Minne und Abhängigkeit in Winterliedern (Neidhart): Unterschied zwischen den Versionen

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[*Schweikle 1990] Schweikle, Günther: Neidhart, Stuttgart 1990 (Sammlung Metzler 253).
[*Schweikle 1990] Schweikle, Günther: Neidhart, Stuttgart 1990 (Sammlung Metzler 253).

Version vom 10. März 2021, 14:56 Uhr

In diesem Artikel geht es um eine nähere Betrachtung der Darstellung von Minne und Abhängigkeit vom Sänger Neidhart und dabei vor allem auf die Konstruktion dieser Aspekte und ihrem Verhältnis zueinander in Winterliedern. Für diese Untersuchung betrachte ich das WL 13 und WL 23 näher...

Einführung zur Minne und Abhängigkeit in Neidharts Winterliedern

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Minne und Abhängigkeit in Winterliedern 13 und 23

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Übersetzung und Inhalt zum Winterlied 13

Mittelhochdeutsch Neuhochdeutsch

Strophe I

Wi überwinde ich beide Wie überstehe ich beides,
mîn liep und die sumerzît? meine Freude und die Sommerzeit?
ine kan die wolgetânen schiere niht verklagen. Ihnen kann ich diese Schönheit nicht in so kurzer Zeit.
von sô grôzem leide, Wegen diesem großen Leid,
mir riuwe ane vröoude gît, das mir Reue ohne Freude gibt,
trûre ich wol von schulden nû ze disen trüeben tagen, jammere ich nun ständig von Schulden in diesen trüben Tagen,
di uns den winder kündent, der uns manger vröude roubet. die uns den Winter zeigen, der uns allerlei Freuden raubt.
sanges habent sich diu kleinen vogelîn geloubet: Vom Gesang haben die kleinen Vögelein abgelassen.
alsô möhte ich wol mit mînem sange stille dagen. Deshalb möchte ich mit meinem Gesang ganz stillschweigen.

Strophe II

Sol mich niht vervâhen Sollte mir nicht nützen
mîn trôst und mîn lieber wân, mein Vertrauen und meine freudige Zuversicht,
sô enweiz ich, waz genâden ich mich troesten mac. so weiß ich nicht welche Gnade mich trösten kann.
wol mac ir versmâhen Denn ihr möchtet missachten,
mîn dienest, den ich hân meinen Dienst, den ich
lange her geleistet und des ie mit triuwen phlac. eine lange Zeit bis nun leistete und mit Zuverlässigkeit pflegte.
alsô phlaege ichs immer gerne, möhte ich des geniezen, So würde ich es weiterhin tun und mich daran erfreuen,
sô daz mich die dörper mînes lônes iht verstiezen. sodass mich die Bauernburschen nicht meines Lohnes fernhielten.
des ist Uoze grîfic und sîn rûher schavernac. Dessen ist Uoze und seine grobe Pelzmütze gierig.

Strophe III

Engelwân und Uoze Engelwan und Uotze,
die zwêne sint mir gehaz die beiden sind mir verhasst
(schaden unde nîdes muoz ich mich von in versehen) (aufgrund der Schulden und dem Neid muss ich mich von ihnen abwenden)
und der geile Ruoze: und der übermutige Ruoze.
wie tiuwer er sich vermaz, Wie erhaben er sich herausnimmt,
er bestüende mich durch sî! die drîe widerwehen er hielt mich wegen ihnen zurück!Diese drei Widersacher
râtent unde brüevent, daz ich âne lôn belîbe. waren beratend und bemerkend darüber, dass ich ohne Lohn verbliebe.
niht envolge ir lêre, vrouwe, liebist aller wîbe! Folge nicht ihrem Anraten, Herrin, die liebste aller Frauen!
lône mîner jâre; laz in leit an mir geschehen! Belohne meine Jahre, lass mir kein Leid widerfahren!

Strophe IV

Vrouwe, dîne güete Herrin, deine Gutmütigkeit
di erkenne ich so manicvalt, erkenne ich so mannigfaltig an,
daz ich liebes lônes von dir noch gedingen hân. dass ich von dir noch freudig meinen Lohn erwartet habe.
daz mich ie gemüete, Wegen ihrer Gesinnung,
die spränzler und ir gewalt, die Narren und ihre Gewalt,
daz was mit den blumoen hin, nu wil mir Engelwân ist das mit den Blüten dahin. Nun möchte mich Engelwan
dîne hulde verren: daz im müeze misselingen, von deinem Wohlwollen verstoßen. Ebendies muss ihm misslingen.
sô daz hundert swert ûf sînem kophe lûte erklingen! Sodass hunderte Schwerter auf seinem Kopf laut erklingen!
snîdent sî ze rehte, sî zerüttent im den spân Sie zerschneiden ihn zurecht, sie verderben ihm das Glied.

