Heldentum im Parzival
In Wolframs von Eschenbach Roman Parzival gibt es mit den beiden Figuren Parzival und Gawan eine doppelte Besetzung der Heldenrolle. Beide Charaktere sind im Kontrast zu einander angelegt und symbolisieren jeweils eigene, gegensätzliche Heldentypen in einer Welt, welche geprägt wird vom artustypischen Ritterideal und dem Gralsrittertum. Dieser Artikel setzt sich mit den verschiedenen Rittern und Figuren des Romans und ihrer Tauglichkeit zum echten, vorbildhaften Helden, angesichts spezifischer Eigenschaften, auseinander.
Gahmuret
Der fahrende Ritter
Parzivals Vater, Gahmuret, verlässt seine Heimat samt seiner Familie, ohne es vielleicht schon zu wissen, für immer, um auf Aventiure-Fahrt zu gehen und dort Ruhm und Ehre als Ritter zu erlangen. Vor seiner Abfahrt wird er vom Erzähler vor allem als sehr bescheidener, zurückhaltender Charakter beschrieben, was in leichtem Gegensatz zu dem steht, wofür er Haus und Hof verlässt. (12,15-13,15) [1] Seine darauf folgende Abenteuerfahrt ins ferne Morgenland ist ein einziger Triumphzug, unter anderem wird er Söldner im Dienst des großen Herrschers Bâruc (14,10-11), welcher ihn zur Königin Belacâne führt. Als er diese aus ihrer großen militärischen Bedrängnis befreit, wird er ihr Mann und damit Königin übe ein großes Reich. Trotz starker Gefühle für sie (35,1-4) entflieht er seinen Pflichten als Ehemann in einer Nacht-und-Nebel-Aktion, um weiterhin nach Ruhm und Ehre zu suchen. Schließlich gelangt er zur Königin Herzeloyde und wird als Sieger eines von ihr ausgetragenen Turniers zu ihrem Ehemann. Ein weiteres Mal fühlt er sich im Bund der Ehe eingeengt und geht wieder auf eine Abenteuerfahrt, allerdings soll diese sein Ende bedeuten, denn dank der List eines Mohren wird sein Helm im Kampf unbrauchbar gemacht und er lässt sein Leben auf dem Schlachtfeld.
Der einsame Held
Gahmuret entspricht dem klassischen einsamen Helden, welcher zu keiner festen Bindung jeglicher Art in der Lage oder willens ist. Weder seine Mutter, noch sein Bruder, noch seine Bekannten bedeuten ihm genug, um in seiner Heimat zu verweilen und seinen Bruder Galoes als Vasall zu unterstützen. Als er auszieht beschließt er niemals einer Krone zu dienen (13,9-14) und so bleibt er auch Zeit seines Lebens sein eigener Herr, auch wenn er in den Dienst mächtiger Herrscher des Morgenlands tritt, allerdings nur als freier Söldner, niemals als Untertan. Dies entbindet ihn zudem von jeglicher Verantwortung gegenüber seinen Mitmenschen, so entgeht er jeglicher Herrscherpflicht, zu welcher er sich als Bruder, oder als Ehemann verpflichtet hätte.
Bescheidenheit und Zurückhaltung
Der Erzähler merkt früh die Bescheidenheit und das fehlende Eigenlob als positiv für Gahmuret an, seine Taten bejubeln und erzählen andere, für seinen Ruhm ist nicht sein ist nicht sein Gespräch verantwortlich. (13,6) Die Ambivalenz dieses Umstandes ist jedoch offensichtlich, so scheint er zwar ein zurückhaltender Mensch zu sein, doch giert es ihn große Taten zu vollbringen, welche ihm entsprechenden Ruhm einbringen sollen.
