebenden.


"triuwe" zwischen dem Fürsten und seinen Untertanen

Die “triuwe“ zwischen dem Fürsten und seinen Untertanen wird beispielsweise im Erec Hartmanns von Aue dargestellt. Dem Grafen, gegen den Erec kämpfen muss, stehen seine Untertanen beispielswiese als „sîne getriuwen“ (Erec 4216) bei. Auch heißt es von diesen:

(Erec 10017-10019)

Als si ir schuldic triuwe twanc Die Treue, zu der sie verpflichtet waren,
Sô emphiengen si in alle brachte sie alle dazu,
Mit zühteclîchem schalle, ihn mit Jubel zu begrüßen,


"triuwe" zwischen Freunden und Gefährten

Bei der Betrachtung der „triuwe“ zwischen Freunden und Gefährten wird deutlich, dass sich die „triuwe“ in unterschiedlicher Weise äußert. So stellt der Dichter des Eneas die Trauer des Protagonisten um seinen Freund Pallas dar (Eneide 7976f)[10] und hebt somit das innige Gefühl der Freundschaft und Vertrautheit unter Freunden hervor. Dagegen beweist Gawein in Hartmanns Iwein dem Protagonisten seine „triuwe“ durch wertvollen Rat und Hartmann betont zusätzlich, dass Gawein Iwein eine treue Gesinnung erwies („der erzeicte getriuwen muot hern Îwein sînem gesellen; (Iwein 2700)).


"triuwe" zwischen Gott und den Menschen

Außerdem wird „triuwe“ in der Beziehung Gottes zu den Menschen, sowie die des Menschen zu Gott genannt. Nach christlichem Verständnis gehört die Treue zum Wesen Gottes. Der Beweis dieser Treue ist nach christlichem Verständnis der Tod Christi am Kreuz. Gemäß des christlichen Verständnisses äußert sich auch der Erzähler im Parzival:

(Parz. 462,18-19)

sît getriwe ân allez wenken, Seid nur Ihr gerad und treu,
sît got selbe eine triuwe ist: Gott aber ist die Treue selber,

In der Bußfertigkeit zeigt sich dagegen die Treue des Menschen zu Gott. Dies lässt sich anhand Hartmanns Gregorius belegen:

(Greg. 76-78)

Daz ist diu wâre triuwe Das ist die wahre Pflicht,
Die er ze gote solde hân: die er Gott gegenüber erfüllen sollte:
Buoze nâch bîhte bestân. Buße leisten nach dem Sündenbekenntnis.



Die Bedeutung der "triuwe" im Minneverhältnis

Es liegt nahe, dass der Begriff der „triuwe“ in der Minne eine wichtige Rolle spielt. So nennt der Mindener Kanonikus Eberhard Cersne in seinen 10 Geboten der Liebe die „triuwe“ bereits an zweiter Stelle und Wolfram von Eschenbach bezeichnet die Minne als die wahre Treue: „reht minne ist wâriu triuwe“ (Parz. 532,10). „Triuwe“ in der Minne bezeichnet neben der leidenschaftlichen „minne“ das rein geistige Moment. Da der Minnedienst vom Mann geleistet wird, wird „triuwe“ in der Minne häufiger dem Mann zugeschrieben. Sie äußert sich in Aufrichtigkeit und im allgemeinen Benehmen des Mannes. Im Vorwurf Lunetes gegen Iwein, wird deutlich, dass „untriuwe“ als Gegensatz die Nichtübereinstimmung von Wort und Gesinnung, also Unaufrichtigkeit meint:

(Iwein 3119-3126)

Daz ist hie der her Îwein, Das ist Herr Îwein hier,
der niender in den siten schein,... der bisher nicht den Anschein erweckte,...
daz untriuwe ode ungemach daß Untreue oder Schande
ieman von im geschaehe, jemandem von ihm geschehen könnte,
dem er triuwen verjaehe. dem er Treue zusicherte.
sîniu wort diu sint guot: Seine Worte klingen schön,
von den scheidet sich der muot. aber seine Gesinnung ist ganz anders.


