Genres: Büchlein (Ulrich von Liechtenstein, Frauendienst)

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Unter den gesonderten Formtypen im Ulrichs von Liechtenstein "Frauendienst" neben den Briefen und Liedern stellen drei Büchlein in Reimpaarversen im Umfang von 387, 393 und 379 Versen das ausführlichste selbständige Genre in diesem höfischen Roman. Inhaltlich werden in ihnen ,Ulrichs' Minnebotschaften und Bitten an die Dame gerichtet, die in der aufwendigen Form des Dialogs mit dem personifizierten Brief als Bote im ersten, mit der Minne im zweiten sowie mit dem Herzen und dem Sinn im dritten Büchlein eingeleitet. Die Gattung der Büchlein, wie die der Briefe, ist ausschließlich auf den ersten Minnedienst konzentriert.

Definition

Das mittelhochdeutsche „bouchelîn, büechelîn, büechel“ übersetzt Matthias Lexer mit den Begriffen „kleines lehrendes oder erzählendes gedicht; gereimtes liebesgedicht“ und „gerichtl. protokoll“ ins Neuhochdeutsche. [Lexer 1992: S. 31] Hendricus Sparnaay erkennt im „Büchlein“ eine „Minnenallegorie“ oder „Rede“, da es ein längerer gereimter Liebesbrief sei, wobei beim Brief didaktische Züge und beim Liebesbrief gewöhnlich lyrische Elemente zu beobachten sind. [Spaarnay 1958: S. 197] Das älteste bekannte Büchlein wurde 1170-1180 in alemannischer Mundart gedichtet und stellt eine ritterliche Tugendlehre dar: „Die vom Dichter des "Heimlichen Boten" vertretene Minneauffassung hält die Mittte zwischen der vorhöfischen der Kaiserchronik und der des älteren Minnesangs. Das Gedicht enthält Liebesregeln für Damen und für Ritter.“ [Spaarnay 1958: S. 197] Auch von Hartmann ist ein Büchlein überliefert, das in der Selbstbezeichnung eine „Klage“ ist und in dem, im Mittelalter beliebten, Gewand des Streitgesprächs zwischen Leib und Herz gestaltet ist. In der „Minne Fürgedanc“, das aus derselben Zeit wie „Frauendienst“ stammt, findet sich eine Tugendlehre und ist auch ähnlich wie bei Ulrich in zwei Abschnitte gegliedert: Minnenallegorie und Briefsteller.

Genremerkmale

Alle drei Büchlein im „Frauendienst“ bilden sich im Erzählfortgang aus einer Sachlage gescheiterter Kommunikation zwischen ,Ulrich' und der Dame heraus und sind inhaltlich, ähnlich wie Briefe, mit dem Geschehen verknüpft. Die in ihnen schriftlich fixierten Botschaften werden durch Boten, die sie überbringen, mündlich ergänzt und beeinflussen die Handlungen der beteiligten Figuren. „[D]ie ersten beiden Büchlein reichen außerhalb das Tableau der Kommunikationsmodi an, indem sie in ihrer dialogischen und körperbetonten Ausgestaltung die mündliche Sprechsituation sowie die Nähe der Körper im Raum in den Text des Büchleins einzuschreiben suchen.“ [Kellermann 2009: S. 233]

Medialität der Büchlein

Da sich ,Ulrich' als ein Analphabet präsentiert, wird von ihm ein Helfer eingeführt, „der mir min heinlich [sic!] brieve las/ und ouch min heimlich ofte schreip“ (FD 169). So liegt es nahe, dass die Figur des Ritters alle seine Büchlein diktieren lässt. Wie vor den Briefen und den meisten Liedern ergeht an die Rezipienten der Appell den Inhalt auditiv zu rezipieren und so wird im Lesevorgang eine mündlicher Vortrag inszeniert. Die Art der Interaktion ist in den Büchlein eine anderere, als in den Briefen, denn die Botschaft wird durch die Einführung (fiktiver) Charaktere wesentlich komplexer: Durch das einleitende Gespräch ist die Sprechsituation objektiviert und entindividualisiert sowie der Minne-Appell mittels der ,Autorität' seiner Dialogpartner (Bote, Minne, Herz und Sinn) intensiviert.