Gahmuret und die Ehe
Seine Rastlosigkeit geht zu Lasten eines geregelten und geruhsamen Ehelebens. Zweimal geht er eine feste Bindung ein und doch hält er es nur wenige Monate aus. Wie sehr ihn das Fernweh treibt lässt sich allein daran messen, dass er nicht nur seine jeweiligen Frauen verlässt, sondern sie auch von ihm schwanger sind. Ein Umstand, welcher ihn entweder nicht kümmert oder ihm andererseits auch große Angst bereitet, weswegen er beispielsweise Belacâne heimlich, unter Hinterlassung eines Abschiedsbriefes, verlässt. (54, 17f.) In Belacânes Fall geschieht dies auch unter dem schwerwiegenden Gesichtspunkt echter, liebevoller Gefühle zwischen den Ehepartnern, während Gahmurets Ehe mit Herzeloyde von seiner Seite aus um einiges diplomatischer gerät.
Parzival
Der tumbe Held
Parzival wächst mit den Anlagen Gahmurets in seinen Genen auf und das macht sich in seiner Art sehr stark bemerkbar. Zwar zeichnet sich seine Jugend durch das außergewöhnlich starke Mutter-Sohn-Verhältnis mit Herzeloyde aus,[Bumke 2004: Vgl. S. 55-56] doch reicht ihm die einmalige Begegnung mit einer Gruppe Ritter, um alles hinter sich zu lassen und ein ebensolcher zu werden. Der von Herzeloyde absichtlich hergestellte Unwissenheitszustand ihres Sohnes lässt ihn als tumben man im Narrenkleid losreiten und zu anfangs viele schwerwiegende Verbrechen unbewusst begehen.[Bumke 2004: Vgl. S. 56] Parzivals Vergehen gegenüber Jeschute und die Tötung Ithers sind moralisch in keiner Form zu rechtfertigen, was den tumben Helden für den Leser nicht sonderlich sympathisch, geschweige denn vorteilhaft macht. Darüber hinaus demonstriert er bei seinen Taten ein fehlendes Unrechtsbewusstsein, welches eher einem Antagonisten oder Rivalen der klassischen Heldenfigur zugeordnet würde.[Bumke 2004: Vgl. S. 60]
Der Suchende
Wie schon sein Vater, so ist auch Parzival rastlos unterwegs du dies über Jahre am Stück. Entscheidender Unterschied hierbei ist allerdings die Tatsache, dass Gahmuret auszog, um Ruhm und Ehre zu erlangen, während Parzival nach seinem Versagen auf der Gralsburg verzweifelt versucht, sich eine neue Chance zu erkämpfen. Seine Überzeugung, er könne auf Munsalvaesche noch einmal gelangen, indem er möglichst viele Gegner besiegt, wirkt uneinsichtig und stur und ist nicht vom erwünschten Erfolg gekrönt. Die Kämpfe, die er zu diesem Zweck führt werfen dabei kein besonders positives Licht auf den Titelhelden, der sich unnötig provozieren lässt und mit den Muskeln spielt wo er nur kann, doch letztendlich sind die Kämpfe, welche er führt sinnlos, denn sie bringen ihn seinem Ziel kein Stück näher.[Bumke 2004: Vgl. S. 151]
Quellenverzeichnis
- ↑ Alle Versangaben beziehen sich auf die Ausgabe: Wolfram von Eschenbach: Parzival. Studienausgabe. Mittelhochdeutscher Text nach der sechsten Ausgabe von Karl Lachmann. Übersetzung von Peter Knecht. Mit einer Einführung zum Text der Lachmannschen Ausgabe und in Probleme der 'Parzival'-Interpretation von Bernd Schirok, 2. Aufl., Berlin/New York 2003.
<HarvardReferences /> [*Bumke 2004] Bumke, Joachim: Wolfram von Eschenbach, 8. Auflage (Stuttgart/Weimar 2004) [*Dallapiazza 2009] Dallapiazza, Michael: Wolfram von Eschenbach: Parzival , Klassiker Lektüren 12 (Berlin 2009) [*Sieverding 1985] Sieverding, Norbert: Der ritterliche Kampf bei Hartmann und Wolfram. Seine Bewertung im Erec und Iwein und in den Gahmuret- und Gawan-Büchern des Parzival, Heidelberg 1985