Beständigkeit und Beharrlichkeit

Häufig findet man den Ausdruck: „minnen mit triuwen“. Dies ist nach Vera Vollmer wohl am ehesten mit aufrichtig oder von Herzen lieben zu verstehen. Durch den Gebrauch von „unstaete“ als Negativum der „triuwe“ zeigt sich, dass „triuwe“ in der „minne“ auch eine Beständigkeit und Beharrlichkeit meint. Bei Hartmann von Aue tritt beispielsweise solch eine Verbindung von „triuwe“ und „staete“ in einem seiner Lieder auf. Hier klagt das lyrische Ich darüber, dass sein Leid von der Treue kommt ("Diu nôt von mînen triuwen kumt" (MF 214,27)[11] ) und die Beständigkeit Schmerzen bereite ("mir tuot mîn staete dicke wê" (MF 214,31)).

Erfüllung von Pflichten

Auch äußert sich „triuwe“ in der Erfüllung der Pflichten, welche mit dem höfischen Minnedienst zusammenhängen. Vor allem in der höfischen Epik, so Vera Vollmer, sei die Verwendung der „triuwe“ als Synonym der „minne“ häufig und bezeichnet in diesen Fällen das Gefühl der Liebe selbst. Beispielsweise gibt Isôt Tristan zum Abschied einen Ring als Zeugnis der Treue und der Liebe („diz vingerlîn: daz lât ein urkünde der triuwen unde der minne (Tris. 18307-18309)“.

Gunst und Gegenliebe

Einige Belege sprechen auch dafür, dass „triuwe“ in der Bedeutung von Gunst und Gegenliebe verwendet wurde. Oft deutet der Liebende, indem er von der „triuwe“ seiner Auserwählten spricht, an, dass er durch seinen Minnedienst das Recht auf die Hoffnung habe, dass sein Werben um sie erfolgreich sei:

(Wolfram Ld. 9,11)

Wilt an triuwe gedenken, saelic wîp, Willst du treu sein, gute Frau,
sô gîst ein liebez ende mir. so bereitest du mir ein gutes Ende.

"triuwe" im Parzival

(Parz. 4,9-10)

ein maere wil i´u niuwen, Eine Geschichte will ich euch neu vorführen,
daz seit von grôzen triuwen, die erzählt von großer Treue,

Mit diesen Worten macht Wolfram die „triuwe“ bereits zu Beginn seiner Erzählung zu einem „positiven Zentralbegriff der Dichtung“ [Bumke 2004: S. 44] und drückt seine Wertschätzung gegenüber dieser Tugend aus. Innerhalb des Parzival spricht Wolfram auffällig oft von der „triuwe“ und führt sie als zentrales Motiv innerhalb zwischenmenschlicher Beziehungen dar. So beschreibt er beispielsweise die „triuwe“ zwischen Liebenden und Freunde oder zwischen Gott und den Menschen. In diesen unterschiedlichen Verhältnissen äußert sie sich in mannigfacher Form. Auch zeigt Wolfram auf, wie „triuwe“ den Menschen in seinen Handlungen als richtungsweisender Faktor wirkt und zu ethisch richtigen oder falschen Entschlüssen verleitet. Im Folgenden sollen nun anhand einzelner Beispiele Aspekte Wolframs „triuwe“-Begriffs dargestellt werden.


"triuwe" als ritterliche Tugend

Der allgemeinen Wertschätzung der „triuwe“ in der höfischen Epik als ritterliche Tugend entsprechend, hebt auch Wolfram die „triuwe“ als Wesensmerkmal seiner Helden hervor. So zählt zum Beispiel auch Belacane die Treue zu den Eigenschaften, welche die Ritterlichkeit ihres Geliebten beweisen und ihn somit zu einem ehrhaften Mann erheben:

(Parz. 26, 12-13)

mir diende ein ritter, der was wert. Ein Ritter warb um mich, der war von Adel;
sîn lîp was tugende ein bernde rîs. sein Leib ein Zweig, der Frucht trug an allen Kräften.
der helt was küene unde wîs, Dieser Mann war stark und klug:
der triwe ein reht beklibeniu fruht: ein Edelreis der Treue,


"triuwe" am Artushof

Zur Aufnahme in die Tafelrunde, die als die vorbildliche ritterliche Gemeinschaft schlechthin von allen Seiten gepriesen wird, stellt Artus die Bedingung, dass nur derjenige Ritter aufgenommen wird, der „triuwe“ im Herzen trägt (Parz. 321, 25-30). Auch wird er selbst der „getriuwe“ genannt (Parz. 526, 9). Dies verdeutlicht den hohen Stellenwert, den Wolfram der „triuwe“ als Wesensmerkmal des Menschen beimisst.

