Anfortas (Wolfram von Eschenbach, Parzival)

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Anfortas ist ein Sohn Frimutels sowie der Bruder von Trevrizent, Schoysiane und Herzeloyde. Somit ist er ein Onkel Parzivals. Anfortas ist der Gralkönig, der am Ende des Romans von Parzival abgelöst wird. Vor seiner Verwundung war Anfortas ein weit bekannter Ritter, der insbesondere durch seine „Rittertaten aus Liebe“ (mit rîterschaft durch minne, 815,13) berühmt wurde.

Anfortas als Fischer (225,8–226,22)

Parzival begegnet Anfortas zum ersten Mal am See Brumbane. Einige Fischer liegen dort mit ihren Booten vor Anker, wobei ein Fischer Parzival besonders auffällt:

       einen er im   schiffe sach:         Einen sah er im   Schiff             den het an im   alsolch gewant,         der war   gekleidet,             ob im dienden   elliu lant,         als ob er aller   Länder Herr wäre:             Daz ez niht   bezzer möhte sîn.         Besser kann man   nicht angezogen sein.              gefurriert sîn   huot waz pfâwîn.         Sein   pelzgefütterter Hut war mit Pfauenfedern gearbeitet.                               

Quelle

Parzival beschließt den prächtig gekleideten Mann, der wie sich später herausstellen wird, der Gralkönig Anfortas ist, zu fragen, wo er eine Herberge für die Nacht finden könne. „Der traurige Mann“ (der trûric man 225,18) beschreibt ihm den Weg zu einer entfernten Burg, in welcher er ihn am Abend selbst beherbergen will. Allerdings rät er ihm achtsam zu sein, denn auf den unbekannten Wegen könne man schnell vom Weg abkommen und sich verirren. Parzival folgt dem Angebot des Fischers und gelangt schließlich an eine mächtige Festung, die Gralsburg. Parzival weiß zu diesem Zeitpunkt nicht, dass es sich bei der Burg um die Gralsburg Munsalvaesche und bei deren Wirt um den Gralskönig Anfortas handelt. Auch der Fischer weiß nicht, dass es sich bei dem Fremden um seinen Neffen Parzival handelt. Jedoch weiß er, dass ein Ritter kommen wird, dem es möglich ist ihn durch eine Frage von seinem Leiden zu erlösen. Ihm ist bewusst, dass es sich bei Parzival um diesen Ritter handeln muss, denn sonst hätte er nicht so nahe nach Munsalvaesche vordringen können. (Bumk 65) Dies erfährt erst später durch den Einsiedler Trevrizent.

Der Gralkönig Anfortas (226,23–248,16)

In der Gralsburg wird Parzival sehr freundlich empfangen. Der Burgherr Anfortas sitzt an einer Feuerstelle in einem sehr festlich beleuchteten Saal und bittet Parzival sich zu ihm zu setzen. Die warme Kleidung aus Pelz sowie die Wärme des Feuers sollen die Schmerzen des Königs lindern. Zahlreiche Ritter befinden sich mit ihnen in dem marmornen, prächtig geschmückten Raum. Anschließend geschehen wundersame Dinge: Ein Knappe trägt eine Lanze, von deren Schneide Blut hervortritt und den Schaft hinunter läuft, herein. Danach wird in einer prachtvollen Zeremonie der Gral herein getragen und vor Anfortas gestellt. Daraufhin beginnt ein äußerst festliches Mahl, denn der Gral bringt auf unerklärliche Weise Speisen und Getränken jeglicher Art hervor. Obgleich Parzival diese wundersamen Geschehnisse wahrnimmt und verfolgt, wagt er es nicht Fragen zu stellen. Der Grund dafür liegt in der Erziehung durch Gurnamanz.

       er dâhte ‘mir   riet Gurnamanz          Er dachte:   „Gurnemanz hat mir beigebracht –              mit grôzen   triwen âne schranz,          er ist mir gut   und seine Treue ohne Scharte –,              ich solte vil   gevrâgen niht.          dass ich  nicht viel fragen soll.      

Parzival ist der Meinung, dass er auch ohne nachzufragen erfahren wird, was es mit den Geschehnissen auf der Burg sowie der Gralsgesellschaft auf sich hat. Diese strikte, unüberlegte Anwendung, der von Gurnamanz formulierten Verhaltensregeln, bringt schwere Folgen mit sich. Denn was Parzival nicht weiß, ist dass er mit der Frage nach dem Grund für die starken Schmerzen des gelähmten Gralkönigs, diesen von seinem Leid erlösen könnte und Parzival selbst zum neuen Gralkönig werden könnte. Anfortas macht Parzival ein großzügiges Gastgeschenk indem er ihm sein Schwert, das ihn in zahlreichen Kämpfen und Gefahren begleitet hat, übergibt. Diese Schwertübergaben, die eventuell sogar als eine „Inthronisation des Nachfolgers“(Bumk. 66) gedeutet werden kann, soll dem Gast Anstoß geben, den Wirt nach dem Grund für seinen leidvollen Zustand zu fragen. Denn Anfortas berichtet ihm, dass das Schwert ihn solange durch die Kämpfe begleitet hat, bis Gott ihn schließlich ame lîbe hât geletzet (239, 27). Parzival stellt die mit großer Spannung von der Gralsgesellschaft erwartete Frage jedoch nicht und dem Burgherrn wird somit nicht geholfen. Ahnungslos verlässt er am nächsten Morgen die Gralsburg.


