Minne und Abhängigkeit in Winterliedern (Neidhart): Unterschied zwischen den Versionen
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==Literaturverzeichnis== | ==Literaturverzeichnis== | ||
===Sekundärliteratur=== | ===Sekundärliteratur=== | ||
[*Schweikle 1990] Schweikle, Günther: Neidhart, Stuttgart 1990 (Sammlung Metzler 253). | [*Schweikle 1990] Schweikle, Günther: Neidhart, Stuttgart 1990 (Sammlung Metzler 253). | ||
[*Hübner 2008] Hübner, Gert: Minnesang im 13. Jahrhundert. Eine Einführung, Tübingen 2008. | [*Hübner 2008] Hübner, Gert: Minnesang im 13. Jahrhundert. Eine Einführung, Tübingen 2008. | ||
[*Ruh 1984] Ruh, Kurt: Neidharts Lieder. Eine Beschreibung des Typus, in: Kleine Schriften. 1. Dichtung des Hoch- und Spätmittelalters, 1984, S. 107-128. | [*Ruh 1984] Ruh, Kurt: Neidharts Lieder. Eine Beschreibung des Typus, in: Kleine Schriften. 1. Dichtung des Hoch- und Spätmittelalters, 1984, S. 107-128. | ||
[*Plotke 2010] Plotke, Seraina: Neidhart als Spötter – Spott bei Neidhart, in: Mitteilungen des Deutschen Germanistenverbandes 57/1 (2010), S. 23-34. | [*Plotke 2010] Plotke, Seraina: Neidhart als Spötter – Spott bei Neidhart, in: Mitteilungen des Deutschen Germanistenverbandes 57/1 (2010), S. 23-34. | ||
[*Haufe 2003] Haufe, Hendrikje: Minne, Lärm und Gewalt. Zur Konstitution von Männlichkeit in Winterliedern Neidharts, in: Aventiuren des Geschlechts. Modelle von | [*Haufe 2003] Haufe, Hendrikje: Minne, Lärm und Gewalt. Zur Konstitution von Männlichkeit in Winterliedern Neidharts, in: Aventiuren des Geschlechts. Modelle von | ||
Männlichkeit in der Literatur des 13. Jahrhunderts, hg. von Martin Baisch et al., Göttingen 2003 (Aventiuren 1), S. 101-122. | Männlichkeit in der Literatur des 13. Jahrhunderts, hg. von Martin Baisch et al., Göttingen 2003 (Aventiuren 1), S. 101-122. | ||
===Primärtext=== | ===Primärtext=== | ||
[*Wießner-Sappler 1999] Die Lieder Neidharts, hg. v. Edmund Wießner, fortgef. v. Hanns Fischer. 5., verb. Aufl., hg. v. Paul Sappler, mit einem Melodieanhang v. Helmut Lomnitzer. Tübingen: Niemeyer 1999 (Altdeutsche Textbibliothek 44). | [*Wießner-Sappler 1999] Die Lieder Neidharts, hg. v. Edmund Wießner, fortgef. v. Hanns Fischer. 5., verb. Aufl., hg. v. Paul Sappler, mit einem Melodieanhang v. Helmut Lomnitzer. Tübingen: Niemeyer 1999 (Altdeutsche Textbibliothek 44). |
Aktuelle Version vom 6. Mai 2024, 11:48 Uhr
Einführung zur Minne und Abhängigkeit in Neidharts Winterliedern
„Al diu crêâtiure, die der himel hât bedahtund dar zuo diu erde treit, | |
hât niht hôher werdikeit | |
danne ein reine wîp, vor ir ein wol gevieret man.“ | |
- WL 23, S.IX, V.I-IV |
In den Winterliedern Neidharts ist überwiegend die Thematik der Minneklage vorzufinden. Doch was definiert die neidhart'sche Minneklage und woraus bestehen die die Minneverhältnisse zwischen vrouwe, dörpern und Sänger, und inwiefern ergeben sich durch diese Strukturen Abhängigkeiten? Um diese Fragestellung zu beantworten geht es in diesem Artikel um eine nähere Untersuchung der Darstellung von Minne und Abhängigkeit in Neidharts Winterliedern 13 und 23. Hierzu gibt es eine Übersetzung dieser beider Lieder und eine anschließende Analyse der Form und Interpretation der thematischen Inhalte dieser Lieder.
Neidharts Winterlieder 13 und 23
Übersetzung Winterlied 13
Mittelhochdeutsch | Neuhochdeutsch |
Strophe I
Wi überwinde ich beide | Wie überstehe ich beides, |
mîn liep und die sumerzît? | meine Freude und die Sommerzeit? |
ine kan die wolgetânen schiere niht verklagen. | Ihnen kann ich diese Schönheit nicht in so kurzer Zeit. |
von sô grôzem leide, | Wegen diesem großen Leid, |
mir riuwe ane vröoude gît, | das mir Reue ohne Freude gibt, |
trûre ich wol von schulden nû ze disen trüeben tagen, | jammere ich nun ständig von Schulden in diesen trüben Tagen, |
di uns den winder kündent, der uns manger vröude roubet. | die uns den Winter zeigen, der uns allerlei Freuden raubt. |
sanges habent sich diu kleinen vogelîn geloubet: | Vom Gesang haben die kleinen Vögelein abgelassen. |
alsô möhte ich wol mit mînem sange stille dagen. | Deshalb möchte ich mit meinem Gesang ganz stillschweigen. |
Strophe II
Sol mich niht vervâhen | Sollte mir nicht nützen |
mîn trôst und mîn lieber wân, | mein Vertrauen und meine freudige Zuversicht, |
sô enweiz ich, waz genâden ich mich troesten mac. | so weiß ich nicht welche Gnade mich trösten kann. |
wol mac ir versmâhen | Denn ihr möchtet missachten, |
mîn dienest, den ich hân | meinen Dienst, den ich |
lange her geleistet und des ie mit triuwen phlac. | eine lange Zeit bis nun leistete und mit Zuverlässigkeit pflegte. |
alsô phlaege ichs immer gerne, möhte ich des geniezen, | So würde ich es weiterhin tun und mich daran erfreuen, |
sô daz mich die dörper mînes lônes iht verstiezen. | sodass mich die Bauernburschen nicht meines Lohnes fernhielten. |
des ist Uoze grîfic und sîn rûher schavernac. | Dessen ist Uoze und seine grobe Pelzmütze gierig. |
Strophe III
Engelwân und Uoze | Engelwan und Uotze, |
die zwêne sint mir gehaz | die beiden sind mir verhasst |
(schaden unde nîdes muoz ich mich von in versehen) | (aufgrund der Schulden und dem Neid muss ich mich von ihnen abwenden) |
und der geile Ruoze: | und der übermutige Ruoze. |
wie tiuwer er sich vermaz, | Wie erhaben er sich herausnimmt, |
er bestüende mich durch sî! die drîe widerwehen | er hielt mich wegen ihnen zurück!Diese drei Widersacher |
râtent unde brüevent, daz ich âne lôn belîbe. | waren beratend und bemerkend darüber, dass ich ohne Lohn verbliebe. |
niht envolge ir lêre, vrouwe, liebist aller wîbe! | Folge nicht ihrem Anraten, Herrin, die liebste aller Frauen! |
lône mîner jâre; laz in leit an mir geschehen! | Belohne meine Jahre, lass mir kein Leid widerfahren! |
Strophe IV
Vrouwe, dîne güete | Herrin, deine Gutmütigkeit |
di erkenne ich so manicvalt, | erkenne ich so mannigfaltig an, |
daz ich liebes lônes von dir noch gedingen hân. | dass ich von dir noch freudig meinen Lohn erwartet habe. |
daz mich ie gemüete, | Wegen ihrer Gesinnung, |
