Egoismus (Reinhart Fuchs): Unterschied zwischen den Versionen

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==== Einordnung in den Kontext der Erzählung ====
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Als Reinhart bei einem Rundgang einen Brunnen entdeckt, blickt er in diesen hinein und glaubt, darin seine geliebte Frau zu sehen (vgl. RF, V. 830-840). Die Liebe zu seiner Frau veranlasst den Fuchs schließlich dazu, in den Brunnen zu springen, in welchem er anschließend festsitzt (vgl. RF, V. 847-857). Als Isengrin sich dem Brunnen nähert, blickt auch er in diesen hinein und nimmt fälschlicherweise an, dass Hersant, seine Frau, darin sei (vgl. RF, V. 858-872). Reinhart ergreift seine Chance und nutzt die Leichtgläubigkeit des Wolfs, um sich aus den Tiefen des Brunnen zu befreien: Er gibt vor, tot zu sein, und behauptet, dass seine Seele im Himmel sei (vgl. RF, V. 882-892). Reinhart beschreibt außerdem ein Paradies, in dem es alles gibt, was das Herz begehrt, worauf der Wolf, nicht ahnend, dass es sich um eine List handelt, den Wunsch äußert, ebenfalls in dieses Paradies zu kommen (vgl. RF, V. 919-927). Daraufhin sagt Reinhart ihm, was er dafür tun zutun hat:
Als Reinhart bei einem Rundgang einen Brunnen entdeckt, blickt er in diesen hinein und glaubt, darin seine geliebte Frau zu sehen (vgl. RF, V. 830-840). Die Liebe zu seiner Frau veranlasst den Fuchs schließlich dazu, in den Brunnen zu springen, in welchem er anschließend festsitzt (vgl. RF, V. 847-857). Als Isengrin sich dem Brunnen nähert, blickt auch er in diesen hinein und nimmt fälschlicherweise an, dass Hersant, seine Frau, darin sei (vgl. RF, V. 858-872). Reinhart ergreift seine Chance und nutzt die Leichtgläubigkeit des Wolfs, um sich aus den Tiefen des Brunnen zu befreien: Er gibt vor, tot zu sein, und behauptet, dass seine Seele im Himmel sei (vgl. RF, V. 882-892). Reinhart beschreibt außerdem ein Paradies, in dem es alles gibt, was das Herz begehrt, worauf der Wolf, nicht ahnend, dass es sich um eine List handelt, den Wunsch äußert, ebenfalls in dieses Paradies zu kommen (vgl. RF, V. 919-927). Daraufhin sagt Reinhart ihm, was er dafür zutun hat:


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Dank der Dummheit des Wolfes ist es Reinhart gelungen, sich aus dem Brunnen zu befreien. Isengrin, dem der Fuchs seine Freiheit zu verdanken hat, sitzt nun an dessen Stelle im Brunnens fest und wird dort von Reinhart zurückgelassen (vgl. RF 943-954). 
==== Bedeutung der Szene ====
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Version vom 15. Februar 2021, 16:52 Uhr

Dieser Artikel befasst sich mit dem Egoismus und seiner Rolle als Handlungsmotiv in dem von Heinrich dem Glîchezâren verfassten Tierepos Reinhart Fuchs [1]. Im Zentrum der Betrachtung stehen dabei insbesondere der Protagonist der Erzählung, Reinhart Fuchs, selbst sowie der Löwenkönig und die Wölfe.


