Metaphorik als Stilmittel: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 14. Juli 2015, 19:59 Uhr
Dieser Artikel beschäftigt sich mit den verschiedenen Stilmitteln in Wolframs Parzival. Dabei untersucht er insbesondere die Metaphorik und greift weiter auffällige Sprache auf.
Allgemeines
Das wohl wichtigste Werk Wolfram von Eschenbachs, Parzival, ist in mittelhochdeutscher Sprache verfasst. Dem zeitgenössischen Leser ist der Primärtext also nicht direkt zugänglich, weshalb viele sprachliche Besonderheiten, die uns im Neuhochdeutschen auf den ersten Blick auffallen würden, verborgen bleiben. Um diesem Problem entgegen zu wirken und um auf die sprachliche Vielfalt des mittelhochdeutschen Primärtextes hinzuweisen, beschäftigt sich dieser Artikel mit verschiedenen exemplarischen Beispielen, welche dieses Phänomen beschreiben. Schon Aristoteles geht in seiner Poetik auf Metaphern als wichtiges Stilmittel ein. So ist nach Aristoteles eine Metapher "die Übertragung eines Wortes (das somit in uneigentlicher Bedeutung verwendet wird), und zwar entweder von der Gattung auf die Art oder von der Art auf die Gattung, oder von einer Art auf eine andere, oder nach den Regeln der Analogie." [Aristoteles 1982: 67] Die Metapher ist eines der am häufigsten benutzten Stilmittel, sowohl in der mittelhochdeutschen Literatur, als auch in der neuhochdeutschen Literatur. Sie bezeichnet immer eine Ähnlichkeit die es dem Rezipienten erleichtert, das vor ihm Stehende besser zu verstehen. "Denn gute Metaphern zu bilden bedeutet, dass man Ähnlichkeiten zu erkennen vermag." [Aristoteles 1982: 77] Dies ist eine Eigenschaft, deren Wolfram von Eschenbach mächtig war. Im Parzival werden häufig komplexe Zusammenhänge in Form von Metaphern oder Gleichnissen erklärt und dargestellt, wie sich im Folgenden zeigen wird. Laut Bumke sollen sprachliche Bilder die Funktion haben "Lebendigkeit und Anschaulichkeit zu erzeugen." [Bumke 2004: 223] Sind Metaphern gewöhnlich positive Bilder, so nutzt der Erzähler im Parzival dunkle Bilder, die "[...] mitunter ins Fratzenhafte verzerrt [sind]." [Bumke 2004: 223] Dieses Stilmittel dient dem Erzähler nicht ausschließlich als Mittel um Dinge zu vereinfachen, er nutzt sie indes ebenfalls um zu verhindern, dass die Geschichte Parzivals jedem zugänglich ist. So sagt er deutlich, dass die Erzählung kompliziert und nicht für jeden zu verstehen sei. Er schließt damit die tumben liuten aus (1, 16).[1]
Textbeispiele
Das Elsterngleichnis
Beim Elsterngleichnis handelt es sich um die einleitenden Worte des Parzival, also den Prolog, der sich in drei Abschnitte einteilen lässt. Dieses Textbeispiel befasst sich mit dem ersten dieser drei Abschnitte.[2]
Original 1, 1-14 | Übersetzung |
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Ist zwîvel herzen nâchgebûr,
daz muoz der sêle werden sûr. gesmæhet unde gezieret ist, swâ sich parrieret unverzaget mannes muot, als agelstern varwe tuot. der mac dennoch wesen geil: wand an im sint beidiu teil, des himels and der helle. der unstæte geselle hât die swarzen varwe gar. und wirt och nâch der vinster var: sô habet sich an die blanken der mit stæten gedanken. |
Wenn Zweifel nah beim Herzen wohnt, das muss der Seele sauer werden. Schande und Schmuck sind beieinander, wo eines Mannes unverzagter Mut konfus gemu- stert gehen will wie die Elsternfarben. Trotz- dem, der kann doch noch glücklich sein denn an ihm ist etwas von beiden: vom Himmel und von der Hölle. Wer sich mit der Treulosigkeit zusammentut, der hat die schwarze Farbe ganz und muss auch nach der Finsternis geraten. Und so hält der, der fest steht und treu, es mit den Weißen.
