Minnegrotte (Gottfried von Straßburg, Tristan)

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Gottfried von Straßburg steht vor der Herausforderung, die Liebe, die Tristan und Isolde erleben, dazustellen. Er löst diese, indem er eine Art metaphorischen Kosmos - die Minnegrotte - erschafft, der die Liebe zwischen zwei Liebenden generell darstellen soll.

Definition

Tristan und Isolde in der Minnegrotte. Kupferstich nach Wilhelm Peters' Wandgemälde.

Das Kapitel XXVII ist mit "Die Minnegrotte" überschrieben und umfasst die Verse 16679 bis 17274.

Es handelt sich bei der Minnegrotte[1] um eine Höhle in einem Berg, die der Liebe geweiht wurde (V. 16697-16701). Dem Liebespaar Tristan und Isolde gilt die Grotte als locus amoenus.[Mertens 1995:47] Tomas Tomasek spricht von einem „allegorische[m] Lehrgebäude“.[Tomasek 2007:160] Gottfried stellt die Minnegrotte entsprechend einer Allegorie zweigeteilt vor: zuerst stellt er das Bauwerk; die Höhle, dar, dann deutet er die Höhle in ihrer Ausstattung.

Tristan und Isolde werden von Markes Hof verbannt. Die beiden beauftragen Kurvenal, bei Hof zu erzählen, dass sie beide nach Irland gefahren seien, um ihre Unschuld öffentlich zu beweisen (siehe V. 16773-16781). Stattdessen begeben sie sich aber in die Minnegrotte, ins „Exil“.[Tomasek 2007:160]

Hans Bayer schreibt, "das [...] Paar zieht sich in die eigene Innerlichkeit zurück [...], eine verborgene kontemplative Höhenwelt, die der Masse der dem Irdischen verhafteten Menschen [...], zu denen auch Marke und sein Gefolge gehören, nicht zugänglich ist [...]."[Bayer 1978:165] Der Innenraum versinnbildliche den "weiten [...] Raum des Geistes, [...] da wir, der äußeren Welt vollkommen abgestorben und frei von Sorgen und unnützer Zerstreuung [...] uns in die Verborgenheit der innneren Beschauung zurückziehen [...]."[Bayer 1978:167]

Entstehung

Der Erzähler behauptet, die Grotte sei in einer Zeit in den Berg gehauen worden, als Riesen in dem Gebiet herrschten. (daz selbe hol was wîlent ê / under der heidnischen ê / vor Corinêis jâren, / dô risen dâ wâren, / gehouwen in den wilden berc. (V. 16689-16693)). Es wird berichtet, dass es mehrere Grotten in der Art der Minnegrotte gäbe. Wann immer eine passende Grotte gefunden worden sei, sei sie der Liebe geweiht worden. Nachdem eine Grotte der Liebe geweiht worden sei, heiße sie la fossiure a la gent amant; Liebesgrotte. (und swâ der einez vunden wart, / [...] / und was der Minnen benant: / la fossiure a la gent amant (V. 16697-16700). Tristan hat die Höhle einmal während der Jagd durch Zufall gefunden (dâ wiste Tristan lange ê wol / in einem wilden berge ein hol, / daz haete er z’einen stunden / von âventiure vunden. / dô was er dâ geriten jagen (V. 16683-16687)). Tristan ist also derjenige, der die Minnegrotte bereits kennt und Isolde dorthin führt (Tristan [en]kêrte dar în, / er und sîn trûtgesellîn (V. 16769-16770).

