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===Navigatio Sancti Brendani Abbatis=== | ===Navigatio Sancti Brendani Abbatis=== |
Version vom 6. Januar 2021, 20:35 Uhr
Brandan-Legende
Bei der Erzählung vom Heiligen Brandan und seiner Meerfahrt handelt es sich um einen literarischen Reisebericht. Was bedeutet in diesem Zusammenhang ‚literarisch‘? Es geht nicht um die Darstellung geographisch-korrekter Routendetails, die Erzählung verfolgt ein ihr eigengesetzliches Ziel. Sie enthält Elemente aus unterschiedlichsten Erzähltraditionen: Besonders hervorsticht der altirische Texttypus Immram (Plural: Immrama) – Erzählungen von See- bzw. Schiffsreisen in die dem Menschen nur unter erschwerten Bedingungen zugängliche ‚Anderswelt‘. [1] Hinzukommt der Rückgriff auf antikes, orientalisches und christliches Erzählgut. Ebenfalls auffällig ist die Nähe zu Erzählmustern christlicher Legenden- und Visionsliteratur. [Haupt 1995: S. S. 322]
Die Erzählung gibt vor, dass ihr Protagonist Brandan mit der historisch verbrieften Person des Abtes und Klostergründers Brendan von Irland (gest. 577 oder 583) identisch sei. Die älteste Fassung der Erzählung stammt aus dem späten 10. Jahrhundert und wurde in lateinischer Sprache unter dem Titel ‚Navigatio Sancti Brendani Abbatis‘ (dt. Schifffahrt des heiligen Abtes Brendan) verfasst. Die Erzählung entwickelte sich zu einer der beliebtesten mittelalterlichen Erzähltraditionen im europäischen Raum, sie wurde in zahlreichen Volkssprachen nicht nur übersetzt, sondern auch in diverse Versformen abgewandelt, derzeit sind mehr als 120 Handschriften-Fassungen bekannt. [Haupt 1995: S. S. 322]
Für den deutschsprachigen Raum ist besonders die sogenannte ‚Reise-Fassung‘ relevant. Sie liegt in drei verschiedenen Überlieferungen vor. Alle drei gehen auf ein mittelfränkisches Original zurück, das jedoch nicht erhalten geblieben ist. [Haupt 1995: S. S. 322]
Anmerkungen
- ↑ Das Altirische kennt für die Anderswelt viele Namen, u.a. Tír na nÓg (Land der Junggebliebenen), Tír na hÓige (Land der Jugend), Tír Tairngire (Land der Verheißung), Tír fo Thuinn (Land unter der Welle), Mag Mell (flaches Land der Freude), Ildathach (vielfarbiger Ort), Emain Ablach (Insel der Apfelbäume).
Überlieferungssituation
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Inhaltsangabe
Eine Erzählung in neunundzwanzig Kapiteln
1. Kapitel
Brendan wurde als Brendan mac Findlocha mac Alti (übersetzt: Sohn von Findlocha Sohn von Alti d.h. Findlocha ist sein Vater, Alti sein Großvater) geboren. Er entstammt dem Clan der Eoganacht (historisch verbrieftes Herrschergeschlecht des irischen Provinzkönigreichs Munster zwischen dem 5. und 10 Jahrhundert). Zu Beginn der Erzählung ist er bereits ein hochgeschätzter Mann, sein Leben hat er völlig dem Dienst Gottes gewidmet, er sieht sich als Streiter Christi, er lebt in strenger Askese und vollbringt Wunderheilungen. Er ist Abt eines großen Klosters, seiner Leitung unterstehen 3000 Brüder. Sein Kloster liegt in Clonfert, auch ‚Tal der Wunder Brendans‘ genannt. Eines Tages kommt sein Neffe Barrind mac Neill zu Besuch. Er ist gerade von einer eigenen Seereise zurückgekehrt. Barrind erzählt, dass Mernoc, ein Bruder seines Klosters, vor langer Zeit ausgezogen sei, um in Abgeschiedenheit eine kleine Filiatur (=Tochterzelle des Mutterklosters) auf der Insel Inis Cain (dt. Die Reizende) nahe der Sliabh Liacc (bekannte Steilklippen) zu gründen. Barrind habe die Brüder besucht und alles in bester Ordnung vorgefunden. Am nächsten Tag seiner Visitation habe Mernoc ihn mit auf ein kleines Boot genommen, in der Absicht, ihm die ‚verheißene Insel der Heiligen‘ zu zeigen. Dieses Land heiße so, weil es am Ende der Zeit die Wohnstätte aller Gerechten, ein Land für die von Gott Geliebten und Auserwählten sein werde. Sie seien gen Westen abgesegelt – und prompt in eine zähe, undurchdringbare Nebelwand geraten. Erst nach einer Stunde Fahrtzeit und ungewisser Strecke, die zurückgelegt wurde, habe plötzlich gleißend helles Licht einer Klinge gleich den Nebel geteilt, vor ihnen endlich klarer Blick auf ein weites, sehr fruchtbares und grünes Land… Ein Jahr lang habe er und seine Gefährten die Insel erkundet, bis ein Engel sie zurückschickte. Barrind nimmt Abschied.
2. Kapitel
Brendan kehrt zu seinen Brüdern zurück. Er wählt 14 von ihnen aus. Sie sollen ihn auf seiner Reise begleiten.
3. Kapitel
Die Brüder begehen ein vierzigtätiges Fasten, danach brechen sie auf.
4. Kapitel
Brendan und seine Gefährten ziehen in die Nähe von Brendans Geburtsstätte, besuchen dessen Eltern jedoch nicht. Auf einer Landzunge suchen sie sich einen Strand, auf dem sie sich niederlassen. Sie errichten ein großes Zelt, das genügend Platz für ihr Vorhaben bietet: Im Schutz der Zeltplane beginnen sie mit dem Bau ihres Boots. Das Boot wird nach Art des Landes gefertigt, es ist ein leichtes Boot, bestehend aus einem leichtem Holzgerippe, das mit vernähten Rindsledern bespannt wird. Die Nähte werden auf der Außenseite mit Fett bestrichen (wasserdichte Versiegelung). Ins Innere des Bootes legen sie so viel Rindsleder, wie für die zweimalige Erneuerung der Außenhülle nötig ist. In die Mitte des Bootes setzen sie Mast und Segel. Sie beladen ihr Boot mit Proviant für vierzig Tage.
5. Kapitel
Bevor sie aufbrechen wollen, kommen drei Nachzügler aus ihrem Kloster angelaufen. Die Mitbrüder werfen sich zu Boden und flehen, dass sie mit auf Reise gehen dürfen. Brendan erlaubt es, macht aber zugleich eine Voraussage: Einem der Drei wird es unterwegs gut ergehen, den anderen beiden jedoch nicht.