Strophe V

Seht an Engelwânen, Betrachtet den Engelwanen,
wie hôhe er sîn houbet treit! wie hoch er sein Haupt trägt!
swanne er mit gespannem swerte bî dem tanze gât, Sobald er mit schwingendem Schwert zum Tanz kommt,
sô ist er niht âne so ist er nicht ohne
der vlaemischen hövescheit, flämisch, höfischen Anstand,
dâ sîn vater Batze wênic mit ze schaffen hât. obwohl sein Vater Batze wenig damit zu tun hat.
nu ist sîn sun ein oeder gouch mit sîner rûhen hûben: Nun ist sein Sohn ein törichter Schmarotzer mit seiner rauen Schutzkappe.
ich gelîche sîn gephnaete ze einer saten tûben, Ich vergliche seine Aufgeblasenheit mit einer übersättigten Taube,
diu mit vollem krophe ûf einem korenkasten stât. die mit vollem Hals auf einem Getreidekasten steht.

Strophe VI

Swer in sîner tougen Wenn jemand durch sein Innerstes
ie liep ode leit gewan, ihre Freude oder Schmerz erreichte,
dem sint mîne sorgen und mîn kumber wol bekant. versteht derjenige sicherlich meine Sorgen und meinen Kummer.
sît ich mînen ougen Da ich meinen Augen
den stîc niht verbieten kan, den Weg nicht verwehren kann,
sî enblicken hihn, dâ Ruoze tanzet an ir hant, blicken sie dorthin, wo der Ruoze mit ihr an der Hand tanzt.
sô verlâze ich kûme, deich mich selben niht enroufe: Daher gehe ich schwerlich, damit ich mich mit demselben nicht raufe.
solhen wehsel nement, die dâ minnent, an ir koufe. Einen derartigen Wechsel nehmen sie an, die dort lieben, für ihren Erwerb.
Minne, lâ mich vrî! mich twingent sêre dîniu bant. Liebe, lass mich frei! Mich erdrückt deine Gefangenschaft.

Strophe VII

Minne, dîne snüere Geliebte, deine Schnüre,
die twingent daz herze mîn, die bedrängen das Herz von mir,
daz ich hân ze strîte wider dich deheine wer. sodass ich mit irgendjemanden zu kämpfen habe für dich.
swie verholne ich rüere Wie auch immer heimlich
den zimbel der zelle dîn, ich die Glocke deiner Kammer bewege,
sô bin ich betwungen des, daz ich dir hulde swer. bin ich davon beherrscht dir Treue zu erweisen.
vrouwe Minne, dîn gewalt ist wider mich ze strenge; Geliebte Dame, deine Macht gegen mich ist gewaltig.
küneginne, dîner ungenâde niht verhenge, Königin, verhänge nicht deine Ungunst, sodass sie mich umbringe!
daz si mich verderbe! ja ist si über mich ein her. Ja, sie gebietet über mich.

Übersetzung und Inhalt zum Winterlied 23

Strophe I

Nû klag ich die bluomen und die liehten sumerzît Nun klag ich die Blumen und die leuchtende Sommerzeit
und die wünneclîchen tage. und die herrlichen Tage.
dâ bî hân ich eine klage, Dabei hatte ich eine Klage,
diu mir tougenlîche manege vrüöude hât benomen, die mir im Stillen viel Freude genommen hat,
daz ein wîp sô lange haldet mich ir strît dass eine Frau mich so lange hielt gegen ihr Begehren,
der ich vil gedienet hân der ich viel gedient hatte
ûf genâdelôsen wân. mit ungnädiger Erwartung.
ich kan mînes willen ninder gein ir zende komen, Ich kann meines Willens nicht erhalten, ihr gegenüber zur Hilfe zu kommen.
sît si niht enhât Seit sie es nicht mehr hat
in ir herze wîbes güete in ihrem Herzen die weibliche Gutheit
unde ir doch dar under diesenen lât. und sie doch darunter dienen lässt.
wer waer, den der kumber niht enmüete? Wen gäbe es, den dieser Kummer nicht entmutige?
mich wundert, daz mîn dienest und mîn singen nicht vervât. Mich wundert, dass mein Dienst und mein Gesang daran nicht verderben.