Lokalisierung

Die Minnegrotte liegt zwei Tagesreisen zu Pferd von Markes Burg Tintajol entfernt. (Tristan, Isolde und Kurvenal reiten vom Hof: sus riten si dan von hove si driu (V. 16660) / Sus kêrten sî driu under in / allez gegen der wilde hin / über walt und über heide / vil nâch zwô tageweide. (V. 16679-16682)). Sie befindet sich in der Wildnis, die auch als Einöde beschrieben wird (in dirre wüste (V. 16812)). Im Umkreis von einer Tagesreise befindet sich keine Zivilisation. Zur Grotte selbst gibt es keinen angelegten Weg. (von disem berge und disem hol / sô was ein tageweide wol / velse âne gevilde / und wüeste und wilde. / dar enwas dekein gelegenheit / an wegen noch stîgen hin geleit. (V. 16761-16766)). Um den Berg, in dem sich die Grotte befindet, stehen Bäume, etwas abseits befindet sich eine Ebene, wo sich eine Quelle befindet. Bei der Quelle stehen drei Linden. Die Ebene ist bedeckt von leuchtenden Blumen und Gras. (aber umbe und umbe hin ze tal / dâ stuonden boume âne zal / [...] / und einhalp was ein pleine, / dâ vlôz ein fonteine / [...] / dâ stuonden ouch drî linden obe / [...] / liehte bluomen, grüene gras, / mit den diu pleine erliuhtet was (V. 16733-16746)). Auch oberhalb der Tür zur Minnegrotte befinden sich drei Linden (und ûzen stuonden obe der tür / esterîcher linden drî [...] (V. 16730-16731)).

Aussehen

Der Eingang zur Grotte ist mit einer Tür aus Erz verschlossen (daz was mit êre bespart (V. 16698) / dâ gienc ein tür êrîniu vür. (V. 16729)). Durch diese Tür kann laut Erzähler nur eintreten, wer aus Liebe in die Minnegrotte geht, das Erz verhindert, dass sich jemand gewaltvoll Zugang verschaffen kann. (durch daz ist dâ der Minnen tor, / diu êrîne tür vor, / die nieman kann gewinnen, / ern gewinne sî mit minnen. / ouch ist sie durch daz êrîn, / daz kein gerüste müge gesîn / [...] / dâ mite man sî verscherten müge. (V. 17005-17014)).

An der Innenseite der Tür sind zwei Riegel angebracht, sowie ein Schnappschloss, das von einer außen liegenden Klinge geöffnet und geschlossen werden kann. (Innen an der êrînen tür / dâ giengen zwêne rigele vür. / ein valle was ouch innen / [...] / die meisterte ein heftelîn, / daz gie von ûzen dar în / und leite sî dar unde dan. (V. 16985-16993)).

Die Grotte selbst ist „rund, weit, hoch und steil. / schneeweiß, überall eben und glatt [...]“ (V. 16706). Der Boden ist aus grünem Marmor. Oben befinden sich drei kleine Fenster, durch die Sonnenlicht in die Grotte fällt. (dâ wâren cleiniu vensterlîn, / durch daz lieht gehouwen în (V. 16725-16726)).

In der Mitte der Grotte befindet sich ein erhöhtes Bett, das aus Kristall geschnitten ist. Ringsum befinden sich eingravierte Buchstaben, die zeigen, dass das Bett der Liebesgöttin geweiht ist. (ein bette in mitten inne was / geniten schône und reine / ûz cristallînem steine / hôch unde wît, wol ûf erhaben, / alumbe ergraben mit buochstaben, / und seiten ouch die maere, / daz ez bemeinet waere / der gottinne Minne. (V. 16716-16723)).

Der Schlussstein des Gewölbes ist kronenförmig, mit Schmiedearbeit verziert und mit Edelsteinen ausgelegt (oben ûf dem slôze ein crône, / diu was vil harte schône / mit gsmîde gezieret, / mit gimmen wol gewieret [...] (V. 16709-16712)).

Erzählerauslegung

Tomas Tomasek schreibt, die Deutung der „Grottenallegorese“ nutze „die architektonischen Gegebenheiten des Gebäudes, um den Funktionswert einzelner Tugenden innerhalb des Ganzen anzugeben.“[Tomasek 2007:157] Gottfried benutzt dabei das gattungstypische sprachliche Signal der Allegorie: daz ist.[Mertens 1995:4][2] Der Erzähler weist der Gestaltung der Höhle diese Bedeutungen zu (ir [en]lât iu daz entsliezen, / durch welher slahte meine / diu fossiure in dem steine / betihtet waere, als si was. (V. 16924-16927)):

