Typologie der drei Menschen

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Das im Prolog Parzivals angelegte Elsterngleichnis, auf welches dieser Artikel mit Fokus auf Übersetzung und Interpretation eingeht, unterteilt die Menschen in drei unterschiedliche Typen, die er durch Farbsymbolik voneinander abgrenzt: Den Weißen, den Schwarzen und den schwarz-weiß Gescheckten. Letzterer wird von Wolfram als Elsternfarben bezeichnet und vereint in sich sowohl Dunkelheit als auch Licht, sowohl Himmel als auch Hölle. Wolfram legt in seinem Gleichnis direkt zu Beginn eine Typologie der drei Menschen an, deren Fokus auf dem dritten Menschentypus, dem des Elsternfarbenen, liegt.


Bedeutung der Elster im Mittelalter

Wolfram verwendet die Elster als Metapher für einen neuen Menschentypus einleitend in seinem in der Forschung sehr umstrittenen und vielseitig ausgelegten[Bumke 2004: Vgl. S. 40 - 44] Prolog und lässt dieser Metapher dadurch viel Macht zukommen. Es erscheint naheliegend, zu versuchen, den schwer verständlichen Prolog durch eine Interpretation der Metapher näher zu erschließen. Eine Bedeutungsanalyse der Elster im Mittelalter stiftet hierbei jedoch noch mehr Verwirrung: Die Elster, welche in Wolframs Werk einen zerrissenen und doch Potential besitzenden Menschentypus beschreibt, gilt im Europa des Mittelalters als ein Unglücksbote, Galgenvogel und Hexentier.[1] Diese Verbindung der Elster mit Tod und Unheil entsteht aus dem Aasfressen des Vogels und seiner teils schwarzen Farbe, welche zu Zeiten der Hexenverfolgung auch Krähen und schwarze Katzen zu einem irrationalen, abergläubischen Ziel von Hass und Angst machte. Die Elster wird darüber hinaus als Vogel böser Omen[2] gesehen, was in Wolframs Werk zumindest die Position der Metapher erklären würde. Als orakelhaftes Tier steht sie prophetisch zu Beginn des Romans und leitet die Entwicklung Parzivals ein, welche sowohl Dunkelheit als auch Licht beinhaltet. Der Wert der Elsternmetapher bei Wolfram liegt insofern in der Farbsymbolik ihres schwarz-weißen Gefieders.

Wolframs Entwurf des elsternfarbenen Menschentypen

gesmaehet unde gezieret Schande und Schmuck
ist, swâ sich parrieret sind beieinander, wo eines
unverzaget mannes muot, Mannes unverzagter Mut konfus gemu-
als agelstern varwe tuot. stert gehen will wie Elsternfarben. Trotz-
Der mac dennoch wesen geil: dem, der kann doch noch glücklich sein,
wand an im sint beidiu teil, denn an ihm ist etwas von beidem: vom
des himels und der helle. Himmel und von der Hölle.

(1, 3-9)[3]


Damit entfernt Wolfram sich von einem Erzählstil, der eine Dichotomie aus Gut und Böse konstruiert und bricht diese Struktur durch den elsternfarbenen Menschentypen auf. Obwohl er offensichtlich Anteile des schwarzen Menschen in sich trägt, wird er dadurch nicht abgewertet, sondern weckt sofort das Interesse Wolframs sowie des Lesers, da die Binarität, die er in sich vereint, Schauort für innere Konflikte, Entwicklungen sowie die Möglichkeit einer Balance aus Licht und Dunkelheit besitzt. Die Wege des Schwarzen und des Weißen sind determiniert und somit statisch, während der schwarz-weiß Gescheckte Entwicklungs- und Konfliktpotential in sich trägt.



Idealisierung des Elsternfarbenen

Wolframs poetologische Herangehensweise stilisiert den elsternfarbenen Menschentypus zu einem Ideal, indem


Parzivals und Feirefiz' Elsternfarbigkeit im Vergleich

So ist es kein Zufall, dass sowohl Feirefiz als auch Parzival dem Elsterngleichnis entsprechen, jedoch auf unterschiedliche Arten. Die Parallelen und Unterschiede der beiden elsternfarbenen Brüder werden hier näher thematisiert. Feirefiz als Sohn eines hellhäutigen Christen und einer dunkelhäutigen Heidin manifestiert in sich die Geschecktheit sowohl in der Glaubensdualität als auch in seiner gescheckten Hautfarbe, die als anziehend und begehrenswert dargestellt wird. Parzivals Elsternartigkeit ist weniger offensichtlich und doch für das Werk grundlegend: Seine Zerrissenheit, deren Ursprung und Entwicklung hier eingehender beschrieben wird, und sein zwîvel definieren seine Zugehörigkeit zum Menschentyp des schwarz-weiß Gescheckten, der im Laufe des Romans eine Entwicklung durchläuft.


Anmerkungen

  1. Vgl. hierfür beispielsweise: http://www.welt.de/wissenschaft/umwelt/article115289469/Warum-die-diebische-Elster-so-gerissen-ist.html
  2. Vgl. hierfür beispielsweise: https://de.wikipedia.org/wiki/Elster
  3. Alle folgenden Versangaben beziehen sich auf die Ausgabe: Wolfram von Eschenbach: Parzival. Text und Übersetzung. Studienausgabe. Mittelhochdeutscher Text nach der sechsten Ausgabe von Karl Lachmann. Übersetzung von Peter Knecht. Mit einer Einführung zum Text der Lachmannschen Ausgabe und in Probleme der 'Parzival'-Interpretation von Bernd Schirok, 2. Aufl., Berlin/New York 2003.

<HarvardReferences />