Das Heidentum als Hindernis
Im folgenden Artikel soll die Darstellung des Heidentums im Parzival untersucht werden. Vor allem soll die Charakterisierung des Heidentums als Hindernis sowie das Überwinden oder Vermeiden desselben herausgestellt werden. [1]
Das Heidentum als Sinneseinschränkung
Das Nicht-Verstehen von christlichen Symbolen
Nach seinem Tod während eines Kampfes im Orient, den Gahmuret im Namen des Barûcs bestreitet, wird Gahmuret in Bagdad bestattet und fortan von den Heiden wie ein Gott verehrt (vgl. 107, 19/20). "[A]uf Bitten der christlichen Mitstreiter Gahmurets lässt [der Barûc] ein Kreuz errichten, auf welchem man den Helm mit einem Epitaph anbringen kann. Das christliche Symbol des Kreuzes wird also, unverstanden von den Heiden, wie es im Text heißt, auf dem Grab eines Christen errichtet, der im Orient im Dienst des mächtigsten heidnischen Herrschers fiel." [Kellner 2009:32] Wie Kellner hier herausstellt, ist der Barûc als Heide zwar so tolerant, das christliche Kreuzsymbol auf heidnischem Boden zu erlauben, jedoch können weder er noch die anderen Heiden dieses Symbol verstehen. Im Text heißt es:
Mittelhochdeutsch | Neuhochdeutsch |
---|---|
ir orden kan niht kriuzes phlegn,
als Kristes tôt uns liez den segn. |
ihre Religion weiß nichts von der Verehrung des Kreuzes
und davon, daß durch Christi Tod die Kraft der Gande auf uns kam. |
107, 17/18
Während man dieses Unverständnis auf fehlende Bildung in Bezug auf die andere Religion sehen kann, kann man es genauso auch als Sinneseinschränkung deuten. Dies hängt davon ab, ob man das Nicht-Verstehen hier als Bildungsdefizit oder als generelles Nicht-in-der-Lage-sein interpretiert.
An anderer Stelle wird im Parzival erwähnt, dass Heiden den Wunsch haben, den Gral zu besitzen. Aufgrund dieses Wunsches wird z.B. die Gralsgemeinschaft in der Person von Anfortas durch einen Heiden verletzt, denn "der selbe heiden was gewis, sîn ellen solde den grâl behaben" ("Dieser Heide war von der Idee besessen, daß seiner Tapferkeit der Grâl gehören müsse", 479, 18/19). Anfortas' Gegner im Kampf kann somit nicht verstehen, dass man etwas so Mächtiges wie den Gral weder besitzen noch beherrschen kann - als Heide ist nicht in der Lage, die Macht des Grals in seiner Gänze zu begreifen.
Wie in Bezug auf Feirefiz und sein Nicht-Sehen des Grals im weiteren Verlauf des Artikels herausgestellt werden wird, ist normalerweise die Taufe das einzige effektive Mittel, um das Verständnis-Defizit in Bezug auf das Christentum zu überwinden.
Ursprungsgeschichte des Grals
Die Ursprungsgeschichte des Grals wird im Parzival im Buch IX erwähnt. Hierbei ist bemerkenswert, dass der Heide "Flegetanis das in den Sternen Gesehene in Buchstaben gefasst und aufgezeichnet haben soll." [Kellner 2009:45] Dem heidnischen Astronom Flegetanis wird also eine überraschend wichtige Position innerhalb der christlichen Gralsgeschichte zugeschrieben, denn nur durch seine Entdeckung und dessen Aufzeichnung konnte der Gral als solcher einen Anfang nehmen. [Kellner 2009: vgl.46] Allerdings ist es Flegetanis nur möglich, etwas zu sehen, doch er ist nicht dazu in der Lage, diese Entdeckung auch in dem Sinne zu erkennen, dass er sie versteht. Flegetanis weiß: "ez hiez ein dinc der grâl" (454, 21), doch seine Vorarbeit muss einige Zeit später noch vom Christen Kyot gedeutet werden, nachdem dieser Flegetanis' Text findet. In der Folge heißt es, er habe "[i]m Unterschied zu Flegetanis [...], nachdem er die Schrift- und Zauberzeichen gelernt habe, ohne dabei auf die schwarze Kunst zurückzugreifen, den Text nicht nur sehen und entziffern können, sondern als Getaufter habe er die Geschichte des Grals auch verstanden." [Kellner 2009:45/46]. Demzufolge wird die Taufe, wie oben schon angedeutet, im Parzival als das "conditio sine qua non [präsentiert], um die Geheimnisse des Grals zu entdecken, seine Sinndimensionen zu erschließen [...]". [Kellner 2009:45/46]
Obwohl die Taufe als das höchste und notwendige Mittel beschrieben wird, das ein Heide braucht, um sein Verständnis- bzw. Erkenntnisdefizit zu überwinden, ist feszuhalten, dass ein Heide wie Flegetanis als der erste beschrieben wird, der etwas vom Gral und seinen Wundern geahnt hat. Auch wenn es letztendlich nur einem Christen gelingen kann, den Gral zu begreifen, werden hier heidnische und christliche Aspekte miteinander verschränkt, ohne das Heidnische unbedingt abzuwerten. Auf diese Weise wird das Heidnische und somit das Fremde in die christliche Heilsgeschichte integriert und die Grenze zwischen den Religionen wird durch die interreligiöse Kooperation verwischt.