  • „Die Rundung innen bedeutet die Einfachheit der Liebe.“ (V. 16931-16932).
  • „Die Weite bezeichnet die Kraft der Liebe, / denn ihre Kraft ist unbegrenzt.“ (V. 16937).
  • „Die Höhe steht für die Hochstimmung des Gemüts, / das sich in die Wolken emporhebt.“ (V. 16939).
  • „Die Wand war weiß, glatt und eben. / Das ist das Wesen der Lauterkeit. / Ihre ganz und gar weiße Helligkeit / darf nicht durch Farben getrübt werden.“ (V. 16963-16966).
  • „Der marmorne Fußboden gleicht der Beständigkeit / in seiner ewig grünen Festigkeit.“ (V. 16969-16971).
  • „[...] das Bett / der kristallenen Liebe / trug seinen Namen zu Recht. / [...] Die Liebe soll ja auch kristallklar, / durchsichtig und ganz lauter sein.“ (16977-16984).

Dass es für das Schnappschloss keinen Schlüssel gibt, begründet der Erzähler so: Jedes Schloss an einer Tür bedeute Falschheit. Wer nicht in die Grotte eingelassen werde, könne die Tür nur durch Falschheit oder Gewalt überwinden (siehe V. 16994 f.). Die zwei Riegel an der Innenseite der Tür, von deinen einer aus Zedernholz, der andere aus Elfenbein ist, legt der Erzähler so aus: Der Zedernriegel bedeute Weisheit und Verstand, das Elfenbeinriegel stehe für Keuschheit und Reinheit (siehe V. 17021 f.). Die Klinke aus Zinn und das Schloss aus Gold stehen laut Erzähler für das Streben nach dem Geheimnis der Liebe einerseits und die Erfüllung andererseits. Das Zinn versinnbildliche durch seine Beschaffenheit die Möglichkeit, das eigene Streben zu gestalten, so wie auch Zinn gestaltet werden kann (siehe V. 17037 f.). Die drei Fenster stehen laut Erzähler jeweils für Güte, Demut und vornehmes Betragen (V. 17063-17065). Die Abgelegenheit der Grotte symbolisiere zudem, dass die Liebe verborgen sei und der Weg zu ihr mühsam (V. 17071-17099). Eine Stelle bleibt allerdings ohne daz ist – Erläuterung: die Türverriegelung. Der Schließmechanismus der Grottentür besteht aus einen Schnappschloss, das durch eine Klinke geöffnet werde kann: die meisterte ein heftelîn, / daz gie von ûzen dar în / und leite sî dar unde dan (V. 16985-16994). Laut Volker Mertens handelt es sich hier um eine „sexuell auslegbare Symbolik“.[Mertens 1995:50] Durch die fehlende Auslegung bleibe die sexuelle Komponente im „Mythisch-Ungeschiedenen“.[Mertens 1995:50,51][3] Jedem anderem architektonischen Detail wird eine Bedeutung zugewiesen, es gibt sonst kein Merkmal der Höhle, das nicht ausgedeutet würde. Das lässt die Vermutung zu, dass Gottfried den (Be-)deutungen jeweils ein architektonisches Merkmal zugeordnet hat und diese baulichen Merkmale dadurch erst notwendig und deshalb von Gottfried integriert wurden.

Gottfried vs. Thomas

Thomas Gottfried von Straßburg
Minnegrotte symbolischer Raum, steht für den gesellschaftsfreien Idealzustand[Mertens 1995:47] Überarbeitung zur Allegorie, Minnegrotte steht für eine vorbildliche Liebesethik, den Triumph der Vernunft[Mertens 1995:49,50]
Entdeckung Grotte wird von Tristan und Isolde zufällig auf ihrer Flucht gefunden[Mertens 1995:48] Tristan kennt die Höhle bereits, Tristan und Isolde gehen planmäßig zur Höhle[Mertens 1995:48]
Mythos Reste der mythischen Dimension; der unbeschreiblichen Liebe[Mertens 1995:48] Verdrängung der mythischen Dimension, der Tristan-Isolden-Mythos wird ethisiert und rationalisiert[Mertens 1995:49]
Liebe sinnliche Liebe wird beschrieben[Mertens 1995:49] die sinnliche Liebe geht verloren (Beispiel Kristallbett: Tristan und Isolde werden nur ein einziges Mal auf dem Bett liegend beschrieben (V. 17405-17409), und zwar nicht in leidenschaftlicher Liebe, sondern mit einem Schwert zwischen sich, um Marke zu täuschen.[Mertens 1995:49]
Gesellschaft rechtloses Leben außerhalb der Gesellschaft, Aufgabe höfischer Existenz[Mertens 1995:47] die Liebe als höchste Verwirklichung einer höfischen Ehtik[Mertens 1995:51]

