Intertextualität: Parzival und die Aeneis: Unterschied zwischen den Versionen

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=== Gawan als Aeneas ===
=== Gawan als Aeneas ===
Die Figur des Gawans erweckt bei der Analyse hinsichtlich der Intertextualität besondere Aufmerksamkeit, was insbesondere an folgender Textstelle liegt:   
Die Figur des [[Gawan (Wolfram von Eschenbach, Parzival)|Gawans]] erweckt bei der Analyse hinsichtlich der Intertextualität besondere Aufmerksamkeit, was insbesondere an folgender Textstelle liegt:   


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Version vom 23. Mai 2015, 11:24 Uhr

Wolfram von Eschenbach verwendet in seinem Roman Parzival intertextuelle Bezüge zu Vergils Aeneis beziehungsweise Veldekes Eineit. Diese Verweise sind auf zwei Arten im Text realisiert. Einerseits gibt es direkte Bezüge wie etwa der Vergleich zwischen der Burg in Karthago und Schanpflanzun (399,11-12), andererseits gibt es Ähnlichkeiten auf der makrotextuellen Ebene. An dieser Stelle sind die Liebesbeziehungen Gawans zu nennen, die parallele Strukturen zur Handlung zwischen Aeneas und Dido und später Lavinia aufweisen. Das Ziel dieses Artikels ist es nun, die Funktion dieser intertextuellen Bezüge herauszuarbeiten. Dabei wird besonders die durch die Verweise entstehende Rezeptionshaltung der Textadressaten eine wichtige Rolle spielen.


Vergils Aeneis und Veldekes Eineit

Makrotextuelle Ebene

Intertextuelle Ähnlichkeiten auf der makrostrukturellen Ebene beziehen sich in erster Linie auf parallele Erzählstrukturen. In Bezug darauf sind in den zwei Gahrumetbüchern vergleichbare Strukturen zwischen der Aeneis/Eineit und Parzival zu finden. So trifft Gahrumet wie Aeneas in einem fremden Land auf eine orientalische Herrscherin, in die er sich verliebt. Das Glück währt jedoch nur eine kurze Zeit und Gahrumet reist heimlich in einer Nacht ab um anschließend eine erneute Meeresreise zu begehen. Anschließend gelangt er jedoch in ein neues Reich, wo er eine Frau trifft, mit der eine christliche Hochzeit stattfindet. Die Frage ist, warum Wolfram diese Strukturen der Aeneis/Eineit auf seinen Parzival überträgt und nicht die Struktur des Artusromans anwendet. Eine Möglichkeit besteht darin, dass indem sich Gahmuret aus der christlichen Welt und somit auch der Artuswelt abwendet, auch eine anderes Erzählschema notwendig wird. Das Artusschema in einer erzählten Welt anzusiedeln, die von heidnischer Kultur geprägt ist, erscheint als nicht kohärent.

Mikrotextuelle Ebene

Gawan als Aeneas

Die Figur des Gawans erweckt bei der Analyse hinsichtlich der Intertextualität besondere Aufmerksamkeit, was insbesondere an folgender Textstelle liegt:

Mittelhochdeutsch Neuhochdeutsch
disiu burc was gêheret sô, Diese Burg war so herrlich,
daz Enêas Kartâgô dass Enêas so viel Majestät
nie sô hêrrenliche vant nicht einmal an Kartâgô fand
dâ froun Dîdôn tôt was minnen pfant wo der Dîdô Tod der edlen zu einem Pfand der Liebe wurde.

Diese Textstelle betont auf den ersten Blick die Herrlichkeit und den Reichtum der Burg Antikonies. Das interessante an dieser Textstelle ist jedoch vielmehr, die direkte Erwähnung von Enêas. Dieser intertextuelle Verweis befindet sich zu Beginn des achten Buches und somit noch vor dem ersten Aufeinandertreffen von Gawan und Antikonie. Die Funktion dieser Textstelle wird besonders deutlich, wenn die entstehende Erwartungshaltung der Rezipienten miteinbezogen wird. Denn durch diese klare Anspielung auf die unglückliche Liebesbeziehung zwischen Aeneas und Dido wird bereits vor dem ersten Treffen darauf verwiesen, dass die Liebe der beiden nicht von Dauer sein wird. Zudem wird der Gawan-Handlung eine erotische Dimension hinzugefügt, indem wie eben beschrieben, ein tragisches Liebesabenteuer angedeutet wird. Das Leben Gawans war zuvor hauptsächlich von Kämpfen, wie dem gegen Meljanz (384ff.) geprägt. Durch diese Anspielung wird schon vor der eigentlichen Begegnung der Liebenden der Handlung eine weitere Dimension verliehen. Allerdings wird die Erwartung des Rezipienten enttäuscht, da es zu keiner sexuellen Handlung zwischen den beiden kommt.[1]

Balacane als Dido

Bei der Anaylse der Figur der heidnischen Königin von Zazamanc, Belacane, werden die Parallelen zur karthargischen Königin Dido besonders deutlich. Hierbei lohnt es sich zunächst zu betrachten, wie Belacane stilisiert wird. Bei der ersten Begegnung von Gahrumet und Belacane sagt sie:"ob i'u minen kumber klage, den ich nahe im herzen trage" (24,13f.). Durch diese Aussage wird sie als trauernde Witwe stilisiert. Mit Blick auf die makrotextuelle Ebene ist hier klar eine Parallele des Aufeinandertreffens zu erkenne, hinsichtlich der mikrotextuellen Ebene ist jedoch vielmehr von einer Distanzierung zu sprechen. Denn im Vergleich zur Aeneis/Eineit berichtet hier nicht der Gast von seinem Schicksal, sondern die Gastgeberin erzählt von ihrem Unglück. Dieser Bericht, der einer Totenklage ähnelt, taucht noch an weiteren Stellen des Romans auf (vgl. 26,9ff.; 28,7f.). Durch diese Trauer wird der Königin klar die Eigenschaft der triuwe zugesprochen. Auf diese Weise distanziert sich Wolfram von seinen literarischen Vorbildern, die die Figur der Dido deutlich negativer darstellen.[2]

Zusammenfassung

Litaraturverzeichnis

Im Folgenden immer zitiert aus: Wolfram von Eschenbach: Parzival. Nach der Ausgabe Karl Lachmanns revidiert und kommentiert von Eberhard Nellmann, übers. von Dieter Kühn, 2 Bde., Frankfurt a.M. 2006.

Bloetzer Ehret, Dominique. Didos Leid als literarisches Erbe in den Gahrumetbüchern, in: Études Médiévales. Revue 5 (2003). S. 182-197.

Draesner, Ulrike. "Wege durch erzählte Welten." Intertextuelle Verweise als Mittel der Bedeutungskonstitution in Wolframs Parzival. Frankfurt am Main (1993).

  1. Draesner, Ulrike S. 316
  2. Bloecker Ehret, S. 185ff.