Strophe II

Swaz ich ir gesinge, deist geräphet in der mül: Das was ich ihr vorsinge, das gelangt in die Mühle.
sî verstêt es ninder wort. Sie versteht kein einziges Wort.
sprichet jener Willebort: So spricht jener Willebort:
>>stên ir für ir ôren, daz sis immer iht verneme!<< „Steht ihr vor ihre Ohren, sodass sie es nicht mehr wahrnimmt!“.
seht, ob ich dar umbe niht im vîent wesen sül! Seht, ob ich ihm deshalb nicht zum Feind werden soll!
der mich sô beswaeret hât Der mich so bedrückt hat
und mir für ir hulde stât, und mir vor ihrer Ge-neigtheit stand.
er sol wizzen, kumt ez sô, daz ich imz in gereme, Er soll wissen, komme es so, dass ich es ihm vergelte,
dâ den vriunden sîn durch den Freundes Sinn
wirt ir herze von gesêret. wird ihr Herz verletzt.
er und Gêneliup und Hildewîn Er und Geneliup und Hildewein
habent mîn gelücke dâ verkêret; haben mein Glück dort verdreht.
ez wirt ir etelîchem ein verzintez nüschlîn. Es wird ihr irgendein Getuschel verkauft.

Strophe III

Disen sumer wârens alle drî ûf sî verkoln, Diesen Sommer waren es alle drei auf sie eingeschlossen,
dazs ein ander truogen haz; sodass sie einander Hass zeigten.
doch erbôt siz einem baz Doch erbat sie es einem freundlich
mit gebaerden: daz was niht der zweier wille guot. mit Benehmen. Das war nicht der geteilte Wille gut.
waeren sî ze Kriechen! solde ich sî von danne holn, Wären sie nur zu den Griechen! Sollte ich sie von dort holen,
sî beliben lange dort, blieben sie lange dort,
Gêneliup und Willebort. Geneliup und Willebort.
dâ gelaege ouch lîhte der Hildewînes hôher muot. Dann würde sich auch gleich der hohe Mut Hildeweins legen.
mîner arebeit Meiner Arbeit
habent sî mir vil gebrouwen: haben sie mir viel zugetan.
ich sag iu daz wol ûf mînen eit, Ich erzähle euch das wohl auf meinen Eid,
daz si mir des selben suln getrouwen; dass sie mir desselben glauben sollen;
ez schadet, der ze langer vrist den tumben vil vertreit. es schadet demjenigen, der vor lang abgelaufener Zeit den Dummen viel vergibt.

Strophe IV

Ich hân in durch mîne zuht ein teil ze vil vertragen, Ich habe ihn durch meine Höflichkeit ein Stück zu viel ertragen,
daz mich nie gein in gevrumt dass ich mich nie gegen ihn gestellt
noch ze staten niht enkumt. und noch zum Ort nicht verschwinde.
ich enkunde ir hulde nie verdienen noch ir gruoz. Ich erfahre weder ihre Geneigtheit, noch erlange ich ihre freundliche Begrüßung.
ich enmac sîn allez mit gesange nih geklagen, Ich kann nicht alles mit meinem Gesang beklagen,
daz mir leides widervert: was mir an Kummer widerfährt.
mirst sîn alze vil beschert, Mir ist allzu viel zuteilgeworden.
mir enwil diu saelde nindert volgen einen vuoz: Mir will das Glück durchaus nicht beim Fuß folgen.
swelhen ende ich var, Welches Ende ich anbahne,
so laet sî mich immer eine. so sehr legt sie es mir auf.
got vor ungedulde mich bewar! Gott, bewahre mich vor Heftigkeit!
mîn gelücke ist wider sî sô kleine. Mein Glück ist gegenüber ihr so klein.
von iuwern schulden hân ich disiu leit, her Engelmâr. Von euren Schulden habe ich es leid, Herr Engelmar.