Motiv der Grotte

Laut Hans Bayer findet sich das Motiv der Grotte "bereits in der durch Psellos vermittelten Porphyrischen Auslegung der Tropfsteinhöhle auf Ithaka".[Bayer 1978:165]


Forschungsauslegung

Gottfrieds Allegorese nutzt laut Tomas Tomasek „Verfahren geistlicher Hermeneutik, um einem diesseitigen Wertesystem würdevollen Ausdruck zu verleihen.[Tomasek 2007:158] Tomas Tomasek weist außerdem auf das Innen und Außen der Grotte hin und weist ihm jeweils eine Bedeutung zu: „Tugenden, welche die Binnenbeziehung unter Liebenden betreffen, [...], finden sich im Inneren der Grotte angesiedelt, während die Anerkennung [...] im Bild des Sonnenlichtes gefasst ist, das von außen durch die Grottenfenster einstrahlt [...].“[Tomasek:157]

Bezüglich des Bettes meint Tomas Tomasek, im Kristallbett werde von einigen Foschern „eine Anspielung auf das Bett Salomons aus dem biblischen Hohelied vermutet“.[Tomasek 2007:156]

Leben in der Grotte

Außer Tristan und Isolde befindet sich niemand sonst in der Minnegrotte (V. 16848-16849). Allerdings hat Tristan einen Jagdhund namens Hüdan mit zur Grotte gebracht (V. 16646-16649).

Tristan und Isolde geht es während ihrer Zeit in der Minnegrotte ausgesprochen gut: swaz ieman kunde ertrahten, / ze wunschlebene g'ahten / in allen landen anderswâ, / daz haeten s'allez bî in dâ. (V. 16871-16874). sie haeten daz si solten, / und wâren dâ si wolten. (V. 16907-16908). sine tâten niht wan allez daz, / dâ sî daz herze zuo getruoc. (V. 17240-17241).

Tristan und Isolde spazieren morgens zur Wiese, sie spazieren dort auf und ab und hören auf das Vogelgezwitscher. Anschließend begeben sie sich zur Quelle und hören dem Plätschern zu. Wenn die Sonne zu steigen beginnt, gehen sie zu den Lindenbäumen, um sich Abkühlung zu verschaffen. Unter den Linden sitzen die beiden aneinandergeschmiegt und erzählen sich Geschichten von sehnsüchtiger Liebe derer, die aus Liebe gestorbenen waren. (V. 17147 f.). Außerdem musizieren sie in der Minnegrotte: Sie spielen Harfe und singen Lieder über die Liebe (V. 17210-17211). Von Zeit zu Zeit gehen Tristan und Isolde auf Jagd mit ihrem Hund Hüdan, allerdings nicht wegen der Jagdbeute, sondern nur zum Vergnügen. (V. 17244-17270)

Wie lange sind Tristan und Isolde in der Grotte aufhalten, ist nicht bekannt. Bei der Beschreibung der Tätigkeiten eines Tages handelt es sich um eine iterative Erzählung, Gottfried erläutert einen Tagesablauf und die Formulierung macht deutlich, dass dieser Ablauf in der Art mehrmals stattfindet (z.B. V. 17145-17146: si wâren z'allen zîten / ein ander an der sîten).