Definition

Bevor die Rolle des Egoismus im Reinhart Fuchs analysiert werden soll, gilt es zunächst, den Begriff des Egoismus genauer zu definieren. Etymologisch stammt der Begriff vom lateinischen Wort ego, was mit „ich“ zu übersetzen ist und uns bereits eine Vorstellung von der Bedeutung des Begriffs gibt. Der Duden definiert Egoismus wie folgt: “Haltung, die gekennzeichnet ist durch das Streben nach Erlangung von Vorteilen für die eigene Person, nach Erfüllung der die eigene Person betreffenden Wünsche ohne Rücksicht auf die Ansprüche anderer“ [Dudenredaktion 2020]. Die Definition des Egoismus enthält also zwei zentrale Aspekte: [1] die Erfüllung der eigenen Wünsche als Motiv des eigenen Handelns und [2] die fehlende Rücksicht auf die Ansprüche anderer. Egoistisch handelt demnach also derjenige, der dies mit dem Ziel der Erfüllung der eigenen Wünsche oder Bedürfnisse tut und dabei keinerlei Rücksicht auf die Ansprüche anderer nimmt. Als Synonyme zum Egoismus listet der Duden daher unter anderem Begriffe wie Eigenliebe, Eigennutz, Eigensucht, sowie Ichbezogenheit. Wie Egoismus sich nun genau äußerst und welche Rolle er im Reinhart Fuchs einnimmt, soll nun im Weiteren erörtert werden.


Reinhart Fuchs

Die Brunnenszene

Einordnung in den Kontext der Erzählung

Als Reinhart bei einem Rundgang einen Brunnen entdeckt, blickt er in diesen hinein und glaubt, darin seine geliebte Frau zu sehen (vgl. RF, V. 830-840). Die Liebe zu seiner Frau veranlasst den Fuchs schließlich dazu, in den Brunnen zu springen, in welchem er anschließend festsitzt (vgl. RF, V. 847-857). Als Isengrin sich dem Brunnen nähert, blickt auch er in diesen hinein und nimmt fälschlicherweise an, dass Hersant, seine Frau, darin sei (vgl. RF, V. 858-872). Reinhart ergreift seine Chance und nutzt die Leichtgläubigkeit des Wolfs, um sich aus den Tiefen des Brunnen zu befreien: Er gibt vor, tot zu sein, und behauptet, dass seine Seele im Himmel sei (vgl. RF, V. 882-892). Reinhart beschreibt außerdem ein Paradies, in dem es alles gibt, was das Herz begehrt, worauf der Wolf, nicht ahnend, dass es sich um eine List handelt, den Wunsch äußert, ebenfalls in dieses Paradies zu kommen (vgl. RF, V. 919-927). Daraufhin sagt Reinhart ihm, was er dafür zutun hat:

Mittelhochdeutsch Übersetzung
‚in den eimer solt du sizzen.’ „Du mußt dich in den Eimer setzen.“
umbe den sot was ez so getan, Mit dem Brunnen hatte es aber folgendes auf sich:
swenne ein eimer begunde in gan, Ging ein Eimer hinab,
daz ein ander uz gie. so kam der andere hoch.
Isingrin niht enlie, Isengrin zögerte nicht,
als in sin gevatere lerte, nach seines Gevatters Wunsch zu handeln.
wider ostert er sich kerte. Er wandte sich gegen Osten;
daz kam von unwizzen. Das tat er ohne jeden Verstand.
in den eimer gienc er sizzen. Schon setzte er sich in den Eimer.
Reinhart sin selbes niht vergaz, Reinhart vergaß nicht sich und seine Situation
in den undirn er do gesaz. und setzte sich in den unteren.

(RF, V. 932-942)

Die Szene schildert wie Reinhart Isengrin benutzt, um sich selbst aus einer misslichen Lage zu retten. Dafür weist er den Wolf dazu an, sich in den oberen Eimer zu setzen, was dieser, seinem Vetter vertrauend und nicht wissend, wie der Brunnen funktioniert, auch tut. Reinhart setzt sich unterdessen in den unteren Eimer.

Nachfolgende Handlung

Dank der Dummheit des Wolfes ist es Reinhart gelungen, sich aus dem Brunnen zu befreien. Isengrin, dem der Fuchs seine Freiheit zu verdanken hat, sitzt nun an dessen Stelle im Brunnens fest und wird dort von Reinhart zurückgelassen (vgl. RF 943-954).