die spränzler und ir gewalt, | die Narren und ihre Gewalt, |
daz was mit den blumoen hin, nu wil mir Engelwân | ist das mit den Blüten dahin. Nun möchte mich Engelwan |
dîne hulde verren: daz im müeze misselingen, | von deinem Wohlwollen verstoßen. Ebendies muss ihm misslingen. |
sô daz hundert swert ûf sînem kophe lûte erklingen! | Sodass hunderte Schwerter auf seinem Kopf laut erklingen! |
snîdent sî ze rehte, sî zerüttent im den spân | Sie zerschneiden ihn zurecht, sie verderben ihm das Glied. |
Strophe V
Seht an Engelwânen, | Betrachtet den Engelwanen, |
wie hôhe er sîn houbet treit! | wie hoch er sein Haupt trägt! |
swanne er mit gespannem swerte bî dem tanze gât, | Sobald er mit schwingendem Schwert zum Tanz kommt, |
sô ist er niht âne | so ist er nicht ohne |
der vlaemischen hövescheit, | flämisch, höfischen Anstand, |
dâ sîn vater Batze wênic mit ze schaffen hât. | obwohl sein Vater Batze wenig damit zu tun hat. |
nu ist sîn sun ein oeder gouch mit sîner rûhen hûben: | Nun ist sein Sohn ein törichter Schmarotzer mit seiner rauen Schutzkappe. |
ich gelîche sîn gephnaete ze einer saten tûben, | Ich vergliche seine Aufgeblasenheit mit einer übersättigten Taube, |
diu mit vollem krophe ûf einem korenkasten stât. | die mit vollem Hals auf einem Getreidekasten steht. |
Strophe VI
Swer in sîner tougen | Wenn jemand durch sein Innerstes |
ie liep ode leit gewan, | ihre Freude oder Schmerz erreichte, |
dem sint mîne sorgen und mîn kumber wol bekant. | versteht derjenige sicherlich meine Sorgen und meinen Kummer. |
sît ich mînen ougen | Da ich meinen Augen |
den stîc niht verbieten kan, | den Weg nicht verwehren kann, |
sî enblicken hihn, dâ Ruoze tanzet an ir hant, | blicken sie dorthin, wo der Ruoze mit ihr an der Hand tanzt. |
sô verlâze ich kûme, deich mich selben niht enroufe: | Daher gehe ich schwerlich, damit ich mich mit demselben nicht raufe. |
solhen wehsel nement, die dâ minnent, an ir koufe. | Einen derartigen Wechsel nehmen sie an, die dort lieben, für ihren Erwerb. |
Minne, lâ mich vrî! mich twingent sêre dîniu bant. | Liebe, lass mich frei! Mich erdrückt deine Gefangenschaft. |
Strophe VII
Minne, dîne snüere | Geliebte, deine Schnüre, |
die twingent daz herze mîn, | die bedrängen das Herz von mir, |
daz ich hân ze strîte wider dich deheine wer. | sodass ich mit irgendjemanden zu kämpfen habe für dich. |
swie verholne ich rüere | Wie auch immer heimlich |
den zimbel der zelle dîn, | ich die Glocke deiner Kammer bewege, |
sô bin ich betwungen des, daz ich dir hulde swer. | bin ich davon beherrscht dir Treue zu erweisen. |
vrouwe Minne, dîn gewalt ist wider mich ze strenge; | Geliebte Dame, deine Macht gegen mich ist gewaltig. |
küneginne, dîner ungenâde niht verhenge, | Königin, verhänge nicht deine Ungunst, sodass sie mich umbringe! |
daz si mich verderbe! ja ist si über mich ein her. | Ja, sie gebietet über mich. |
Übersetzung Winterlied 23
Strophe I
Nû klag ich die bluomen und die liehten sumerzît | Nun klag ich die Blumen und die leuchtende Sommerzeit |
und die wünneclîchen tage. | und die herrlichen Tage. |
dâ bî hân ich eine klage, | Dabei hatte ich eine Klage, |
diu mir tougenlîche manege vrüöude hât benomen, | die mir im Stillen viel Freude genommen hat, |
daz ein wîp sô lange haldet mich ir strît | dass eine Frau mich so lange hielt gegen ihr Begehren, |
der ich vil gedienet hân | der ich viel gedient hatte |
ûf genâdelôsen wân. | mit ungnädiger Erwartung. |
ich kan mînes willen ninder gein ir zende komen, | Ich kann meines Willens nicht erhalten, ihr gegenüber zur Hilfe zu kommen. |
sît si niht enhât | Seit sie es nicht mehr hat |
in ir herze wîbes güete | in ihrem Herzen die weibliche Gutheit |
unde ir doch dar under diesenen lât. | und sie doch darunter dienen lässt. |
wer waer, den der kumber niht enmüete? | Wen gäbe es, den dieser Kummer nicht entmutige? |
mich wundert, daz mîn dienest und mîn singen nicht vervât. | Mich wundert, dass mein Dienst und mein Gesang daran nicht verderben. |
Strophe II
Swaz ich ir gesinge, deist geräphet in der mül: | Das was ich ihr vorsinge, das gelangt in die Mühle. |
sî verstêt es ninder wort. | Sie versteht kein einziges Wort. |
sprichet jener Willebort: | So spricht jener Willebort: |
>>stên ir für ir ôren, daz sis immer iht verneme!<< | „Steht ihr vor ihre Ohren, sodass sie es nicht mehr wahrnimmt!“. |
seht, ob ich dar umbe niht im vîent wesen sül! | Seht, ob ich ihm deshalb nicht zum Feind werden soll! |
der mich sô beswaeret hât | Der mich so bedrückt hat |
und mir für ir hulde stât, | und mir vor ihrer Ge-neigtheit stand. |
er sol wizzen, kumt ez sô, daz ich imz in gereme, | Er soll wissen, komme es so, dass ich es ihm vergelte, |
dâ den vriunden sîn | durch den Freundes Sinn |
wirt ir herze von gesêret. | wird ihr Herz verletzt. |
er und Gêneliup und Hildewîn | Er und Geneliup und Hildewein |
habent mîn gelücke dâ verkêret; | haben mein Glück dort verdreht. |
ez wirt ir etelîchem ein verzintez nüschlîn. | Es wird ihr irgendein Getuschel verkauft. |
Strophe III
Disen sumer wârens alle drî ûf sî verkoln, | Diesen Sommer waren es alle drei auf sie eingeschlossen, |
dazs ein ander truogen haz; | sodass sie einander Hass zeigten. |
doch erbôt siz einem baz | Doch erbat sie es einem freundlich |
mit gebaerden: daz was niht der zweier wille guot. | mit Benehmen. Das war nicht der geteilte Wille gut. |
waeren sî ze Kriechen! solde ich sî von danne holn, | Wären sie nur zu den Griechen! Sollte ich sie von dort holen, |
sî beliben lange dort, | blieben sie lange dort, |
Gêneliup und Willebort. | Geneliup und Willebort. |
dâ gelaege ouch lîhte der Hildewînes hôher muot. | Dann würde sich auch gleich der hohe Mut Hildeweins legen. |
mîner arebeit | Meiner Arbeit |
habent sî mir vil gebrouwen: | haben sie mir viel zugetan. |
ich sag iu daz wol ûf mînen eit, | Ich erzähle euch das wohl auf meinen Eid, |
daz si mir des selben suln getrouwen; | dass sie mir desselben glauben sollen; |
