Text und Übersetzung
Strophe I
Mittelhochdeutsch |
Übersetzung
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"Uns wil ein sumer komen", |
"Es wird ein Sommer zu uns kommen",
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sprach ein magt: "jâ hân ich den von Riuwental vernomen. |
sprach ein Mädchen: "Ja, das habe ich von dem von Reuental vernommen.
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jâ wil ich in loben. |
Ja, ich will ihn lobpreisen.
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mîn herze spilt gein im vor vreuden, als ez welle toben. |
Mein Herz springt ihm vergnüglich entgegen, als würde es rasen.
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ich hœr in dort singen vor den kinden. |
Ich höre ihn dort vor den Kindern singen.
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jâne wil ich nimmer des erwinden, |
Wahrlich, ich will nicht aufhören, ihm zuzuhören,
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ich springe an sîner hende zuo der linden." |
ich springe an seiner Hand bis zur Linde."
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Strophe II
Diu muoter rief ir nâch; |
Die Mutter rief ihr nach,
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sî sprach: "tohter, volge mir, niht lâ dir wesen gâch! |
sie sprach: "Tochter, hör’ mir zu, handle nicht unversehens!
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weistû, wie geschach |
Weißt du noch,
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dîner spilen Jiuten vert, alsam ir eide jach? |
was deiner Freundin Jiuten und ihrer Mutter letztes Jahr geschah?
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der wuohs von sînem reien ûf ir wempel, |
Sie wurde schwanger aufgrund seines Tanzes
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und gewan ein kint, daz hiez si lempel: |
und sie empfing ein Kind, das sie Lempel nannte:
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alsô lêrte er sî den gimpelgempel." |
Also lehrte er sie den seinen Tanz."
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Strophe III
"Muoter, lât iz sîn! |
"Mutter, hör’ auf!
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er sante mir ein rôsenschapel, daz het liehten schîn, |
Er schickte mir einen Rosenkranz, der warf einen schönen Glanz
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ûf daz huobet mîn, |
auf meinen Kopf.
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und zwêne rôten golzen brâhte er her mir über Rîn: |
Und zwei rote Strümpfe brachte er mir über den Rhein,
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die trag ich noch hiwer an mînem beine. |
die ich noch heute an meinen Beinen trage.
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des er mich bat, daz weiz ich niewan eine. |
Wie er mir half, das kann kein anderer.
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jâ volge ich iuwer ræte harte kleine." |
Ja, deshalb folge ich eurem Rat niemals."
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Strophe IV
Der muoter der wart leit, |
Die Mutter war es leid,
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daz diu tohter niht enhôrte, daz si ir vor geseit; |
dass die Tochter nicht auf das hörte, das sie zuvor sagte.
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iz sprach diu stolze meit: |
Da sagte das stolze Mädchen:
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"ich hân im gelobt: des hât er mîne sicherheit. |
"Ich habe es ihm geschworen, daher hat er meine Treue.
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waz verliuse ich dâ mit mîner êren? |
Warum sollte ich dadurch meine Ehre verlieren?
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jâne wil ich nimmer widerkêren, |
Ja, ich will nie mehr zurückkehren,
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er muoz mich sîne geile sprünge lêren." |
er wird mir seine fröhlichen Sprünge lehren."
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Strophe V
Diu muoter sprach: "wol hin! |
Die Mutter sprach:"Dann geh’!
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verstû übel oder wol, sich, daz ist dîn gewin: |
Es wird dir wohl oder übel so ergehen, aber merke, das ist dann deine Sache!
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dû hâst niht guoten sin. |
Du hast keine gute Kenntnis über den Menschen.
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wil dû mit im gein Riuwental, dâ bringet er dich hin: |
Willst du mit ihm ins Reuental gehen, dann bringt er dich dort hin.
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alsô kan sîn treiros dich verkoufen. |
So kann er deinen Tanz für sich verkaufen.
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er beginnt dich slahen, stôzen, roufen |
Er beginnt dich zu schlagen, zu stoßen, zu verprügeln,
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und müezen doch zwô wiegen bî dir loufen." |
und es müssen doch zwei Wiegen bei dir laufen."
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Analyse
1.) Worum/worüber streiten die Sprecherinnen?
- Abenteuerlust vs. Warnung vor Gewalt
- Naivität vs. Erfahrung
- Charakter des Bewunderers?/Verführers? von Reuental
- Einschätzung einer fremden Person
- sexuelles Begehren vs. unsicherer Hintersinn
- Dynamik vs. Bleiben
2.) Welche Themen, Begriffe und Aussagen heben die Einzelstrophen hervor?
- Str. I: Tanzeinladung durch "den von Riuwental", naive Sommerfreude, harmonisch umarmende Form
- Str. II: Folgen des Tanzens; Aufforderung, NICHT zu folgen
- Str. III: offene Geschenke des Werbers, geheime Bitten - Tochter will der Mutter nicht folgen
- Str. IV: Unwille über fehlende Folgsamkeit (Mutter); Abkehr von der Mutter u. Versprechen, zu folgen (Tochter)
- Str. V: gewaltsame Folgen der Beziehung, Name des Werbers = Summe der Folgen
Deutungsansätze
- Wer gewinnt / setzt sich durch?