1. Büchlein

In den Versen 1-234 personifiziert ,Ulrich' das Büchlein als Bote und redet es mit „du“ an, wobei sein Gesprächspartner antwortet. Das Schriftstück soll als Bote die Gunst der Dame 1 erwirken und zwar mittels höfischer Sprachstandards:

[...]|| __________ || [...]
Mittelhochdeutsches Original (FD 1. Büchlein 1-5) : __________ Neuhochdeutsche Übersetzung:
Dins gelückes walde got, __________ Zu deinem Glücke walte Gott,
vil kleines puoch, getriuwer bot, __________ du kleines Buch, getreuer Bot,
daz du saeliclich gevarst, __________ daß du recht glücklich also fährst
und din zuht wol bewarst __________ und deine Höfischkeit behältst
mit rede als ein man ze hove sol! __________ im Wort wie man bei Hofe soll!

Das gute Benehmen des ,Boten' würde sowohl Ulrich, als auch dem Büchlein nützen: „und kanstu da geparen wol,/ des han ich frum, du ere/ ane zwivel immer mere.“ (FD 1. Büchlein 6-7), außerdem wird der beschriftete ,Bote' [1] seine Angebetete erblicken, wenn er sie richtig anschaut. Er soll der Dame sagen und nicht verschweigen „mins gernden willen, den ich trage/ gegen ir genaden mange tage,/ und daz ich uf ir genaden gewin/ ir ritter immer gerne bin.“ (FD 1. Büchlein 61-64). Das Büchlein verspricht dies zu tun und sorgt sich gleichzeitig auf Grund seiner „unhöfischen“ Art zum Gespött zu werden (FD 1. Büchlein 107-109), außerdem fragt es sich wie es der Dame die Hand reichen soll, ohne ein Mann zu sein und auch dann könnte es dies nicht tun, weil es niemand wissen soll (FD 1. Büchlein 110-117). Darüber hinaus sorgt sich der ,Bote' um seinen Körper, falls die Dame erzürnt sein soll: „wan zürnet si die botschaft,/ si hat den gewalt und ouch die kraft,/ (so wol erkenne ich vrowen zorn)/ daz ich daz leben han verlorn./ sie gepieutet über mich zehant/ in ir zorn, daz ich verbrant/ werde uf einem roste./ wer chumt mir da ze troste?/ oder mir geschiht zu liden/ von ir ein solhez sniden,/ daz nimmer geheilet. Baz dann gevierteilet,/ klein als daz in der sunne vert/ ist mir vil liht alda beschert“ (FD 1. Büchlein 110-131). Sollte die Dame positiv auf die Botschaft reagieren, erwartet das Büchlein eingesperrt zu werden, worauf ,Ulrich' diese Sorgen zu zerstreuen sucht: „ez wirt dir erboten daz/ danne ob du waerst des keisers kint - / so rehte groz ir tugent sint.“ (FD 1. Büchlein 157-159), denn „wer solde ruch in den tot/ sinen lieben boten senden?“ (FD 1. Büchlein 149-150). Der Minnende gebietet dem Büchlein zudem unbedingt zu verschweigen, dass der Ritter gerne mit dem ,Boten' tauschen würde, um nahe bei der Dame zu sein und ihr ein Küsschen zu stehlen. Selbst zu fahren ist es ,Ulrich' nicht möglich, so ziehen sein Herz und seine Sinne mit, wobei, wenn der „tumbe gedanc“ zu „deheinen kranc“ verleitet werden sollte, soll der ,Bote' dies in seinem Bericht verheimlichen (FD 1. Büchlein 200-223). Anschließend steht die eigentliche Botschaft aus der Sicht des Büchleins (FD 1. Büchlein 234-322), die dann aus ,Ulrichs' Perspektive wiederholt wird (FD 1. Büchlein 323-387), mit der Bitte um die Gunst der Dame, der entsprechenden Argumentation mit der Wahrheitsbeteuerung in der 3. Ps.: „daz weiz er wol, dem niemen niht geliegen mac.“ und der Bitte um Antwort.