Gawan, der erste und treueste Ritter des König Artus, steht sogar im Kampf für die Treue ein.

(Parz. 322, 19-22)

wil glücke, iu sol Gâwânes hant Wenn das Glück es will, soll Gâwâns Hand
mit kampfe tuon daz wol bekant Euch im Kampf belehren,
daz sin lîp mit triwen vert daß sein Leib in Treue seine Wege geht
und sichs valsches hât erwert. und daß er Verrat noch jedesmal in die Flucht geschlagen hat.


In diesen Versen wird deutlich, dass Wolfram „triuwe“ als ritterliche Tugend noch im Sinne vollkommener höfischer Gesinnung versteht. [Vollmer 1914] Auch wird durch die Verwendung "valsch" an dieser Stelle deutlich, dass Wolfram diesen Begriff als Gegensatz zu "triuwe" versteht.

Besonders häufig lassen sich bei Gurnemanz Belege dafür finden, dass Wolfram die „triuwe“ zu den wesentlichen Merkmalen eines Ritters der Tafelrunde zählte. Gurnemanz ist „der triwen rîche (Parz. 166,2)“ (reich an Treue) und „der fürste ûz triwe erkorn (Parz. 177,13)“ (aus Treue zum Fürsten auserkoren). Wolframs Achtung vor der "triuwe" kann sich in vielen positiven Äußerungen zu dieser Tugend erkennen lassen, aber auch dadurch, dass er immer wieder beschreibt, dass sie Zuneigung und Achtung bei den Mitmenschen hervorruft. Beispielsweise nennt Parzival Gurnemanz einen Fürsten „mit triwen âne schranz (Parz. 189, 17)“ (seine Treue hat keinen Kratzer).



Gottes „triuwe“

Durch die Belehrungen Parzivals ist zu erkennen, dass Wolfram "triuwe" zum Wesen Gottes zählt. Bereits Herzeloyde erklärt dem kleinen Parzival, dass Gottes Merkmal die Treue ist, der Teufel sich jedoch durch Untreue ausweist. Wolfram verwendet hier „triwe“ und „untriwe“ in gegensätzlicher Bedeutung und stellt sie somit als das Prinzip von gut und böse.


(Parz. 119, 24-26)

sîn triwe der werlde ie helfe bôt. Seine Treue hat noch nie den Menschen Hilfe verweigert.
sô heizet einr der helle wirt: Auf der andern Seite aber heißt genauso einer Herr, und zwar der Hölle,
der ist swarz, untriwe in niht verbirt. der ist schwarz, der kann nicht anders als untreu handeln.


Auch in der Lehre Trevrizents erfährt Parzival von Gottes „triuwe“. Trevrizent bezeichnet nun allerdings Gott als die Treue selbst und setzt in mit "wârheit" gleich. Hier tritt wiederum das Wort „valsch“ in gegensätzlicher Bedeutung zu „triuwe“ auf.


(Parz. 462, 18-26)

sît getriwe ân allz wenken, Seid nur Ihr gerade und treu,
sît got selbe ein triuwe ist: Gott aber ist die Treue selber,
dem was unmaere ie falscher list. die Schliche des Verräters sind seinem Wesen fremd.