ez schadet, der ze langer vrist den tumben vil vertreit. | es schadet demjenigen, der vor lang abgelaufener Zeit den Dummen viel vergibt. |
Strophe IV
Ich hân in durch mîne zuht ein teil ze vil vertragen, | Ich habe ihn durch meine Höflichkeit ein Stück zu viel ertragen, |
daz mich nie gein in gevrumt | dass ich mich nie gegen ihn gestellt |
noch ze staten niht enkumt. | und noch zum Ort nicht verschwinde. |
ich enkunde ir hulde nie verdienen noch ir gruoz. | Ich erfahre weder ihre Geneigtheit, noch erlange ich ihre freundliche Begrüßung. |
ich enmac sîn allez mit gesange nih geklagen, | Ich kann nicht alles mit meinem Gesang beklagen, |
daz mir leides widervert: | was mir an Kummer widerfährt. |
mirst sîn alze vil beschert, | Mir ist allzu viel zuteilgeworden. |
mir enwil diu saelde nindert volgen einen vuoz: | Mir will das Glück durchaus nicht beim Fuß folgen. |
swelhen ende ich var, | Welches Ende ich anbahne, |
so laet sî mich immer eine. | so sehr legt sie es mir auf. |
got vor ungedulde mich bewar! | Gott, bewahre mich vor Heftigkeit! |
mîn gelücke ist wider sî sô kleine. | Mein Glück ist gegenüber ihr so klein. |
von iuwern schulden hân ich disiu leit, her Engelmâr. | Von euren Schulden habe ich es leid, Herr Engelmar. |
Strophe V
Sît von iuwern handen Vriderûn den spiegel vlôs, | Seit durch eure Hände Friderun den Spiegel verloren ging, |
so ist unbildes vil geschehen | so ist viel geschehen |
(des genuoge müezen jehen), | (dessen ausreichend müssen bekennen), |
dazs in hundert jâren nie sô vil dâ vor geschach. | dass in hundert Jahren nie so viel davor geschah. |
beidui laster unde schaden sî doch nie verkôs | Beides, Schmähung und Schaden sie doch nie sprach, |
noch verkiesen niht enwil. | noch will sie ihn nicht verschmähen. |
iuwers schimpfes was ze vil. | Euer Scherz war zu viel. |
daz diu hant erkrumbe, diu die spiegelsnuor zerbrach, | Dass die Hand krumm werde, die die Spiegelschnur zerbrach, |
die si selbe vlaht | dieselbe die in sich verflechtet |
âne golt ûz glanzen sîden! | immerfort golden aus glänzender Seide! |
(sî was maneger hande sîdenslaht.) | (Sie war mancher Hand züchtig.) |
des was ir ze vil von iu ze lîden; | Das was ihr zu viel von euch zu erleiden; |
ouch het iuch iuwer gogelheit von iuwern sinnen brâht. | auch hat euch euere Gelassenheit von euren Sinnen abgebracht. |
Strophe VI
Ich was ie den wîben holder, danne sî mir sîn. | Ich war den Frauen jeher treuer, als sie es mir sind. |
daz ich des enkelten sol, | Dass ich dies verbüßen soll, |
daz enzimt in niht ze wol. | das scheint ihm nicht sehr wohl. |
owê, daz diu liebe niht gemeiner triuwen pfligt! | Oh weh, dass die Liebe nicht gemeinsame Zuverlässigkeit pflegt! |
des ist zwischen mir und einem wîbe worden schîn: | Das ist zwischen mir und einer Frau sichtbar geworden. |
diust mir niht, als ich ihr bin; | Die ist mir nicht, wie ich ihr bin, |
sô gêt mir mîn leben hin. | so geht mir mein Leben dahin. |
ez ist âne reht, daz liebe niht gelîche wigt; | Es ist ohne Recht, dass Liebe nicht von übereinstimmenden Wert ist. |
dô diu liebe wac | Damals wog die Liebe |
hie bevor gelîcher wâge, | dort vor gleicher Waage, |
dône het diu minne ninder krac. | damals hatte die Zuneigung keineswegs einen Riss. |
niemen mich dar umbe mêre vrâge! | Niemand darf mich darum weiter fragen! |
diu hât nu scharten hinne vür unz an den lesten tac. | Die hat nun von dann fort geschä-digt für uns bis zum letzten Tag. |
Strophe VII
Dô man îbe minne gegen der manne minne wac | Als man die Liebe der Frau gegen die Liebe des Mannes wog, |
innerthalp des herzen tür, | innerhalb des Herzens Tür, |
dô wac mannes minne vür. | da wog des Mannes Liebe mehr. |
nûne kan sich gegen der wîbe minne niht gewegen. | Nun kann sich gegen der Frauen Liebe nicht das Gegengewicht halten. |
ich enweiz ab niht, wen ich dar umbe zîhen mac, | Ich weiß aber nicht, wen ich deshalb beschuldigen kann, |
der die wâren schulde habe. | der die wahren Schulden habe. |
zweier dinge gât uns abe: | Zweier Dinge vereinigen uns aber, |
daz wir man niht kiusche sîn noch rehter wâge pflegen, | dass wir Männer weder sittsam sind, noch rechte Wege pflegen. |
diu gelîche trage | Dieselbe trage |
herzenliebe gein der minne. | Herzensfreude in die Liebe. |
ir sult wizzen, swaz iu iemen sage, | Ihr sollt wissen, was ich jedem sage, |
er gewan nie herzen küneginne, | derjenige gewann nie das Herz der Königin, |
der niht enwirbet, daz er guoten wîben wol behage. | der sich nicht bemüht, sodass er guten Frauen wohl gefällt. |
Strophe VIII
Reiner wîbe minne tiuwert hôhe mannes muot. | Reiner Frauen Liebe ehrt des edlen Mannes Gesinnung. |
ist ir triuwe meineclîch, | Ist ihre Treue liebend, |
deist in beiden lobelîch. | das ist bei beiden löblich. |
wol im, der gein wîben sîner staete hüeten kan! | Wohl demjenigen, der gegenüber Frauen auf seine Festigkeit achten kann! |
valschelôsiu minne waere beidenthalben guot. | Wahrhaftige Liebe wäre auf beiden Seiten gut. |
wol dem herzen, daz si treit! | Wohl dem Herzen, dass sie besteht! |
dem wirt sîner arebeit | Dem wird seine Arbeit |
wol gelônet. disiu maere merket, guote man! | wohl belohnt. Diese Erzählung merkt euch, gute Männer! |
sît den wîben holt, | Seit den Frauen freundlich, |
gein den herzen ougen lachen! | entgegnet dem Herzen mit freundlichem Blick! |
ir sult wizzen: aller Kriechen golt | Ihr sollt wissen: Das Gold aller Griechen |
möhte ein herze niht sô vrô gemachen | könnte ein Herz nicht so glücklich stimmen, |
sô reiner wîbe minne: deist ein vreudebernder solt. | wie die Liebe einer unschuldigen Frau. Dies ist ein freudeschwangerer Lohn. |
Strophe IX
Al diu crêâtiure, die der himel hât bedaht | All die Geschöpfe, die der Himmel bedacht hat |
und dar zuo diu erde treit, | und dazu zur Erde getragen hat, |
hât niht hôher werdikeit | hat keine höhere Herrlichkeit |
danne ein reine wîp, vor ir ein wol gevieret man. | als eine reine Frau, vor ihr ein wohl gepriesener Mann. |
swâ diu zwei beinander ruowent eine ganze naht, | Wo auch die zwei beieinander eine ganze Nacht ruhen, |
