Brangäne (Gottfried von Straßburg, Tristan)
Brangäne, die Vertraute Isoldes, spielt eine wichtige Rolle in Gottfried von Straßburgs Tristan. Erst durch ihre Unaufmerksamkeit kommt es dazu, dass Tristan und Isolde gemeinsam den Minnetrank trinken. In der weiteren Handlung, besteht ihre Funktion darin, dem Liebespaar Treffen zu ermöglichen und gleichzeitig ihr Verhältnis durch List zu schützen und zu verheimlichen.
Charakterisierung
Brangäne ist die „niftel“ (9421) der Königin Isolde. „Niftel“ bedeutet jedoch nicht nur „Nichte“, sondern bezeichnet ganz allgemein eine nahe weibliche Verwandte.[1]
Das genaue Verwandtschaftsverhältnis zwischen Brangäne und den beiden Isolden kann somit nicht genau geklärt werden. Fest steht jedoch, dass sie zur Familie des irischen Königshofes gehört und somit eine gehobene Stellung inne hat.
Brangäne werden daher auch all diejenigen Eigenschaften zugeschrieben, die einer Dame von Stand eigen sind>ref>Vgl. Hollandt, Gisela: Die Hauptgestalten in Gottfrieds Tristan, S. 41.</ref>
So wird sie häufig als „schoene“ (u.a. 11082) beschrieben und neben Isolde, der „liehte[n] sunne“ (9456), und ihrer Mutter, dem „vrôlîche[n] morgenrôt“ (9458), als „schoene volmaene“ (9460) bezeichnet, was zum einen im Mittelalter für außergewöhnliche Schönheit stand [2]
und zum anderen die Zusammengehörigkeit der drei Damen nochmals verdeutlicht.
Neben ihrem äußeren Erscheinungsbild wird jedoch besonders ihre Wesensart hervorgehoben. Sie ist „höfsch“ (9421), „werde“ (12773), „stolz“ (11089), „wol gesite“ (10778), „wise“ (10359) und staete (12937). „[D]iu stolze“ ( 9459), wie sie mehrfach genannt wird, ist „liutsaelic uzer maze, ir muotes stolz unde vri“ ( 11088f.)[3]
Durch diese Eigenschaftszuschreibungen und vor allem durch ihr Handeln, das im Folgenden noch genauer beschrieben wird, lässt Gottfried das Bild einer durch Klugheit, Überlegung und Erfahrung geleiteten und zielstrebig, pragmatisch und unabhängig auftretenden Frau entstehen. Darüber hinaus wird Brangäne als eine Frau mit ausgeprägtem höfischem Gespür dargestellt. Neben der häufigen Verwendung von „höfsch“ für ihre Beschreibung, wird dies zum Beispiel auch an ihrer Reaktion auf den Fußfall Tristans vor den Königinnen deutlich, indem sie mit dem Ausspruch „‘vrouwe [… ] der ritter lit ze lange da.‘“ (10478f.) auf die Überschreitung der höfisch anständigen Dauer des Fußfalls aufmerksam macht.[4]
Aufgrund ihrer Klugheit und pragmatischen Sichtweise fungiert Brangäne zuerst als Beraterin der älteren Isolde und später als Vertraute und Ratgeberin der jüngeren Isolde.
Primärliteratur
Gottfried von Straßburg: Tristan. Nach dem Text von Friedrich Ranke neu herausgegeben, ins Neuhochdeutsche übersetzt, mit einem Stellenkommentar und einem Nachwort von Rüdiger Krohn. Bd. 1–3. Stuttgart 1980 (RUB 4471-3).
Sekundärliteratur
- Deist, Rosemarie: Die Nebenfiguren in den Tristanromanen Gottfrieds von Straßburg, Thomas‘ de Bretagne und im ‚Cligès‘ Chrétiens de Troyes. Göppingen 1986 (Göppinger Arbeiten zur Germanistik 435).
- Hollandt, Gisela: Die Hauptgestalten in Gottfrieds Tristan. Wesenzüge – Handlungsfunktion – Motiv der List. Berlin 1966 (Philologische Studien und Quellen 30).
Anmerkungen
- ↑ Vgl. Krohn, Rüdiger: Stellenkommentar, S. 158.
- ↑ Vgl. Krohn, Rüdiger: Stellenkommentar, S.159.
- ↑ Vgl. Hollandt, Gisela: Die Hauptgestalten in Gottfrieds Tristan, 41.
- ↑ Vgl. Deist, Rosemarie: Die Nebenfiguren in den Tristanromanen Gottfrieds von Straßburg, Thomas‘ de Bretagne und im ‚Cligès‘ Chrétiens de Troyes,S. 19.