Als Beweis für Gottes „triuwe“ führt Wolfram mehrfach den Erlösungstod Christi an (Parz. 113, 18-26; 448, 10-13). Vera Vollmer stellt die These auf, dass Wolfram "triuwe" hier ganz in der Bedeutung von Liebe gebraucht“. [Vollmer 1914: S.40] Sollte dies der Fall sein, so kann man in diesen Versen ein Bekenntnis Woflrams zum christlichen Glauben erkennen, in dem Christus aus reiner Liebe zu den Menschen am Kreuz starb. Aber auch andere Stellen können von einer christlicher Überzeugung Wolframs zeugen. So erklärt Trevrizent Parzival, dass sich Gott durch den Tod Christi mit den Menschen verband (Parz. 465,9 f) und es nun das Ziel der Christen sei, gegen die „untriwe“ anzukämpfen. In einem Gespräch mit Parzival erwähnt Feirefiz, dass durch die Taufe die „triuwe“ Gottes in die Seelen der Menschen übergeht. Nach dieser Vorstellung hat jeder Christ Anteil an Gotes „triuwe“ (Parz. 752, 26-30).

relative Bedeutung von "triuwe"

In seiner relativen Bedeutung verwendet Wolfram den Begriff der „triuwe“ ähnlich wie bereits dargestellt. So äußert beispielswiese Orilus gegenüber Cunneware aus "truiwe" sein Mitgefühl, nachdem sie von Keie für ihr Lachen geschlagen wurde:

(Parz. 276, 13-14)

´ich sol und muoz durch triwe klagen. "Aus Treue muß und werde ich jetzt Klage führen.
ôwê wer hât dich geslagen? Wer war es, der dich geschlagen hat, wehe dem!

Es ist möglich auch den Worten Itonjes gegenüber König Artus zu entnehmen, dass Wolfram "triuwe" als Grundlage des Mitgefühls darstellt. Itonje appeliert an das Mitgefühl ihres Bruders, der aus Treue zu ihr den Sieg über ihren Geliebten Gramoflanz sicher bereuen würde (Parz. 711, 23-30). Wolfram formuliert hier die Vorstellung, dass der Mensch durch "triuwe" in der Lage ist, sich in sein Gegenüber hineinzuversetzen und somit Mitleid empfinden kann. Dieser Vorstellung folgend beeinflusst "triuwe" moralisch richtiges Verhalten und Fühlen. Trevrizent äußert sein Erstaunen darüber, dass Parzival gegenüber Anfortas kein Mitleid zeigte, obwohl er doch Treue im Herzen trage (Parz. 488, 25ff). Dies kann als Beleg dafür herangezogen werden, dass auch Wolfram "triuwe" als treibende Kraft für moralisches Verhalten verstand.

Wer „triuwe“ im Herzen trägt und sich dementsprechend verhält, dem wird nach Wolframs Darstellung Ruhm und Ehre zu Teil. Im folgenden Beispiel bitten die Fürsten des Reiches Gahmurets den König darum, ihm eine Herrschaft im Land zu überlassen und somit „bruoderlîche triwe (Parz. 6, 15)“ unter Beweis zu stellen und seine „êre“ zu mehren.

(Parz. 6,14-16)

daz der künec an Gahmurete Der König möge doch an Gahmuret
bruoderlîche triwe mêrte, der Brudertreue Respekt erweisen
und sich selben êrte, und sich so selber ehren;


Die Bedeutung von "triuwe" im Minneverhältnis

(Parz. 532, 10)

reht minne ist wâriue triuwe Rechte Liebe ist wahre Treue

Mit diesen Worten beschreibt Wolfram die Bedeutung, die er der „triuwe“ in der „minne“ beimisst. Er setzt die „reht minne“, die der „triuwe“ entspringt, der sinnlichen Leidenschaft entgegen. Wolfram erklärt, dass diese sinnliche Leidenschaft nach der Behauptung der Gelehrten von Venus und Amor „mit Schießen und mit Feuer" (Parz. 532, 4-5) zu den Menschen gebracht wird. Wolfram beschreibt im Schießen und dem Feuer, einen aktiven Eingriff auf die Menschen und stellt dadurch den Menschen machtlos der Liebe ausgeliefert dar. Diesen Eindruck bestärkt er noch durch die Aussage, dass sie dem Menschen Leiden bringe (Parz. 532, 1ff). Diese sinnliche Leidenschaft bezeichnet er zudem als die "ungehuire (Parz. 532, 6)" und rückt sie somit in ein bedrohliches Licht. Am Beispiel Gawans führt er vor, wie ihn diese Liebe so sehr einnimmt, dass er den Spott Orgeluses nicht mehr wahrnehmen kann (Parz. 531,21). Auch Parzival ist machtlos seiner Liebe in „triuwe“ ausgesetzt. In der Blutstropfenszene gerät er „von sînen triwen (Parz. 282,21)“ (von treuen Gedanken) an seine Geliebte in einen Trancezustand. In der Vorstellung, dass sich der Pelican aus tiefer Liebe und Treue zu seiner Brut in die Brust beißt (Parz. 482, 11-18), verbindet Wolfram wiederum die „triuwe“ mit dem Gefühl der Liebe, das eine überwältigende Kraft inne hat.

