Die Völsungasaga

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Die Völsungasaga

Die Völsungasaga ist dem Formenkreis der nordischen Heldensagen zuzuordnen. Gemeinsam mit der kontinentaleuropäischen Heldenepik ist ihr der germanische Sprachraum, der Stoffkreis der Nibelungensage und eine gesellschaftliche und politische Umbruchzeit zum vermuteten Zeitpunkt ihrer Entstehung. Die Völsungasaga ist im Verbund mit einer weiteren Saga, der Ragnars saga Lođbrókar überliefert worden. Zu der Frage der Zusammengehörigkeit der beiden Texte hat es eine längere Forschungskontroverse gegeben. Inzwischen herrscht die Meinung vor, dass beide Sagen einen ausgeprägten kompositorischen und inhaltlichen Zusammenhang aufweisen, der nur von einem Verfasser intentional gestiftet sein konnte und nicht das Produkt einer Kompilation sei.[1] Die Ragnars saga Lođbrókar setzt die Genealogie der Völsungasaga fort, sodass im Ergebnis eine Verbindung zwischen dem Geschlecht der Völsungen und dem norwegischen Königshaus hergestellt ist.

Stoffkreis

Die Völsungasaga verarbeitet den Stoff der Nibelungensage, allerdings im Vergleich zum Nibelungenlied als Sippengeschichte, die sich über mehrere Generationen hinweg erstreckt. Der Nibelungenstoff ist in der Völsungasaga eingebettet in die Genealogie der Völsungen. Diese bestimmt den ein knappes Drittel im ersten Abschnitt der Völsungasaga.

Gattung

Die Bezeichnung "Saga" steht für eine Gruppe von Texten, deren Entstehung räumlich in Skandinavien und zeitlich hauptsächlich im 12. und 13. Jahrhundert zu verorten ist. Sie stellen eine eigene literarische, volkssprachliche Gattung dar und sind meist als Prosaerzählung (saga = Geschichte) mit einer vorwiegend biografischen und familiengeschichtlichen Orientierung verfasst, die aus ihrer Herkunft in der skandinavischen Geschichtsschreibung resultiert.[2]. Die Fornaldarsǫgur - Vorzeitsagas - die erst gegen Ende des 13. Jahrhunderts hervorgebracht wurden und zu denen auch die Völsungasaga zählt, verschränken Stoffe aus der weiter zurückliegenden Vergangenheit mit Elementen aus der erzählenden Zeit der Gegenwart. Bei der Völsungasaga werden die Ebenen des heroic age und der pagan-germanischen Vorzeit mit dem höfischen Leben des 13. Jahrhunderts verbunden.[3] Die Einordnung der Völsungasaga in den Kontext der sie umgebenden, gattunsverwandeten Texte hat in der Forschung lange Zeit dazu geführt, dass ihr eine literarische Eigenständigkeit aberkannt wurde. Die Lücke im Codex Regius, den Heldenliedern der älteren Edda und die augenfällige stoffliche Übereinstimmung und Ähnlichkeit in der Erzählung der Sigurdgeschichte legte den Schluss nahe, dass die Völsungasaga diesbezüglich prätextuelle Bedeutung gehabt habe. Hierfür gibt es alledings keine gesicherten Belege, sodass die neuere Forschung hiervon wieder abgerückt ist.[Teichert 2008].Inzwischen wurde die in dieser Hinsicht negative Bewertung der Völsungasaga durch Forschungsarbeiten, die eine literarische Eigenständigkeit nachweisen konnten, revidiert. Eine weitere gattungstheoretische Differenzierung nimmt Ragnhild Boklund-Schlagbauer[4] vor, die den Verbund von Völsungasaga und Ragnars saga Lođbrókar als Mischform von Heldensaga und Wikingersaga einordnet.

