Struktur des Raums in der Gahmuret-Handlung

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Im folgenden Artikel soll versucht werden, über die Struktur des Raums in der Gahmuret-Handlung, eine Bedeutung der Vorgeschichte für die Parzival-Handlung über seine Kausalität hinaus zu geben. Lotmans Theotie zur Semantisierung des Raums soll die Grundlage bilden.

Struktur des Raums in der Gahmuret-Hnadlung

Raum und Struktur

Grundsätzlich ist der Raum ein wichtiges Element der erzählten Welt [1]. Oft wird davon ausgegangen, dass der Raum im Mittelalter einer "ad hoc" - Logik folgt und nur als Kulisse dient.[2] Zwar sind Räume in mittelalterlichen Texten oft diskontinuierlich[3], aber sie haben eine Funktion und deshalb eine Struktur.

Nach Lotman kommt es zu einer Semantisierung des Raums, wenn zu einem topographischen Raum noch ein semantisches Merkmal hinzukommt, das ihn von einem anderen Raum unterscheidet. Diesen Raum nennt Lotman einen topologischen Raum.[4] Wenn der Held eine Grenze zwischen diesen topologischen Räumen überschreitet, findet ein Ereignis im Sinne Lotmans statt.[5]

Gahmuret-Handlung

Um einen topologischen Raum in der Gahmuret-Handlung zu finden, braucht es einen bedeutungstragenden Unterschied, der zwei Räume der erzählten Welt voneinander trennt. Dieser Gegensatz ist in der Gegenüberstellung des christlichen und des heidnischen Raums zu finden. Beide Räume unterscheiden sich nur in diesem Merkmal, wobei der heidnische Raum sich nochmals unterteilt, da im Königreich Zazamanc noch ein weiteres Merkmal, nämlich das der Hautfarbe hinzukommt. Abgesehen von der Unterscheidung christlich/heidnisch funktionieren beide Räume nach den gleichen "Spielregeln". In der heidnischen Welt hat der Herrscher Bâruc die gleiche Stellung wie in der christlichen Welt der Papst (I. 13,20-30). Ehre wird nach dem gleichen Muster wie in der christlichen Welt erworben:

I. 15,15-16
diu seit, sîn manlîchiu kraft Die aber, die Geschichte, sagt, dass seine gewaltige Kraft
behielt den prîs in heidenschaft, bei den Heiden den höchsten Ruhm behielt.

Der heidnische Raum

Die Handlung spielt zunächst in der christlichen Welt, aus der Gahmuret aufbricht, da das Land seines Vaters nach dessen Tod an seinen Bruder fällt. Dass Gahmuret eine Grenze überschreitet, wird durch die Annahme des Solddienstes bei dem Bâruc deutlich gemacht. Gahmuret reist in einen Raum, der außerhalb des Machtbereichs des Papstes liegt und damit außerhalb der christlichen Welt. Innerhalb des heidnischen Raums reist Gahmuret umher und stellt seine ritterschaft unter Beweis (I. 15,15-23).

Dann unternimmt Gahmuret eine Fahrt übers Meer, die eine "kleine" Grenzüberschreitung innerhalb der heidnischen Welt darstellt. Wie eingangs erwähnt kommt jetzt das Merkmal der schwarzen Hautfarbe der Einwohner hinzu (I. 17,24: liute vinster sô diu naht). Doch ist der Ablauf des Minnedienstes wie in der christlichen Welt: Gahmuret befreit die belagerte Burg der Königin Belancane und gelangt so zu Frau und Königreich. Auffällig erscheint die passive Haltung, die Gahmuret, abgesehen von den Kämpfen, einnimmt. Dies wird an mehreren Textstellen, in denen Belancane ihn an die Hand nimmt, anschaulich (I. 44,3; I. 45,25). Gahmuret sagt selber:

I. 49,22
mich vienc die künegîn mit ir hant Mich packte die Hand der Königin

Dadurch erscheint der Wille Gahmurets schwach, auf Dauer die Rolle des Landesherrn einzunehmen.[6] Nachdem Gahmuret für Frieden und Versöhnung im Königreich Zazamanc gesorgt hatte, überfällt ihn ein vaste senen (I. 54,18). Die Königin war sittsam und erfüllte alle Eigenschaften, die eine Frau haben sollte, auch wenn sie schwarz war (I. 54,21-27). Der Erzähler führt fehlende rîterschefte als Grund für Gahmurets Unzufriedenheit an(I. 45,19). Obwohl doch Gahmurets Streben nach Ritterschaft und Ehre einerseits und das Streben nach Minnedienst andererseits in der heidnischen Welt erfüllt wurde, kehrt Gahmuret in die christliche Welt zurück.

Rückkehr in den christlichen Raum

Die Grenzüberschreitung vom heidnischen Raum in den christlichen wir durch eine mehrere Monate dauernde Überfahrt über das Meer markiert (I. 57,29-30). Das Meer hält ihn auf:

I. 58, 3-4
dennoch swebter ûf dem sê: Und immer noch schwamm er auf dem Meer;
die snellen winde im tâten wê. die Winde, die ihn so wild forttrieben, taten ihm weh.

Hinzu kommt die unwahrscheinliche Begegnung auf offener See mit seinen ehemaligen Widersachern im Königreich Zazamanc, den Boten aus Schottland, die ihm als Wiedergutmachung Ausrüstung schenken. Schließlich trägt ihn das Meer nach Sevilla (I. 58,21-22). Von Spanien aus macht er sich auf den Weg nach Wâleis. Wenn man davon ausgehen darf, dass mit Wâleis Wales gemeint ist, so müsste Gahmuret den Ärmelkanal überqueren. Da er aber innerhalb der christlichen Welt bleibt, erscheint es nicht nötig, die Fahrt über das Meer zu beschreiben. Er befindet sich strukturell im gleichen Raum. Durch ritterliche Großtaten gelangt Gahmuret am Vorabend des Turniers von Kanvoleis zu Frau und Königreich.

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  1. Glaser, Anrea: Der Held und sein Raum. S.16.
  2. Martinez, Matias; Scheffel, Michael: Einführung in die Erzähltheorie. S.155.
  3. Glaser, S.24
  4. Schulz, Armin: Erzähltheoriein mediävistischer Perspektive. S.177
  5. Schulz: S.Erzähltheorie. S. 178
  6. Baisch, Martin: Gahmuret und Belancane. S. 128