Schneekind: Unterschied zwischen den Versionen

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Schneekind A und B sind nah miteinander verwandt. Außerdem liegt eine Beziehung zum lateinischen Modus Liebinc vor. Die Ähnlichkeiten von Schneekind B und dem altfranzösischen Fabliau sind größer als die zwischen Schneekind A und demselben. Zudem haben das Fabliau und dem Modus Liebinc wenig gemeinsam.
Schneekind A und B sind nah miteinander verwandt. Außerdem liegt eine Beziehung zum lateinischen Modus Liebinc vor. Die Ähnlichkeiten von Schneekind B und dem altfranzösischen Fabliau sind größer als die zwischen Schneekind A und demselben. Zudem haben das Fabliau und dem Modus Liebinc wenig gemeinsam.
Keine Fassung war also die alleinige beziehungsweise direkte Vorlage für eine andere.
Keine Fassung war also die alleinige beziehungsweise direkte Vorlage für eine andere.
Peter Dronke: THE RISE OF THE MEDIEVAL FABLIAU: LATIN AND VERNACULAR EVIDENCE
In seinem Aufsatz untersucht Dronke die Ursprünge der mittelalterlichen Fabliaux und zeigt anhand des Schneekindes auf, dass die Fabliau des mittelalterlichen Europas nicht aus Frankreich um 1200 oder 1150 stammen kann. Mittels des Modus Liebinc legt er dar, dass es schon früher Fabliaux gegeben hat.
Hierfür analysiert Dronke den Modus Liebinc, der mit dem altfranzösischen Fabliau L´enfant qui fu remis au soleil übereinstimmt. In seiner Analyse betrachtet er sowohl die besondere Rolle des Sprechers als auch stilistische Mittel. Schon in der Eröffnung, wenn der Sprecher die Hörer zur Aufmerksamkeit aufruft, verschmelzen Komödie, wie die Künste der Straßenkomik, und die Künste des Hofes zu einem raffinierten lyrischen Modus. Des Weiteren geht Dronke zum Beispiel auf die erhöhte Geschwindigkeit der Dichtung ein, die parallelen zwischen der Aufruhr der See mit heimischer Aufruhr zieht. Außerdem geht er auf die Art und Weise ein, wie der heimgekehrte Ehemann von einer scheinbar neutralen Frage zur Morddrohung gegen seine Frau springt. Außerdem stellt Dronke heraus, dass der Mittelpunkt der Lüge, nämlich der Durst der Frau, symbolisch für ihr sexuelles Verlangen steht. Der Ehemann wird als gerissen charakterisiert, was man daran erkennt, wie er den Verkauf des Jungen durch die geschmeidige Wiederaufnahme der Lüge der Frau vertuscht. Die letzte Strophe ist symmetrisch mit der Eröffnungsstrophe und umrahmt somit den schwarzen Humor. Dass der Schluss dem Hörer aufzeigt, wie das Leben mit einer Lüge ist, entspricht laut Dronke einer Moral. Anhand dieser Analyse zeigt er auf, dass das Fabliau kein isoliertes, frühes Experiment gewesen sein kann, sondern aufgrund des geschickten Umgangs mit poetischen Mitteln ein bereits bekanntes Konzept gewesen sein muss. So sind bezeichnenderweise zwei weitere Lieder aus der sogenannten Cambridge Sammlung in eben diesem Stil gehalten, der das Feierliche ins Lächerliche zieht. Anhand weiterer Fabliaux zeigt Dronke auf, dass die Kenntnis der Hörer über bestimmte Themen vorausgesetzt wird, und selbst dann, wenn dies nicht der Fall gewesen wäre, ein begabter Künstler die Bedeutung unmissverständlich aufgezeigt hätte. Dronke stellt also anhand der sieben Lieder aus der Cambridge Sammlung fest, dass das Fabliau des mittelalterlichen Europas nicht aus Frankreich um 1200 oder 1150 stammen kann. Laut ihm ist es sogar falsch, die Cambridge Lieder als Anfang des Fabliaus zu nennen, da man anhand des Schneekindes sehen kann, dass es schon früher anspruchsvolle Fabliaux gegeben haben muss. Diese gab es auf jeden Fall in Latein, und wenn es diese in Latein gab, dann auch umgangssprachlich, so Dronke (S. 287).