Durch die Gestaltung eines imaginierten Raums im Medium der Schrift werden das Ineinandergreifen der medialen Vermittlung der Mündlichkeit und der Schriftlichkeit thematisiert – Ulrich möchte durch den Mund des Büchleins sprechen und erwartet eine (mündliche?) Botschaft der Dame, wiederum empfangen durch den Mund seines schriftlichen ,Boten'. Gleichzeitig wird die Körperlichkeit im Medium der Schrift[1] und auch in der Übermittlung durch den ,Boten' problematisiert: ,Ulrich' selbst ist es unmöglich seiner Angebeteten nahe zu sein, so personifiziert er das Büchlein zum Boten, der sich, wie ein Mensch, um seine körperliche Unversehrtheit sorgt. Die zu erwartenden Strafen (verbrannt, zerschnitten, gevierteilt oder eingesperrt werden) sind im Mittelalter übliche Strafen an Menschen. Durch die Art der Bestrafung und auch durch die Emotion der Angst gewinnt das Büchlein, neben der individuellen Anrede, an persönlichen Zügen. Durch diese narrative Mittel wird der Wunsch des Ritters, den Platz des Büchleins einzunehmen, vorstellbar, da der Sender und der Bote beide als Subjekte inszeniert sind. Doch sie sind in ihrer körperlichen Beschaffenheit verschieden: Während das Büchlein der Dame die Hand nicht reichen kann, da es kein Mann ist, könnte ,Ulrich' dieser Frau ein Küsschen stehlen. Da aber beide körperlichen Annäherungen nicht dem höfischen Kodex (=Buch) entsprechen würden, könnte dieser Minnedienst in Gefahr sein und sogar abgelehnt werden, somit ist die schriftliche Botschaft die beste Kommunikationsart für den Minnenden.


Auch außerhalb des Büchlein-Textes ist die Körperlichkeit präsent: Der reale Bote teilt der Dame mit, dass das Büchlein als Stundenbuch für die Nacht bestimmt ist (FD 162). Wenn aber das Medium, wie dargelegt, auf einer abstrakten Ebene mit der körperlichen Präsenz von Ulrichs Körper aufgeladen ist, ist der Ritter auf dieser Ebene seiner Dame körperlich nah in den Abendstunden. Dadurch erfährt das Medium erotischen Mehrwert – einerseits ,lagert' Ulrich seinen ,Körper' in den Gemächern der Dame, andererseits dient ihm das zurückgesandte Büchlein als Liebessurogat (er trägt es bei sich, als er auf seinen Schreiber wartet, der ihm den Inhalt der Botschaft vorliest) und steht in der Tradition des Liebespfandes. [Kellermann 2009: S. 225-226] Auch die Ursache für die Produktion des Büchleins ist körperlicher Natur, da Ulrichs (körperliche) Redefähigkeit beim ersten Treffen versagt, soll nun die Schrift sprechen.