Strophe V

Sît von iuwern handen Vriderûn den spiegel vlôs, Seit durch eure Hände Friderun den Spiegel verloren ging,
so ist unbildes vil geschehen so ist (unbildes) viel geschehen
(des genuoge müezen jehen), (dessen ausreichend müssen bekennen),
dazs in hundert jâren nie sô vil dâ vor geschach. dass in hundert Jahren nie so viel davor geschah.
beidui laster unde schaden sî doch nie verkôs Beides, Schmähung und Schaden sie doch nie sprach,
noch verkiesen niht enwil. noch will sie ihn nicht verschmähen.
iuwers schimpfes was ze vil. Euer Scherz war zu viel.
daz diu hant erkrumbe, diu die spiegelsnuor zerbrach, Dass die Hand krumm werde, die die Spiegelschnur zerbrach,
die si selbe vlaht dieselbe die in sich verflechtet
âne golt ûz glanzen sîden! immerfort golden aus glänzender Seide!
(sî was maneger hande sîdenslaht.) (Sie war mancher Hand züchtig.)
des was ir ze vil von iu ze lîden; Das was ihr zu viel von euch zu erleiden;
ouch het iuch iuwer gogelheit von iuwern sinnen brâht. auch hat euch euere Gelassenheit von euren Sinnen abgebracht.

Strophe VI

Ich was ie den wîben holder, danne sî mir sîn. Ich war den Frauen jeher treuer, als sie es mir sind.
daz ich des enkelten sol, Dass ich dies verbüßen soll,
daz enzimt in niht ze wol. das scheint ihm nicht sehr wohl.
owê, daz diu liebe niht gemeiner triuwen pfligt! Oh weh, dass die Liebe nicht gemeinsame Zuverlässigkeit pflegt!
des ist zwischen mir und einem wîbe worden schîn: Das ist zwischen mir und einer Frau sichtbar geworden.
diust mir niht, als ich ihr bin; Die ist mir nicht, wie ich ihr bin,
sô gêt mir mîn leben hin. so geht mir mein Leben dahin.
ez ist âne reht, daz liebe niht gelîche wigt; Es ist ohne Recht, dass Liebe nicht von übereinstimmenden Wert ist.
dô diu liebe wac Damals wog die Liebe
hie bevor gelîcher wâge, dort vor gleicher Waage,
dône het diu minne ninder krac. damals hatte die Zuneigung keineswegs einen Riss.
niemen mich dar umbe mêre vrâge! Niemand darf mich darum weiter fragen!
diu hât nu scharten hinne vür unz an den lesten tac. Die hat nun von dann fort geschä-digt für uns bis zum letzten Tag.

Strophe VII

Dô man îbe minne gegen der manne minne wac Als man die Liebe der Frau gegen die Liebe des Mannes wog,
innerthalp des herzen tür, innerhalb des Herzens Tür,
dô wac mannes minne vür. da wog des Mannes Liebe mehr.
nûne kan sich gegen der wîbe minne niht gewegen. Nun kann sich gegen der Frauen Liebe nicht das Gegengewicht halten.
ich enweiz ab niht, wen ich dar umbe zîhen mac, Ich weiß aber nicht, wen ich deshalb beschuldigen kann,
der die wâren schulde habe. der die wahren Schulden habe.
zweier dinge gât uns abe: Zweier Dinge vereinigen uns aber,
daz wir man niht kiusche sîn noch rehter wâge pflegen, dass wir Männer weder sittsam sind, noch rechte Wege pflegen.
diu gelîche trage Dieselbe trage
herzenliebe gein der minne. Herzensfreude in die Liebe.
ir sult wizzen, swaz iu iemen sage, Ihr sollt wissen, was ich jedem sage,
er gewan nie herzen küneginne, derjenige gewann nie das Herz der Königin,
der niht enwirbet, daz er guoten wîben wol behage. der sich nicht bemüht, sodass er guten Frauen wohl gefällt.

Strophe VIII

Reiner wîbe minne tiuwert hôhe mannes muot. Reiner Frauen Liebe ehrt des edlen Mannes Gesinnung.
ist ir triuwe meineclîch, Ist ihre Treue liebend,
deist in beiden lobelîch. das ist bei beiden löblich.
wol im, der gein wîben sîner staete hüeten kan! Wohl demjenigen, der gegenüber Frauen auf seine Festigkeit achten kann!
valschelôsiu minne waere beidenthalben guot. Wahrhaftige Liebe wäre auf beiden Seiten gut.
wol dem herzen, daz si treit! Wohl dem Herzen, dass sie besteht!
dem wirt sîner arebeit Dem wird seine Arbeit
wol gelônet. disiu maere merket, guote man! wohl belohnt. Diese Erzählung merkt euch, gute Männer!
sît den wîben holt, Seit den Frauen freundlich,
gein den herzen ougen lachen! entgegnet dem Herzen mit freundlichem Blick!
ir sult wizzen: aller Kriechen golt Ihr sollt wissen: Das Gold aller Griechen
möhte ein herze niht sô vrô gemachen könnte ein Herz nicht so glücklich stimmen,
sô reiner wîbe minne: deist ein vreudebernder solt. wie die Liebe einer unschuldigen Frau. Dies ist ein freudeschwangerer Lohn.