6. Kapitel
Brendan und seine nun 17 Gefährten segeln zunächst nach Norden, fünfzehn Tage lang. Dann kommt Wind auf, sie verlieren die Orientierung, vierzig Tage lang irren sie auf hoher See. Ihr Proviant ist aufgebraucht. Schließlich stoßen sie auf eine Insel, doch deren Küste besteht ausschließlich aus schroff abfallenden Steilklippen, es ist unmöglich zu landen. Drei Tage lang fahren sie die Küste entlang, am dritten Tag finden sie endlich eine Schneise im Felsen, gerade breit genug für ihr Boot, sie erreichen das Ufer. Ein Hund erscheint, legt sich zu Brendans Füßen nieder. Die Brüder folgen dem Hund und kommen zu einem menschenleeren, scheinbar verlassenen Palast. Sie finden gerichtete Betten und Waschschüsseln mit frischem Wasser, um sich die Füße zu waschen. In einem Saal steht eine gedeckte Tafel, es gibt reichlich Brot und Fisch. Die Wände des Saals sind mit kostbaren Gegenständen aus allen erdenklichen (Edel)Metallen geschmückt: Allerlei Gefäße, Becher, Teller, Schüsseln, Schalen, aber auch Ketten und versilberte Trinkhörner. Nachts werden die Brüder von einem Teufel in Gestalt eines schwarzen Jungen bedroht, Brendan kann ihn jedoch mit der Kraft seines Gebetes erfolgreich abwehren. Die Brüder verbringen drei Tage auf der Insel. Gestärkt durch die guten Speisen und den sicheren Schlaf brechen sie am dritten Tag auf.
7. Kapitel
Noch beim Aufbruch warnt Brendan die Brüder, keiner solle etwas von der Insel entwenden. Die Brüder weisen den Vorwurf entsetzt von sich, doch Brendan zeigt auf den Bruder, vor dessen Bett der schwarze Junge tanzte: Er habe besagte Kette, die Brendan zuvor in den Händen des schwarzen Jungen sah, gestohlen. Der ertappte Dieb reißt sich sein Diebesgut von der Brust und fleht um Gnade. Seine Brüder sollen für ihn beten. Alle Mitbrüder werfen sich sofort zu Boden und beten inbrünstig für sein Seelenheil. Aus der Brust des Diebes steigt plötzlich der schwarze Junge, er brüllt und tobt, seit sieben Jahren nun habe er in diesem Körper gewohnt, nun sei er durch die Macht des Gebetes gezwungen, seine Wohnstatt zu verlassen. Sein Gezeter nutzt ihm nicht, er muss gehen. Brendan offenbart dem geläuterten Dieb, dass er dennoch sterben werde: Seine reine Seele werde bald den zu lange fremdbesetzten Körper verlassen. Brendan spendet dem Totgeweihten ein letztes Mal das Sakrament der Eucharistie (Abendmahl). Der Dieb stirbt – seine Seele wird im Himmel aufgenommen, die Brüder begraben seine leere Hülle.
8. Kapitel
Ein junger Mann läuft ihnen bis zum Strand nach, überreicht einen Korb mit Proviant. Sie verlassen die Insel.
9. Kapitel
Sie stechen in See. Sie stoßen wieder auf eine unbekannte Insel. Diese Insel ist von zahlreichen Quellen übersät, in deren Wasserbecken viele Fische tummeln. Die Menge der Quellwasser ist gewaltig, ihre Ströme sind sehr stark. Hier feiern sie Gründonnerstag. Sie bleiben bis zum Karsamstag. Auf der Insel gibt es unzählige Schafe, sie sind größer als Rinder. Die Brüder wählen einen jungen und starken Widder als Opfertier aus. Sie schlachten den Widder zu Gründonnerstag. Ein plötzlich auftauchender Jüngling bringt ihnen Aschebrote. Der junge Mann ist gleichzeitig ein göttlicher Bote. Er teilt den Brüdern mit, dass er bereits wisse, wie lange sie auf der Insel blieben und wohin sie ihr Weg sie noch führen werde. Bis Karsamstag würden sie bleiben, die Nachtoffizien (Stundengebete die zwischen Sonnenuntergang und Sonnenaufgang verrichtet werden) und die anschließende Messe des Ostersonntags würden sie bereits auf der benachbarten Insel begehen.
10. Kapitel
Die Brüder brechen am Abend des Karsamstages auf. Sie erreichen die ‚Nachbarinsel‘. Das Wasser ist so seicht, dass selbst ihr kleines Boot aufläuft, mit vereinten Kräften müssen sie es an Land ziehen. Brendan weiß bereits, was seine Brüder erwartet, verrät jedoch nichts – stillschweigend bleibt er an Bord, verlässt das Boot nicht. Seine Brüder gehen an Land. Die Insel ist sehr felsig, es gibt keine Vegetation und auch keinen Sandstrand. Alle begehen ihre Messen und Gebete, die Brüder auf der Insel, Brendan im Boot. Die Brüder sammeln angeschwemmtes Treibholz und machen Feuer, sie wollen Fisch und Fleisch braten – plötzlich wogt die Insel auf und nieder wie ein lebendiger Leib. Die Brüder stürzen sich fluchtartig ins Wasser, Brendan zieht sie ins rettende Boot. Brendan klärt die Brüder auf: In einer nächtlichen Vision habe Gott ihm bereits gezeigt, dass es sich hier nicht um eine Insel, sondern um einen riesigen Fisch handelt.
11. Kapitel
Die Brüder segeln zur wirklichen Insel zurück. Sie gelangen an ihre westlichste Landzunge, an deren Ende, nur durch eine kleine Wasserstraße getrennt, eine weitere Insel liegt. Die Insel ist bedeckt von Wäldern, Wiesen und Blumen. Ein Fluss mündet ins Meer. Sie ziehen ihr Boot flussaufwärts und gelangen schließlich an seine Quelle. Brendan kündigt an, dass sie hier das Fest der Auferstehung (Ostersonntag) verbringen werden. Über der Quelle steht ein schöner Baum mit einer ausladenden Baumkrone. Darin sitzen leuchtend weiße Vögel. Die Vögel sind gestaltgewordene Geister, als himmlische Boten sprechen sie zu Brendan. Sie sagen ihm voraus, dass die Brüder bereits ein Jahr auf Reisen sind, dass ihre Reise aber noch sechs weitere Jahre andauern werde. Die Brüder würden denselben Reiseverlauf Jahr für Jahr aufs Neue durchleben, jedes liturgische Fest würde wieder am selben Ort begangen werden. Im Wechselgesang singen die Brüder und die weißen Paradiesvögel Lobhymnen Gottes. Ihr Flügelrauschen ist schon und traurig zugleich, wie eine eigene Melodie. Die Brüder bleiben bis zum achten Tag nach Pfingsten auf der Vogelinsel.