2. Büchlein

Der Inhalt des 2. Büchleins gibt den Dialog Ulrichs mit Minne wider, eine direkt an die Dame adressierte Botschaft ist nicht präsent; das Anliegen des Ritters leitet den Text ein (FD 2. Büchlein 1-136). Er fragt sie um Rat und beschwert sich, dass sie ihn so lange vernachlässigt habe: „wie rehte nahen es mir gat,/ daz du mir so lange vrist/ vremde und also verre bist/ mit tröstlicher lere/ und doch mit herzen sere/ mir also rehte nahen list/ und mir niht wan chumber gist!“ (FD 2. Büchlein 1-8). Außerdem verdiene er ihren Lohn für das lange Dienstverhältnis – ein Heide würde besser umsorgt als er (FD 2. Büchlein 20-25). Ulrich hat vor seiner Herrin ein neues Büchlein zu senden, das er wieder als „den cleinen gefüegen boten min“ (FD 2. Büchlein 30) bezeichnet. Er bittet Minne den Botschafter auf seinem Weg zu begleiten, denn er erkennt den wahren Grund für die bisherige Zurückweisung durch die Dame 1 – die Minne hat seinen letzten ,Boten' im Stich gelassen: „do lieze du in under wegen,/ da von ist da nider gelegen/ diu botschaft umb alle min ere.“ (FD 2. Büchlein 47-49), so dass der ,Bote' und die Botschaft ganz fürchterlich verschmäht wurden. Außerdem wurde die Materie des ,Boten' stark angegriffen, als er die Botschaft der Dame im 1. Büchlein in sich empfing: „er het ez so tiwer/ erarnet in dem fiwer/ daz er were al gar verbrant,/ wan daz er miner vrowen hant/ vil niuwens het gerüret.“ (FD 2. Büchlein 112-116). Schließlich bittet Ulrich Minne erneut um Rat und Gott um Hilfe. Minne antwortet ihm (FD 2. Büchlein 137-211) und gibt ihm den Rat treu und beständig zu sein: „bezzer kere und bezzer kunst,/ bezzer rat und bezzer sinne/ zerwerben werde minne,/ diu was ie vil unvernomen.“ (FD 2. Büchlein 148-151). Weiter sagt sie, dass die Klage über den Boten unangebracht sei, denn es gäbe so viele Boten. Man solle einen Mittler schicken, der nicht betrügt und auch Ulrich selbst soll nicht lügen und nicht schmeicheln: „da bi la dir verboten sin/ liegen und smeichen./ des pflegent die moutes weichen,/ da mit solt du niht werben.“ (FD 2. Büchlein 205-208). Ulrich erwidert, dass ihm nichts ferner läge, als zu betrügen. Er bittet die Minne ihm seine Auserwählte zu gestatten, damit die Dame ihn wie einen Waisen trösten kann. Dafür schickt er seinen abgeschlagenen Finger als Pfand, den er im Minnedienst von seiner dienenden Hand geopfert hat (FD 2. Büchlein 266-284). Ulrich bittet die Minne erneut seinen ,Boten' zu begleiten und ihm zu helfen. Sie verspricht ihn zu unterstützen, allerdings redet sie im Konjuktiv: „Gout ritter, friunt, gelobe daz:/ kund ich dir wol gehelfen baz,/ dann ich gehalf noch ritter ie,/ der sich mit dienste an mich lie,/ daz tet ich dir mit triuwen gar.“ Weiter fährt sie im Indikativ fort, gelobt seinem ,Boten' beizustehen und beschreibt die höfischen Tugenden (FD 2. Büchlein 341-367). Anschließend verspricht Ulrich sowohl der Minne, als auch seiner Angebeteten zu dienen.