Dagegen preist er die „wâre minne“, welche auf „triwe“ beruht (Parz. 532, 17-18) und an der nichts Trübes ist („lûter âne trüebe“ (Parz. 533, 26)). Wolfram erhebt diese „minne“ zu einer reinen, idealen und sittlichen Macht. „Triuwe“ ist nach Wolframs Verständnis keine Eigenschaft der Minne überhaupt, sondern vielmehr Merkmal der höfischen Minne. [Vollmer 1914: S.75]

Am Beispiel des Liebesverhältnisses von Parzival und Condwiramurs, stellt Wolfram dar, dass sich die „triuwe“ auch durch Beständigkeit und Beharrlichkeit in der „minne“ äußert. Durch die Verwendung von „unstaete“ (Parz. 732, 6) als Negativum zu „triuwe“ wird dies verdeutlicht. Aber auch inhaltlich stellt Wolfram "triuwe" als Beständigkeit in der "minne" dar. So denkt Parzival in der langen Zeit der Trennung von Condwiramurs nur an seine Geliebte und wirbt um keine andere Frau:

(Parz.732,8-11)

grôz triwe het im sô bewart Große Treue hat
sîn manlîch herze und ouch den lîp, sein männliches Herz und auch den Leib so gut bewacht,
daz für wâr nie ander wîp daß wahrhaftig nie eine zweite Frau
wart gewaldec sîner minne. über seinen Leib Macht gewann,


Auch äußert sich "triuwe" in dem Gefühl tiefer inniger Liebe. Dies lässt sich den Worten Herzeloydes entnehmen, die sie über das ungeborene Kind in ihrem Leib äußert. Obwohl sie an der Verzweiflung über den Tod ihres Mannes fast zerbricht und sich den eigenen Tod wünscht, kann sie sich nicht umbringen, da sie ein Kind von seiner Liebe empfing. Dies habe all seine Treue wahr gemacht (Parz. 110, 18-22).



Die "triuwe" des Gralsgeschlechts

Mit dem Gralssgeschlecht beschreibt Wolfram „Menschen, die aus tieferer religiöser Schicht und in stärkerer Spannung zur Welt leben [als sie Artusgesellschaft], die daher in ihren Anlagen und Tugenden ausgezeichnet sind“ [Labusch 1959: S. 69]. Die „triuwe“ stellt Wolfram bereits im Titurel als die hohe Tugend der Gralsgesellschaft dar, da sie von Generation zu Generation weiter vererbt wird.

(Tit. I, 4,4)[12]

iâ , muoz al mîn geslähte imer wâre minne mit triwen erben Ja, es muß mein ganzes Geschlecht auf immer echte Minne und Treue erben.


Diese Gemeinschaft verbindet tiefes Leid, welches sie aufgrund ihrer „triuwe“ gemeinsam tragen (251, 1-20). Anfortas leidet aufgrund seiner Sünde (472,29-30), Repanse trägt das Leid mit, Trevrizent büßt für seine Sünden und die seines Bruders als Einsiedler im Wald und Herzeloyde hat sich Leid über den Tod ihres Mannes (109, 19ff.) ebenfalls in die Waldeinsamkeit zurückgezogen. Durch Sigune, welche Leid empfindet aufgrund des Todes ihres Geliebten, sowie Parzival, der unter der Trennung von Condwiramurs leidet und einen leidvollen Weg der Erkenntnis geht, wird dieses Leid auch in der nächsten Generation weitergetragen. [Schwietering 1940]

Am Beispiel Sigunes beschreibt Wolfram besonders detailliert, wie sich diese „Sippentriwe“ [Labusch 1959: S. 70] äußert. Im Folgenden werden anhand dieser Beschreibung die markantesten Merkmale dargestellt.