Version vom 7. Oktober 2020, 12:29 Uhr

Das Schneekind

Inhalt: Die Schneekind-Erzählung, welche vor 1280 entstand, handelt von einer unehrlichen Ehefrau, die in der Abwesenheit ihres Mannes ein Kind von einem anderen Mann bekommt. Obwohl dies für den rückkehrenden Ehemann offensichtlich ist, leugnet die Frau ihre Untreue. Sie erzählt dem Mann, sie habe ein wenig Schnee in den Mund genommen, an seine Liebe gedacht und in Folge dessen das Kind empfangen. Der Mann durchschaut die Lüge, aber zieht das Kind dennoch zehn Jahre lang auf und verkauft es dann auf einer Reise einem reichen Kaufmann. Bei seiner alleinigen Rückkehr zur Frau erzählt er, das Schneekind sei nass geworden, geschmolzen und existiere deshalb nicht mehr. Somit rächt sich der Mann für den Betrug seiner Frau.

Autorschaft: Wie bei vielen mittelalterlichen Erzählungen liegt auch beim Schneekind-Schwank eine anonyme Autorschaft vor. Jedoch ist es gut denkbar, dass es sich bei dem/ der Autor/ -in um den Stricker handelt, da viele charakteristische Eigenschaften der Schneekind-Erzählung mit denen der Stricker-Mären übereinstimmen.

Charakteristische Merkmale des Schneekind-Schwanks: Wie in den oben genannten Stricker-Mären handelt es sich im Schneekind um flache Charaktere; also Typen mit einem dominierenden Charakterzug. Die Figuren haben demnach auch keinen Namen. Die Frau ist in diesem Fall mit den Attributen "unehrlich" und "untreu" in Verbindung zu setzen; der Mann besitzt die Charakterzüge "schlau" uns "listig". Ein weiteres Merkmal der Schneekind-Erzählung ist das kommentierende Eingreifen des auktorialen Erzählers mithilfe von Reflexionen, Urteilen und Wertungen; es liegt demnach eine explizite Lehre vor. Des Weiteren entspricht das Schneekind der Märe-Definition von Hans Fischer. Auch die List des Mannes als Reaktion auf die Lüge seiner Frau ist ein typisches Merkmal von (Stricker-) Mären. Die abergläubische Konzeptionsvorstellung, hier folglich die Vorstellung von wunderbarer Empfängnis , stellt ebenfalls ein beliebtes Märchenmotiv dar.

Schneekind Fassungen: Neben dem sogenannten "Schneekind A" existieren noch weitere Schneekind-Fassungen, welche zwar grob denselben Inhalt haben, jedoch auch durch feine Unterschiede gekennzeichnet sind. Unterschiede sind vor allem darin erkennbar, dass Partien der Erzählung in den verschiedenen Fassungen unterschiedlich genau beschrieben werden. Beispielsweise schildert Schneekind-Fassung A die Reise des Mannes genauer als Schneekind-Fassung B. Allerdings können auch klare inhaltliche Unterschiede herausgearbeitet werden: Im Fabliau wird die Schwangerschaft der Frau durch die zufällige Aufnahme des Schnees mit dem Mund beschrieben, während die anderen Fassungen von einer Schwangerschaft verursacht durch die Sehnsucht nach dem Mann berichten. Neben einigen Unterschieden sind zahlreiche Gemeinsamkeiten vorhanden. Im Schneekind A und B tauchen sprachlich gleiche und ähnliche Verse auf. Außerdem decken sich das Verhältnis der Eheleute, die Sehnsucht-Behauptung, die Erklärung der Schwangerschaft, der Name des Kindes sowie das Epimythion. Die altfranzösische Fassung des Schneekindes, das Fabliau, hat wiederum keine nennenswerten Gemeinsamkeiten mit dem Schneekind A. Dafür jedoch mit der Fassung Schneekind B. Hier überschneiden sich die Schilderung des Ehebruchs, die Reaktion des Mannes auf die Erklärung, der Abschied des Mannes mit dem Kind, der Ort des Verkaufs in Verbindung mit dem Schmelzen und die Erklärung des Mannes für das Schmelzen.