12. Kapitel
Die Brüder verlassen die Insel. Sie treiben ab, irren drei Monate lang auf hoher See, sie sehen nichts als das Wasser unter und den Himmel über sich. Dann stoßen sie wieder auf eine unbekannte Insel. Sie werden vom Wind abgetrieben, vierzig vergebliche Tage umkreisen sie die Insel, ohne anlanden zu können. Auf der Insel lebt eine brüderliche Gemeinschaft mit vierundzwanzig alten weisen Männern. Ihr Abt hat schlohweißes Haar, aus seinem Gesicht strahlen Wärme und Güte. Er ist der heilige Ailbe. Die fremden Brüder haben ein Schweigegelübde abgelegt, einzig für Speise, Gebet und Gesang öffnen sich ihre Lippen. Die Brüder leben bereits seit acht Jahrzehnten auf der Insel. Sie müssen nicht arbeiten, göttliche Dienstgeschöpfe bringen ihnen tägliche Nahrung. Auf der Insel gibt es eine Kirche, die außen und innen komplett aus Kristall besteht. Auch alle Gegenstände, die zur Messe gebraucht werden, sind aus Kristall. Sie hat einen quadratischen Grundriss. In ihrem Inneren befinden sich sieben Leuchter, deren Licht nicht von menschlicher Hand entzündet und nicht gelöscht werden muss: Ein blitzartiger Pfeil schießt durchs Fenster, entzündet die Lichter und verschwindet wieder. Die Lichter brennen die ganze Nacht, spenden den Brüdern bei ihren Nachtoffizien Licht und erlöschen im Morgengrauen wieder. Die Dochte der Lichter rußen nicht. Die Lichter verbrauchen kein Brennmaterial. Das geistige Feuer verzehrt sie nicht (vgl. die biblische Erzählung zu Mose und dem brennenden Dornbusch). Die Brüder verbringen auf dieser Insel die Weihnachtsfeiertage. Sie bleiben noch bis zum achten Tag nach Epiphanias (von altgriechisch epipháneïa, latinisiert epiphanīa ‚Erscheinung‘ – besser bekannt als Festtag ‚Heilige Drei Könige‘).
13. Kapitel
Die Brüder brechen auf. Sie erreichen eine Insel, in deren Mitte eine kristallklare Quelle sprudelt. In dem Quellbecken schwimmen viele Fische. Am Wasserrand wachsen viele essbare Kräuter, Pflanzen und Gemüse. Die Brüder speisen gut, begehen aber den Fehler, das wasser zu trinken: Wer einen Becher getrunken hat, schläft einen Tag lang, wer zwei Becher getrunken hat, schläft zwei Tage lang und wer drei Becher getrunken hat, schläft drei Tage lang. Der Schlaf an sich ist ungefährlich, keiner kommt zu Schaden. Sie verlassen die Insel gen Norden.
14. Kapitel
Im hohen Norden ist das Meer plötzlich geronnen (schwimmendes Eis?). Das Boot treibt zwanzig Tage lang umher. Westwind kommt auf.
15. Kapitel
Sie erreichen wieder die allererste Insel ihrer Reise, die erste Station ihrer zyklischen Route. Die Brüder bleiben dort, wie schon im letzten Jahr, von Gründonnerstag bis Karsamstag. Die Nacht von Karsamstag auf Ostersonntag verbringen sie wieder auf dem Rücken des Riesenfisches Iasconius. Dieser ist durch eine göttliche Fessel zum Stillhalten gezwungen, er kann nicht davonschwimmen. Den Ostersonntag begehen sie feierlich auf der eigentlichen Insel, die nahe bei Iasconius liegt (Insel mit den Riesenschafen). Danach gehen sie weiter zur Vogelinsel und feiern Pfingsten. Dann geht es zum Abt Ailbe und seinen Brüdern, die Weihnachtsfeiertage ziehen vorbei.
16. Kapitel
Sie stechen in See, sie fahren vierzig Tage lang. Plötzlich taucht hinter ihnen ein Seeungeheuer auf, die Brüder geraten in Panik. Brendan bleibt nachsichtig, dass seine Brüder so wenig Gottesvertrauen an den Tag legen. Er betet – prompt erscheint ein zweites Seeungeheuer, dieses verwickelt ersteres in einen wilden Kampf. Das kleine Boot mit den Mönchen scheint vergessen. De Brüder sind gerettet. Das zweite Ungeheuer tötet das erste. Später finden die Brüder den angespülten Kadaver am Strand, sie zerlegen ihn fröhlich, das Fleisch reicht für mehrere Monate.
lat. Navigatio Sancti Brendani Abbatis | mhd. Reise-Fassung | |
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Reise-Motivation | Mündlicher Reisebericht von Barinthus (Neffe von Brendan): Barinthus erzählt seinem Onkel Brendan, dass sein Mitbruder Mernoc ihm eine Insel namens ‚Das Land der Verheißung der Heiligen‘ gezeigt hat. Brendan ist sofort Feuer und Flamme, er will besagte Insel mit eigenen Augen sehen. | Brandan verbrennt mutwillig ein Buch, dessen Inhalt er für unglaubwürdig hält.
Gott tadelt ihn für sein vorschnelles Handeln: Das Buch habe nichts als die Wahrheit berichtet. Zur Sühne muss Brandan auf Reisen gehen, all die (nur gelesenen) Abenteuer selbst erleben und das Buch ähnlich einem fortlaufenden Reisetagebuch neu schreiben. |
Anzahl der Reisenden | Brendan + 14 Mitbrüder (2x7) + 3 Nachzügler |
Brandan + 12 Mitbrüder |
Bauart des Schiffes | leichtes Holzkonstrukt, mit (butter)gefettetem Leder überzogen = Irisches Curragh? | ein großes Schiff, dessen Holzkorpus mit eisernen Bändern umgürtet wird (Wortlaut der Erzählung: „nach der Art von Noahs Arche“ [Hahn; Fasbender 2002: S.115])
sogar eine Kapelle findet Platz im Reisegepäck befinden sich allerhand Reliquien |
Dauer der Reise | 7 Jahre | 9 Jahre |
Struktur des Reiseverlaufs | Feiertage im Kirchenjahr legen die Zwischenstationen an bestimmten Orten fest = zyklisch | willkürliche Aneinanderreihung abenteuerlicher Episoden = linear |
Zweck der Reise | konkretes (lokalisierbares?) Ziel: ‚Die verheißene Insel der Heiligen‘ / „symbolische Lebensfahrt zur himmlischen Heimat“ [Haupt 1995: S.323] |
Der Weg ist das Ziel
Brandan soll die Wunder Gottes mit eigenen Augen sehen und begreifen lernen = Erkenntnis der Größe Gottes Die Wunder Gottes sind unbegrenzt in ihrer Anzahl Die Reise könnte stetig fortgesetzt werden „Weltoffenheit“ [Haupt 1995: S.323] |
Begegnung mit dem Monströsen
Welche (potentiellen) Monster tauchen auf?