da ist der Minne lanzen ort | dort ist die Liebe Ort, |
wol bewunden hie unt dort. | gut eingehüllt hier und dort. |
sî hât zwischen herzenlieben schaden vil getân: | Sie hat zwischen Herzenslieben viel Schaden angerichtet. |
sus getâner nôt | In solch gestalteter Not |
kan diu Minne wunder machen, | kann die Liebe verwundert machen. |
trüebiu ougen, nâch der trüebe rôt, | Trübe Augen, nach der Trübe rot, |
sus und sô mit manger hande sachen. | auf diese Weise durch mancher Hand wirkenn. |
si wundet mangen, daz im bezzer waere ein senfter tôt. | Sie schmerzt manchen so sehr, dass ihm ein sanfter Tod besser wäre. |
Strophe X
Ich bin einem wîbe lange gar unmâzen holt | Ich bin einer Frau lange, gar übermäßig treu |
staeteclîchen her gewesen: | regelmäßig her gewesen. |
ân die trouwe ich niht genesen. | Ohne die Treue kann ich nicht genesen. |
nû beliben frô die liute (merket mîne klage!), | Nun verbleiben die Menschen froh (merkt meine Klage!), |
törste ich gein ir sprechen allez, daz ich selbe wolt, | hintergehe ich gegen ihr Sprechen alles, was ich selbst wollte, |
daz doch guote fuoge hât | dass doch gebührende Weise hat |
und niht an ir êre gât, | und nicht an ihre Ehre gelangt. |
daz doch wol geschaehe, waere ich gein ir niht ein zage. | Das doch wohl geschähe, wäre ich ge-genüber ihr nicht zaghaft. |
swenne ich von ir bin, | Sobald ich von ihr bin, |
sô hab ich vil guote sinne; | habe ich viel Verstand, |
kum ich zuo ir, sô ist hin der sin: | komme ich zu ihr, so ist der Verstand dahin. |
daz sint allez herzenlîche minne. | Das sind alles herzliche Lieben. |
sus ungesprochen mit gedanken gât diu wîle hin. | So ging es unausgesprochen mit Gedanken eine Weile lang. |
Strophe XI
Mit gedanken wirt erworben niemer wîbes kint; | Mit Gedanken wird nicht länger das Kind einer Frau erworben. |
dâ von spreche ein man enzît, | Davon spreche eine Mann beizeiten, |
swaz im an dem herzen lît, | was ihm am Herzen liegt |
und besuoche, ob ez diu minneclîche danne tuo! | und sucht auf, ob es die Liebenswerte sodann tut! |
swes er im gedenket, daz ist ir vil gar ein wint; | Das was er sich denkt, das ist ihr viel gar Nichtiges; |
des enmac si wizzen niht: | das mag sie nicht wissen. |
dâ von sint gedanke enwiht. | Davon sind Gedanken nicht etwas. |
dâ gehoeret underwîlen guot geriune zuo; | Da gehört zuweilen gutes Geflüster dazu. |
êst umnmâzen guot, | Es ist außerordentlich gut, |
swer gein wîben tar gesprechen; | jeder der wagt zur Frau zu sprechen; |
daz verkêret mangen staeten muot | das verkehrt manch beständige Gesinnung |
und kan vestiu herzen wol zerbrechen. | und kann ein tapferes Herz völlig zerbrechen. |
des volge ein man, daz ist mîn rât, ob er daz gerne tuot! | Daher befolge dies ein Mann, das ist mein Rat, als wenn er das gerne tut! |
Strophe XII
Milter fürste Friderîch, an triuwen gar ein flins, | Großzügiger Fürst Friderich, an Zuverlässigkeit gar ein Fels, |
dû hâst mich behûset wol: | du hast mich gut beherbergt. |
got dir billîch lônen sol. | Gott soll dich reichlich belohnen. |
ich enpfienc nie rîcher gâbe mêr von fürsten hant. | Ich empfing nie kostbarere Gaben von fürstlicher Hand. |
daz waer allez guot, niwan der ungefüege zins. | Das wäre alles gut, außer der unhöfliche Zins. |
des diu kindel solten leben, | Davon sollten die Kinder leben, |
daz muoz ich ze stiuwer geben: | das muss ich zur Steuer geben. |
des wirt zwischen mir und mînen friunden schiere ein pfant. | Deshalb wird zwischen mir und meinen Freunden sogleich ein Pfand. |
lieber herre mîn, | Mein lieber Gebieter, |
maht dû mir den zins geringen, | solltest du mir den Zins verringern, |
dînes heiles kempfe wil ich sîn | werde ich deines Glückes Verfechter sein |
und dîn lop wol sprechen unde singen, | und dein Lob so sehr sprechen und singen, |
daz ez vil lûte erhillet von der Elbe unz an den Rîn. | dass es sehr laut erschallt von der Elbe und über den Rhein. |
Analyse der Form
Die beiden Neidhart Winterlieder 13 und 23 sind der Kategorie der Dörperlieder zuzuordnen. Dieser Liedtypus umfasst einen winterlichen Natureingang, der verbunden ist mit der Klage über die verschwundenen Sommertage und besteht strukturell überwiegend aus Berichtslie-dern des Sängers. Im Fall der obig genannten Winterlieder handelt es sich rein um Monologe des Sängers, da es keine Dialoge oder anderweitige Gesprächsanteile in den Liedern gibt [Schweikle 1990:80]. Die Winterlieder enthalten vordergründig „monologische Reflexionen“ des Sängers, welche Minneklage und Frauenpreisstrophen umfassen. Wie die Bezeichnung der Dörperlieder bereits impliziert, sind neben Themen der Minne vor allem der damit verbundene Konkurrenzkampf mit den dörpern in den Winterliedern relevant [Schweikle 1990: 81]. In den Winterliedern 13 und 23 verhält sich der Sänger als Beobachter gegenüber seinen Konkurrenten [Schweikle 1990: 81]. Dabei äußert sich das Sänger-Ich kaum in neutraler Weise über die Bauernburschen, sondern erstellt durch seine wertenden Bemerkungen Referenzen von seiner Leiderfahrung zu den dörpern.
Trotz diesen thematisch komplexen Verbindungen innerhalb der Strophen, sind durchaus einzelnen Strophen konkrete Thematiken zuordbar [Schweikle 1990: 82]. Im Winterlied 13 gibt es in der vierten und fünften Strophe einen deutlichen Schwerpunkt auf den dörper Engelwan, dem der Sänger vorwirft die Treue der Herrin zu missbrauchen und deshalb mit spöttischen Bezeichnungen entgegnet wie „daz im müeze misselingen“ (S.IV, V.VII) oder ein Vergleich mit einer übersättigten Taube (S.V, V.IX). Dem entgegen ist die letzte Strophe sieben rein der Minneklage gegenüber seiner „vrouwe Minne“ (V.VII) oder „küneginne“ (V.VIII). Dasselbe gilt für das Winterlied 23, in welchem der Sänger dem dörper Engelmar ebenso die fünfte Strophe widmet und von dem schlimmen Verbrechen des Spiegelbruchs von Friderun erzählt. In der darauffolgenden Strophe gibt es einen thematischen Wechsel zur Minneklage, mit kritischen Äußerungen gegenüber der Herrin wie „diust mir niht, als ich ir bin“ (V.VI).