Strophe IX

Al diu crêâtiure, die der himel hât bedaht All die Geschöpfe, die der Himmel bedacht hat
und dar zuo diu erde treit, und dazu zur Erde getragen hat,
hât niht hôher werdikeit hat keine höhere Herrlichkeit
danne ein reine wîp, vor ir ein wol gevieret man. als eine reine Frau, vor ihr ein wohl gepriesener Mann.
swâ diu zwei beinander ruowent eine ganze naht, Wo auch die zwei beieinander eine ganze Nacht ruhen,
da ist der Minne lanzen ort dort ist die Liebe Ort,
wol bewunden hie unt dort. gut eingehüllt hier und dort.
sî hât zwischen herzenlieben schaden vil getân: Sie hat zwischen Herzenslieben viel Schaden angerichtet.
sus getâner nôt In solch gestalteter Not
kan diu Minne wunder machen, kann die Liebe verwundert machen.
trüebiu ougen, nâch der trüebe rôt, Trübe Augen, nach der Trübe rot,
sus und sô mit manger hande sachen. auf diese Weise durch mancher Hand wirkenn.
si wundet mangen, daz im bezzer waere ein senfter tôt. Sie schmerzt manchen so sehr, dass ihm ein sanfter Tod besser wäre.

Strophe X

Ich bin einem wîbe lange gar unmâzen holt Ich bin einer Frau lange, gar übermäßig treu
staeteclîchen her gewesen: regelmäßig her gewesen.
ân die trouwe ich niht genesen. Ohne die Treue kann ich nicht genesen.
nû beliben frô die liute (merket mîne klage!), Nun verbleiben die Menschen froh (merkt meine Klage!),
törste ich gein ir sprechen allez, daz ich selbe wolt, hintergehe ich gegen ihr Sprechen alles, was ich selbst wollte,
daz doch guote fuoge hât dass doch gebührende Weise hat
und niht an ir êre gât, und nicht an ihre Ehre gelangt.
daz doch wol geschaehe, waere ich gein ir niht ein zage. Das doch wohl geschähe, wäre ich ge-genüber ihr nicht zaghaft.
swenne ich von ir bin, Sobald ich von ihr bin,
sô hab ich vil guote sinne; habe ich viel Verstand,
kum ich zuo ir, sô ist hin der sin: komme ich zu ihr, so ist der Verstand dahin.
daz sint allez herzenlîche minne. Das sind alles herzliche Lieben.
sus ungesprochen mit gedanken gât diu wîle hin. So ging es unausgesprochen mit Gedanken eine Weile lang.

Strophe XI

Mit gedanken wirt erworben niemer wîbes kint; Mit Gedanken wird nicht länger das Kind einer Frau erworben.
dâ von spreche ein man enzît, Davon spreche eine Mann beizeiten,
swaz im an dem herzen lît, was ihm am Herzen liegt
und besuoche, ob ez diu minneclîche danne tuo! und sucht auf, ob es die Liebenswerte sodann tut!
swes er im gedenket, daz ist ir vil gar ein wint; Das was er sich denkt, das ist ihr viel gar Nichtiges;
des enmac si wizzen niht: das mag sie nicht wissen.
dâ von sint gedanke enwiht. Davon sind Gedanken nicht etwas.
dâ gehoeret underwîlen guot geriune zuo; Da gehört zuweilen gutes Geflüster dazu.
êst umnmâzen guot, Es ist außerordentlich gut,
swer gein wîben tar gesprechen; jeder der wagt zur Frau zu sprechen;
daz verkêret mangen staeten muot das verkehrt manch beständige Gesinnung
und kan vestiu herzen wol zerbrechen. und kann ein tapferes Herz völlig zerbrechen.
des volge ein man, daz ist mîn rât, ob er daz gerne tuot! Daher befolge dies ein Mann, das ist mein Rat, als wenn er das gerne tut!