Bedeutung der Szene

Die vermeintliche Heilung

Zwischenfazit


Die Wölfe

Nicht nur die Täter der Erzählung (s. Reinhart und Vrevel) zeigen egoistische Züge und Motivationen auf sondern auch die eigentlich primär als Opfer wahrgenommenen Wölfe Isengrin und Hersant. Der Egoismus der Wölfe zeigt sich dabei insbesondere in ihrem (zu Beginn noch) freundschaftlichen Verhältnis zu Reinhart, das bei der Aussicht auf Essen jedoch nur allzu schnell in Vergessenheit gerät. Die Freundschaft zwischen Fuchs und Wolf ist daher kritisch zu betrachten, denn diese dient für beide dem Zweck der Erfüllung von Elementarbedürfnissen (vgl. [Bertau 1983: 20]) und ist somit beidseitig egoistisch motiviert. Fuchs und Wolf verfolgen dabei unterschiedliche Ziele: “dem Wolf [geht es] ums Fressen, dem Fuchs ums Vögeln, das er modisch minne nennt" [Bertau 1983: 20]. Um den Egoismus der Wölfe besser beurteilen zu können, gilt es daher zunächst den Betrug an ihrem Vetter zu betrachten.

Der Betrug der Wölfe

Wie zuvor erwähnt befinden sich Reinhart und die Wölfe zunächst in einem freundschaftlichen Verhältnis, welches mit Freundschaft, angesichts der egoistischen Motivation aller Beteiligten, jedoch nur wenig gemein hat. Besonders deutlich wird dies anhand der folgenden Szene, die veranschaulicht, dass Freundschaft für die Wölfe spätestens beim Essen aufhört. Denn obwohl die Wölfe die Beute nur mithilfe von Reinhart ergattern, wird dieser anschließend um seinen Anteil betrogen (vgl. [Bertau 1983: 20]).

Einordnung in den Kontext der Erzählung

Nachdem Reinhart die Wölfe davon überzeugte, dass sie gemeinsam aufgrund seiner Schlauheit und ihrer Stärke unbesiegbar wären, fassen die Wölfe den Entschluss, ihn in ihre Familie aufzunehmen (vgl. RF, V. 396-406). Was Isengrin jedoch nicht weiß, ist, dass Reinhart bereits bei der ersten Gelegenheit um seine Frau, Hersant, wirbt – diese weist den Fuchs jedoch entschieden zurück (vgl. RF, V. 415-433). Isengrin kehrt hungrig zurück und klagt darüber, wie schwer die Nahrungssuche momentan sei (vgl. RF, V. 440-448). Daraufhin schmiedet Reinhart einen Plan um den Schinken des Bauers zu stehlen – ein Plan, der dank der Klugheit des Fuchses auch gelingt (vgl. RF, V. 453-487).Dafür täuscht Reinhart vor, verletzt zu sein, um den Bauern abzulenken und Isengrin so zu ermöglichen, den Schinken zu stehlen (vgl. RF, V. 460-470).

Mittelhochdeutsch Übersetzung
Ysingrin hub sich balde: Isengrin machte sich rasch auf den Weg:
e dan der gebure mochte wider kumen, Ehe der Bauer zurückkommen konnte,
so hat er den bachen genumen hatte er den Schinken weggenommen
und hat in schire vressen. und ihn schleunigst verschlungen.
Reinhartes wart vergessen. An Reinhart dachte keiner.
[...] [...]
Reinhart quam spilinde unde geil, Reinhart näherte sich ganz vergnügt
er sprach: ,wa ist hin min deil?’ und meinte: „Wo ist mein Anteil geblieben?“
do sprach Ysengrin: Isengrin antwortete:
,vrege di gevatern din, „Frag doch deine Gevatterin,
ob si iht habe behalten, des ir wart.’ ob sie noch etwas von dem übrig hat, was ihr zustand.“
‚nein ich‘, sprach si, ‚Reinhart, „Nein“, sagte diese, „Reinhart,
iz duchte mich vil suze.’ ich fand es gar zu schmackhaft!“

(RF, V. 470-495)

Die Textstelle schildert wie es Isengrin, dank Reinharts Täuschung, erfolgreich gelingt, den Schinken des Bauers zu stehlen. Doch als Reinhart zu den Wölfen zurückkehrt, um seinen Anteil zu beanspruchen, muss er feststellen, dass die Wölfe diese bereits gänzlich verschlungen haben.

