Perspektivisches Erzählen (Wolfram von Eschenbach, Parzival): Unterschied zwischen den Versionen
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Das Perspektivische Erzählen beziehungsweise die point-of-view-Technik ist ein bedeutendes erzähltechnisches Gestaltungsmittel in dem Roman ''Parzival'' von [[ Wolfram von Eschenbach (Biographie) | Wolfram von Eschenbach]]. Das Handlungsgeschehen wird in dem Roman sowohl aus der Perspekive des auktorialen Erzählers als auch aus den unterschiedlichen Perspektiven einzelner Roman-Figuren beleuchtet. Diese polyperspekivische Präsentation des Parzival-Stoffes durch Wolfram von Eschenbach ermöglicht die Darstellung der Beurteilungsvielfalt einzelner Aspekte, stellt jedoch gleichzeitig eine enorme Herausforderung an den Hörer und Leser dar. | |||
Das Perspektivische Erzählen beziehungsweise die point-of-view-Technik ist ein bedeutendes Gestaltungsmittel in dem Roman ''Parzival'' von Wolfram von Eschenbach. | |||
==Eine neue Kunstform== | ==Eine neue Kunstform== |
Version vom 23. Juni 2012, 13:09 Uhr
Das Perspektivische Erzählen beziehungsweise die point-of-view-Technik ist ein bedeutendes erzähltechnisches Gestaltungsmittel in dem Roman Parzival von Wolfram von Eschenbach. Das Handlungsgeschehen wird in dem Roman sowohl aus der Perspekive des auktorialen Erzählers als auch aus den unterschiedlichen Perspektiven einzelner Roman-Figuren beleuchtet. Diese polyperspekivische Präsentation des Parzival-Stoffes durch Wolfram von Eschenbach ermöglicht die Darstellung der Beurteilungsvielfalt einzelner Aspekte, stellt jedoch gleichzeitig eine enorme Herausforderung an den Hörer und Leser dar.
Eine neue Kunstform
Die durchgängige Erzählerperspektive stellt eine bedeutende Neuerung der höfischen Erzählkunst im Mittelalter dar. [Bumke 2004: Vgl. S. 229] Vorbilder und Beispiele einer stringenten Erzählerpespektive sind die Epen des französischen Dichters Chrétiens de Troyes, darunter auch die Vorlage Li Contes del Graal ou Le roman de Perceval für den Parzival-Roman Wolframs von Eschenbach, und der Roman d'Énéas. [Bumke 2004: Vgl. S. 229] Der Conte du Graal von Chrétiens de Troyes ist monoperspektivisch verfasst. Bei der Verschriftlichung seines Parzival-Romans übernimmt Wolfram von Eschenbach die Schilderung des Geschehens durch eine Erzählerperspektive aus seiner französischen Vorlage. Er fügt dem Erzähler als Erzählinstanz jedoch spezifische Eigenheiten ein und erweitert die Darstellung des Erzählten durch die Perspektive verschiedener Roman-Figuren. Durch diese Aufspaltung der monoperspektivischen Erzählweise von Chrétiens de Troyes in den polyperspektivischen Erzählstil Wolframs von Eschenbach, entsteht in dem deutschen Parzival-Roman ein Netz divergierender und konvergierender Sichtweisen, worauf im folgenden Abschnitt noch einmal ausführlicher eingegeangen wird. Für den Moment ist jedoch festzuhalten, dass das polyperspektivische Erzählen Wolframs von Eschenbach eine beachtliche erzähltechnische Innovation und darstellerische Erweiterung gegnüber seiner Vorlage von Chrétiens de Troyes verkörpert, sodass Bumke von einer "eigene[n] Kunstform" [Bumke 2004: S. 229] Wolframs von Eschenbach spricht.
Quellennachweise
<HarvardReferences />
[*Bumke 2004] Bumke, Joachim: Wolfram von Eschenbach, 8. Aufl., Stuttgart/Weimar 2004 (Sammlung Metzler 36).