Teufel in Jungengestalt
Im 6. Kapitel legen sich die Brüder erschöpft in die Betten, die sie vorgefunden haben. Alle bis auf Brendan schlafen ein. Da sieht Brendan plötzlich einen dunkelhäutigen Jungen vor dem Bett des Bruders auf und ab hüpfen, dem Brendan zuvor ein übles Schicksal vorausgesagt hatte. Brendan erkennt sofort: Die kindsgroße Gestalt sieht zwar menschlich aus, ist aber teuflischer Natur. In Händen schwenkt der schwarze Junge triumphierend eine Kette. Brendan springt aus seinem Bett, fällt auf die Knie und betet inbrünstig um Schutz für seine Brüder. Die ganze Nacht hält er betend Wache.
Riesenschafe
Im 9. Kapitel begegnen die Brüder staunend einer Schafrasse, die eine erstaunliche Größe erreicht: Die Tiere werden größer als Rinder. Sie wundern sich, fragen nach Erklärungen. Ein göttlicher Bote löst das Rätsel: Die Schafe würden nicht gemolken, außerdem sei der Winter so mild, dass die Tiere Tag und Nacht auf den Weiden bleiben könnten, sie könnten ihr Futter also ungestört in Wachstum verwandeln. Die Schafe sind in ihrer Größe zwar ungewöhnlich, aber nicht gefährlich: Sie sind in ihrer Natur sogar sehr rein und schön, sodass Brendan eines von ihnen als Opfertier auswählt.
Riesenfisch ‚Jasconius / Iasconius‘
Im 10. Kapitel verbringen die Brüder die Nacht von Karsamstag auf Ostersonntag auf einer vermeintlichen Insel. Bereits die Anladung gestaltet sich schwierig, weil das Wasser sehr schnell flach wird und sogar ihr kleines Boot mit kaum Tiefgang aufläuft. Am Ufer gibt es keinen Sand. Auf der gesamten Insel wächst nichts, die Brüder müssen sich mit Treibholz für ihr Lagerfeuer behelfen. Überhaupt ist die vegetationslose Oberfläche karg, rau und sehr felsig. Das Rätsel löst sich, als die ‚Insel‘ sich wellenförmig auf und ab wölbt, wie von brennendem Schmerz gezwickt: Die Brüder stehen auf dem Rücken eines gigantischen Fisches, das Feuer hat seine Haut verbrannt. Brendan erklärt ihnen später, dass dieser Fisch ständig versuche, Kopf und Schwanzflosse zusammenzubringen, es aber nicht schaffe. Daraus ergibt sich wohl eine ringförmige Struktur, die an ein Inselatoll gemahnt, aber keines ist. Der Fisch wird jedoch nicht als gefährlich beschrieben, nach ihrem ersten Schrecken erholen sich die Brüder rasch und sind neugierig, mit was sie es da zu tun hatten. Der Fisch versucht nicht, die Brüder zu verschlingen (vgl. dazu die biblische Erzählung von Jonah im Wal). Die Brüder sitzen sicher in ihrem Boot und schauen dem Riesenfisch nach, der friedlich davonschwimmt. Das Feuer auf seinem Rücken wird zu einem immer kleineren Lichtpunkt, ist aber noch lange zu sehen.
Etymologisch leitet sich der Name des Fisches vom altirischen Substantiv íasc ‚Fisch‘ ab.
Kampf zweier Seeungeheuer
Im 16. Kapitel befinden sich die Brüder auf hoher See, plötzlich taucht hinter ihrem kleinen Boot ein gigantisches Seeungeheuer auf. Aus seinen Nasenlöchern bläst es schäumende Gischt, es durchschneidet die Wellen in rasender Geschwindigkeit, es macht eindeutig Jagd auf das Boot und seine Insassen. Die Brüder geraten in Panik, in ihrer Hilflosigkeit rufen sie zu Gott. Brendan beruhigt sie, betet. Brendans Gebet wird sofort erhört: Ein zweites Seeungeheuer taucht auf, stürzt sich auf das erste. Ein wilder Kampf entbrennt. Das zweite Seeungeheuer speit Feuer aus seinem Schlund. Brendan erklärt, dass die beiden Tiere anstandslos dem Willen ihres Schöpfers Folge leisten. Gott allein habe sie geschickt, er kenne bereits den Ausgang des Kampfes. Das erste Tier, das Jagd auf das Boot machen wollte, unterliegt. Es wird von seinem Gegner getötet und in drei Teile zerrissen. Das zweite Tier kehrt dorthin zurück, woher es kam.
Das erste Tier kämpfet mit der Kraft des Wassers, das zweite Tier mit Feuer.
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Literarische Funktion des Monströsen
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Literaturverzeichnis
<HarvardReferences />
- [*Haupt 1995] Haupt, Barbara: Welterkundung in der Schrift. Brandans ‚Reise‘ und der ‚Straßburger Alexander‘, in: Zeitschrift für deutsche Philologie – ZfdPh 114 (1995), S. 321-348.
- [*Hahn; Fasbender 2002] Hahn, Reinhard von; Fasbender, Christoph: Brandan. Die mitteldeutsche ‚Reise‘-Fassung, Heidelberg 2002.
Neidhart: Lied-Übersetzungen
Erbringung der Studienleistung (Erster Teil): Hier finden sich die Primärtext-Übersetzungen zur jeweiligen Sitzung pro Woche.
Winterlied 27 (Woche 8)
I
Mir ist von Herzen leid,
dass der kühle Winter
viele schöne Blumen verdirbt:
ebenso verdirbt mich eine sehnsüchtige/schmerzliche Mühe.
Diese beide Sorgen
drängen mich fort/von hinnen hinter
ans Ende meiner Freuden Ziel.
Oh weh, dass die Gute mit ihrem Willen das verträgt,
seit sie wohl verringern mag
all meine Schwere!
Hei, erlebte ich noch den Tag,
dass sie gnädig/nachgiebig wäre!
II
So wenn ich mich vereinige/verbinde
und an sie denke,
wär in der Frau Güte da,
die hätte sich so lange bei ihr nicht erworben.
Seit sie nur wenig belohnt
meine neuen Klänge,
wann dann sollte ich anderswo dienen?
Nein, ich will mit großer Anstrengung diesen Kummer lange erdulden.
Was, wenn eine selige Frau doch
noch ihren Sinn ändert?
Erfreue mein Herz und tröste den Leib!
Die zwei, die sind versehrt (im Sinne von verletzt/verwundet).
III
Zu dem Leid,
dass ich ihretwegen erleide,
so bezwingt mich noch ein anderes Leid,
dass vor allem Leid mich so sehr nie bezwang,
so wie ich darüber lache
und mich froh gebärde:
Mir hat ein Dorftölpel den Kampf angesagt,
um nichts anderes, als ausschließlich um meinen üppigen (übertriebenen, ausufernden) Gesang.
Der ist geheißen Adeltir,
gebürtig hier von Ense.
Zu allen Zeiten droht er mir
wie eine feiste (vollgefuttert, überfüttert = fett) Gans.
IV
Heuer bei einem Tanz
ging er um und um (kreisförmige Bewegung?).
Den Wechsel hatte er den ganzen Tag:
Ein glänzendes Schapel (Kranz) gab er im Tausch für neue Kränzlein.