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Normalerweise haben Gleichnisse und Metaphern die Aufgabe es dem Rezipienten zu erleichtern, komplexe Zusammenhänge besser zu verstehen. Im Elsterngleichnis ist dies allerdings nicht der Fall. Hier wird Offensichtliches mehr verschlüsselt als erklärt. Dies führt häufig zu Problemen bei der Übersetzung des mittelhochdeutschen Textes ins Neuhochdeutsche. [Haug 2003: vgl.] Metaphern weisen auf Ähnlichkeiten hin und zeigen somit auch Unterschiede auf. Hierzu werden Bilder benutzt, die der eigentlich zu beschreibenden Tatsache sehr nahe kommen. Im Neuhochdeutschen ist es schwierig, beispielsweise für Nicht-Muttersprachler, eine solche Metapher, ein solches sprachliches Bild zu verstehen. Ähnlich verhält es sich auch mit dem Mittelhochdeutschen. Als neuhochdeutscher Rezipient versteht man zwar die einzelnen Worte, die Bedeutung der Metapher zu erkennen ist jedoch um ein vielfaches schwieriger. Nach Bumke tritt das erste Problem beim Verständnis des Elsterngleichnisses und der Metapher bereits in der Fragestellung auf, ob es auf alle Personen im Parzival bezogen werden muss oder nicht. So könnte die Elsternmetaphorik sowohl von Feirefiz, dem tatsächlich elsternfarbenen, sprechen, oder von Parzival, dessen Inneres gescheckt ist.[Bumke 2004: 42] Je nachdem welcher Annahme man folgt, könnte sich parrieren sowohl auf Feirefiz, den Gescheckten, als auch auf alle Personen der Erzählung beziehen. [Bumke 2004: 204] Weiterhin wirft nach Bumke die semantische Vielschichtigkeit des Wortes zwîvel (1,1) Probleme in der Interpretation und dem Verständnis auf. [Bumke 2004: 204] Mit diesem Gleichnis und der in ihr verwobenen Metaphorik fordert der Erzähler von Anfang an viel von seinem Rezipienten. Der Erzähler macht von Anfang an klar, dass die Geschichte die erzählt werden wird nicht für jeden verständlich sein wird.
Original 2, 13-14 | Übersetzung |
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swer mit diesen schanzen allen kan,
an dem hât witze wol getan |
wer da nochmithalten kann bei sämtlichen
Kadenzen, den hat die Weisheit lieb |
Weiterhin problematisch ist das semantische Spektrum des Begriffes agelster. So kann sich auch dieses Motiv sowohl auf Feirefiz und seine Hautfarbe beziehen die als ein agelster (57, 27) aussah, als auch auf die binären Strukturen die der Erzähler wählt um Gegensätze auszudrücken. Beispiele hierfür wären himel und helle, stæte und unstæte, gesmæhet und gezieret. Die Metapher der Elster ist also sehr aussagekräftig für den Beginn der Erzählung über Parzivals Leben und die komplizierten Abenteuer, die den Rezipienten erwarten.
Weitere Textbeispiele
Das Elsterngleichnis ist eines der weniger außergewöhnlichen Bilder im Parzival. Die meisten Bilder die der Erzähler nutzt sind sehr exotisch und besonders. Dies ist auffällig, da der damalige Rezipient viele der Bilder nicht wirklich verstehen konnte, wie beispielsweise die Bilder des Löwen und des Vogelstraußen:
Original 42, 10-14 | Übersetzung |
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daz er niht îsen als ein strûz
und starke vlinse verslant, daz machte daz err niht envant. sîn zorn begunde limmen und als ein lewe brimmen. |
Dass er nicht
Eisen fraß wie der Vogel Strauß und grobe Feuersteine, das lag nur daran, dass er keine fand. Sein Zorn fing an zu knurren und brüllte wie ein Löwe. |
Wie bereits zuvor erwähnt haben Metaphern und andere sprachliche Bilder eine deskriptive und vereinfachende, veranschaulichende Funktion. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass der Rezipient des rhetorischen Mittels alle Teile dessen verstehen kann. Das heißt, kennt der Leser einzelne Worte oder deren Bedeutung nicht, so verliert die Metapher ihre Wirkung. Im Falle des Löwen und des Vogelstraußen kommt es zum Glück nicht ganz so weit, kann man doch davon ausgehen, dass den Menschen zur Zeit Wolfram von Eschenbachs zumindest aus Erzählungen von den exotischen, orientalischen Tieren und ihrem Aussehen und Verhalten gehört haben.