Dass Tristan und Isolde von Anfang an davon ausgehen, dass sie nur eine begrenzte Zeit in der Grotte verbringen werden, wird dadurch deutlich, dass sie ihre gemeinsame Freundin Brangäne beauftragen, "eine kurzlîche vrist" (V. 16674) am Hofe zu bleiben, um die Versöhnung mit Marke wieder herbeiführen zu können. Außerdem wird Kurvenal beauftragt, "z'einem mâle in zweinzec tagen" (V. 16801) zur Grotte zu kommen und Tristan und Isolde über Neuigkeiten zu informieren. Gottfried schreibt, dass Kurvenal tat, was man ihm auftrug. Allerdings wird kein Besuch Kurvenals beschrieben. Dies kann, muss aber nicht, als Hinweis gesehen werden, dass Tristan und Isolde weniger als 20 Tage in der Grotte verbingen.

Janet Wharton gleicht das Zusammenleben Tristan und Isoldes in der Minnegrotte mit der Metapher daz lebende paradîs (V. 18066-18067), die im huote-Exkurs ausgeführt wird, ab.[Wharton:150] Tristan und Isolde können nach Wharton das absolute Ideal des lebenden paradiz nicht erreichen, ihr Leben in der Minnegrotte nähere sich diesem Ideal nur an. Was ihnen fehle ist werltlîcher pris (V. 18087), eine der Früchte im lebenden paradîs (neben triuwe, minne und ere, siehe V. 18086-18087).[Wharton:150] Tristan und Isoldes Beziehung ist von der Gesellschaft nicht anerkannt, deshalb ist ihr „Paradies“, d.h. ihr Zusammenleben, verletzlich. Der Sündenfall, bzw. ein Herausfallen aus dem „Paradies“, in dem sie sich durch ihre gegenseitige Liebe befinden, ist bei Tristan und Isolde deshalb möglich.

Verlassen der Grotte

Tomas Tomasek meint, die Tatsache, dass Marke Tristan und Isolde aus der Minnegrotte zurück an den Hof lädt, erscheine „sinnlos“, da die Beziehung von Tristan und Isolde „nicht ohne Zutun Markes schrittweise zum öffentlichen Skandal“ werde.[Tomasek 2007:104]

Außerdem behauptet Tomasek, Tristan und Isolde würden sich bei „erster sich bietender Gelegenheit“ aus der Minnegrotte zurückziehen, sie würden „die Anerkennung menschlicher Gesellschaft“ vermissen, da die beiden im einfallenden Tageslicht, nur Sonnenschein erkennen würden, nicht aber die im Exkurs beschriebene ere, die dem Licht zukomme.[Tomasek 2007:160]

Zeitlosigkeit der Grotte

Jan-Dirk Müller beschreibt anschaulich die 'mythische Zeit' in der Minnegrotte. In ihr herrscht absolute Zeitlosigkeit, nur die Zweisamkeit der Liebenden steht im Vordergrund. Nur durch Zufall ist sie zu entdecken, ihre Lokalisierung 'irgendwo in der Wildnis', die Aufenthalte Tristans und Isoldes dort von ebenso belangloser wie unbestimmter Dauer. Zeit spielt hier keine Rolle. "Die Unwichtigkeit des Zeitablaufs kommt in dem - in seinen ästhetischen Konsequenzen noch beileibe nicht hinreichend gewürdigten - Faktum zum Ausdruck, das Wesen und Eigenart des Grottenlebens in der Form einer Raum-Allegorie dargeboten wird."[Müller 2002:385] Wichtig ist bei der Minnegrotte also nicht die Zeit sondern einzig der Raum. Dieser stellt eine Art Gegenpart zu der realen, äußeren Welt dar und ist als vorzeitliche Voraussetzung für die Liebe in der vom Lauf der Zeit abhängigen Realwelt zu verstehen.

Kommt demnächst noch:

Tristan und Isolde ernähren sich nur von ihrer Liebe, auf echte Nahrung verzichten sie.

Beschreibung, wie einer von Markes Jägern die Grotte findet, Tristan und Isolde ein Entdecktwerden befürchten und ein Schwert zwischen sich legen und schlafen, als sie Marke tatsächlich entdeckt und durch das Schwert endgültig von seinen Zweifeln befreit wird und Tristan und Isolde die Minnegrotte verlassen.