Etzel und Lanze,
zwei dumme Jünglinge,
die plagten auch, wie jener plagte.
Lanze, der beschwerte/belästigte ein sehr stolzes Mädchen:
einen kleinen schönen Schleier
zerrte er ihr vom Haupt,
dazu einen Blumenhut,
wer hat ihm das erlaubt?
V
Oh weh, seine Hände!
Das sie ihm verwesen!
die Finger soll er verlieren,
denn damit hat er hinausgezerrt die schmerzbringende Zähre (=Träne)!
Hätte er ihr Gebende
un-zerzerrt gelassen,
das Kränzchen hätte auch sie verschmäht.
Er ist unhöflicher/unartiger als vormals Engelmar,
der gewalttätig nahm/raubte
den Spiegel Vrideruns.
Aus dem gleichen Grund bin ich dem Dörper übelgesinnt,
demselben Walberun.
VI
Diese alten Schulden
weckt mir das Neue:
es hat ein geiler Bauernbursche
heuer bei mir erweckt/in Erinnerung gerufen, was mir an Leid geschah.
Ehe ich es länger erdulde,
seht meine Treue,
ich springe zu ihm in den Ring,
er besteht/bekommt seine Buße, dass er ihr zur edlen Dame jagt,
der ich lange gedient habe
herb/bitter? mit ganzer Standfestigkeit!
Wollte er sie gereut lassen,
wie recht er dann täte!
VII
Weh, was hat er nur zu mucken!
Sie kommt ihm nicht zu Maß.
Zu was soll sein peinigendes Gebrechen/Übel?
Ihm vermag nicht zu helfen sein höfisches Gewand.
Er soll ihm (sich selbst?) eine suchen,
die ihn werben lässt.
Seine roten Busenbleche,
die sind ihr sehr unangenehm, dazu sein Wangenband.
Enge Ärmel trägt er lang,
die sind vorn verbrämt,
innen schwarz und außen blank.
mit seiner Rede spricht er nach Art der Flamländer.
VIIa
Seiner Schnüre Stränge
dengeln an den Orten:
da hängt wundersamer Pfeffer dran,
Muskat, Nägele (Lexer: Gewürznelken), Pfauenspiegel (Bidens tripartita L., auch bekannt als Zweyzahn, Wasserdost, Wasserhanf und Wassersternkraut): Das ist de Dörper Glanz.
Er will überdrängen/überwältigen
ein Mädchen mit süßen Worten,
dabei kann ihm doch nicht helfen
sein übertriebenes Gewand und dazu sein sehr glänzender/schöner Schwanz (?)
Ein sehr gutes Leinentuch,
sechzehn Ellen klein,
hat sein Hemd und auch seine Bruche:
diese Sitte ist ungemeinsam/fremdartig.
VIIb
Herr Neidhart, könnt ihrs lassen?
Es wird euch misslingen.
Nun habt es auf meine Treue (abgesehen?),
und kann ich, so muss euch beim Tanz Leid geschehen!
Wollt ihr auf der Straße
uns sehr hart bedrängen,
wie breit abstehend euer Melkkübel? (lat. mulctra) auch sei,
und wie der Glanz hervorscheint unter eurem geringelten/gekräuselten Rock/Hemd
und solltet ihr gar der Teufel sein
mit eurem glitzernden Hut,
mache ich trotzdem im Blut Fahrt
mit meinem guten Schwert.
VIIc
Nun da, gezierte Gesellen,
nun steht mir allgleich,
helft, dass wir gegen ihn bestehen,
der uns beim Tanz nicht mit Nachsicht entlässt!
„Ich traue mir zu, ihn zu fällen,“
so sprach Amelrich,
„Die Hand, die muss er mir hier lassen,
da der gesprenkelte Vogel oben auf steht,
und dazu den rechten Fuß.
Daran klingt der Sporen.
Ja, so verschaffe ich mir seine Buße,
dass er von uns nicht mehr singt.“
Winterlied 1 (Woche 7)
I
Winter, uns will deine Gewalt/Macht/Kraft
in die Stuben drängen
von der Linde breit/weit weg:
deine Winde, die sind kalt.
Lerche, lass dein Singen!
Dir hat widersprochen
sowohl Reif als auch Schnee;
du musst stillschweigen:
so beklage ich den grünen Klee.
Mai, ich will mich vor dir verneigen;
mir tut der Winter weh.
II
Tanzt, lacht, seit froh!
Das ziemt sich wohl den Jungen
in diesem langen Winter.
Euch zur Stütze gebe ich da
heuer von meiner Zunge
einen neuen Sang (ein neues Lied),
damit ihr ohne schweren Mut (betrübte Gesinnung)
Freude mögt erbitten.
Engelmar, deine Stube ist gut:
Kühle ist in deinem Bett. (lexer: lît = ‚Bett‘)
Der Winter bringt Schaden.
III
Etzel, Ruoze und Adelber
und der geile Rüele
haben zusammen geschworen
alle auf einen Dorftölpel:
Der ist von Witenbrüel
und prüft/erprobt sich in großem Zorn.
Das konnte ich eher/vormals noch seit
niemals fest und sicher glauben,
Rüele wollte im Widerstreit
beim Reigen (reien = reigen) springen:
dem war Lanze feindlich gesinnt.
IV
Lanze trägt eine Jacke,
die ist aus Barchent (lateinisch barracanus, laut Wikipedia wohl ein „Mischgewebe aus Baumwoll-Schuss auf Leinen-Kette“, auf einer Seite glatt, auf der anderen angeraut)
so grün wie der Klee.
Zur Weihe? hat er sich vorbereitet,
er lebt in der Hoffnung,
dass ihm nichts widersteht.
Darin hat er gesteppt
ein gutes eisernes Hemd,
knurrender als ein Bär geht er;
gute/freundliche Gesinnung ist ihm fremd.
Er ist Kind, der ihn (besteht?)
IVa
Lanze, der hat noch die Freunde,
die ihn nicht entlassen/verlassen
so sehr er auch ein Kind sei.
Drei habe ich euch schnell vorgestellt,
die ihm auf der Straße
beiständig sind:
Isenbolt und Isenhart
und der junge Vrite.
Rüele, der war nie so zart,
er wäre bei dem Kampf
unversehrt geblieben. (verhe/verch = Leben, Blut, (tödliche) Wunde)
IVb
So lassen wir sie fechten um den Leib.
Derweil gehen wir zu dem Tanz:
Da springen wir schön empor.
Nun, wohl auf, Mädchen und junge Frauen,
Afra, Englin, Franze,
die will uns vorsingen.
Metze zögert [… Lakune?]
und kommt Adelheit
und über [… Lakune?] Engellint
und Irmengart Fröhlichkeit,
das sind sehr schöne Kinder/Mädchen.
Winterlied 13 (Woche 6)
I
Wie überwinde ich beide
meinen Leib und die Sommerzeit?
Ich kann die Wohlgestalteten in so kurzer Zeit nicht ausreichend beklagen.