Weiterhin lässt Wolfram von Eschenbach abstrakte Dinge oder Gegenstände lebendig werden. In seinen Bildern personifiziert er sie und lässt sie so zum Rezipienten sprechen. Gegenstände werden als Sprachrohr benutzt um die Vergangenheit mit der Gegenwart zu verknüpfen, oder Fernes in die Nähe zu rücken. Ein Beispiel hierfür findet sich gegen Ende der Erzählung im XV. Buch:
Original 759, 1-6 | Übersetzung |
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Gâwân zuo Parzivâle sprach
‘neve, dîn niwez ungemach sagt mir dîn helm und ouch der schilt. iu ist bêden strîtes mit gespilt, dir und dem bruoder dîn: gein wem erholt ir disen pîn?’ |
Gâwân sprach zu Parzivâl: »Cousin,
von deinen jüngsten Strapazen erzählt mir dein Helm und auch der Schild. Man hat euch beiden in einem Kampf übel mit- gespielt, dir und deinem Bruder. Von wem habt ihr euch so viel Schlimmes geholt?« |
Hase am Bratspieß 409, 26-410, 4
Allgemeine Worte zur Sprache
Der Parzival ist in mittelhochdeutscher Sprache geschrieben und kann ungefähr zu Beginn der 13. Jahrhunderts eingeordnet werden. Rückblickend ist es schwierig genaue Aussagen über Regelmäßigkeiten und Prinzipien dieser Sprache zu treffen. Weite Teile sind heute jedoch ausreichend recherchiert worden. So kann der Autor und somit seine Sprache räumlich eingegrenzt werden, nämlich auf "den östlichen Grenzbereich zwischen dem Mitteldeutschen und dem Oberdeutschen, also auf das Ostfränkische."[Bumke 2004:22] Als weitgehend unerforscht gilt die Syntax, sie unterscheidet sich jedoch in einigen Punkten beispielsweise von der Hartmann von Aues. Auffällig sind die vielen "[...] Brüche, Sprünge, Disproportionen und Inkongruenzen[...]."[Bumke 2004: 27] Dies kann zu unterschiedlichen Interpretationen des Primärtextes führen, je nach Übersetzung. Bumke weist darauf hin, dass Wolfram von Eschenbach, dessen Werk Parzival auf Chrétien de Troyes Parzival basiert, einige Worte aus dem Französischen falsch übersetzt haben könnte. Er folgert jedoch ebenfalls, dass nicht sicher ist, ob diese Missverständnisse absichtlich von Wolfram genutzt wurden um Komik zu erzeugen. Auch das Metrum betreffend hält sich Wolfram nicht immer an die Regeln, beziehungsweise den Usus seiner Zeit. So kommt es zu ungenauen Reimen wie "schilt : sint, ougen : rouben, crump : junc" [Bumke 2004: 28], und zu silbenreichen Versen und die vielfache Benutzung des Enjambements.[Bumke 2004: 21-29]
Fazit
Zusammenfassend und abschließend kann man sagen, dass der Parzival eine Erzählung ist die reich an Schmuckwörtern, Bildern und anderen Stilmitteln ist. Diese rufen nicht immer positive Assoziationen beim Rezipienten hervor sondern haben manchmal sogar einen gegenteiligen Effekt. Die Dunkle Rede ist charakteristisch für den Parzival. Wolfram bedient sich einer Vielzahl an sprachlichen Bildern und Metaphern, eines der wichtigsten für das Verständnis des Parzival ist das Elsterngleichnis. Wolfram von Eschenbach nutzt diese Metapher um den tumben liuten klarzumachen, dass dies vielleicht keine Erzählung für sie ist. Eine Metapher kann also sowohl inkludieren indem sie vereinfacht und veranschaulicht, als auch exkludieren indem sie Einblick verwehrt. Diese Verwendung des Stilmittels unterscheidet Wolfram von anderen Autoren seiner Zeit. Allgemein gesprochen ist die Sprache, die Wolfram seinem Erzähler in den Mund legt, eine sehr besondere. Auf dem französischen Vorbild basierend, ist der Parzival voll von Wortneuschöpfungen und die Syntax entspricht nicht der die man aus vergleichbaren Werken dieser Zeit kennt. "Es ist wichtig, daß man alle der genannten Arten passend verwendet [...] es ist aber bei weitem das Wichtigste, daß man Metaphern zu finden weiß. Denn dies ist das Einzige, das man nicht von einem anderen erlernen kann, und ein Zeichen von Begabung."[Aristoteles 1982:75-76] Wolfram von Eschenbach war beidem mächtig. Dem Verwenden der Metapher und dem Finden. Und das lässt sich nicht nur über die Metaphern im Parzival sagen, sondern über alle sprachlichen Mittel die Wolfram einsetzt um Bilder zu evozieren und Unverständliches verständlicher zu machen oder eben umgekehrt.
Anmerkungen
- ↑ Um der Korrektheit Willen muss gesagt sein, dass es sich im Folgenden nicht bei allen Textbeispielen um Metaphern handelt. Einige sind unter der Kategorie Allegorie zu verorten.
- ↑ Ein weiterer Artikel beschäftigt sich im Detail, auch inhaltlich mit diesem Gleichnis: Das Elsterngleichnis (Wolfram von Eschenbach, Parzival)
Literaturverzeichnis
Textausgabe
Wolfram von Eschenbach: Parzival. Text und Übersetzung. Studienausgabe. Mittelhochdeutscher Text nach der sechsten Ausgabe von Karl Lachmann. Übersetzung von Peter Knecht. Mit einer Einführung zum Text der Lachmannschen Ausgabe und in Probleme der 'Parzival'-Interpretation von Bernd Schirok, 2. Aufl., Berlin/ New York 2003.
Sekundärliteratur
<HarvardReferences/>
[*Aristoteles 1982] Aristoteles. Poetik (Griechisch / Deutsch). Fuhrmann, Manfred, ed. Stuttgart: Philipp Reclam, 1982.
[*Haug 2003] Walter Haug: Die Wahrheit der Fiktion. Studien zur weltlichen und geistlichen Literatur des Mittelalters und der frühen Neuzeit. Tübingen 2003.
[*Bumke 2004] Bumke, Joachim. Wolfram Von Eschenbach. 8., Völlig Neu Bearb. Aufl. ed. Stuttgart: Metzler, 2004.