Im 2. Büchlein ist die Korrelation von Schrift und Körper ebenso präsent – die Körperlichkeit nimmt sogar die Ausgangslage für das Verfassen des Textes und ein ein Teil von Ulrichs Gliedmaßen begleitet die Sendung. Die Ursache der künstlerischen Produktion ist das Ereignis, in dem die Herrin1 Ulrichs Boten verschmäht und die Botschaft, Ulrich habe ihn ihrem Dienst seinen Finger verloren, für eine Lüge hält. Der abgeschlagene und mitgesandte Finger [2] ist einerseits Kombination von Augenscheinbeweis mit Schriftlichkeit [Kellermann 2009: S. 230], andererseits wird die Botschaft durch den sprichwörtlichen Fingerzeig [Kellermann 2009: S. 228] intensiviert und verweist auf die Körperlichkeit der Schrift ähnlich wie im 1. Büchlein. Nach Kellermann erfüllt der Finger folgende Funktionen – er ist Bote, Reliquie des Minnemärtyrers und dient gleichzeitig als Synekdoche des Minnenritters. Da die Dame1 das Büchlein nach der Rezeption in einer Schublade verwahrt hält, erfüllt sich die Befürchtung des 1. Büchleins, dessen Körper tatsächlich gelitten hat, – der fiktive Bote wird, sowohl als Finger als auch als Text, lebendig begraben. Dies bedeutet aber auch ein ehrendes Gedenken für den kleinen Minneritter: Er beginnt ein neues Leben in der Memoria. [Kellermann 2009: S. 229-230] Das 2. Büchlein steht mehr als das 1. in der Tradition des didaktischen Lehrgedichts: Die Frau Minne lehrt Ulrich welche Tugenden er besitzen muss, um Damen zu gefallen (Treue und Beständigkeit) und beschreibt am Schluss die höfischen Gepflogenheiten, an die sich der Minneritter zu halten hat. Außerdem rät sie ihm nicht zu lügen und nicht zu schmeicheln sowie sich einen ehrlichen Boten zu nehmen. Da der Begriff „Bote“ in diesem Zusammenhang sowohl für den realen Boten, als auch für den gesandten Text stehen kann, entsteht die Frage, ob die Botschaft im tatsächlichen Sinn besser in der Schriftlichkeit oder in der Mündlichkeit zu vermitteln ist. Der von Ulrich angezeigte Umstand spiegelt die zeitgenössische Situation eines Medienwandels wieder. Für die Entstehung der schriftlichen Botschaften (zu denen auch Ulrichs Büchlein zählen dürften) werden in der „Oberitalienischen Gemma Aurea“ um 1130 drei Gründe genannt: „Um Nachrichten geheim zu halten, um der Unzulänglichkeiten der Boten zu begegnen und um unter voneinander Abwesenden ein Gespräch stattfinden zu lassen, als wären sie gegenwärtig.“ Im 13. Jahrhundert, also zur Zeit Ulrichs, wird diese Tradition in den Brieftraktaten fortgesetzt und auch Ludolf von Hildesheim führt die gleichen Aspekte an, warum eine schriftliche Botschaft zu präferieren sei: „Geheimhaltungsabsicht, Nachlässigkeit der Boten und Gesprächsersatz. Interessant bei ihm ist aber vor allem der Gedanke der Unmittelbarkeit mündlicher Rede (viva voce), die bei räumlicher Trennung der Gesprächspartner entfällt und daher des Briefes als eines Mediums bedarf (aliquo medio loqueretur), mit dem der Absender seine Absicht dem Empfäner „vermitteln“ kann.“ [Herold 2003: S. 272-273]. Es ist vorstellbar, dass Ulrich im Sinne dieser Tradition das Gespräch mit der Minne auf das Gespräch mit seiner Angebeteten überträgt, um ihr durch diese Kommunikationsart körperlich nahe zu sein.