Von so großem Leid,
das mir Reue ohne Freude gibt,
trauere ich wohl verschuldet nun an diesen trüben Tagen,
die uns den Winter ankünden, der uns viel Freude raubt.
Des Gesanges haben die kleinen Vögel nun abgeschworen,
genau so möchte ich auch mein Singen verstummen lassen.
II
Es soll mich nicht erfassen,
mein Trost und mein lieber Wahn,
ich weiß doch, mit welcher Gnade/Glückseligkeit ich mich trösten kann.
Wohl mag sie verschmähen
meinen Dienst, den ich ihr
lange geleistet habe und den ich stets mit Treue/Gewissenhaftigkeit pflegte.
Dennoch tue ich es noch immer gerne, ich möchte es genießen,
sodass mich die Dorftölpel nicht meines Lohnes verstoßen/berauben.
Dessen ist Uoze greifend und sein roher/rauer Schabernack.
III
Engelwan und Uoze
die zwei sind mir verhasst
(Schaden und Neid muss ich mir von ihnen gefallen lassen)
und der geile Ruoze:
wie teuer er sich vermaß/verschätzte,
(er glaubte), er könne gegen mich durch sie/mit ihrer Hilfe bestehen! Die drei Widersacher
beraten sich und brüten (wie sie es anstellen können), dass ich ohne Lohn bleibe.
Folge nicht ihrer Lehre/ihrem Beispiel, edle Dame, Liebste aller Frauen!
Belohne meine Jahre, lass ihnen Leid durch mich geschehen!
IV
Edle Dame, deine Güte
die erkenne ich so mannigfaltig,
dass ich noch fest auf Liebeslohn von dir hoffe.
Das mich je bedrückten,
diese Gecken/Stutzer (Lexer: spranz ‚der geck, stutzer‘ + sprënzen ‚in verschiedenen farben glänzen‘ + sprenzen ‚sprengen, spritzen‘) und ihre Gewalt,
das war damals mit den Blumen. Nun will mir Engelwan
deine Huld/Gunst stehlen: Das soll ihm misslingen,
so dass hundert Schwerter auf seinem Kopf laut erklingen!
Sie schneiden/stutzen ihn zurecht, sie zerütten/verderben ihm den ?(Holz)Span?
V
Seht euch Engelwan an,
wie hoch er sein Haupt trägt!
Wenn er mit gespanntem (umgeschnallten?) Schwert beim Tanz umhergeht,
so ist er nicht ohne
flämisch-höfisches Gebaren, (flämisch = belgisches Niederländisch + Region)
mit der sein Vater Batze wenig zu schaffen hat.
Nun ist sein Sohn ein widerlicher Trottel mit seiner rohen Haube
Ich vergleiche sein Gepluster mit einer satten Taube,
die mit vollem Kropf auf einem Kornkasten steht.
VI
Wer in seiner Heimlichkeit
je Leib oder Leid gewann,
dem sind meine Sorgen und mein Kummer wohl bekannt.
Seit ich meinen Augen
den Stich nicht verbieten kann,
blicken sie dort hin, wo Ruoze an ihrer Hand tanzt,
ich verlasse kaum/kümmerlich (im Sinne von ‚mit Mühe, schwerlich, schwach, gebrechlich‘), der ich mich selbst nicht entreißen kann:
Solchen Wechsel nehmen, die da umwerben, in ihrem Geschäft.
Minne/Liebesdienst, lass mich frei! Mich bezwingt sehr dein Band.
VII
Minne, deine Schnüre/Fesseln/Bänder
die bezwingen mein Herz,
sodass ich im Kampf wider dich keine Gegenwehr mehr aufbringen kann.
Wie verstohlen rühre ich
die Zimbel deiner Wohnkammer,
so bin ich dessen bezwungen, dass ich dir Huld/ewigen Dienst schwöre.
Frau Minne, deine Gewalt wider mich ist zu streng;
Königin, deine Ungnade/Härte/Strenge verhänge nicht,
damit sich mich nicht verderbe! Ja, ist sie über mich ein her(gefallen.)
Winterlied 24 (Woche 5)
I
Sommer, auf dein süßes Wetter müssen wir (nun) verzichten:
Dieser kalte Winter gibt (nur) Trauern und Sehnen/Sehnsüchte.
Ich werde nicht getröstet von der lieben Wohlgestalteten/Schönen.
Wie soll ich mir diese lange schwere Zeit vertreiben,
die die Heide und viele schöne Blumen verwelkt?
Davon sind die Vögel im Wald gezwungen, dass sie ihr Singen sein lassen müssen.
II
Genau so hat meine edle Dame das Herz mir bezwungen,
dass ich ohne Freude meine Tage verschwenden muss.
Es verfängt (im Sinne von nützt) nichts, was ich ihr lange gesungen habe;
mir ist das genau bekannt, sodass ich fortan stillschweige.
Ich glaube nicht, dass sie den Männern jemals wieder hold/gewogen sein wird.
Wir verlieren, was wir ihr da gesungen und zugeraunt haben, ich und jener Hildebolt.
III
Der ist zurzeit der dümmste unter den geilen Bauernburschen,
er und einer, den man den jungen Willeger nennt:
den konnte ich diesen Sommer nie von ihr abdrängen,
wenn der Tanz gegen Abend auf der Straße hin und her ging.
Manchen schiefen Blick warfen sie mir mit den Augen zu,
sodass ich abgesondert/abseits von meiner guten Absicht vor ihnen beiden jeweils zu einem Schwung (abschweifende, ausweichende Bewegung) gehen musste.
IV
O weh, dass mich so mancher von einem geliebten Platz verdrängt hat
beide von der Guten und auch ehemals anderswo!
Widerwärtig (Lexer: œde adj. bei Neidhart ‚eitel, widerwärtig, dumm, töricht‘) war von ihnen mir zum Trotz gesprungen.
Aufgrund ihrer Gewalt bin ich vorzeitig auf meinem Schopf grau.
Dennoch neigte die Gute sich mich ein wenig über den Schildrand entgegen.
Gern sollt ihr hören, wie die Bauerntölpel gekleidet sind:
üppig (negativ konnotiert, im Sinne von protzig/überflüssig/eitel) ist ihr Gewand.
V
Enge Röcke tragen sie und schmale Kurzmäntel,
rote Hüte, mit Rinken/Schnallen versehen Schuhe, schwarze Beinlinge.
Engelmar tat mir nie so leidvolles bei Vriderune,
so wie die zwei es tun. ich neide ihnen ihr Beutel/Gürteltaschen aus kostbarem Seidenstoff,
die sie tragen: darin liegt eine Wurzel, die Ingwer heißt.
so eine gab Hildebolt der Guten beim Tanz; die zog/stahl ihr Willeger.
Va
Gerne wüsste ich, wie sich die Dörfler unter ihresgleichen trachten/kleiden.
Sie trugen Pickelhauben, dazu lange Schwerter.