  • An der Stelle kurz vor dem Entdecktwerden sollte sicherlich ein besonderes Augenmerk auf der Symbolhaftigkeit des großen weißen Hirsches liegen, der dem Jäger den Weg zur Grotte verrät und den Gottfried bezeichnenderweise, ebenso wie Petitcreiu, als vremede bezeichnet (V.17.293). In gleichem Maße wie das Zauberhündchen "weist das Außergewöhnliche aus der alltäglichen Welt ins Reich des Wunderbaren"[4]. Die rätselhafte, beinahe wunderliche Kreatur fungiert also gewissermaßen als vermittelnde Instanz, die eine Verbindung zwischen den beiden gegensätzlichen Welten schafft, auf der einen Seite die alltägliche Realität, auf der anderen die isolierte Sphäre der reinen Minne.

Literatur

<HarvardReferences />

  • [*Wharton] Wharton, Janet: "Daz lebende paradis? A consideration of the love of Tristan and Isot in the light of the "huote" discourse", in: Gottfried von Strassburg and the medieval legend: papers from an Anglo-North American symposium, hg. von Brewer, Cambridge 1990 S. 143-154.
  • [*Krohn 2007] Gottfried von Straßburg: Tristan, ins Neuhochdeutsche übers. von Krohn, 12. Auflage, Stuttgart 1980.
  • [*Mertens 1995] Mertens, Volker: "Bildersaal - Minnegrotte - Liebestrank. Zu Symbol, Allegorie und Mythos im Tristanroma", in: Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur 117 (1995), S. 40-64.
  • [*Bayer 1978] Bayer, Hans: "Gralsburg und Minnegrotte: die religiös-ethische Heilslehre Wolframs von Eschenbach und Gottfrieds von Strassburg", in: Philologische Studien und Quellen 93 (1978), S. 161-187.
  • [*Tomasek 2007] Tomasek, Tomas: Gottfried von Straßburg, Stuttgart 2007.
  • [*Ranke 1925] Ranke, Friedrich: "Die Allegorie der Minnegrotte in Gottfrieds Tristan", in: Schriften der Königsberger Gelehrten Gesellschaft 2 (1925), S. 21-39.
  • [Müller 2002] Müller. Jan-Dirk: Die Zeit im 'Tristan'. In: Der "Tristan" Gottfrieds von Straßburg. Symposion Santjago de Compostela 5. bis 8. April 2000. Hg. von Christoph Huber und Victor Millet. Tübingen 2002. S. 379-397.
  1. Die Minnegrotte wird mit erstaunlich viele Begriffsvarianten benannt: ein hol (V. 16684); eine Höhle, der minnenden hol (V. 16701); die Liebesgrotte, fossiure (V. 16704); Grotte, wilde[n] clûse (V. 16806); wilde Klause, der Minnen hûs (V. 17029); das Haus der Liebe, die fossiure werltlîcher âventiure (V. 17069-17070); die Höhle weltlichen Glücks, clûse (V. 17223); Zuflucht oder stein (V. 17395).
  2. Volker Mertens bezeichnet diese klare Zweiteilung als „platte[] Eindeutigkeit“. Mertens, Volker: "Bildersaal - Minnegrotte - Liebestrank. Zu Symbol, Allegorie und Mythos im Tristanroma", in: Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur 117 (1995), S. 40-64.
  3. "Gottfried selbst bietet hier [...] keine Entschlüsselung an, denn im höfischen Diskurs stand keine sexuelle Terminologie zur Verfügung, und vor allem sollte dieser Bereich im Mythisch-Ungeschiedenen bleiben. [...] allegorisches Sprechen gestattet die Einhaltung erotischer Tabus." Mertens, Volker: "Bildersaal - Minnegrotte - Liebestrank. Zu Symbol, Allegorie und Mythos im Tristanroma", in: Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur 117 (1995), S. 40-64, hier S. 50-51.
  4. Hahn, Ingrid: Raum und Landschaft in Gottfrieds Tristan. Ein Beitrag zur Werkdeutung. Eidos Verlag München 1964. S. 92.