Entdeckung von Tristan und Isolde in flagranti (Gottfried von Straßburg, Tristan): Unterschied zwischen den Versionen
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*Das Liebespaar wird um die Mittagsstunde (''ez was an einem mitten tage'' (V. 18126)) herum entdeckt, eine Tageszeit, die oft mit dem Sündenfall in der Bibel assoziiert wird.<ref name="test">Wharton, Janet: "Daz lebende paradis? A consideration of the love of Tristan and Isot in the light of the "huote" discourse", in: ''Gottfried von Strassburg and the medieval legend: papers from an Anglo-North American symposium'', hg. von Brewer, Cambridge 1990 S. 143-154, hier S.143.</ref> | *Das Liebespaar wird um die Mittagsstunde (''ez was an einem mitten tage'' (V. 18126)) herum entdeckt, eine Tageszeit, die oft mit dem Sündenfall in der Bibel assoziiert wird.<ref name="test">Wharton, Janet: "Daz lebende paradis? A consideration of the love of Tristan and Isot in the light of the "huote" discourse", in: ''Gottfried von Strassburg and the medieval legend: papers from an Anglo-North American symposium'', hg. von Brewer, Cambridge 1990 S. 143-154, hier S.143.</ref> | ||
Beim Vergleich der Version Gottfrieds mit der Version des Thomas wird offensichtlich, dass Gottfried die Entdeckungs-Szene grundlegend verändert hat, um stärkere Parallelen zum biblischen Sündenfall und der Vertreibung aus dem Paradies herauszuarbeiten. Gottfried beschreibt das Treffen im Garten als ein einmaliges, in seiner Art einzigartiges Ereignis, es lässt sich nicht in eine Reihe von gleichartigen Treffen einordnen. Das Treffen kommt nicht auf Wunsch von Tristan zustande, sondern Isolde ist es, die Tristan zu dem Treffen anstiftet. (V. 18135-18161). | Beim Vergleich der Version Gottfrieds mit der Version des Thomas wird offensichtlich, dass Gottfried die Entdeckungs-Szene grundlegend verändert hat, um stärkere Parallelen zum biblischen Sündenfall und der Vertreibung aus dem Paradies herauszuarbeiten.<ref name="verändert">Wharton, Janet: "Daz lebende paradis? A consideration of the love of Tristan and Isot in the light of the "huote" discourse", in: ''Gottfried von Strassburg and the medieval legend: papers from an Anglo-North American symposium'', hg. von Brewer, Cambridge 1990 S. 143-154, hier S.143.</ref> | ||
Gottfried beschreibt das Treffen im Garten als ein einmaliges, in seiner Art einzigartiges Ereignis, es lässt sich nicht in eine Reihe von gleichartigen Treffen einordnen. Das Treffen kommt nicht auf Wunsch von Tristan zustande, sondern Isolde ist es, die Tristan zu dem Treffen anstiftet. (V. 18135-18161). | |||
Die Rezipienten des Romans sind bereits durch die Beschreibung des Sündenfalls im ''huote''-Exkurs (V. 17933-17960) für das Thema sensibilisiert, sodass es leichtfällt, in der Gartenszene wiederum Parallelen zum biblischen Sündenfall wiederzuerkennen. | Die Rezipienten des Romans sind bereits durch die Beschreibung des Sündenfalls im ''huote''-Exkurs (V. 17933-17960) für das Thema sensibilisiert, sodass es leichtfällt, in der Gartenszene wiederum Parallelen zum biblischen Sündenfall wiederzuerkennen. | ||
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Wharton, Janet: "Daz lebende paradis? A consideration of the love of Tristan and Isot in the light of the "huote" discourse", in: ''Gottfried von Strassburg and the medieval legend: papers from an Anglo-North American symposium'', hg. von Brewer, Cambridge 1990 S. 143-154. | Wharton, Janet: "Daz lebende paradis? A consideration of the love of Tristan and Isot in the light of the "huote" discourse", in: ''Gottfried von Strassburg and the medieval legend: papers from an Anglo-North American symposium'', hg. von Brewer, Cambridge 1990 S. 143-154. |
Version vom 1. Februar 2011, 23:05 Uhr
Die Sündenfall-Metaphorik in der Entdeckungsszene
Das Treffen zwischen Tristan und Isolde im Garten wird so von Gottfried dargestellt, dass es starke Parallelen zum biblischen Sündenfall und der Vertreibung aus dem Paradies (1. Mose 3) aufweist:
- Tristan und Isolde werden mit Adam und Eva verglichen (nu tete er rehte als Âdam tete. / daz obez, daz ime sîn Êve bôt, / daz nam er und az mit ir den tôt. V. 18162-18164).
- Die Entdeckung findet in einem Garten statt.
- Das Liebespaar wird um die Mittagsstunde (ez was an einem mitten tage (V. 18126)) herum entdeckt, eine Tageszeit, die oft mit dem Sündenfall in der Bibel assoziiert wird.[1]
Beim Vergleich der Version Gottfrieds mit der Version des Thomas wird offensichtlich, dass Gottfried die Entdeckungs-Szene grundlegend verändert hat, um stärkere Parallelen zum biblischen Sündenfall und der Vertreibung aus dem Paradies herauszuarbeiten.[2] Gottfried beschreibt das Treffen im Garten als ein einmaliges, in seiner Art einzigartiges Ereignis, es lässt sich nicht in eine Reihe von gleichartigen Treffen einordnen. Das Treffen kommt nicht auf Wunsch von Tristan zustande, sondern Isolde ist es, die Tristan zu dem Treffen anstiftet. (V. 18135-18161).