Nachfolgende Handlung

Der Betrug der Wölfe zieht schwerwiegende Konsequenzen nach sich: er bildet den Ausgangspunkt einer “über viele Stationen verlaufende Rache des Fuchs' Reinhart am Wolf Isengrin“ [Mecklenburg 2017: 74], die erst mit der vollkommenen Verstümmelung des Wolfes am Hoftag ein Ende nimmt.

Bedeutung der Szene

Die Szene ist nicht nur hinsichtlich der Thematik des Egoismus sondern auch für den allgemeinen Verlauf der Erzählung von großer Bedeutung. Zum einen offenbart der Betrug der Wölfe deren Egoismus, da diese “damit das durch die Gevatterschaft begründete triuwe-Verhältnis zwischen den dreien“ [Mecklenburg 2017: 95] brechen. Zum anderen bildet dieser Vertrauensbruch gleichzeitig auch den Ausgangspunkt der “über viele Stationen verlaufende[n] Rache des Fuchs'" [Mecklenburg 2017: 74], die in vielerlei Hinsicht ausschlaggebend für den weiteren Handlungsverlauf ist.

Zwischenfazit


Der Löwenkönig Vrevel

Ins Zentrum der Erzählung tritt der Egoismus insbesondere mit der Figur des königlichen Löwen Vrevels, dessen Namen uns bereits einen gelungenen ersten Eindruck vom Charakter des Königs bietet. „Vrevel“ trägt nämlich nicht nur in unserem heutigen Sprachgebrauch negative Konnotationen sondern auch bereits im Mittelhochdeutschen: „vrevel hat im Mittelhochdeutschen zwar noch nicht die moderne Bedeutung ‚Untat‘, bezeichnet aber durchwegs negative Qualitäten: ‚Herrschsucht‘, Frechheit’, ‚Leichtfertigkeit‘, ‚Rechtsbeugung‘“ [Ruh 1980: 23]. Auch Bertau stellt diese Verbindung her – er ordnet dem Namen zwar andere, grundsätzlich jedoch nicht weniger negativ besetzte Bedeutungen zu: „Vrevel – der Name heißt „kühn“, „gewalttätig“, „rücksichtslos““[Bertau 1983: 21]. Den Bedeutungen seines Namens wird der Löwe dabei mehr als gerecht, denn an vorderster Stelle steht für den König die Erfüllung seiner eigenen Bedürfnisse und Wünsche: die Sicherung seiner Macht und die Heilung seiner vermeintlichen Krankheit. Zum Zweck der Erfüllung dieser Wünsche und Bedürfnisse heiligt der König bereitwillig alle Mittel, ohne auch nur die geringste Rücksichtsnahme auf seine Untertanen. Besonders ersichtlich werden die egoistischen Züge des Löwen in der Ameisenepisode sowie dem daraus resultierenden Hoftag, den der König kurzerhand für seine eigene Heilung missbraucht. Um ein besseres Verständnis für den Egoismus des Königs gewinnen zu können, gilt es die genannten Szenen im Folgenden genauer zu betrachten und analysieren.