Das Winterlied 23 besteht aus zwölf Strophen mit jeweils dreizehn Versen. Das Reimschema besteht aus zwei umarmenden Reimen, in welchen sich im vierten Vers vor Abschluss des Reims der Reim für das nachfolgende Reimpaar bereits eingliedert, abbca addc. Hierbei kommen sieben Hebungen im ersten und vierten Vers vor, sowie jeweils vier Hebungen zwischen diesen Versen. Es folgen dann acht Hebungen im fünften und achten Vers vor, zwischen welchen erneut vier Hebungen liegen. In den letzten fünf Versen der Strophe folgt dann ein Kreuzreim, in welchem drei Verse reimen, efefe. Weiterführend sind im neunten und zehnten Vers zwei und vier Hebungen, im elften und zwölften Vers fünf Hebungen und im letzten Vers abschließend sieben Hebungen vorzufinden. Bei der Strophenform handelt es sich also um eine Kanzonenstrophe mit drei Stollen, wovon Vers I bis IV die erste und Vers IV bis VIII die ersten beiden Stollen und somit den Aufgesang abbilden. Vers IX bis XIII bilden die letzte Stolle und den Abgesang. Die Kadenzen sind durchgehend einsilbig männlich, bis auf Vers neun, zehn und zwölf.
Im Winterlied 13 liegen kürzere Strophen vor als im Winterlied 23, jede Strophe besitzt neun Verse und das Reimschema ist wie folgt: abc abc cddc. So liegt ein verschränkter Reim von Vers I bis VI vor und wird von einem umarmendem Reim abgelöst bis zum abschließenden, neunten Vers. Es liegen abwechselnd drei, vier und sieben Hebungen vor in den ersten sechs Versen, welche die erste Stolle der Kanzonenstrophe bilden und anschließend in den letzten drei Versen der zweiten Stolle sieben Hebungen vor. Im Unterschied zum Winterlied 23 lie-gen durchgehend zweisilbig männliche Kadenzen vor, bis auf wenige Ausnahmen der Verse zwei und fünf. Die stetige Zunahme der Hebungen bis zur dritten Stolle evoziert klanglich einen Drang und gewaltsame Aufladung, passend zur Minne- und Dörperklage. Ebenso im Winterlied 23, bestärken die ersten Stollen mit Auf- und Abbau der Hebungen, sowie einer Zunahme an Hebungen in der letzten Stolle, die spöttischen Äußerungen des Sängers und verleihen dem Lied einen stürmischen Klang.
Interpretation
Abhängigkeit auf struktureller Ebene
Vergleich der Natureingänge
Neidharts Winterlieder 13 und 23 führen beide mittels Naturmotivik in die Minneklage des Sängers ein, welche weiterführend in den Liedern von zentraler Bedeutung ist. Die Natureingänge beider Winterlieder erfüllen die Funktion einer Einführung in die jeweiligen Lieder, indem sie den Stimmungshintergrund des Winterlieds bilden. Laut Schweikle ist dieses Stimmungsbild bei Winterliedern i.d.R. eine Klage über das Leid im Winter, das vom Sänger als Liebesleid ausgeführt wird [Schweikle 1990: 115]. Die Darstellung des Liebesleids bzw. der Minneklage unterscheidet sich in beiden Liedern stark, dies ist bereits anhand der Natureingänge erkennbar.
In der ersten Strophe des Winterlieds 13 berichtet der Sänger, wie im Natureingang der Winterlieder üblich, vom Übergang des Sommers in den Winter. Diesen Jahreszeitenwechsel betont der Sänger als negative Entwicklung, bspw. führe der Winter die trüben Tage ein, welche einem die Freude raube (V.VIf). So spiegelt sich die Veränderung in der Natur auch im Innenleben des Sängers wider; die Strophe endet mit einer Äußerung über das Verhalten der Vögel, die nun im Winter ihren Gesang beiseitelegen und dem folgend möchte der Sänger ebenso seinen „Gesang stilllegen“ (V.IX). Diese Äußerungen sind als Klage über den schwindenden Sommer zu verstehen [Schweikle 1990: 80]. Der Sänger spricht davon, die Schönheit des Sommers nicht verklagen zu wollen und doch den Kontrast zwischen der erfahrenen Sommerfreude und dem Winterkummer kaum aushalten zu können (V.IIf).
Im Winterlied 23 ist der Sänger eingangs deutlich spezifischer und weniger zurückhaltend hinsichtlich seiner Minneklage. Der Natureingang schildert lediglich zwei Verse lang eine Aufzählung über das Vergehen des Sommers; es werden die Blumen, hellen Sommertage und die glückseligen Tage verklagt (V.I-II). Die deutliche Mehrheit des Natureingangs (V.III-XIII) befasst sich nicht weiter mit einer Naturmetaphorik, sondern berichtet sogleich von der unerwiderten Liebe seiner Herrin. Der Sänger beklagt seine unbelohnte, dienstliche Treue gegenüber seiner Herrin und eine Entmutigung seines Willens dies weiterhin zu leisten durch die Entsagung der „wîbes güete“ (V.V-VIII). Laut Hübner stellt ein solcher Natureingang das für den hohen Minnesang charakterliche Dienst-Lohn-Modell dar [Hübner 2008: 5]). Diese Konstruktion im Natureingang beider genannten Winterlieder Neidharts stimmt mit der einer Minnekanzone überein [Hübner 2008: 48]. Mit dieser traditionellen Struktur wird im weiteren Verlauf der Lieder gebrochen, indem der Sänger zur Rollenkonstellation Minne die Bauernburschen hinzufügt[Hübner 2008: 51].
Rolle und Minneverhältnis des Sängers, der dörper und der vrouwe
Da sich die beiden Winterlieder 23 und 13 thematisch hinsichtlich Minne und Abhängigkeit stark ähneln, sind die drei wichtigsten Rollen in diesen Liedern ähnlich besetzt. Der Sänger steht in Konkurrenz mit den dörpern um die Liebe einer Frau. Das bevorzugte Mittel, um die vrouwe zu werben ist der Gesang, welcher jedoch ohne Erfolg bleibt und aufgrund dessen bei der Minneklage verweilt [Ruh 1984: 119]. Der ausbleibende Erfolg ist auf verschiedene Aspekte zurückführbar, in den beiden ausgewählten Winterliedern jedoch vorwiegend auf die Dörperkonkurrenz zurückführbar [Ruh 1984: 119], Bsp: „Swaz ich ir gesinge, deist gehärphet in der mül“ (WL 23, S.II, V.I). Die Rolle der vrouwe ist an ein namenloses Bauernmädchen vergeben und ist in den Winterliedern Neidharts eine passive Person, von welcher lediglich über Ablehnung oder Annahme der Werbung, vor allem bezüglich der Geschenkmachungen der dörper, berichtet wird vom Sänger [Ruh 1984: 120]. Die Rolle der dörper ist von verschiedenerlei namentlichen Personen besetzt, welche als untereinander austauschbar gelten und lediglich einen individuellen Mann für diese Gruppe an Bauernburschen als Vertretung repräsentierend, nämlich Engelmar durch den einschneidenden Akt des Spiegelraubs [Ruh 1984: 121]. Zudem ist die vordergründige Eigenschaft dieser Personengruppe durch die Rivalität mit dem Sänger und der bäuerlichen Äußerlichkeiten gekennzeichnet [Ruh 1984: 121]. Aus diesen drei Rollen ergibt sich das Minneschema in den Winterliedern Neidharts nach Ruh, welcher diese Verbindungen als Triade darstellt. Dabei ist auffällig, dass von den dörpern und dem Sänger ein aktives Werbungsverhalten ausgeht, das die vrouwe rezipiert und infolgedessen im losen und passiven Maß auf die dörper reagiert [Ruh 1984: 122]. Dem Sänger schreibt Ruh keine rezipierende Position in Verbindung zur vrouwe zu und hebt stattdessen das Verhältnis zu den dörpern als besonders austauschfreudig hervor, was eine Erklärung für die quantitativ überwiegenden Inhalte über die dörper in den Winterliedern bietet [Ruh 1984:122]. Die Darstellung dieser Rollenverteilung in den Winterliedern selbst erfolgt allerdings nicht sehr eindeutig, häufig ist unklar, welche dörper-Person spricht und welche dörper vom Sänger-Ich angesprochen werden [Haufe 2003: 104]. Diese Rollen-Mehrdimensionalität beschreibt Haufe als zusätzliche Rezeptionsleistung der Rezipienten des neidhart'schen Gesangs, welche diesbezüglich aufkommende Unsicherheiten akzeptierern müssen [Haufe 2003: 104].
