Rivalitäten (Reinhart Fuchs)

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Der Artikel thematisiert das Thema der Rivalitäten in dem von Heinrich dem Glîchezaren veröffentlichten Tierepos Reinhart Fuchs [1]. Das Thema befasst sich nicht nur mit den Rivalen des Protagonisten Reinhart Fuchs, sondern bezieht sich auf alle Figuren der Erzählung und stellt somit eine zentrale Thematik dar.



Definition

Bevor man sich intensiver mit dem Thema der Rivalitäten auseinandersetzt, sollte zuerst der Begriff genauer erläutert werden. Im Duden lautet die wörtliche Übersetzung „Kampf um den Vorrang“ [Dudenredaktion 2009]. Aber auch Synonyme wie Gegnerschaft, Konkurrenz und Nebenbuhlerschaft [Dudenredaktion 2020] werden zur Begriffserklärung verwendet. Rivalitäten, beziehungsweise Rivalität, bedeutet also, dass zwei oder mehrere Lebewesen sich konkurrieren und versuchen den jeweils anderen zu entmachten oder zu übertrumpfen. Dabei kann der Grund von Rivalitäten unterschiedlicher Ursache sein. Darauf wird jedoch später noch genauer eingegangen.


Motivationen und Hintergründe der Rivalitäten in Reinhart Fuchs

Immer wieder treffen in dem Tierepos Reinhart Fuchs Rivalen aufeinander, die ihre Konflikte oft mit Gewalt ausüben. Um zu verstehen weshalb diese Rivalitäten entstehen, muss man sich erst einmal genauer mit dem Tierepos auseinandersetzten. Bei genauer Betrachtung der Ereignisse zwischen Reinhart und seinen Rivalen wird offenkundig, dass der Hunger meist Auslöser der Konflikte ist [Ruh 1980]. So zeigt sich beispielsweise bereits am Anfang des Tierepos, dass Reinhart durch den Hunger getrieben in den Hühnerhof eindringt und durch eine List versucht Scantecler und Pinte zu ergreifen. Später am Hoftag klagen die beiden den Fuchs an und bestehen auf die Todesstrafe. Auch in Bezug auf das Verhältnis zwischen dem Wolf und dem Fuchs ist der Hunger der Grund für die Rivalität. Anfangs bilden Isengrin und Reinhart eine Partnerschaft. Als die beiden dann jedoch einen Schinken entdecken und den Bauern austricksen, um das Essen zu erbeuten, bleibt Reinhart nicht viel davon übrig wodurch er sich betrogen fühlt. Es folgt eine Reihe von Intrigen des Fuchses und aus den ehemaligen Partnern werden Rivalen, die miteinander konkurrieren. Auch die Hoftagsszene ist ein weiteres Beispiel dafür, dass der Hunger oftmals ein Hintergrund für Rivalität ist. So werden Diprecht und der Bär von Reinhart in eine Falle gelockt und werden aufgrund ihres Hungers und Gierigkeit schikaniert. Die Anwesenden des Hoftags sind von Reinharts Gerissenheit schockiert und fordern eine gerechte Strafe. Der Hunger führt bei all den Beispielen zu einem Konflikt und aus dem Konflikt entsteht Rivalität. Reinhart provoziert und konkurriert aus Hunger und auch, weil es ein Teil seines Wesens ist.

Der Löwe hingegen handelt aus Machtgründen. So beansprucht König Vrevel die Herrschaft über das Ameisenvolk, welches jene Forderung zurückweist, woraufhin er ihre Burg zerstört. Der Ameisenburgherr bestraft den König folgendermaßen und erzeugt starke Schmerzen, indem er durch Vrevels Ohr in dessen Gehirn kriecht. Hier zeigt sich das Machtmotiv als Ursache für die Rivalität zwischen dem König und dem Ameisenvolk. Der König missbraucht seine Macht jedoch nicht nur gegenüber dem Ameisenvolk, er nutzt es auch für sein Eigenwohl und tötet dafür seine eigenen Vasallen. Durch diesen "rücksichtslosen Machtgebrauch" [Bertau 1983] verliert er viele seiner Anhänger, wodurch sein Schicksal allein in den Händen seines Rivalen Reinhart liegt.