Die Rezipienten des Romans sind bereits durch die Beschreibung des Sündenfalls im huote-Exkurs (V. 17933-17960) für das Thema sensibilisiert, sodass es leichtfällt, in der Gartenszene wiederum Parallelen zum biblischen Sündenfall wiederzuerkennen. Die Entdeckung im Garten des Hofs weckt die Erinnerung an die Entdeckung in der Minnegrotte. Beide Male werden Tristan und Isolde von Marke entdeckt. Interessanterweise tauchen als Motiv in beiden Szenen zwei Sonnen auf: In der Minnegrotte wird Isolde als Sonne bezeichnet, deren Strahlen sich mit den Strahlen der echten Sonne vermischen (Diu sunne und diu sunne / die haeten eine wunne V. 17576-17577). In der Gartenszene befindet sich Isolde nicht länger im Einklang mit dem natürlichen Sonnenschein; stattdessen ist sie geplagt von zweier hande sunnen schîn (V. 18129), der Sonne und der Liebe.
Tristan und Isoldes Zusammenleben in der Minnegrotte wird als paradiesisch dargestellt. Vergleicht man beide Szenen miteinander, erscheint die Minnegrotte als das Paradies und die Gartenszene als die Vertreibung aus diesem Paradies.
Interpretation der Sündenfall-Metaphorik
Dass die Entdeckung durch Marke metaphorisch auf die Vertreibung Adam und Evas aus dem Paradies hinweist, kann so interpretiert werden, dass die Liebe zwischen Tristan und Isolde von Natur aus sündhaft ist. Das erzwungene Verlassen des Paradieses von Adam und Eva würde der erzwungenen Beendigung des Liebenverhältnisses zwischen Tristan und Isolde gegenüberstehen. Adam und Evas Sündhaftigkeit würde demnach eine Sündhaftigkeit bei Tristan und Isolde implizieren; wahrscheinlich die Unrechtmäßigkeit ihrer Beziehung.
Andererseits kann die metaphorische Verbindung auch so interpretiert werden, dass Isolde eine von Natur aus gute Person ist, das jedoch ihre Vorstellung von Liebe eine Idealvorstellung ist, die sie unglücklicherweise in Konflikt bringt mit der Kontrolle, der sie ausgesetzt ist. Nicht ihr Charakter, sondern die von außen gesetzten Kontrollen würden Isolde demnach ins Unglück stürzen. Auch Eva scheint das Verbot, vom Baum der Erkenntnis zu essen, eher als Anreiz es dennoch zu tun, denn als Abschreckung.
Für die zweite Interpretation spricht, dass Gottfried sich im Roman gegen eine Kontrolle der Frauen ausspricht (er bezeichnet die Bewachung als diu vîndin der minne V. 17849, und in V. 17922-17924 sagt er: huote ist ein übel minnen site. / si quicket schedelîchen zorn. / daz wîp ist gâr dermite verlorn.). Außerdem plädiert er dafür, den Frauen allen Freiraum zu lassen, solange sie dem Mann nichts verheimlichen (V. 17783-17791). Da Gottfried im huote-Exkurs auch eine Sündenfall-Metaphorik verwendet (siehe V. 17932-17960), kann sein Plödoyer gegen eine Kontrolle der Frau und gegen Verbote wiederum auch auf den Sündenfall in der Bibel rückbezogen werden. Gottfried würde demnach das Verbot, vom Baum der Erkenntnis zu essen, sowie die Kontrolle durch Gott kritisieren. Gottfried müsste in der Entdeckungsszene eine grundlegend andere Meinung gegenüber Kontrollinstanzen vertreten als er es im huote-Exkurs tut, um dem Rezipienten letztlich darzulegen, dass Isolde sündhaft handelt. Insofern scheint die zweite Interpretation in dieser Hinsicht gegenüber der ersten plausibler.
Die Frage nach einer bestimmten Absicht der Sündenfall-Metaphorik in der Gartenszene kann jedoch nicht entgültig geklärt werden, da ein relativ großer Interpretationsspielraum bestehen bleibt.
- ↑ Wharton, Janet: "Daz lebende paradis? A consideration of the love of Tristan and Isot in the light of the "huote" discourse", in: Gottfried von Strassburg and the medieval legend: papers from an Anglo-North American symposium, hg. von Brewer, Cambridge 1990 S. 143-154, hier S.143.
- ↑ Wharton, Janet: "Daz lebende paradis? A consideration of the love of Tristan and Isot in the light of the "huote" discourse", in: Gottfried von Strassburg and the medieval legend: papers from an Anglo-North American symposium, hg. von Brewer, Cambridge 1990 S. 143-154, hier S.143.
Literatur
Wharton, Janet: "Daz lebende paradis? A consideration of the love of Tristan and Isot in the light of the "huote" discourse", in: Gottfried von Strassburg and the medieval legend: papers from an Anglo-North American symposium, hg. von Brewer, Cambridge 1990 S. 143-154.