Themen und Motive
Beschuldigung und Konkurrenzkampf mit dörpern
Der Misserfolg des Sängers ist ein wichtiges Motiv in den Winterliedern Neidharts. In der zweiten Strophe des Winterlied 23 beklagt der Sänger das sabotierende Verhalten der Bauernburschen. Der Sänger beklagt, dass sein Gesang von seiner Herrin nicht erhört werden kann, denn die Bauernburschen Willebort und seine Gefolgen Geneliup und Hildewein verhindern es und stehen ihr vor die Ohren (S.II, V.IV). Die Herrin könne den Minnesang nicht wahrnehmen und würde stattdessen vordergründig das Getuschel der dörper erfahren (S.II, V.XIII). Der Sänger beschuldigt die dörper für seinen Misserfolg und wendet sich direkt an den Leser mit einer rhetorischen Frage, ob er den dörpern deshalb nicht zum Feind werden soll (S.II, V.V). In den letzten Versen der dritten Strophe wendet er sich wieder an den Leser und spricht einen warnenden Apell aus, Dummen nicht allzu viel zu verge-ben und verweist darauf, dies habe seiner Arbeit als Sänger geschadet.
Durch diese Rhetorik schafft das Sänger-Ich es, zum einen Distanz zum Verhalten der dörper aufzu-bauen und zum anderen die Eigenverantwortung seines eigenen Verhaltens an die dörper abzugeben. Ein exemplarisches Beispiel hierfür findet sich im ersten Vers der vierten Strophe: „Ich hân in durch mîne zuht ein teil ze vil vertragen, / daz mich nie gein in gevrumt / noch ze staten niht enkumt.“ Hier-bei argumentiert Neidhart, dass seine Höflichkeit ihn davon abhält sich gegen die Bauernburschen aufzulehnen und aufgrund dessen viel Leid ertragen zu müssen. Somit wird die eigene Handlungsun-fähigkeit des Sängers auf sein höfisch-höfliches Benehmen reduziert und bezeugt dadurch eine große Abhängigkeit vom Tun und Wirken der Bauernburschen.
Im Winterlied 13 werden die konkreten Beschuldigungen des Sängers an die dörper in geringerem, jedoch ebenso explizitem Maß verübt. In der zweiten Strophe erläutert Neidhart im Anschluss an den Natureingang die Hintergründe seines Winterleidens näher. Dabei scheint insbesondere die Missachtung seines Minnedienstes durch die Bauernburschen einen Schwerpunkt in des Sängers Leid zu bil-den, denn die dörper würden ihn nach langjährigem und zuverlässigen Dienst seinen Lohn entnehmen wollen (S.II, V.IV, VIII). Dies wiederholt sich in der dritten Strophe, denn der Sänger bezeichnet die dörper Engelwan, Uotze und Ruoze als Widersacher, die sich in ihrer Gruppierung dabei unterstützen, des Sängers Lohn zu unterschlagen (V.VI-VII). Zudem weist der Sänger darauf hin, diesen Dienst weiterhin ausführen zu wollen, aber durch die dörper davon abgehalten zu werden (S.II, V.V). In der Hinwendung an die vrouwe wird auch deutlich, dass der Sänger es nicht schafft sich gegen die Bau-ernburschen durchzusetzen: „niht envolge ir lêre, vrouwe, liebist aller wîbe! / lône mîner jâre […] (WL13, S.III, V.VIII-IX). Er bittet seine Herrin in Form eines Imperativ direkt darum seinen Lohn zusichern und ihn vor den Bauernburschen und deren Leid zu bewahren.
Spott und Gewalt zwischen Sänger und Bauernburschen
Im vorangegangenen Abschnitt wurde eine Distanzhaltung des Sängers zu den dörpern erwähnt, welche laut Plotke eine wichtige Voraussetzung für den Akt des Spottens ist. Die Distanzhaltung ist notwendig, da der Spottende und das Objekt des Spottes unweigerlich in einer Relation auftreten. So könne der Spottende es vermeiden, selbst zum Objekt seines eigenen Spottes zu werden [Plotke 2010: 24]. Als außenstehender Betrachter [Schweikle 1990: 81] kommentiert das Sänger-Ich die dörper, bspw. beschreibt er aus einer herablassenden Perspektive den Konkurrenzkampf unter den Bauernburschen, welche die Herzensdame alle zugleich bedrängen und einander Hass entgegenbrachten (WL 23, S.III, V.I-III). Der Sänger beschreibt, dass die Dame die drei Bauernburschen um ein freundlicheres Benehmen bittet (S.III, V.IV). Plotke weist darauf hin, dass durch die Illustration der Rüpelhaftigkeit der Konkurrenten diese als unangemessen für seine Herrin herausgearbeitet werden [Plotke 2010: 31]. Durch diese spöttische Haltung kann sich das Sänger-Ich von der aggressiven Gruppendynamik der dörper distanzieren und sich selbst als superioren und geeigneten Minneanwärter herausstellen.
Die Zusammenfassung der einzelnen Bauerburschen als Gruppierung der dörper ist ein wiederkehrendes Motiv in Neidharts Winterliedern. Sie erlaubt eine Gegenüberstellung und somit einen Vergleich zwischen ihm und den anderen Anwärtern seiner Dame [Haufe 2003: 107]. Ein Beispiel für diese Generalisierung ist in der vierten Strophe des Winterlieds 23 zu finden, er schreibt er würde weder ihre Geneigtheit noch freundliche Begrüßung erfahren (V.IV) und verwendet dabei das Pronomen „in“ (S.IV, V.I), sodass nicht deutlich wird, an wen Neidhart seinen Spott richtet. Diese Uniformität der dörper bekräftigt der Sänger ab und zu selbst explizit, bspw. würde er Geneliup und Willebort gerne nach Griechenland versetzen, um auf diese Weise den Übermut von Hildewein zu schwächen (S.III, V.V).