Rivalitäten


Reinhart und Isengrin


Erste Begegnung

Einordnung in den Handlungsstrang:

Nach den Niederlagen gegen Pinte und Scantecler, der Meise, dem Raben und dem Kater Diprecht, zieht Reinhart hungrig durch den Wald und trifft auf den Wolf Isengrin. Er bemerkt schnell die Naivität des Wolfes und nutzt die Chance zu seinem eigenen Vorteil.


("RF, V. 385-401")

Mittelhochdeutsch Übersetzung
Do Reinhart die not vberwant, Nachdem Reinhart die Notlage überstanden hatte,
vil schire er den wolf Ysengrin vant. traf er geradewegs den Wolf Isengrin an.
do er in von erst ane sach, Als dieser ihr erstmals erblickte,
nv vernemet, wie er do sprach: hört, wie er dann sprach:
,got gebe evch, herre, gvten tac. "Gott grüße Euch, Herr.
swaz ir gebietet vnde ich mac Was auch immer ihr verlangt und ich
evch gedinen vnde der vrowen min, Euch und meiner Dame leisten kann,
des svlt ir beide gewis sin. dessen könnt ihr euch sicher sein.
ich bin dvrch warnen her zv ev kvmen, Ich bin gekommen, um Euch zu warnen,
wan ich han wol vernumen, weil ich wohl bemerkt habe,
daz evch hazzet manic man. dass euch viele Menschen hassen.
wolt ir mich zv gesellen han? Wollt ihr mich als Partner haben?
ich bin listic, starc sit ir, Ich bin schlau, ihr seid stark,
ir mochtet gvten trost han zv mir. ihr könnt mir sicher vertrauen.
vor ewere kraft vnde von minen listen Von eurer Stärke und meiner Klugheit
konde sich niht gevristen, könnte uns nichts aufhalten,
ich konde eine bvrc wol zebrechen.', ich könnte gewiss eine Burg zerstören."


Nachfolgende Handlung der Szene

Reinhart nutzt die Gelegenheit und schließt eine Partnerschaft mit Isengrin, da dieser ihm bei der Jagd behilflich sein kann und er nicht länger hungrig jagen möchte. Die beiden gehen auf eine Jagd und dabei lenkt Reinhart den Bauern ab, während Isengrin den Schinken klaut. Als Reinhart wieder zurückkehrt, ist von dem Schinken nicht mehr viel übrig und er fühlt sich hintergangen. Daraufhin folgen einige Szenen in denen Reinhart den Wolf hintergeht und schikaniert.


Bedeutung der Szene

Diese Szene ist von besonderer Wichtigkeit, da sie den Beginn der Fuchs-Wolf Auseinandersetzung darstellt. Diese Auseinandersetzung ist einer der beiden großen Hauptteile des Tierepos und somit von bedeutender Wichtigkeit. Auch können aus dieser Szene bereits nachfolgende Komplikationen prognostiziert werden, da die Partnerschaft nicht auf ehrlicher Basis, sondern mit Hintergedanken gegründet wurde. Reinhart hatte nie die Absicht ein ebenbürtiger Partner zu sein, da er schon früh seiner mentalen Überlegenheit bewusst ist. Er nutzt die Größe und Stärke des Wolfes für sein eigenen Nutzen und lässt Isengrin im Glauben, sie seien gleichgestellte Partner. Die Freundschaft der beiden bereits von Anfang an zum Scheitern verurteilt, da es den beiden um "verschiedene Elementarbedürfnisse" [Bertau 1983] geht. So wirbt Reinhart kurz nach ihrer ersten Begegnung ungeniert um dessen Frau. Diese Szene ist also der Ausgangspunkt für die Rivalität zwischen dem Fuchs und dem Wolf.



Veränderung von Partnerschaft zu Rivalen


Brunnenszene

Einordung in den Handlungsstrang:

Schon nach dem ersten Aufeinandertreffen von Reinhart und Isengrin wird deutlich, dass der Fuchs dem Wolf überlegen ist. Durch Wortgewandtheit und mit Überzeugungskraft, gelingt es ihm den Wolf mehrmals zu hintergehen. Die vorliegende Textstelle zeigt erneut ein Szenario, in dem Isengrin aufgrund Reinharts List in einem Brunnen gefangen ist und den Menschen zum Opfer fällt. In seiner bedrängten Lage realisiert er erneut die Korruptheit des Fuchses und gesteht sich die Niederlage ein.