Feirefiz und der Gral
Genauso wie Flegetanis die Geschichte des Grals nicht auf die Art erfassen kann, wie der Christ Kyot sie entschlüsselt, hat auch Feirefiz Probleme den Gral zu erkennen. Als Heide ist Feirefiz weder in der Lage, die Wunder des Grals wahrzunehmen, noch kann er die Schrift auf dem Gral zu lesen. "Erst nach der Taufe gehört Feirefiz zum Kreis der Eingeweihten in der Gralsgesellschaft, erst als Getaufter kann er den Gral sehen und die Schrift, die temporär auf ihm erscheint (818,20-23)." [Kellner 2009: 35]
Als Titurel, der Ahnherr der Gralssippe hört, dass Feirefiz den Gral nicht sehen kann, spricht er:
Mittelhochdeutsch | Neuhochdeutsch |
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[...] ,ist ez ein heidensch man,
sô darf er des niht willen hân daz sîn ougn âns toufes kraft bejagen die geselleschaft daz si den grâl beschouwen: da ist hâmît für gehouwen.' |
>>Wenn es ein heidnischer Mann ist,
so braucht er's gar nicht zu versuchen, ob seine Augen ohne die Kraft der Taufe es zustande bringen, gemeinsam mit den Leuten hier den Grâl anzuschauen: Dornverhau versperrt ihm den Weg.<< |
813, 17 – 22
Die Verwendung der Metapher des hâmît, des Dornverhaus, betont die Grenze zwischen Heiden- und Christentum und evoziert das Bild eines versperrten Weges. [Kellner 2009:vgl.36] Das Heidentum wird hier deutlich als jenes Hindernis dargestellt, das zwischen Feireifz und dem Gral steht, nämlich zwischen dem Nicht-Erkennen und dem Erkennen desgleichen. Wie Titurel ausführt, ist das Sehen des Grals nur durch die Überwindung des Heidentums und damit durch den Glaubenswechsel zum Christentum möglich. "Nur die Taufe, dass zeigt die Episode am Gral, macht sehend im eigentlichen, im höheren Sinn." [Kellner 2009: 35]
Die Möglichkeit interreligiöser Beziehungen
Gahmuret und Belacane
In Buch I stellt sich Gahmuret in den Dienst der heidnischen Königin Belacane, da sie und ihr Königreich Zazamanc sich in Bedrängnis befinden (vgl. 29, 14 - 16). Trotz der Unterschiede bezüglich ihrer Hautfarbe und Religion sind sich die beiden recht schnell zugetan: Belacane erkennt Gahmuret als schönen Mann (vgl. 29, 2) und löst bei Gahmuret eine ähnliche Reaktion aus (vgl. 29, 8 und 34, 16). Nachdem Gahmuret ausstehende Gefahren in der Form von Rittern, die Belacane die Schuld am Tod eines ihr dienenden Königs geben, abgewendet hat, kommt es dementsprechend zunächst zu einer Liebesnacht (vgl. 44, 27 - 30) und dann zur Hochzeit zwischen den beiden. Gahmuret's Liebe zu Belacane wird als stark und aufrichtig beschrieben, denn er "hatte [...] die schwarze Frau lieber als seinen eigenen Leib." (54, 21 - 22).