Strophe XII

Milter fürste Friderîch, an triuwen gar ein flins, Großzügiger Fürst Friderich, an Zuverlässigkeit gar ein Fels,
dû hâst mich behûset wol: du hast mich gut beherbergt.
got dir billîch lônen sol. Gott soll dich reichlich belohnen.
ich enpfienc nie rîcher gâbe mêr von fürsten hant. Ich empfing nie kostbarere Gaben von fürstlicher Hand.
daz waer allez guot, niwan der ungefüege zins. Das wäre alles gut, außer der unhöfliche Zins.
des diu kindel solten leben, Davon sollten die Kinder leben,
daz muoz ich ze stiuwer geben: das muss ich zur Steuer geben.
des wirt zwischen mir und mînen friunden schiere ein pfant. Deshalb wird zwischen mir und meinen Freunden sogleich ein Pfand.
lieber herre mîn, Mein lieber Gebieter,
maht dû mir den zins geringen, solltest du mir den Zins verringern,
dînes heiles kempfe wil ich sîn werde ich deines Glückes Verfechter sein
und dîn lop wol sprechen unde singen, und dein Lob so sehr sprechen und singen,
daz ez vil lûte erhillet von der Elbe unz an den Rîn. dass es sehr laut erschallt von der Elbe und über den Rhein.

Analyse der Form

Interpretation

Abhängigkeit auf struktureller Ebene

Vergleich der Natureingänge

Neidharts Winterlieder 13 und 23 führen beide mittels Naturmotivik in die Minneklage des Sängers ein, welche weiterführend in den Liedern von zentraler Bedeutung ist. Die Natureingänge beider Winterlieder erfüllen die Funktion einer Einführung in die jeweiligen Lieder, indem sie den Stimmungshintergrund des Winterlieds bilden. Laut Schweikle ist dieses Stimmungsbild bei Winterliedern i.d.R. eine Klage über das Leid im Winter, das vom Sänger als Liebesleid ausgeführt wird (Schweikle 1990 115). Die Darstellung des Liebesleids bzw. der Minneklage unterscheidet sich in beiden Liedern stark, dies ist bereits anhand der Natureingänge erkennbar.

In der ersten Strophe des Winterlieds 13 berichtet der Sänger, wie im Natureingang der Winterlieder üblich, vom Übergang des Sommers in den Winter. Diesen Jahreszeitenwechsel betont der Sänger als negative Entwicklung, bspw. führe der Winter die trüben Tage ein, welche einem die Freude raube (V.VIf). So spiegelt sich die Veränderung in der Natur auch im Innenleben des Sängers wider; die Strophe endet mit einer Äußerung über das Verhalten der Vögel, die nun im Winter ihren Gesang beiseitelegen und dem folgend möchte der Sänger ebenso seinen „Gesang stilllegen“ (V.IX). Diese Äußerungen sind als Klage über den schwindenden Sommer zu verstehen (Schweikle 1990 80). Der Sänger spricht davon, die Schönheit des Sommers nicht verklagen zu wollen und doch den Kontrast zwischen der erfahrenen Sommerfreude und dem Winterkummer kaum aushalten zu können (V.IIf).

Im Winterlied 23 ist der Sänger eingangs deutlich spezifischer und weniger zurückhaltend hinsichtlich seiner Minneklage. Der Natureingang schildert lediglich zwei Verse lang eine Aufzählung über das Vergehen des Sommers; es werden die Blumen, hellen Sommertage und die glückseligen Tage verklagt (V.I-II). Die deutliche Mehrheit des Natureingangs (V.III-XIII) befasst sich nicht weiter mit einer Naturmetaphorik, sondern berichtet sogleich von der unerwiderten Liebe seiner Herrin. Der Sänger beklagt seine unbelohnte, dienstliche Treue gegenüber seiner Herrin und eine Entmutigung seines Willens dies weiterhin zu leisten durch die Entsagung der „wîbes güete“ (V.V-VIII). Laut Hübner stellt ein solcher Natureingang das für den hohen Minnesang charakterliche Dienst-Lohn-Modell dar (2009 51). Diese Konstruktion im Natureingang beider genannten Winterlieder Neidharts stimmt mit der einer Minnekanzone überein (Hübner 2009 48). Mit dieser traditionellen Struktur wird im weiteren Verlauf der Lieder gebrochen, indem der Sänger zur Rollenkonstellation Minne die Bauernburschen hinzufügt(Hübner 2009 51).


Abhängigkeit auf Ebene der Aussagen

Abhängigkeit auf Ebene der Bedeutung

Fazit

Anmerkungen

Literaturverzeichnis

<HarvardReferences /> [*Schweikle 1990] Schweikle, Günther: Neidhart, Stuttgart 1990 (Sammlung Metzler 253).