("RF, V. 983-995")

Mittelhochdeutsch Übersetzung
si zvgen die chvrben vmme, Eifrig drehten sie die Kurbel,
Isengrin, der tvmme, und schon war Isengrin, der Dummkopf,
der wart schire vf gezogen. oben.
in hatte Reinhart betrogen. Reinhart hatte ihn schlimm hinters Licht geführt.
der priol hat in nach erslagen, Um ein Haar hätte ihn der Prior erschlagen,
daz mvste Isengrin vertragen. soviel mußte Isengrin aushalten.
Reinhart tet im mangen wanc, Reinhart hatte ihm gegenüber schon viele Winkelzüge unternommen
daz ist war, wa was sin gedanc, wahrhaftig, wo blieb nur sein Verstand,
daz er sich so dicke trigen lie? daß er sich so oft betrügen ließ?
die werlt stent noch alsvs hie, Aber so geht es immer in der Welt,
daz manic man mit valscheit daß viele mit List und Tücke
vberwant sin arbeit besser vorankommen
baz danne einer, der der trewen pflac. als jemand, der es mit der Treue hält.


Nachfolgende Handlung der Szene

Als ein paar Mönche den Wolf im Brunnen entdecken, ziehen sie ihn hinauf und wollen ihn für seine Listen bestrafen. Aufgrund seiner Verstümmelung kommt er davon und nimmt sich vor sich an Reinhart zu rächen, da dieser ihn nun mehrmals schikanierte und ihn vor seiner Familie schwach wirken lässt.


Bedeutung der Szene

Diese Szene stellt die wachsende Rivalität zwischen dem Fuchs und dem Wolf dar. Bisher war der Wolf oft noch gutgläubig und auch sehr naiv, sodass er mehrmals von Reinhart hintergangen wurde. Doch dieser Vorfall führt dazu, dass Isengrin dem Fuchs auf den Fersen ist und ihn für seine Machenschaften bestrafen möchte. Die Provozierung Reinharts hat als zur Folge, dass Isengrin nun nicht mehr ein passives Opfer der Fuchs-Wolf-Auseinandersetzung ist, sondern aktiv handelt und versucht etwas gegen Reinhart zu unternehmen.



Reinhart und die Angehörigen des Hoftags


Aufbau Hoftag

Der Hoftag spielt eine wichtige Rolle in Reinhart Fuchs und trägt auch zur Konfliktsteigerung zwischen den Tieren bei. Somit bildet der Hoftag den zweiten Teil des Tierepos und gliedert sich in 7 Teile. Zu Beginn wird die Ameisenuntat des König Vrevels geschildert, welche eine beträchtliche Bedeutung für das Thema der Rivalitäten in Reinhart Fuchs hat. Anschließend wird Reinhart von Isengrin denunziert und folgendermaßen angeklagt. Ebenfalls schildern Scantecler und seine Frau Pinte ihren Verlust aufgrund Reinharts Bosheit und List im dritten Teil und fordern Gerechtigkeit. König Vrevel erkennt den Verlust seiner Autorität und verurteilt Reinhart, was jedoch von dem Kamel unterbunden wird, da das Gesetz drei Vorladungen fordert. Im 4. Teil folgt das dreifache Aufgebot Reinharts, welches viele Verletzte zur Folge hat. Als Reinhart letztlich doch am Hoftag erscheint, bekennt er sich als Arzt und schafft es auf diese Weise den König zu manipulieren. Er gewinnt die Oberhand und handelt nach seinem Wohlwollen. Der sechste der sieben Teile schildert die Belohnung des Elefanten und der Olbente. Der Schluss endet mit der Vergiftung Vrevels durch Reinhart. [Ruh 1980].


Anklage Reinharts

Wie bereits im Aufbau erwähnt wurde, wird Reinhart von den Angehörigen des Hoftags angeklagt. Isengrin, der mehrmals von dem Fuchs hintergangen wurde, muss aufgrund von Reinharts Listen mit einigen Verstümmelungen leben. Jedoch leidet er nicht nur an physischen Verletzungen, sondern muss auch mit der Schande und Qual leben, dass seine Frau Hersant von Reinhart vergewaltigt wurde. Auch Scantecler und seine Frau Pinte fordern eine gerechte Bestrafung Reinharts, da er sie des Öfteren jagte und ihre Tochter ihm zum Opfer fiel. Die Anklage stellt eine wichtige Szene dar, da hier nicht mehr nur die Rivalität zwischen Reinhart und Isengrin im Zentrum steht, sondern alle Anwesenden des Hoftags der Bestrafung des Fuchses zustimmen und folgendermaßen Reinhart ein Rivale für alle Anwesenden ist.