Die Königin Belacane wird insgesamt auffallend positiv charakterisiert:
Mittelhochdeutsch | Neuhochdeutsch |
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ez enwart nie wîp geschicket baz:
der frouwen herze nie vergaz, im enfüere ein werdiu volge mite an rehter kiusche wîplich site. |
Nie gab es eine Frau mit einem besseren Wesen;
das Herz dieser Dame blieb niemals ganz allein, immer hatte es edle Begleitung weibliche Sitte, die aus der Ruhe einer reinen Seele kommt. |
54, 23 – 26
Obwohl Belacane demnach in ihrer Reinheit und ihrem Edelmut perfekt ist und Gahmuret sie wirklich liebt, verlässt er sie einige Zeit später, als sie mit dem gemeinsamen Kind Feirefiz schwanger ist (vgl. 55, 13 - 16). Die Gründe hierfür erscheinen widersprüchlich. Auf der einen Seite erklärt der Erzähler, dass Gahmuret sich wieder nach ritterlichen Abenteuern sehnt (vgl. 54, 17 - 20). Andererseits führt Gahmuret in seinem Abschiedsbrief an seine Frau ihre Religion als Abreisegrund an.
Mittelhochdeutsch | Neuhochdeutsch |
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waer dîn ordn in mîner ê,
sô waer mir immer nâch dir wê: [...] frouwe, wiltu toufen dich, du maht ouch noch erwerben mich. |
Wäre nur dein Glaube in der Ordnung meiner Religion,
so müßte ich mich immer nach dir sehnen - [...] Meine Dame, wenn du dich taufen läßt, vielleicht kannst du mich dann doch noch wiedergewinnen. |
55, 25 - 56, 26
Bis Gahmuret "die Glaubensdifferenz [instrumentalisiert], um sein Verhalten zu legitimieren" [Kellner 2009:31], wird Belacanes heidnischer Glaube nur als Unterschied erwähnt, jedoch nicht kommentiert oder gar als Hindernis beschrieben. Obwohl es deshalb zunächst den Anschein hat, dass die genannten Abschnitte im Kontrast zu dem vorangehenden Text stehen, "relativiert sich dies [...] dadurch, dass es sich um nichts als Ausreden für ein wenig ehrbares männliches Verhalten handelt" [Kellner 2009:31]. Indizien hierfür sind die Diskrepanz zwischen den Aussagen des Erzählers und denen Gahmurets, sowie die Tatsache, dass Belacane durchaus bereit gewesen wäre, ihren heidnischen Glauben für ihren Gatten aufzugeben. Dies wird in den folgenden Versen deutlich:
Mittelhochdeutsch | Neuhochdeutsch |
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Des engerte se keinen wandel niht.
'ôwe wie balde daz geschiht! wil er wider wenden, schiere sol ichz enden. |
Dagegen hatte sie nicht das geringste einzuwenden.
>> Ach, wie schnell ist das getan! Wenn er nur wiederkommen will – sofort kann das geschehen sein. |
56, 28 - 30
Die oben genannte Textstelle ist demnach der Beleg dafür, dass das Heidentum nur ein von Gahmurets instrumentalisierter Grund für sein Verlassen von Belacane ist. Somit wird das Heidentum hier von Gahmuret als Hindernis angeführt, ohne dies tatsächlich zu sein.
Feirefiz und Repanse
Parzival und Feirefiz machen sich in Buch XV auf, um den Gral zu finden (vgl. 786, 18/19) und befinden sich deshalb in Buch XVI auf der Gralsburg Munsalvaesche. Dort trifft Feirefiz seine zukünftige Frau Repanse de Schoye, die Christin und Trägerin des Grals ist. Feirefiz ist sogleich von Repanse verzaubert, denn "ir blic mir inz herze gêt" ("Ihr Blitzen dringt mir ins Herz hinein", 810, 14). Wie schon im Unterpunkt 1.3 "Feirefiz und der Gral" erwähnt wurde, kann Feirefiz als Heide den Gral nicht sehen. Um ihm diese Erfahrung möglich zu machen, wird er nun von Parzival und Anfortas gebeten, den christlichen Glauben anzunehmen (vgl. 813, 24 - 30). Inwiefern der Gral und der christliche Glaube als solcher jedoch eine Rolle in Feirefiz' Entscheidung zur Taufe spielen, ist fraglich.