Entstehungsgeschichte

Von der Völsungasaga existiert eine einzige Handschrift, die um 1400 in Schweden überliefert wurde, in dieser ist auch die Ragnars saga lođbrókar enthalten. Entstehungsort ist vermutlich Norwegen und hier der Umkreis des Königshofes von Hákon Hákonarson. Bei der Völsungasaga handelt es sich um eine genuin schriftlich verfasste Form des Nibelungenstoffes in Prosaform, vermutlich um einen Auftragsdichtung des Königs Hákonarson. Hákonarson betrieb am Königshof die Einführung und Etablierung der europäischen höfischen Kultur. Es wird vermutet, dass Hákonarson mit diesem Werk die Herrschaft seines Königshauses in der Rückführung auf das Heroen- und Göttergeschlecht der Völsungen aus der Vorzeit legitimieren und sich gleichzeitig Rückhalt für den fortschreitenden Höfisierungsprozess sichern wollte.[Teichert 2008 : 130] Eine genaue zeitliche Datierung und Formgebung der Völsungasaga einschließlich ihrer Verknüpfung mit der Ragnars saga Lođbrókar ist nach dem aktuellen Forschungsstand nicht möglich.

Inhalt

Die Völsungasaga kann - unter Einbezug der Ragnars saga Lođbrókar - in fünf inhaltliche Abschnitte gegliedert werden, die die Entstehung der Sippe der Völsungen, ihren Aufstieg, ihre Verbindung mit dem Hof der Gjukungen über die Figur des Sigurd, den Untergang des Gjukungenhofes und die erfolgreiche Fortsetzung der Sippengeschichte durch die Tochter Sigurds und Brynhilds schildert. In der Ragnars saga Lođbrókar mündet die Sippengeschichte in die Erlangung der Königsherrschaft in Norwegen. [5] Völsung geht als Nachkomme aus einer zunächst kinderlosen Verbindung des Königs Rerir hervor, dessen Abstammung unmittelbar auf Odin zurückgeht. Seine Zeugung gelang durch das Eingreifen Odins, der die Unfruchtbarkeit von Rerirs Frau durch die Gabe eines Apfels heilte. Damit wird der drohende Abbruch der Herrscherfolge verhindert. Zuvor hatte Rerir an den Brüdern seiner Frau Vaterrache für die Ermordung seines Vaters Sigi verübt. Völsung wird erfolgreicher Herrscher des Hunenlandes und bringt zahlreiche - zehn - Nachkommen hervor. Diese fallen die alle bis auf das Zwillingspaar Sigmund und Signy einer Rachetat des Gautenkönigs Siggeir zum Opfer, der - gegen ihren Willen - Signy geehelicht hatte und beim Hochzeitsfest in einem von Odin intiierten Wettstreit als der Sigmund Unterlegene gewesen ist. Signys eheliche Söhne erweisen sich als untauglich, die Tat Siggeirs und den Vatermord an Völsung zu rächen. Der von Sigmund unwissend inzestuös mit Signy gezeugte Sinfjötli wird auf diese Tat hin erzogen und kann die Rachetat - die Tötung Siggeirs und die Zerstörung seiner Halle - vollziehen. Mit ihrem Feuertod in der Halle verhindert Signy, dass es zu erneuten Racheakten kommt. Sigmund kann sich anschließend als Völsungen- Herrscher erfolgreich re-etablieren. Die Stabilität währt indes nicht lange; der Konflikt mit der Sippe des Königs Hunding, der aus der Brautwahl und Brautwerbung Sinfjötlis resultiert, führt zu einer weiteren Konfrontation zweier Herrscherhäuser. Odin greift wiederum ein, diesmal zuungunsten Sigmunds, sodass dessen Schwert zerbricht und er selber getötet wird. Mit Sigmunds und Sinfjötlis Tod droht ein erneuter Abbruch der Völsungen-Herrschaft. Mit der Geburt des noch von Sigmund mit Hjordis gezeugten Sigurd scheint die kurz vor dem Ende stehende Herrschaft der Völsungen abermals gesichert. Gleichzeitig ist mit Sigurd ein Neuanfang eingeleitet, da dieser neben den heroischen Eigenschaften, die der Völsungensippe eigen sind, auch Merkmale eines höfisch-ritterlichen Idelabildes verkörpert. Sigurd kann den Mord an seinem Vater rächen und sich durch den erfolgreichen Drachenkampf als herausragende Figur hervortun. Dann aber wird in der Saga eine andere Richtung eingeschlagen: Sigurd stellt seine herausragenden Fähigkeiten in den Dienst einer fremdem Sippe, in den Hof des Gjukungenkönigs. Die Begegnung mit Brynhild führt nicht in eine eheliche Verbindung, stattdessen heiratet Sigurd, befördert duch eine List der Gjukungenkönigin, Gudrun,und wird so endgültig dem Gjukungenhof einverleibt. Die gefährliche Brautwerbung Gunnars um Brynhild legt das Fundament für den Tod Sigurds und den Untergang des Gjukungenhofes. Der Betrug Gunnars und Sigurds kann nicht geheilt werden, er führt zum Mord Brynhilds an Sigurd und damit zur Schwächung. Die verräterische Einladung Atlis an die Giukungen aus Gier nach dem Drachenschatz bedingt den endgültigen Untergang des Gjukungenhofes. Auch Grudruns Rettunsversuch kann hier nichts ausrichten, so wier auch der Versuch der Söhne Gudruns, den Mord an ihrer Schwester Svanhilds zu rächen, mißlingt, weil sie mit der Tötung ihres Bruders wieder die eigene Sippe handeln.