Ihre Peinlichkeit, ihr Laster machten sie wahrlich zu einem Laster:
die wurden durch ihre Halskrause mehr als nur halb gewehrt.
Sie stritten miteinander einen ganzen Sommertag lang.
Ihr Gebaren sah Herr Neidhart, als er im Fass beim Wein lag.
VI
Erzählte ich euch nun die Geschichte, was sie miteinander taten,
so weiß ich es doch nicht: ich entfernte mich auf der Stelle.
Jeder begann nach seinen Freunden zu rufen;
einer, der schrie laut: „Hilf, Vater Weregant!“
Er befand sich wahrscheinlich in großen Nöten, als er so nach Hilfe schrie.
Hildebolts Schwester hörte ich ebenso laut schreien: „O weh, mein armer Bruder, weh!“
VIa
Da kam schnell ein Bauernlümmel vom Streit angelaufen:
Den fragte ich nach Neuigkeit. „Willeher kämpft mit großer Kraft.
Hildebolts Kurzmantel, der ist weit aufgerissen
und ebenso sein enger Rock, wohl drei Spannen breit.“
Das geschah wegen einer Wurzel, die man ihm aus der Hand brach/stahl.
Das galt auch für viele schöne hauben, die man beim Tanz zerrissen liegen sah.
VII
Woran soll man mein Geblök/Geplärr fortan erkennen?
Zuvor erkannte man es wohl bei (der Nennung des Wortes) ‚Jammertal‘.
Jetzt soll man mich erst recht so nennen:
Doch ist mir Eigen und Lehen schmal bemessen.
Kind/Mädchen, heißet nun den singen, der jetzt Gewalt über euch hat!
Ich bin schuldlos verstoßen: Mein Freund, nun befreit mich von diesem Namen!
VIII
Ich habe die Gunst meines Herrn schuldlos verloren:
Davon ist mein Herz von Jammer und Trauer voll.
Reicher Gott, so richte es mir nach deiner Güte,
dass ich nicht auch noch meine vielen kostbaren Freunde verliere!
Ich habe in Bayern alles gelassen, dass ich je besaß,
nun ziehe ich nach Österreich und will mich dem werten Ostermann (??) andienen.
IX
Der Wille meiner Feinde ist mir nicht gut ergangen:
Wollte es Gott, so möchte vielleicht noch ein Ausweg erscheinen. (Kommt Zeit, kommt Rat)
In dem Land zu Österreich wurde ich gut/freundlich empfangen
von dem edlen Fürsten, der mich nun mit einem Haus versorgt hat.
Hier, zu Medelick bin ich nun für immer ohne ihrer aller Dank.
Mir ist es leid, dass ich von Eppen und von Gumpen so viel über ‚Reuental‘ vorgesungen habe.
IXa
Herr Neidhart hat uns nun verlassen wie die Krähe den Stecken,
die dahin fliegt und auf der Saat sitzt.
Es soll ein Mann mit fremden Frauen nicht zu viel zecken (spielerisch necken),
der sich selbst überhaupt nicht für schuldig befunden hat.
Er genoss seine tägliche Speise (von der er daheim genug hatte),
lass Hildebolt mit Gemach/Nachsicht! Es war eine Eichel, die er bei sich im Beutel trug.
X
Mit Rädern versehen Sporen trägt Frideprecht, mir zum Leid/Ärger,
ein neues Band (Schwert oder Schild?) hat er, besser als zwei Hände breit.
Rückt er den Hinter-Ring wieder auf die Scheide,
wisset, meine Freunde, das ist mir ein Herzensleid!
Zwei neue Handschuhe zog er uns auf die Ellbogen.
Wollt ihr hören, wie derselbe Gemsbock vor der Lieben neulich beim Tanz floh?
Xa
Er gab Fersengeld, wohl zurecht, als wäre ihm angebunden
eine Schweinsblase, so wie man es bei wilden Hunden tut.
Oft unterbrach er seinen Zelter (Passgang), wie sie es gut fanden,
Hatze und Pletze (plez - Lexer: eingeweide, kaldaunen) und jener, ihr Gefährte Hademuot.
Fragt Engeltrut, wie es um ihren Bruder Fridebrecht steht!
„Ach, ach, er hat sich vor Furcht verrenkt (den Magen verdorben?) “, so hat sie mir gesagt, „der törichte Knecht.“
Xb
Sah aber jemand jenen mit der buntscheckigen Decke/Bedeckung?
Die trägt er auf Händen und klopft auf sein neues Schwert:
damit will er uns des Nachts auf der Gasse erschrecken.
Derselbe hält sich doch tatsächlich für mehr wert als drei Bohnen,
wie er so lärmt und schnaubt, der sehr üble Mann,
und ihm seine Decke geringelt erklingt, dem gleich, als trüge er einen Koller (Kragen/ Halsbedeckung/ Halskrause).
Sommerlied 18 (Woche 4)
I
„Uns will ein Sommer kommen“,
sprach ein Mädchen, „Oh ja, so habe ich den von Reuental vernommen/gehört.
Oh ja, ich will ihn loben.
mein Herz spielt gegen ihn vor Freude, als wollte es toben. (Herzklopfen, Herzrasen)
Ich höre ihn dort singen vor den Kindern.
Oh ja, niemals will ich damit aufhören,
ich springe an seiner Hand zu der Linde.“
II
Die Mutter rief ihr nach;
sie sprach: „Tochter, folge mir, lass es dir nicht hitzig/übermütig werden!
weißt du, wie es geschah
deiner Spielgefährtin Jiute Lauf/Gang (Lebensweg/Lebenslauf), der er ebenso Eide versprach?
Der wuchs von seinem Reigentanz hoch/auf ihr Bauch (wempel = Wampe)
und sie gewann ein Kind, dass sie ‚Lempel‘ (Lemmel von Lamm? Oder Lümmel?) nannte,
genau so lehrte er sie den ‚Gimpelgempel‘ (Lexer: ‚mutwilliger hüpfer, springer, penis‘).“
III
„Mutter, lass es sein!
er sandte mir ein Rosenschapel (Schapel = Schmuckreif aus Blumen oder Metall, der auf dem Haar oder Schleier getragen wird, in diesem Fall wohl ein aus Rosen gewundener Kranz)
das hat lichten/hellen Schein (ist vielleicht doch ein Reif aus Metall gemeint?)
für mein Haupt,
und zwei rote Beinlinge (oder Strümpfe) brachte er mir über den Rhein mit,
die trage ich noch heuer (in diesem Jahr) an meinen Beinen.
worum er mich bat, dass weiß nur ich, niemand sonst.
Oh ja, ich folge eurem Rat auf keinen Fall/niemals.“
IV
Der Mutter war es leid,
dass die Tochter nicht hören wollte/berücksichtigte, was sie ihr vorhersagte;
Es sprach das stolze/hochmütige Mädchen:
„Ich habe mich ihm gelobt (verlobt?), dafür hat er meine Sicherheit/mein Wort.
Was verliere ich da an meiner Ehre?