Die Ameisenepisode

Wie bereits erwähnt äußert sich der Egoismus des Königs vor allem in seinem Wunsch nach Heilung, für die er alles (und jeden) zu opfern bereit ist. Allerdings trägt nicht nur die Heilung des Königs egoistische Züge, sondern auch bereits dessen vermeintliche Erkrankung. Denn bei dem Leiden des Löwen handelt sich nicht etwa um eine Krankheit, sondern um die Rache des Ameisenkönigs, dessen Volk der Löwe zuvor "mit brutaler, maßloser Gewalt [...] dezimiert hat" [Neudeck 2017: 21]. Anlass für die Gewalt des Löwen ist dabei, dass sich das Ameisenvolk weigert, sich dem tyrannischen Herrscher zu unterwerfen. Dies rächt der Löwenkönig, indem er ihre Festung, den Ameisenhaufen, zerstört und über tausend von ihnen ermordet und noch weitere verletzt (RF, V. 1255-1265). Die gewaltsame Vorgehensweise des Königs erscheint dem Leser dabei als unverhältnismäßig und nicht gerechtfertigt, da diese einzig und allein der Sicherung seines “willkürlichen Herrschaftsanspruchs" [Neudeck 2017:21] dient und somit äußerst egoistisch motiviert ist. Als weitaus verständlicher und gerechter erscheint hingegen die Rache des Ameisenkönigs: dieser kriecht dem Löwen ins Ohr und dringt bis in dessen Gehirn ein, was den König zu der Annahme führt, dass er unter einer Krankheit leide. Die Ursache der Krankheit vermutet der König dabei nicht etwa in seinem gewaltsamen Vorgehen gegen die Ameisen sondern in einer Bestrafung Gottes für das Nichtabhalten des Hoftags (RF, 1300-1320). Man könnte daraus also schlussfolgern, dass der Egoismus des Löwen – und damit letztendlich der Löwe selbst – schuld an dessen Erkrankung ist.

Die egoistische Heilung

Einordnung in den Kontext der Erzählung

Bereits die Einberufung des Hoftags trägt egoistische Züge, da diese als Folge der Erkrankung des Königs erfolgt, der diese irrtümlicherweise als Bestrafung Gottes für das Nichtabhalten des Hoftages deutet. Die Ursache seiner Erkrankung liegt allerdings in der vorangehenden Ameisenepisode, in der der tyrannische König aus Herrschsucht die Festung der Ameisen vernichtet. Dieses Unrecht rächt der Ameisenherr, indem er dem ahnungslosen Vrevel ins Ohr springt und ins Gehirn dringt, was vom König schließlich als Krankheit und Bestrafung Gottes gedeutet wird. Die Einberufung des Hoftags ermöglicht dabei die Klage gegen Reinhart, den es dem Gesetz nach dreimal vorzuladen gilt. Als Reinhart schließlich am Hof erscheint, überzeugt er den König durch eine List, dass er eine Heilung für seine Krankheit gefunden habe, worauf der Hoftag nicht mehr der Rechtssprechung, sondern ausschließlich der Heilung des Königs dient. Diese Heilung bestünde dabei unter anderem aus Haut und Fell all derjenigen Tiere, die sich im bisherigen Verlauf der Erzählung als Kontrahenten des Fuchses erwiesen haben.

Mittelhochdeutsch Übersetzung
der kunic hiez si begrifen Der König ließ sie
vil mangen sinen starken kneht. von vielen starken Dienern ergreifen.
man schinte si, ouch wart Dipreht Man zog ihnen das Fell ab, und auch Dieprecht
beschindet also harte. erging es so.
daz quam von Reinharte. Das alles hatte Reinhart ins Werk gesetzt.
der sprach: ,ditz ist wol getan. Er sagt: "So ist es in Ordnung.
ein versoten hun sul wir han Jetzt brauchen wir ein gekochtes Huhn
mit gutem specke eberin.' mit feinem Eberspeck."
der kunic sprach: ,daz sol vor Pinte sin.' Der König befahl: "Das muss Frau Pinte sein."
der kunic hiez hervur stan Er ließ Scantecler vortreten
Scanteclern, er sprach: ,ich mvz han und sagte: "Ich brauche
zu einer arztie din wip.' deine Gattin für eine Kur."
,neina, herre, si ist mir als min lip "Nein, Herr, sie bedeutet mir mein Leben.
ezzet mich unde lazet si genesen!' Verzehrt mich lieber selbst und laßt sie gesund!"
Reinhart sprach: ,des mag niht wesen.' Reinhart entgegnete: "Das geht nicht."
der kunic hiez Pinten vahen, Der König ließ Pinte fangen,
Scantecler begonde dannen gahen. Scantecler eilte weg.