Die Ordnung der Auserwähltheit der Völsungen und ihrer Herrscherposition wird erst in der Ragnars saga Lođbrókar wieder hergestellt.

Themen

Die Völsungasaga als Sippengeschichte läßt wiederkehrende Motive und Grundmuster erkennen. Diese sind Verbrechen von außen an der Sippe verübte (Vatermord) und deren Vergeltung (Vaterrache), vor allem aber die Handlungen gegen die eigene Sippe, die hier als Ursachen der Zerstörung von innen wirksam werden. Es sind in der Völsungasaga vor allem die gefährliche Brautwerbung Gunnars - mit Unterstützung Sigurds - der Mord an den eigenen Nachkommen (Signys und Gudruns) an ihren Söhnen und die erzwungene Verheiratung (Signys mit Siggeir, Gudruns mit Atli) die destabilisierend wirken.

Literatur (Auswahl)

  • Ragnhild Boklund - Schlagbauer: Vergleichende Studien zu Erzählstrukturen im Nibelungenlied und in nordischen Fassungen des Nibelungenstoffes. Göppingen 1996
  • Florian Deichl: Die Welt der Völsungen. Figuren- und Weltentwurf der altnordischen Nibelungendichtung. Berlin 2019
  • Victor Millet: Germanische Heldendichtung im Mittelalter. Eine Einführung. Berlin 2008
  • Matthias Teichert: Von der Heldensage zum Heroenmythos. Vergleichende Studien zur Mythisierung der nordischen Nibelungensage im 13. und 19./20. Jahrhundert. Heidelberg 2008
  1. Matthias Teichert: Von der Heldensage zum Heroenmythos. Vergleichende Studien zur Mythisierung der nordischen Nibelungensage im 13. und 19./20 Jahrhundert. Heidelberg 2008
  2. Victor Millet: Germanische Heldendichtung im Mittelalter. Berlin 2008. S 256
  3. Teichert 2008. S. 132
  4. Ragnhild Boklund-Schlagbauer: Vergleichende Studien zu Erzählstrukturen im Nibelungenlied und in nordischen Fassungen des Nibelungenstoffes. Göppingen 1996
  5. Vgl. Boklund-Schlagbauer 1996 S. 157 - S. 178; hieran orientiert sich auch die nun folgende Übersicht