Sigunes "triuwe"

(Parz. 249, 24-25)

al irisch triwe was ein wint, Alle irdische Treue war nur ein Wind,
wan die man an ir lîbe sach. mit der verglichen, die man an ihr sah.

Mit diesen Worten charakterisiert Wolfram Sigunes "triuwe" als einen außergewöhnlichen Wesenszug, der Sigune einzigartig macht. Es gilt nun zu untersuchen, was diese "triuwe" so unvergleichlich macht. Aus dieser beispielhaften "triuwe" entspringt ihre tiefe Liebe. Den Zusammenhang von "minne" und "triuwe" beschreibt Wolfram in den folgenden Versen:

(Parz. 532, 7-10)

swem herzenlîchiu triwe ist bî, Wer wahre Treue im Herzen hat,
der wirt nimmer minne frî, der wird von der Liebe nie mehr frei,
mit freude, etswenn mit riuwe. im Glück und auch wenn einmal Leiden kommen.
reht minne ist wâriu triuwe. Recht Liebe ist wahre Treue.


Nach dem Tod ihres Geliebten Schionatulander beginnt für Sigune ein Leben in Trauer und Jammer, da sie bis zuletzt die Liebe an ihn bindet. Sigunes "triuwe" äußert sich in dem „unbedingten Festhalten an ihrer Liebe zu Schionatulander“ [Labusch 1959: S. 44]. Sie hält den Leichnam des Geliebten lange Zeit in ihren Armen um den Schmerz über seinen Tod immer wieder neu zu erfahren (Parz. 252, 20-26). Somit wird ihre "triuwe" Quelle des Leidens:

(Parz. 249, 14-15)

vor im ûf einer linden saz Vor ihm auf einer Linde saß
ein magt, der fuogte ir triwe nôt. ein Mädchen: Ihre Treue hatte sie elden gemacht.


Schließlich zieht sich Sigune in die Waldeinsamkeit zurück um selbst bis an ihr Lebensende in treuer Klage zu verweilen. Durch diese völlige Annahme des Leids sühnt sie für den Tod ihres Geliebten, für den sie die Schuld auf sich nimmt. [Labusch 1959] Durch dieses Leid äußert sich wie bereits oben erwähnt, die "triuwe" zur Gralssippe, welche im Leid vereint ist. Die Kraft der liebenden und beständigen Hingabe, welche in der "triwe" der Gralssippe begründet ist, hat den Ursprung in Gott. Denn Gott, so Wolfram, ist die "triuwe" selbst:

(Parz. 462,18-19)

sît getriwe ân allez wenken, Seid nur Ihr gerad und treu,
sît got selbe ein triuwe ist: Gott aber ist die Treue selbst,


Sigune wirft Parzival bei ihrer zweiten Begegnung mangelndes Mitleid gegenüber seinem Onkel Anfortas vor und schließt ihn deshalb aus der Gralsgemeinschaft aus (255, 3-20). Dieser Verstoß macht deutlich, dass das Mitleid in der Gralssippe einen hohen Stellebwert hat und von der Gralssippe als verbindende Tugend angesehen wird, sodass ein Mangel an Mitleid, den Ausschluss aus der Gemeinschaft zur Folge hat. Auch stellt Sigune die "triuwe" der Gralssippe durch die „helfe“ gegenüber Parzival unter Beweis. [Anders 2002: S.62] Sigune begegnet dem Protagonisten drei Mal an wichtigen Stationen auf seinem Weg und nimmt dabei eine wegweisende Rolle in seinem Leben ein.


Mit Sigune verdeutlicht Wolfram die Bedeutung der "Sippentriuwe" [Labusch 1959: S.70] an einem extremen Beispiel. Dadurch lässt sich besonders gut erkennen, auf welche Aspekte der "triuwe" im Gralsgeschlecht besonders Wert gelegt wird und inwiefern sie sich äußert. Die "triuwe" der Gralssippe beruht auf tiefer Regligiösität und Gottvertrauen, da Gott nicht nur Ursprung der „triuwe“ , sondern die "triuwe“ selbst ist. Diese führt ebenfalls zu einer tiefen Verbundenheit in Liebe aber auch im Leid, das jedes Mitglied für den anderen mitträgt. Dieses mitleiden äußert sich aber auch im „erbermen“ gegenüber den Mitmenschen, welches im Parzival eine tragende Rolle spielt, da das mangelnde „erbermen“ zur Verstoßung des Protagonisten führt und somit seinen Leidensweg bestimmt.