Beate Kellner schätzt Feirefiz' Motivation zur Taufe wie folgt ein: Feirefiz "begehrt nicht die Taufe, sondern die schöne Repanse, die Taufe ist ihm nichts als ein Mittel zur Liebeserfüllung [...] Nur um der Liebe zu Repanse willen ist Feirefiz bereit, seine erste Frau zu verlassen und Jupiter sowie allen anderen Göttern abzuschwören [...]" [Kellner 2009:37]. Die Ansicht, dass die Erfüllung seiner Liebe zu Repanse der Hauptgrund für die Taufe ist, belegt der Text unter anderem dadurch, dass Feirefiz Parzival fragt: "Ob ich durch iuch ze toufe kum, ist mir der touf ze minnen frum?" ("Wenn ich mich euch zuliebe taufen lasse, hilft mir die Taufe in der Liebe?", 814, 1/2). Parzivals Antwort auf diese Frage macht deutlich, dass die Zugehörigkeit zum Heidentum ein Hindernis für eine anhaltende Beziehung zwischen Feirefiz und Repanse darstellt. Der Ritter erläutert, dass Feirefiz das Recht um Repanses Liebe zu werben nur unter der Bedingung der Taufe erhält (vgl. 814, 17 - 19). Parzivals Ansicht nach ist eine interreligiöse Beziehung also nicht möglich, beziehungsweise nicht empfehlenswert. Im Folgenden führt Parzival aus, welche Bedeutungen der Glaubenswechsel für Feirefiz haben würde:
Mittelhochdeutsch | Neuhochdeutsch |
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[...] 'wiltu die muomen mîn
haben, al die gote dîn muostu durch si versprechen unt immer gerne rechen den widersatz des hôhsten gots und mit triwen schônen sîns gebots.' |
>>Wenn du meine Mutterschwester haben willst,
mußt du dich von allen deinen Göttern um ihretwillen lossagen und immer gern bereit sein, den bösen Feind des höchsten Gottes zu bekämpfen, und treu seine Gebote achten.<< |
816, 25 - 30
Feirefiz' einzige Erwiderung zu dieser Ausführung ist jedoch: "Swâ von ich sol die maget hân" ("Alles, was hilft, daß ich das Mädchen kriege", 817, 1). Dies zeigt, dass sich Feirefiz nicht allzuviele Gedanken darüber macht, welche Konsequenzen ein solcher Glaubenswechsel mit sich bringt. Die Aussage impliziert außerdem, dass Feirefiz in diesem Moment seinen Glauben in dem gleichen Licht sieht, wie der Christ Parzival: Er empfindet das Heidentum hier als etwas, das ihn an seiner Liebeserfüllung hindert, und das deshalb überwunden werden muss. Nachdem sich Feirefiz taufen lässt - man könnte fast sagen, nachdem er die Taufe über sich ergehen lässt, denn er erträgt sie nur mit Ungeduld (vgl. 818, 17) - gibt man ihm in der Konsequenz Repanse zur Frau (vgl. 818, 19) und es ist ihm möglich, den Gral zu sehen sowie die Inschrift des Grals zu lesen (vgl. 818, 21 - 30).
Bemerkenswert ist auch, dass Feirefiz' ehemalige Minnedame Secundille nicht einfach aus der Handlung verschwindet, sondern umkommt. Im Text heißt es:
Mittelhochdeutsch | Neuhochdeutsch |
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Secundillen het der tôt genomn.
Repanse de schoye mohte dô alrêst ir verte wesen vrô. |
Secundille hatte der Tod aus der Welt geschafft.
Repanse de schoye konnte sich nun erst so recht von Herzen an der Reise freuen. |
822, 20 - 22
Die Tatsache, dass Secundille durch ein so drastisches Mittel wie den Tod komplett und final aus der Handlung entfernt wird und sich Repanse so sehr darüber freut, lassen vermuten, dass die Heidin Secundille trotz Feirefiz' Verbundenheit zu Repanse von dieser noch als ein Hindernis bzw. eine Bedrohung ihrer Beziehung mit Feirefiz empfunden wurde. Durch Secundilles Tod wird dieses mögliche Bedrohung jedoch noch verhindert, bevor sie stattfinden kann.
Die Feirefiz-Handlung endet damit, dass er und Repanse nach Indien ziehen. Dort verbreiten sie dann u.a. durch die Gründung des Geschlechts der Priesterkönige die christliche Lebensart (vgl. 822, 23 - 30). Feirefiz ist also ein Heide, der später das Christentum im Orient verbreitet, und deshalb eine Figur von heilsgeschichtlicher Bedeutung.
Heiden als Antagonisten
Ipomidôn: Gahmurets Tod
Gahmuret stirbt während einer erneuten Orientfahrt in einer Tjost im Namen des Barûcs (vgl. 105, 14f). Verursacht wird sein Tod "durch feige heidnische List [...] Ein Heide weicht seinen Helm mit Bocksblut auf, weshalb ein Speer seinen Kopf durchboren kann. " [Kellner 2009:32] Der Name dieses Heiden ist Ipomidôn (vgl. 106, 7 - 10).
