Parzival als Held ohne Vater

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Gegenstand dieses Artikels ist die Bedeutung der fehlenden Vater-Sohn Beziehung /Vaterfigur für den Protagonisten Parzival im gleichnamigen Roman von Wolfram von Eschenbach. Neben der allgemeinen Rolle des Mannes in mittelalterlichen Familien bietet der folgende Text eine Analyse der problematischen Identitätsbildung Parzivals (anhand ausgewählter Textstellen). Obgleich/ Auch wenn Parzival seinen Lebensweg ohne seinen Vater bestreitet, so ist sein "indirekter Einfluss (..) über die gesamte Handlung hinweg bestimmend für Parzival" [Schommers 2010: S. 113].

Der Mann als Familienoberhaupt und Erbnachfolger im Mittelalter

Die Elternvorgeschichte

Die im Buch I+II behandelte Geschichte von Parzivals Eltern Gahmuret und Herzeloyde, mit dem Fokus auf den Vater, lässt zum einen wichtige Themen des Romans erahnen und legt zum anderen den Grundstein für die Identitätssuche des Protagonisten. Gahmurets Begierde nach ritterlichen Kämpfen und Turnieren, auch Tjost genannt, sein Verlangen nach Ruhm und Ehre und seine daraus folgende Ruhelosigkeit, die ihn nicht sesshaft werden ließ, ist prägend für die Parzivalhandlung. Sein Tod im ritterlichen Kampf ist die Bedingung für Parzivals abgeschottete Kindheit und die ausgebliebene höfische Erziehung.

Parzivals Kindheit ohne Vater

Der Protagonist Parzival wir schon im Prolog genannt, bevor er im Roman das erste Mal auftritt. Sein unerschrockener Kampfesmut und seine strahlende Schönheit lassen sich an dieser Stelle schon erahnen.

V. 4,14-18[1]: sîn herze in dar an nicht betrouc, Da hat sein Herz ihn nicht enttäuscht.
er stahl, swa er ze strîte quam, Er war ein Stahl in jedem Streit, wo immer er auch hinkam.
sîn hant dâ sigelîchen nam Seine Hand hat mit dem Recht des Siegers
vil managen lobelîchen prîs. manche Ehre und viel Ruhm an sich genommen;
er küene, traclîche wîs, kühn und spät erst weise war der Held,

Es wir ein Bild von einem Helden gezeichnet, "das sich unproblematisch in den Kosmos des ritterlichen Abenteuer- und Minenromans Hartmanischer Prägung einzufügen scheint" [Schu 2002: 236]. Das traclîche wîs - Werden und das zuvor im Prolog erwähnte Elsterngleichnis weißen jedoch schon hier auf Parzivals unbeständigen Lebensweg hin. Das was er an körperlicher Kraft im Übermaß besitzt, das fehlt ihm an geistiger Stärke.

Der Versuch Herzeloydes ihren Sohn isoliert von der Außenwelt und dem höfischen Leben/Rittertum aufzuziehen erschwert Parzivals langen Prozess seiner Identitätssuche.

  1. Alle Versangaben beziehen sich auf die Ausgabe: Wolfram von Eschenbach: Parzival. Studienausgabe. Mittelhochdeutscher Text nach der sechsten Ausgabe von Karl Lachmann. Übersetzung von Peter Knecht. Mit einer Einführung zum Text der Lachmannschen Ausgabe und in Probleme der 'Parzival'-Interpretation von Bernd Schirok, 2. Aufl., Berlin/New York 2003.