Foschungslitertaur

  • [*Vollmer 1914] Vollmer Vera: Die Begriffe der Triuwe und der Staete in der höfischen Minnedichtung, Tübingen 1914
  • [*Bumke 2004] Bumke Joachim: Wolfram von Eschenbach, 8.Auflg., Berlin/Weimar 2004
  • [*Labusch 1959] Labusch Dietlinde: Studien zu Wolframs Sigune, Frankfurt a.M. 1959
  • [*Schwietering 1940] Schwietering Julius: Die deutsche Dichtung des Mittelalters, Potsdam 1940
  • [*Anders 2002] Anders Till Zmalia: Sigunes Schuld, Eine Interpretation der Sigunedichtung Wolframs von Eschenbach im Kontext seines Gesamtwerkes, Inaugural-Dissertation, Freiburg i.Br. 2002
  • Giese Ingeborg: Sigune, Untersuchung zur Minneauffassung Wolframs von Eschenbach, Rostock 1952
  • [*Keller 1858] Konrad von Würzburg: Der Trojanische Krieg. Nach den Vorarbeiten K. Frommanns und F. Roths tzm ersten Mal herausgegeben durch Adelbert von Keller, Stuttgart 1858


Anmerkungen

<HarvardReferences/> <references>

  1. Reinmar von Zweter, Leipzig, 1887
  2. Alle Versangaben zu Hartmanns Iwein und Gregorius beziehen sich auf: Hartmann von Aue: Gregorius. Der arme Heinrich. Iwein. Herausgegeben und übersetzt von Volker Mertens, Frankfurt a. M. 2004
  3. Alle Versangaben zu Hartmanns Erec beziehen sich auf: Hartmann von Aue: Erec. Herausgegeben von Manfred Günter Scholz, übersetzt von Susanne Held, Frankfurt a.M. 2007
  4. Alle Versangaben zu Wolframs Parzival beziehen sich auf die Ausgabe: Wolfram von Eschenbach: Parzival. Studienausgabe. Mittelhochdeutscher Text nach der sechsten Ausgabe von Karl Lachmann. Übersetzung von Peter Knecht. Mit einer Einführung zum Text der Lachmannschen Ausgabe und in Probleme der 'Parzival'-Interpretation von Bernd Schirok, 2. Aufl., Berlin/New York 2003.
  5. Lamprecht: Alexander, herausgegeben von Karl Kinzel, 1884
  6. Heinrich von Veldeke: Eneide. Herausgeben von Otto Behaghel, Heilbronn 1882
  7. Alle Versangaben des Iwein und Gregorius beziehen sich auf: Hartmann von Aue: Gregorius. Der arme Heinrich. Iwein. Herausgegeben und übersetzt von Volker Mertens, Frankfurt a. M. 2004
  8. Alle Versangaben zum Nibelungenlied beziehen sich auf folgende Ausagbe: Das Nibelungenlied. Nach dem Text von Karl Bartsch und Helmut de Boor. Ins Neuhochdeutsche übersetzt und kommentiert von Siegfried Grosse, Stuttgart 1997
  9. Ehrisman Otfried, ZdfA 49, S.413
  10. Heinrich von Veldeke: Eneide, herausgegeben von Otto Behaghel, Heilbronn 1882
  11. Die Zitate dieses Liedes Hartmanns von Aue sind folgender Ausgabe entnommen: Blattmann Ekkehard, Die Lieder Hartmanns von Aue, Ein Zyklus, Freiburg i.Br., 1966
  12. Wolfram von Eschenbach: Titurel, Herausgegeben, übersetzt und mit einem Stellenkommentar sowie einer Einführung versehen von Helmut Brackert und Stephan Fuchs-Jolie, Berlin/New York, 2003