Der durch die Bauern entstehende Kummer sei von solcher Größe, dass Neidhart nicht alles mit seinem Gesang beklagen könne, das ihm an Kummer widerfahren ist (S.IV, V.V). Auf diesen Vers folgend wird ein einziger Name genannt und somit ein Vertreter der für den Kummer verantwortliche Gruppe dörper herausgestellt: „her Engelmâr.“ (S.IV, V.XIII). Die Gewichtung dieses Namen wird in der folgenden Strophe ersichtlich, da Neidhart von der Zerstörung Frideruns Spiegel durch Engelmars Hand als schädlichste Handlung der letzten einhundert Jahre erzählt (S.V, V.IV). In den folgenden Versen spricht Neidhart von Frideruns zurückhaltender Art, Engelmar für den Spiegelbruch noch nicht bezichtigen zu wollen (S.V, V.V-VI). Trotz, dass Friderun sich gegen diese strafende Haltung entscheidet, nimmt der Sänger diese scheinbar für sie gegenüber Engelmar ein und kritisiert seine Handlung als „ze vil“ von ihm zu erleiden in Versen sieben und zwölf. Auf diese Weise erzeugt Neidhart den Anschein einer Abhängigkeit Frideruns von ihm als moralische Instanz, denn er als Sänger spottet über Engelmar so wie es in seinen Augen Friderun hätte tun sollen. Hierbei wird ein Vergeltungsmotiv mit Gewalt und Bezichtigung verknüpft, bspw. solle Engelmars Hand verkrümmen (S.V, V.VIII). Laut Schweikle habe das stetige Zurückkommen zum Spiegelbruch Engelmars die Funktion der Ablenkung von den eigenen Misserfolgen
Die fünfte Strophe im Winterlied 13 ist ebenfalls gänzlich einem Bauernbursche gewidmet, hier dem Engelwan, und drückt eine ausschließlich spöttische Haltung gegenüber diese Person aus. Hierbei wird vorwiegend das Auftreten Engelwans thematisiert, denn den Sänger stört es, wie hoch er sein Haupt trägt und ohne höfischen Anstand mit einem schwingenden Schwert zum Tanz kommt (S.V, V.I-V). Er bezeichnet Engelwan als törichten Schmarotzer und vergleicht seine Aufgeblasenheit mit einer übersättigten Taube mit vollem Hals (S.V, V.VII-IX). Engelwan würde ihn vom Wohlwollen der Herrin verstoßen. Im Vorangegangenen schreibt der Sänger die dörper haben bereits die „bluomen“ und somit vermutlich die Jungfräulichkeit der Herrin gekostet (S.IV, V.V-VI). Obgleich der Sänger die Gewalt der dörper verpönt, endet die Strophe aufgrund dieser Agression mit gewalttätigen Gerechtigkeitsvorstellungen in Form eines Zerschneiden Engelwans durch hunderte Schwerte, welche ihm zusätzlich das Glied verderben sollen (S.IV, V.VII-VIII). Die Ernsthaftigkeit dieser Aussage wird damit unterstrichen, dass diese Strafe ihm zurecht geschehe (S.IV, V.IX). Haufe bezeichnet dies als imaginierte Gewaltvorstellung des Sängers, welche „die Zerstörung des dörperlichen Konkurrenten“ zum Ziel habe (Haufe 2003: 116). Diese Gewaltfantasien würden zudem eine Machtposition des Machtposition des Sängers darstellen [Haufe 2003: 116].
Jedoch erscheint das Sänger-Ich trotz dieser Gewaltbereitschaft und Verspottung als unerfolgreicher Minnewerber. Plotke argumentiert, dass auf einer höheren Ebene der Aufführungssituation eine Ver-schiebung des Spotts von den Bauernburschen auf den Sänger selbst erfolgt, da dieser seinen Misser-folg mit dem Erfolg der Bauerntölpel kontrastiert und trotz Kritik an diesen es nicht schafft sich über ihre Konkurrenz hinwegzusetzen und seine Geliebte zu erreichen [Plotke 2010: 32]. So nutzen dem Sänger der Spott und die Gewalt nicht, um unabhängig Erfolg zu haben: Der Sänger berichtet von einem tief-greifenden Schmerz, den er beim Anblick des Bauernburschen Ruoze empfindet, der mit seiner Herrin an der Hand führend tanzt (S.VI, V.VI). Trotz seiner Abneigung gegen Gewalt, „di spränzler und ir gewalt“ (S.IV, V.V), spricht der Sänger im siebten Vers davon sich beherrschen zu müssen, sich nicht mit Rouze zu raufen. Wegen diesen pressierenden und unkontrollierten Gefühle wendet sich der Sän-ger mit einer Interjektion im letzten Vers an die Minne. Diese wird nahezu als eigene Person ange-sprochen, sie solle ihn freilassen, denn ihre Gefangenschaft erdrücke den Sänger (S.VI, V.XI).
Klage und Lobpreis an Minne vrouwe
Haufe beschreibt die Minneklage des Sängers in den Winterliedern als mit für den Minnesang typischen Thematiken verknüpft, wie Erläuterungen zur Abhängigkeit des Wohlwollens der vrouwe und den Beschwerden über das vergebliche Werben um dieses [Haufe 2003: 106]. In der sechsten Strophe des Winterliedes 23 wendet Neidhart sich von einer Klage über die Bauernburschen ab und richtet seinen Gesang gegen die Ungerechtigkeit der Liebe. Neidhart zieht eigene Erfahrungswerte heran, um über die Liebe zu urteilen. Dies bezeichnet Haufe als Minnelehre, welche sich schnell von spezifischen Aussagen über des Sängers Verhältnis zur Minne zu generalisierten Bemerkungen über die Rollenverteilung der Geschlechter entwickelt [Haufe 2003: 108]. Der Sänger Er spricht davon den Frauen in einer Beziehung jeher treuer zu sein und beklagt, dass die Liebe keine gemeinsame Zuverlässigkeit pflegt (S.VI, V.I, IV). Dies sei ihm insbesondere in einer Beziehung zu einer Frau sichtbar geworden, deren Name er nicht nennt, über deren Verhalten er sich beklagt: „diust mir niht, als ich ir bin; / sô gêt mir mîn leben hin.“ (S.VI, V.VI-VII). Diese Erfahrung hat scheinbar einen bleibenden Eindruck beim Sänger hinterlassen, denn in Versen neun bis zwölf betont der Sänger, dass Liebe damals gleichmäßig wog und Zuneigung keinen Riss hatte (S.VI, V.X, XII). Der darauffolgende Appell an die Leser bzw. Zuhörer, niemand dürfe weiter ihn danach fragen, denn der Schaden würde anhalten bis zum letzten Tag verdeutlicht die Enttäuschung des Sängers (S.VI, V.XII-XIII).
Diese Gerechtigkeitsüberlegungen sind ebenso in den nächsten beiden Strophen sieben und acht führen zu finden und sind insbesondere auf geschlechtliche Unterschiede in der Minne fokussiert. Die Liebe des Mannes sei gegenüber der Frau gewichtiger gewesen, doch nun überwiegt die Liebe der Frau in einer Beziehung (S.VII, V.I-IV). In Versen fünf und sechs wird deutlich, dass der Sänger die-ser Entwicklung kritisch gegenübersteht, da er nicht wisse wen er bezüglich dieser Entwicklung beschuldigen könne. Neidhart hebt besonders die Pflichten des Mannes gegenüber der Frau hervor und wendet sich vorschreibend mit Imperativ an seine männlichen Zuhörer. Diese sollen wissen […] derjenige gewann nie das Herz der Königin, der sich nicht bemüht, sodass er guten Frauen wohl gefällt (S.VII, V. XI-XIII) und sollen wissen, dass Gold einen nicht so glücklich mache, wie die Liebe einer reinen Frau (S.VIII, V.XI-XIII). Auf diese Weise elaboriert Neidhart eine Art Regelwerk für das Beziehungsverhältnis zwischen Mann und Frau. Um den reinen Frauen zu gefallen und deren Zuneigung zu erlangen, werden die Männer dazu aufgefordert ihre Unsittlichkeit und Heftigkeit (S.VII, V.VIII) abzulegen. Diese Arbeit würde dann mit Zuneigung seitens der Frau entlohnt werden, welchen Neidhart als freudeschwangeren Lohn bezeichnet (S.VIII, V.XIII).