(RF, V. 1930-1946)


Die Textstelle beschreibt, wie sowohl der Wolf Isengrin, als auch der Bär Brun und der Kater Dieprecht dazu gezwungen werden, ihr Fell der Heilung des Königs zu opfern. Reinhart behauptet daraufhin, dass außerdem ein gekochtes Huhn und Eberspeck Teil der Heilung seien, worauf der König Scantecler um seine Frau bittet und diese schließlich – trotz Scanteclers Bitte, ihn selbst anstelle seiner Frau zu nehmen – einfangen lässt.

Nachfolgende Handlung

Mit der Schändung Isengrins, Bruns, Dieprechts und Frau Pintes ist es nicht getan: im Anschluss an die Szene werden außerdem auch noch Eber, Hirsch und Biber misshandelt. Reinhart heilt den König schließlich von seiner angeblichen Krankheit, jedoch nicht etwa mit den von ihm zuvor für notwendig erklärten Mitteln, sondern indem er den Ameisenherr mit heißen Umschlägen aus dem Kopf des Königs zwingt. Die Erzählung endet jedoch nicht mit der Heilung des Königs, sondern mit dessen Tod, der von Reinhart mittels eines Gifttranks herbeigeführt wird.

Bedeutung der Szene

Die hohe Relevanz der beschriebenen Szene besteht darin, dass sie den stark ausgeprägten Egoismus des Löwenkönigs offenbart, der seine eigene Gesundheit und Heilung bereitwillig über das Wohl seiner Untertanen stellt. Dient der Hoftag zu Beginn zumindest noch augenscheinlich der Rechtssprechung, so wird die egoistische Motivation des Königs spätestens nach der Ankunft des Fuchses ersichtlich, mit der “die Gerichtsszene in die Verarztung Vrevels umfunktioniert" wird [Ruh 1980: 25]. Auch Neudeck beschreibt, wie mit dem Erscheinen des Fuchses auch der Egoismus des Königs zunehmend in den Vordergrund der Handlung rückt: “Sobald dieser [Reinhart] – verkleidet als Pilger und Arzt – doch noch erscheint und Heilung verspricht, bricht sich der Egoismus des kranken Herrschers Bahn" [Neudeck 2017: 21]. Das Interesse des Königs gilt fortan also nicht der Gerechtigkeit für seine Untertanen, sondern einzig und allein dem als Arzt verkleideten Fuchs und der damit verbundenen Aussicht auf Heilung. Das egoistische Vorgehen des Königs führt daher zu der Charakterisierung des Löwen als “defizitäre[n] Herrscher, für den die Reichweite des Rechts mit der eigenen Betroffenheit endet" [Neudeck 2017: 22]. Dieser Egoismus wird auch von Ruh diagnostiziert, der Vrevel als zugleich "lächerlich-würdelose[n] wie tyrannisch-willkürliche[n]" [Ruh 1980: 23] sowie "verachtungswürdige[n] König" [Ruh 1980: 27] charakterisiert: "Besonders schlimm steht es mit der triuwe des königlichen Löwen: er opfert seine treuesten Diener seiner Gesundheit." [Ruh 1980: 30]

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Fazit


Literaturverzeichnis


  1. Heinrich der Glîchezâre: Reinhart Fuchs. Mittelhochdeutsch / Neuhochdeutsch, Hg. Karl-Heinz Göttert, Reclam, Stuttgart 1976.

<HarvardReferences>

  • [*Bertau 1983] Bertau, Karl. Über Literaturgeschichte. Literarischer Kunstcharakter und Geschichte in der höfischen Epik um 1200, 1983.
  • [*Dudenredaktion 2020] "Egoismus" auf Duden online. URL: https://www.duden.de/node/36728/revision/36757 (Abrufdatum: 06.02.2021)
  • [*Mecklenburg 2017] Mecklenburg, Michael. Abenteuerliche >Überkreuzungen<. Vormoderne intersektional, 2017.
  • [*Neudeck 2017] Neudeck, Otto. Der Fuchs und seine Opfer: Prekäre Herrschaft im Zeichen von Macht und Gewalt. Die Fabel vom kranken Löwen und seiner Heilung in hochmittelalterlicher Tierepik, 2017.
  • [*Ruh 1980] Ruh, Kurt. Reinhart Fuchs. Eine antihöfische Kontrafaktur, 1980.