Oh ja, niemals will ich aufhören,
er muss mich seine geilen (Lexer: adj. von wilder kraft, mutwillig, üppig) Sprünge lehren.“
V
Die Mutter sprach: „Wohl hin/davon/fort!
Ob du’s im Guten oder Bösen einsehen willst, dass ist dein Gewinn:
Du hast keine gute Gesinnung.
Willst du mit Reuental gehen, so bringt er dich genau da hin:
Genau so wird sein Tanzlied dich verkaufen/preisgeben.
Er beginnt dich zu schlagen, stoßen, raufen,
so müssen doch zwei Wiegen bei dir laufen.“
Sommerlied 4 (Woche 3)
I
Heide, Anger, Wald stehen in Freude/Glückseligkeit;
die Hand hat sich (vor)bereitet mit ihrem besten Gewand,
das ihr der Mai gesandt hat.
Seien wir alle
froh mit Schall/Lärm/Echo!
Der Sommer ist in das Land gekommen.
II
Wohl aus der Stube, ihr stolzen (übermütigen) Kinder,
lasst euch auf der Straße sehen! Dahin (vorbei) ist der scharfe Wind
und auch der sehr kalte Schnee.
Hebt euch (begebt euch) schnell
zu dem Wald!
Vögel singen, denn es war Weh/Schmerz.
III
Die machen das Leid ganz vergessen.
Ihr sollt mir`s glauben! Nehmt es selbst wahr,
was der Sommer hervorgebracht hat!
Er will bereichern
sicherlich
viele Bäume mit Laubes Gewand.
IV
Die nun mit großer Vorsorge können,
die sollen bald/rasch ihr bestes Festtagsgewand anlegen,
sie sollen sich darin sehen lassen!
Wir wollen schauen
vor den Auen
wie viele Hände Blumen brechen.
V
So wie Reuental mein eigen sei,
so bin ich doch diesen Sommer frei von allen Sorgen,
seit der Winter dahin/fort ist.
Ich will lehren
die Jungen, zu ehren
die Freude, danach steht mein Sinn.
Winterlied 10 (Woche 2)
I
Als der liebe/freundliche Sommer
Abschied nahm,
da musste man der Tänze
auf dem Anger (Dorfwiese) gänzlich aufhören zu pflegen.
Davon gewann sich Kummer
der Herr Gunderam:
der musste auch sein müßiges Umherlaufen (Umherstromern)
da unterlassen.
Der ist Würfelmeister (Aufseher/Schiedsrichter beim Würfelspiel) diesen Winter:
ein anderer Kuckuck/Tor/Narr ist in dem Land nicht;
sein ‚Gassenräumer‘ gafft zu allen Zeiten wohl zum Hintern.
II
Was er an den Maiden/Mädchen
Unanständiges da begeht,
ehe das meine Frau Glocke
vollendet ihr Gebot!
Er ist sehr ungezogen/rücksichtlos/ruchlos,
welcher er (gerade) nahesteht,
die wird von Schlägen hell/bleich
und meidet den Spott/Scherz;
Deshalb ließen alle ihren Schmunzelmund (das gegenseitige Necken/Herumalbern)
den die Jungen nicht verheimlichen konnten!
Das hat ihre Hand von solcher Meisterschaft (Überwachung) sehr schmerzhaft empfunden.
III
Immer wenn man feiert,
so erheben sie sich da
mit einer Versammlung,
der ich sehr wohl Schaden gönne.
Werenbrecht, der leiert (spielt die Leier),
so trommelt Sigemar.
Das ihnen das misslingt,
das läge doch eben an!
Das kann sich doch sehr leicht (höchst wahrscheinlich) verkehren:
wollet ihr das Getöse nicht vermeiden (bleiben lassen),
so können sich zwei an meiner Amtsträger-Rute sehr stark schneiden.
IV
Komme ich zu einem Tanz,
bei dem alle beigingen/mitmachten,
da wurde daraus ein Spiel von Hand
mit beiden Ecken zwei.
Vielleicht fiele ein Glückswurf,
dass vor mir lägen drei.
Ich hielt es ohne Wende (für unabänderlich),
(jedoch) vertauschte es einer früh.
Sieg und Glück würden mir helfen gewinnen,
dass sie zur Hälfte müssten entrinnen (davonlaufen),
nun sollen sie abziehen und ihr ausgelassenes Treiben auflösen!
V
Seine Weidegänge,
die verewigen mich grau,
wenn er den Kopf wendend (Lexer: den kopf in eitler, hochmütiger, trotziger weise ab- oder umwendend) vor meiner Herrin geht (stolziert).
Treibt er es in die Länge,
besteht/bleibt er dann dabei,
so hilft man ihm aus dem Keuchen,
dass er sehr traurig dasteht.
Er und etliche seiner Gesellen,
die ich tanzend an ihrer Hand erwische,
dessen sei gewiss, ich schlage ihn, dass ihm offen steht eine Elle (ein Loch/eine Wunde, so lang und breit wie eine Elle).
VI
Ihm hilft nicht seine Jacke/sein Wams,
noch sein Haubenhut (eine Art Helm),
es wird ihm darin getränkt, (der Helm wird mit Flüssigkeit gefüllt, sein Kopf darin getaucht?)
er zog ihr einen Ball (Diu Krone: boese nâchrede trîbet man sam einen bal - ‚einen Ball nach sich ziehen‘, ist hier womöglich ein Sprichwort gemeint, dass so viel bedeutet wie ‚jemandem üble Nachrede bescheren‘?)
Er ist ein törichter Laie;
sein dummer Verstand
wird ihm da gekränkt.
Will er vor Reuental,
hin und her so viel scharwenzeln,
so wird er wohl zerzaust/zerrissen unter Vieren.
Herr Werenbrecht, was kann ich dafür, wenn er davon taumelnd/schwankend wird?
VIa
Die Klingen will ich
um meine Seiten tragen,
so darf mir durch meinen Korb (oder Trommel?)
niemand stechen.
Er muss sehr weit springen:
ergriffe ich ihn mit dem Schlag
ich schlüge ihn, dass er dummer
schaut, nimmer (nie wieder) hell/klar.
ich helfe ihm mit dem Körper in die Asche,
und schlage ihn willentlich mit einer Flasche,
dass ihm die Hunde das (verspritzte) Hirn von der Erde lecken können.
VIb
Herr Neidhart hat gesungen,
dass ich ihn hassen will,
um meines Verwandten willen,
dessen Verwandter, den er beleidigte.
Ließ er es unbezwungen!
Es ist ihm gänzlich/völlig zu viel.
Enthielte er sich seiner Grillen (Grille = sehr sonderbarer, schrulliger Gedanke, Einfall)
und hätte auch der Gewalt!
Es ist ein Schelten/Tadeln, dass mich freuen lässt.
Wird die Amtsträger-Rute mir gewetzt,
so trenne ich ihn auf (aufschneiden?), dass man gut und gerne einen Sessel/Schemel in ihn setzen könnte.