3. Büchlein

Auch der Text des 3. Büchleins beinhaltet ein Gespräch Ulrichs, diesmal mit dem Herz und Sinn (FD 3. Büchlein 1-96). Der Minnende fragt sie um Rat und erwähnt sich selbst als einen tugendhaften Mann, der treu und beständig ist. Die Dialogpartner sollen ihm beantworten, warum er so dumm und schwach sei, einer Herrin zu dienen. Er vergleicht sich mit dem alttestamentarischen Salomon, dem sein Verstand bei dieser Art des Dienstes auch nicht ausgereicht hätte. Ulrich sinniert über das vergangene persönliche Treffen mit seiner Dame: „daz ich han an ir gesehen./ ich meine, daz ich si reinen, falsches vri/ mir so rehte nahen bi/ in ir heimliche tougen/ niht mit gastes ougen/ mit ir vil guotem willen sach.“ („An ihr hab' ich das schon gesehen./ Ich meine, daß ich diese Edle/ schon einmal richtig nahe dort/ in ihrer Kenemate sah/ geheim, nicht wie ein Gast,/ mit ihrem Willen das geschah.“) (FD 3. Büchlein 50-55). Im Weiteren übermittelt er die besten Wünsche an die Herrin1, in dem er sie in der 3. Ps. Sg. anspricht. Gefolgt wird dies durch die direkte Anrede, in der er sich für den erhaltenen Lohn bedankt. Der Minnedichter vergleicht sich mit Tantalus und dem berühmten Alexander, die ein ähnlich schweres Schicksal getroffen habe, denn er plant eine heilige Fahrt als Minnedienst und bedankt sich für diese Ehre. Das Herz erwidert skeptisch: „waz meinet si, diu guote,/ mit also fremden moute,/ mit so wunderlichen siten,/ daz si vrowe geruochet biten,/ daz din lip ein vart beste/ durch irn willen über se? solt du für si vil süezen/ deheine ir schulde büezen,/ diu vo aller missewende gar/ ist bediu luter und bar?/ des wundert mich vil sere.“ („Was meint sie denn, die edle Frau,/ was doch so eigenartig ist/ und in so sonderbarer Art,/ daß sie dich also bitten will, daß du nun gehst auf eine Fahrt/ nach ihrem Willen über's Meer?/ Sollst du denn für die Edle nun/ gar eine Schuld vielleicht noch büßen, die doch von allem Tadel ist/ so völlig frei und ohne Schuld?/ Das wundert mich doch wirklich sehr.“) (FD 3. Büchlein 183-200). Daraufhin bezeichnet Ulrich das Herz als dumm und verbietet weitere dumme Fragen. Der Minnende sagt zu seinen Gesprächspartnern, er sei glücklich vom Willen seiner Angebeteten zu erfahren und plant die Fahrt für sie und für Gott. Es folgt eine weitere direkte Anrede an die Herrin1, in der er über seine Pläne berichtet und fragt wie die Reise genau ablaufen soll. Er verspricht, alles nach ihrem Wunsch auszuführen und die Fahrt ihr oder Christus zu widmen, im letzteren Fall muss die Dame verzichten. Ulrich bittet sie um Segen, denn einen anderen Schutz brauche er nicht, und definiert den Segen zugleich: „Ez ist ein tugentlicher gruoz,/ der mit spilnden blicken muoz/ vil schone sin gesüezet./ waz der an mir gebüezet/ leides von herzen grunde!“ („Es ist ein höfisch-feiner Gruß,/ der auch mit eurem hellen Blick/ so wunderbar versüßt sein muß.“) (FD 3. Büchlein 339-341). Außerdem bittet er sie gleichzeitig auch um einen Kuss als Pfand für die Reise, den niemand sehen soll: „und an der selben stunde/ sol iwer rosenroter munt/ mir vil schiere machen chunt/ iwer chussen einez/ wan daz beste, daz er hat./ wol mich danne ob daz ergat!/ got gebe, daz da niemen bi/ durch spehen noch durch melden si/ wan aleine wir beide!“ (Und zu derselben Stunde soll/ dann euer rosaroter Mund/ mir sehr bald geben, wie ich hoff',/ nur einen minniglichen Kuß/ und keinen weiteren sodann,/ das ist das Beste, was er hat./ Wohl mir, wenn alles also geht!/ Gott geb, daß niemand bei euch sei,/ der schauen oder melden könnt',/ wir beide seien ganz allein!“) (FD 3. Büchlein 343-353). Die Rezeption des Büchleins im Privaten hinterlässt einen positiven Eindruck bei der Dame (FD 1337). Die Produktion des 3. Büchleins steht am Wendepunkt des Geschehens: Die Dame gewährt Ulrich den Minnedienst an ihr und fordert ihn auf eine Heilige Fahrt zu unternehmen (FD 1320) und verspricht ihm Lohn dafür. Der Bote warnt Ulrich vor Gefahren der Reise, die entweder einen Kreuzzug oder eine Pilgerfahrt symbolisieren soll: Kein Mann zuvor habe diese Fahrt unternommen, für keine noch so schöne Frau. Ulrich übernimmt den Topos des Streitgesprächs zwischen dem Herzen und Leib aus Hartmanns „Büchlein/Klage“ und entwickelt ihn weiter. Ulrich streitet selbst als Subjekt mit den Gesprächspartnern, wobei nur das Herz gegen Ulrichs Pläne einer Fahrt protestiert. Ulrich personifiziert das Herz, in dem er es als dumm bezeichnet. Die Tatsache, das Herz könnte rational sein widerspricht der gängigen Meinung das Organ wäre der Sitz der Gefühle. Der Sinn , der eher für das Geistige stehen würde, meldet sich gar nicht zu Wort. Auch hier wird die Körperlichkeit in der Schrift thematisiert: Ulrich bittet die Dame um einen Gruß und Kuss und wünscht sich ihr alleine körperlich nähern zu dürfen, er erwartet ein real stattfindendes Treffen. Interessant ist die Wahl der Zielperson, welcher die Heilige Fahrt gewidmet wird – entweder ist es Christus oder es ist die Dame, scheinbar sind sie für den Verfasser vom selben Wert.