Anfortas Verletzung
Der Gralskönig Anfortas zog sich seine Verletzung, durch die die gesamte Gralsgesellschaft leidet, während einer âventiure im Minnedienst für Orgeluse zu. Von einem Heiden wurde er mit einem vergifteten Speer am Hoden verwundet, sodass er ohne die Frage eines Ritters (480,3f) in kränklichem Zustand bleiben muss. Durch den Akt der Verletzung trifft "[j]ener Heide [...] die Gralsgesellschaft damit in ihrem Zentrum, da er die Zeugungsfähigkeit des Gralskönigs zerstört, er gefährdet die Genealogie der Gralskönige und er lähmt die Lebensfähigkeit der gesamten Gralsgesellschaft." [Kellner 2009:47/48)
Fazit
Das Heidentum als solches wird für die Zeit, in der Parzival geschrieben wurde, relativ positiv bzw. differenziert dargestellt, auch wenn es des Öfteren zunächst als Hindernis bzw. als Aspekt mit negativen Konnotationen erscheint. Die Sinneseinschränkungen, die zu Beginn dieses Artikels genannt werden, stellen Unterschiede zwischen den Religionen heraus, denn die Heiden erkennen bzw. verstehen jene Symbole nicht, die im Heidentum keinerlei Bedeutung haben.
In Bezug auf den Punkt "Die Möglichkeit interreligiöser Beziehungen" ist zu sagen, dass das Heidentum in der Beziehung von Belacane und Gahmuret auf den ersten Blick wie ein Hindernis wirken mag, sich dieser Eindruck bei näherem Lesen jedoch relativiert, da verschiedene mögliche Motivationen für Gahmurets Verlassen von Belacane genannt werden und von diesen das Heidentum den unwahrscheinlichsten Grund darstellt. Andererseits wird vor Beginn der Beziehung von Feirefiz und Repanse von Parzival deutlich gemacht, dass ein Festhalten am Heidentum an dieser Stelle jene Beziehung verhindern würde. An dieser Stelle ist das Heidentum demnach tatsächlich ein Hindernis, welches von Feirefiz überwunden werden muss. Hierbei ist anzumerken, dass sich die Grenze zwischen Heiden- und Christentum relativ leicht durch das Mittel der Taufe überschreiten lässt und somit kein fester hâmît sein kann, wie sie von Titurel beschrieben wird. Vielmehr liegen Heiden- und Christentum vielleicht doch näher, als man zunächst denkt, und die Grenze ist diffuser als zunächst angenommen.
Gahmurets Tod und das Leiden von Anfortas bzw. der Gralsgemeinschaft wurden beide durch Heiden verursacht. Ipomidôn, welcher Gahmurets tötet, wird hier zwar heidnische Hinterlistigkeit zugeschrieben, doch andererseits wird eine Heidenkönigin wie Belacane auffallend positiv beschrieben, sodass man in keinem Fall von einer allgemeinen negativen Darstellung der Heiden sprechen kann. Außerdem ist zwar ein Heide Grund für das Leiden der Gralsgemeinschaft, dieses Leiden führt jedoch zu der âventiure, durch die Parzival den Platz als Gralskönig erreicht, den ihm das Schicksal zugedacht hat. Dies bedeutet, das Parzival durch die Handlung eines Heiden den Raum bekommt, in dem er sich beweisen kann bzw. muss.
Beate Kellner hat die Darstellung des Heidentums treffend zusammengefasst: "Das Heidnische wird in seinen Verbindungen mit dem Christlichen immer wieder neu perspektiviert, häufig erscheint es ambivalent." [Kellner 2009:49]
Literaturnachweise
<HarvardReferences/>
[*Kellner 2009] Kellner, Beate: Wahrnehmung und Deutung des Heidnischen in Wolframs von Eschenbach "Parzival". In: Wechselseitige Wahrnehmungen der Religionen im Spaetmittelalter und in der Fruehen Neuzeit. Ort, 2009.
- ↑ Alle folgenden Versangaben beziehen sich auf die Ausgabe: Wolfram von Eschenbach: Parzival. Text und Übersetzung. Studienausgabe. Mittelhochdeutscher Text nach der sechsten Ausgabe von Karl Lachmann. Übersetzung von Peter Knecht. Mit einer Einführung zum Text der Lachmannschen Ausgabe und in Probleme der 'Parzival'-Interpretation von Bernd Schirok, 2. Aufl., Berlin/ New York 2003.