Wachsende Feindlichkeit gegenüber Reinhart


Der Löwe Vrevel und der Ameisenkönig


Konsequenzen der Rivalität

Je mehr und je länger Reinhart und Isengrin miteinander rivalisieren, desto schlimmer werden auch die Folgen. Reinharts Provokationen nehmen mit der Zeit auch an mehr Gewalt an, so führen anfängliche Verbrennungen und Prügel zu der Verstümmelung Isengrins und dem sexuellen Missbrauch seiner Frau (vgl. Täter und Opfer). Als Rache nutzt Isengrin am Hoftag die Gunst des Königs und klagt Reinhart an. Reinhart hingegen lässt sich nicht unterdrücken und kann durch Argumentation die Oberhand gewinnen (vgl. [Neudeck 2016]). Ihm gelingt es erneut Isengrin öffentlich zu schikanieren und lässt ihm vor allen anderen das Fell abziehen.

Wie bereits erwähnt, missbraucht König Vrevel seine Macht gegenüber dem Ameisenvolk und seinen Vasallen, weshalb einige Konflikte entstehen. Aus dem Machtstreben des Löwen resultieren einige Konsequenzen, so legt auch Otto Neudeck dar, "dass mit der lähmenden Krankheit des Löwen nicht nur eine Krise für seine Herrschaft, sondern für das ganze Herrschaftsgefüge verbunden ist- eine Krise, die Rivalität, aber auch Solidarität unter den Vasallen evoziert." [Neudeck 2016] So opfert der König seine eigene Vassalen für seine Gesundheit. Reinhart ist dabei der Drahtzieher der ganzen Geschichte, da er den König von seinen Fähigkeiten als Arzt überzeugt und somit die Oberhand gewinnt (vgl. V. 1875f.). "Er liefert nicht nur all seine Gegner ans Messer, die ihm zuvor beim König, aber auch schon früher nach dem Leben getrachtet haben, sondern er zerstört auch nachhaltig die politische Ordnung der Tiergesellschaft" [Neudeck 2016]. Somit hat die Rivalität zwischen Reinhart und seinen Opfern nicht nur dessen Tod, sondern auch der Sturz der Monarchie zur Folge. Da König Vrevel Reinhart' s Tod forderte, wird auch er von Reinahrt hintergangen. Der Fuchs hatte nie die Absicht den König zu heilen, sondern vergiftet ihn am Ende selbst (vgl. V. 2174).

Literaturverzeichnis


  1. Heinrich der Glîchezâre: Reinhart Fuchs. Mittelhochdeutsch / Neuhochdeutsch, Hg. Karl-Heinz Göttert, Reclam, Stuttgart 1976.

<HarvardReferences />

  • [*Bertau 1983] Bertau, Karl: 'Reinhart Fuchs'. Ästhetische Form als historische Form, in: ders.: Über Literaturgeschichte. Literarischer Kunstcharakter und Geschichte in der höfischen Epik um 1200, München 1983, S. 19-29
  • [*Neudeck 2016] Neudeck, Otto: Der Fuchs und seine Opfer: Prekäre Herrschaft im Zeichen von Macht und Gewalt. Die Fabel vom kranken Löwen und seiner Heilung in hochmittelalterlicher Tierepik, in: Reflexion des politischen in der europäischen Tierepik, München 2016.
  • [*Ruh 1980] Ruh, Kurt: Reinhart Fuchs. Eine antihöfische Kontrafraktur, 1980.
  • [*Dudenredaktion 2009] Dudenredaktion (2009): Duden - Die deutsche Rechtschreibung (25. Aufl., S. 907). Mannheim, Deutschland: Bibliographisches Institut.
  • [*Dudenredaktion 2020] https://www.duden.de/rechtschreibung/Rivalitaet (zuletzt abgerufen am 05.01.20)