Anfortas Leiden (472,21– In einem Gespräch zwischen Trevrizent und Parzival wird der Grund für Anfortas Leiden deutlich. So berichtet der Einsiedler, dass Anfortas die Gesetze des Grals missachtet habe und das Leiden des Gralkönigs eine „von Gott verhängte Sündenstrafe“ (Bumk 92 ) sei. Denn Anfortas hat „Liebe außerhalb des Keuschheitsgebots“(minne ûzerhalp der kiusche sinne 427,29–30) gesucht. Denn den Gralrittern, die auf Munsalvaesche leben, ist weltliche Liebe untersagt. Lediglich dem Gralkönig ist es erlaubt, eine Ehefrau, welche von Gott bestimmtwird, zu haben. Anfortas setzte sich über diese Regelung hinweg, indem er sich selbst seine Geliebte Orgeluse gesucht hat und als deren Minneritter hinauszog. Jedoch wurde er auf seiner Aventiure beim Tjostieren von einem vergifteten Speer stark verwundet. [Bumke 2004]:Vgl. S.92 Evtl Bumke 105: nur Gedankensünde (479,8–12

       mit einem   gelupten sper         Mit einem   vergifteten Speer              wart er ze   tjostieren wunt,         wurde er beim   Tjostieren verwundet,             sô daz er   nimmer mêr gesunt         so dass er   niemals wieder gesund              wart, der süeze   oeheim dîn         werden konnte,   dein lieber Oheim:              durch die   heidruose sîn.         Das Eisen fuhr   ihm durch die Hoden.       

Als der Verwundete mit dem Eisen im Körper in der Gralsburg ankommt, zieht ein Arzt das Speerstück heraus und Anfortas wird zum Gral getragen. Die Gralritter erhoffen sich Hilfe von Gott. Dies bewirkt jedoch, dass Anfortas durch den Blick auf den Edelstein am Leben erhalten wird und er nicht sterben kann. Trevrizent berichtet außerdem von den zahlreichen Versuchen, die unternommen werden, um Anfortas Verletzung zu heilen. So wurde etwa versucht in den vier Flüssen, „die vom Paradies her fließen“ (die vier wazzer ûzem paradîs 481,23), Gêôn, Fîsôn, Eufrat und Tigris ein Heilkraut zu finden. Außerdem hält sich Anfortas am See Brumbane auf, da das milde Seeklima Abhilfe gegen seine Schmerzen verschaffen soll und die Seeluft zudem den übel riechenden Gestank seiner Wunde mildert. Desweiteren helfen ihm warme Kleidung sowie der Aufenthalt an den Feuerstellen der Gralsburg. Trevrizent stellt eine Verknüpfung her zwischen dem Vergehen seines Bruders und den Sünden Parzivals. Denn beide haben durch ihren Hochmut hôchvart Fehler gemacht, die sie anschließend durch demütiges Verhalten wieder gut machen müssen.

       Diemüet ie   hôchvart überstreit          Demut hat   Hoffart noch immer überwunden.       

Pz 473, 4.

Anfortas Heilung 787,1–796,21 Anfortas Leiden ist schließlich so groß, dass er darum bittet, sterben zu dürfen.

       sit ihr vor   untriwen bewart         So wahr ihr   keine Verräter seid,              sô loest mich durch des helmes art         erlöst mich!n   Das schuldet ihr dem Adel des Helmes             Unt durch des   schildes orden.          und dem Recht   des Schildes.       

Pz: 787,19–21 Dieser Wunsch wird ihm allerdings nicht erfüllt und er wird durch den regelmäßigen Anblick des Grals am Leben gehalten. Sein Leiden wird erst beendet, als die Gralsbotin Kundrie mit Parzival und Feirefiz in Munsalveasche erscheint. Die Brüder treten an das Bett des Gralkönigs und Parzival stellt die Erlösungsfrage: „Oheim, was tut dir weh?“ (oeheim, waz wirret dir, 795,29) Diese Frage führt zu der sofortigen Genesung Anfortas und auch seine Erscheinung verwandelt sich augenblicklich: Der alte, unbewegliche Mann erstrahlt plötzlich in jugendlicher Schönheit und Anfortas verwandelt sich in einen so schönen Mann, dass sogar Parzival daneben erblasst.

       Parzivâls schoen was nun ein wint         Parzivals   Schönheit war neben seiner ein windiges Ding             und Absalôn   Dâvîdes kint,         und die des   Absalon, Davids Kind,              von Ascalûn   Vergulaht,         und Vergulahts   von Ascalûn             und al den   schoene was geslaht,         und aller   jener, bei denen Schönheit in der Familie lag,              und des man   Gahmurete jach         auch die, die   man an Gahmuret rühmte             do man in zogen   sach          als man ihn so   liebenswert herrlich              ze Kanvoleiz so   wünneclîch,         in Kanvoleiz   Einzug halten sah –             ir decheins schoen was der gelîch         keines Mannes   Schönheit war der gleich,             die Anfortas ûz   siechheit truoc.          die dem   Anfortas von seiner Krankheit blieb.      

Auf die Heilung Anfortas folgt unmittelbar die Ernennung Parzivals zum neuen Gralkönig.