Die Wichtigkeit des Erlangens der Zuneigung einer Frau wird im ersten Vers der achten Strophe genannt, denn die Liebe einer reinen Frau würde die Gesinnung eines ehrenhaften Mannes ehren. Somit ist die Ehre eines Mannes abhängig von der Reinlichkeit einer Frau. Die weibliche Reinlichkeit dient Neidhart als idealisierte Form der Minne, neben allen irdischen Geschöpfen stelle die Frau gemeinsam mit einem wohl gepriesenen Mann in Augen Neidharts die höchste Herrlichkeit dar (S.IX, V.I-IV). Plotke verweist bei dieser Stelle auf das Konzept der reinen Frau als anwendbar auf jedwede Frau, wobei hier die Sexualität durch die Zweisamkeit der zweigeschlechtlichen Beziehung hervorgehoben wird [Haufe 2003: 109]. Diese Form der Hoheit der Minne kontrastiert Neidhart in der neunten Strophe mit dem Schadenspotenzial der Liebe, welche einen Mann vulnerabel machen kann und derartig schmerzen, dass derjenige einen sanfter Tod bevorzuge (S.IX, V.VII, XIII) [Haufe 2003: 109f]. Von diesen abstrakteren Vorstellungen der Liebe zwischen Mann und Frau gelangt der Sänger in der zehnten Strophe zurück zu einer persönlicheren Erfahrungsebene. Neidhart berichtet von Ungerechtigkeit in seiner Treue zur Frau, denn er sei lange Zeit übermäßig treu zu ihr gewesen und beteuert, ohne diesel-be Art nicht gesund werden zu können (S.X, V.I-III). Letzteres impliziert deutlich eine Abhängigkeit Neidharts von seiner angebeteten Frau. Diesen Einfluss der Frau auf Neidhart verstärkt sich in den nächsten Versen, er sei gegenüber ihr zaghaft und würde den vielen Verstand verlieren, das sind laut Neidhart die „herzenlîche minne.“ (S.X, V.XII). So scheint Neidhart die Verantwortung seiner eigenen Handlungen auf die Beziehung auf Seiten der Frau zu verschieben. Im letzten Vers der elften Strophe gibt es wieder einen Appell an Männer, „daz ist mîn rat“ (S.XI, V.XIII), ein Mann solle an die Frau heransprechen, „swaz im an dem herzen lît“ (S.XI, V.I-III). Die damit verbundene potenzielle Zu-rückweisung seitens der vrouwe zeichnet laut dem Sänger den hohen Mut eines Mannes aus, denn dies könne ein „vestiu herzen wol zerbrechen“ (S.XI, V.XII).
Im Winterlied 13 ist die Minnethematik und das Minneleid des Sängers deutlich an den Konkurrenzkampf zu den dörpern gebunden. Dies liegt vor allem an der Struktur des Liedes, das lediglich aus sieben Strophen besteht und keine strophenlange Minnelehre auf die Klage über das Verhalten der dörper folgt wie im Winterlied 23. Jedoch gibt es zum Schluss eine Minneklagestrophe [Schweikle 1990: 83], welche ausschließlich seiner Herrin gewidmet ist und keinen Bauernburschen beim Namen nennt, wie es sonst in allen anderen Strophen der Fall ist (WL 13, S. II-VI). Diese repräsentiert den Zwangscharakter im Winterlied 13 besonders gut, denn die Verse „twingent daz herze min, / daz ich hân ze strîte wider dich deheine wer.“ (S.VII, V.IIf) und „[…] betwungen des, daz ich dir hulde swer“ (S.VII, V.VI) deuten darauf hin, dass der Sänger schlicht dem Kampf um die Minne der vrouwe mit den dörpern ergeben ist. Dies zum Kontrast ist die letzte Strophe des Winterlieds 23, in welcher eine unerfolgreiche Alternative zur Minne vom Sänger lobgepriesen wird: Ein Dienstverhältnis zum Fürst Friedrich [Haufe 2003:110]. Hier wendet sich Neidhart an den Fürst Friedrich und spricht ihm seinen Dank aus für seine großzügige Beherbergung, welche ihm Gott reichlich belohnen soll (S.XII, V.I-III). In den folgenden Versen jedoch beklagt der Sänger die abzugebenden Steuern, welche eigentlich seinen Kindern zugutekommen sollten. Dies kennzeichnet ein weiteres Abhängigkeitsverhältnis, das sich ähnlich wie das zur Minne verhält. Zum Schluss der zwölften Strophe verspricht Neidhart dem Fürsten, bei verringerter Steuerabgabe würde er seines Glückes Verfechter sein und ihn so sehr lobpreisen, dass der Gesang von der Elbe bis zum Rhein widerschallen soll (S.XII, V.X-XII). So erscheint die Minneabsage gegen-über einer vrouwe nur zu einer Verschiebung des Abhängigkeitsverhältnisses zu führen, nicht zu des-sen Auflösung [Haufe 2003:110].
Fazit
Abschließend lässt sich über Minne und Abhängigkeitsverhältnisse in den beiden Winterliedern 13 und 23 sagen, dass diese beiden Aspekte im Neidhhart'schen Minnesang auf struktureller und inhaltlicher Ebene eng miteinander verwoben sind. Der Minnesang des Sängers geht von einer monologischen Erzählstruktur aus, innerhalb welcher der Sänger die Erfahrungen der Interaktionen von verschiedenen Rollen - der dörper, vrouwe und eigenen Rolle als Sänger-Ich - verarbeitet und dadurch komplexe Verbindungen zwischen diesen herstellt. Diese Verbindungen sind häufig nicht offensichtlich verständlich aufgearbeitet, sodass Abhängigkeitsstrukturen nur indirekt nachvollziehbar werden. Ein Überblick über die grundsätzlichen Rollenverhältnisse ist hilfreich, da diese sich in Themen und Motiven, wie dem Lobpreisen der vrouwe oder Klage über die dörper, sehr unterschiedlich gestalten. Die Inhalte der beiden Winterlieder 13 und 23 weisen deutliche Unterschiede auf und ähneln sich dennoch durch zentrale Gemeinsamkeiten hinsichtlich der strukturellen und thematischen Gestaltung Neidharts Winterlieder. Die Rollenverhältnisse im Kampf um die Minne verdeutlichen die Gewichtung der dörper in beiden Liedern, da das Sänger-Ich in keinem der beiden Lieder einen Erfolg erzielt und somit eine zentralen Position in der Minneklage des Sängers einnehmen.
Literaturverzeichnis
Sekundärliteratur
[*Schweikle 1990] Schweikle, Günther: Neidhart, Stuttgart 1990 (Sammlung Metzler 253).
[*Hübner 2008] Hübner, Gert: Minnesang im 13. Jahrhundert. Eine Einführung, Tübingen 2008.
[*Ruh 1984] Ruh, Kurt: Neidharts Lieder. Eine Beschreibung des Typus, in: Kleine Schriften. 1. Dichtung des Hoch- und Spätmittelalters, 1984, S. 107-128.
[*Plotke 2010] Plotke, Seraina: Neidhart als Spötter – Spott bei Neidhart, in: Mitteilungen des Deutschen Germanistenverbandes 57/1 (2010), S. 23-34.
[*Haufe 2003] Haufe, Hendrikje: Minne, Lärm und Gewalt. Zur Konstitution von Männlichkeit in Winterliedern Neidharts, in: Aventiuren des Geschlechts. Modelle von Männlichkeit in der Literatur des 13. Jahrhunderts, hg. von Martin Baisch et al., Göttingen 2003 (Aventiuren 1), S. 101-122.
Primärtext
[*Wießner-Sappler 1999] Die Lieder Neidharts, hg. v. Edmund Wießner, fortgef. v. Hanns Fischer. 5., verb. Aufl., hg. v. Paul Sappler, mit einem Melodieanhang v. Helmut Lomnitzer. Tübingen: Niemeyer 1999 (Altdeutsche Textbibliothek 44).
Nachschlagewerk
[*Hennig 2014] Hennig, Beate: Kleines Mittelhochdeutsches Wörterbuch. In Zusammenarbeit mit Christa Hepfer und unter redaktioneller Mitwirkung von Wolfgang Bachofer, 6., durchges. Auflage, Berlin/ Boston 2014.