Epimythion: Alle Fassungen verfügen über ein Epimythion. Das bedeutet, sie haben einen moralischen Ausklang, welcher für den Leser als Lehre fungieren soll.

Fazit: Schneekind A und B sind nah miteinander verwandt. Außerdem liegt eine Beziehung zum lateinischen Modus Liebinc vor. Die Ähnlichkeiten von Schneekind B und dem altfranzösischen Fabliau sind größer als die zwischen Schneekind A und demselben. Zudem haben das Fabliau und dem Modus Liebinc wenig gemeinsam. Keine Fassung war also die alleinige beziehungsweise direkte Vorlage für eine andere.

Peter Dronke: THE RISE OF THE MEDIEVAL FABLIAU: LATIN AND VERNACULAR EVIDENCE

In seinem Aufsatz untersucht Dronke die Ursprünge der mittelalterlichen Fabliaux und zeigt anhand des Schneekindes auf, dass die Fabliau des mittelalterlichen Europas nicht aus Frankreich um 1200 oder 1150 stammen kann. Mittels des Modus Liebinc legt er dar, dass es schon früher Fabliaux gegeben hat. Hierfür analysiert Dronke den Modus Liebinc, der mit dem altfranzösischen Fabliau L´enfant qui fu remis au soleil übereinstimmt. In seiner Analyse betrachtet er sowohl die besondere Rolle des Sprechers als auch stilistische Mittel. Schon in der Eröffnung, wenn der Sprecher die Hörer zur Aufmerksamkeit aufruft, verschmelzen Komödie, wie die Künste der Straßenkomik, und die Künste des Hofes zu einem raffinierten lyrischen Modus. Des Weiteren geht Dronke zum Beispiel auf die erhöhte Geschwindigkeit der Dichtung ein, die parallelen zwischen der Aufruhr der See mit heimischer Aufruhr zieht. Außerdem geht er auf die Art und Weise ein, wie der heimgekehrte Ehemann von einer scheinbar neutralen Frage zur Morddrohung gegen seine Frau springt. Außerdem stellt Dronke heraus, dass der Mittelpunkt der Lüge, nämlich der Durst der Frau, symbolisch für ihr sexuelles Verlangen steht. Der Ehemann wird als gerissen charakterisiert, was man daran erkennt, wie er den Verkauf des Jungen durch die geschmeidige Wiederaufnahme der Lüge der Frau vertuscht. Die letzte Strophe ist symmetrisch mit der Eröffnungsstrophe und umrahmt somit den schwarzen Humor. Dass der Schluss dem Hörer aufzeigt, wie das Leben mit einer Lüge ist, entspricht laut Dronke einer Moral. Anhand dieser Analyse zeigt er auf, dass das Fabliau kein isoliertes, frühes Experiment gewesen sein kann, sondern aufgrund des geschickten Umgangs mit poetischen Mitteln ein bereits bekanntes Konzept gewesen sein muss. So sind bezeichnenderweise zwei weitere Lieder aus der sogenannten Cambridge Sammlung in eben diesem Stil gehalten, der das Feierliche ins Lächerliche zieht. Anhand weiterer Fabliaux zeigt Dronke auf, dass die Kenntnis der Hörer über bestimmte Themen vorausgesetzt wird, und selbst dann, wenn dies nicht der Fall gewesen wäre, ein begabter Künstler die Bedeutung unmissverständlich aufgezeigt hätte. Dronke stellt also anhand der sieben Lieder aus der Cambridge Sammlung fest, dass das Fabliau des mittelalterlichen Europas nicht aus Frankreich um 1200 oder 1150 stammen kann. Laut ihm ist es sogar falsch, die Cambridge Lieder als Anfang des Fabliaus zu nennen, da man anhand des Schneekindes sehen kann, dass es schon früher anspruchsvolle Fabliaux gegeben haben muss. Diese gab es auf jeden Fall in Latein, und wenn es diese in Latein gab, dann auch umgangssprachlich, so Dronke (S. 287).