Fazit

Anmerkungen

  1. Das invertierte Verhältnis von Körper und Schrift, d. h. das Einschreiben in den Körper, wurde in der mittelalterlichen Geistlichkeit zum transzendentalen Ereignis. Früh- und hochmittelalterliche Exegeten formulierten die unbefleckte Empfängnis als einen Schreibakt: „Marias unbefleckten Schoß habe Gott als Schreibstoff benutzt, den Heiligen Geist als Schreiber. […] In der Menschwerdung hatte Gottes Wort leibhaftige Gestalt angenommen.“ Sogar der gemarterte Körper Christus nach der Passion, genauer seine Haut, wurde als Schrift-Material (Urkunde) aufgefasst und sein Leben als das erste Evangelium angesehen. Er habe: „die geschrifft der chlainen swarzen pouchstaben [litterae minores et nigrae] gehabt. [Die] groszen roten puochstaben [litterae rubeae et capitales] bedewttent die wunden, die im mit den nageln und sper durch seinen heyligen leichnam gestochen wurden. […] punckt und stricklein der virgeln [puncta et virgulae] die loechlein durchstochen mit der durneyn kron […].“ Aus: Schreiner, Klaus: „Göttliche Schreibkunst“. Eigenhändige Aufzeichnungen Gottes, Jesu und Mariä. Schriftlichkeit in heilsgeschichtlichen Kontexten. In: Frühmittelalterliche Studien 36 (2002). S. 116. und zit. nach Küsters, Urban: Narbenschriften. Zur religiösen Literatur des Spätmittelalters. In Müller, Jan-Dirk/ Wenzel, Horst (Hg.): Mittelalter. Neue Wege durch einen alten Kontinent. Stuttgart/ Leipzig 1999. S. 84. Zit. nach ebd. S. 116.
  2. Auch hier könnte ein Verweis auf die Tradition der mittelalterlichen Geistlichkeit liegen und der Finger von Ulrichs Schwert- und Schwurhand den schreibenden und schaffenden Finger Gottes symbolisieren: „Um das christliche Gottesbild durch antropomorphe Züge zu entstellen, machten Schriftausleger der spätantiken und mittelalterlichen Kirche aus dem schreibenden Finger Gottes eine geistliche Metapher. Allegorisierung tat not, wenn frühchristliche Theologen glaubten, den Nachweis führen zu sollen, daß Gott keine Hände, keine Füße und Finger besitzt und auch keine Seele hat wie ein aus Geist und Körper zusammengesetztes Lebewesen. Einen Anknüpfungspunkt zur Entmaterialisierung des göttlichen Fingers bot das von dem Evangelisten Lukas überlieferte Jesuslogion, wonach Jesus von sich selber sagte, daß er „durch den Finger Gottes“ Dämonen austreibe (Lk 11,20). […] Hieronymus verwies bei der Auslegung von Mt 12,28 auf die Lukasparallele (11,20) und stellte fest: Der Finger Gottes sei der Heilige Geist (Spiritus sanctus).“ Aus: Schreiner, Klaus: „Göttliche Schreibkunst“. Eigenhändige Aufzeichnungen Gottes, Jesu und Mariä. Schriftlichkeit in heilsgeschichtlichen Kontexten. In: Frühmittelalterliche Studien 36 (2002). S. 97.

Bibliographie

Primärliteratur

Ulrich von Liechtenstein: Frauendienst. Hg. v. Viktor Spechtler. Göppingen 1987 (zitiert als FD).

Sekundärliteratur

<HarvardReferences />

  • [*Herold 2003] Herold, Jürgen: Empfangsorientierung als Strukturprinzip. In: Spieß, Karl-Heinz (Hg.): Medien der Kommunikation im Mittelalter (Beiträge zur Kommunikationsgeschichte Bd. 15). Stuttgart 2003. S. 272.
  • [*Kellermann 2009] Kellermann, Karina: Kommunikation und Medialität. Ulrichs von Liechtenstein Frauendienst als mediales Labor. In: Linden, Sandra/ Young, Christopher (Hgg.): Ulrich von Liechtenstein. Leben – Zeit – Werk – Forschung. Cambridge/ Tübingen 2009.
  • [*Lexer 1992] Lexer, Matthias: „bouchelîn, büechelîn, büechel“. In: Mittelhochdeutsches Taschenwörterbuch in der Ausgabe letzter Hand. 2. Nachdruck der 3. Auflage von 1885. Stuttgart 1992.
  • [*Spaarnay 1958] Spaarnay, Hendricus: „Büchlein“. In: Reallexikon der deutschen Literaturgeschichte Bd. 1. Berlin 1958.