Folgen und Verfolgen (Neidhart)

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Dieser Artikel bietet einen Überblick über das Motiv des "Folgens/followings" bei Neidhart und beleuchtet darauf aufbauend welche Arten des Folgens, aber auch des Verfolgens, auftreten.

Das Motiv des "Folgens" ist bei Neidhart zentral, wobei im Artikel auch herausgearbeitet werden soll, wie und wozu anderen Personen gefolgt wird respektive andere Personen verfolgt werden. Dies soll an verschiedenen Textbeispielen herausgearbeitet werden.

Einführung Folgen

Definition

Jagt man das Verb folgen durch das Internet, werden einem direkt erstmal mehrere verschieden Vorschläge und Möglichkeiten zur Verwendung des Wortes geliefert. Um das Thema des Artikels systematisch aufzuarbeiten, werde ich mich auf drei Bedeutungsunterscheidungen des Folgens konzentrieren. Wichtig für die Analyse werden hier vor allem die oftmals klassisch direkten Assoziationen mit dem Wort folgen sein. Dies sind:

(1) nachgehen oder nachkommen

(2) in der gleichen Weise oder ähnlich wie jemand handeln

(3) einer Aufforderung oder einem Rat entsprechend handeln respektive diesem gehorchen

[1]

Leitfragen für Analyse und Interpretation

Aus diesen Bedeutungsmöglichkeiten ergeben sich schlussendlich folgende wichtige Fragestellungen, welche basierend auf der Analyse ausgewählter Neidhart Lieder betrachtet und beantwortet werden sollen:

(1) Warum folgen dem Sänger in den Dialogliedern die Frauen? Folgen die Frauen hier dann dem falschen Mann?

(2) Folgt Neidhart/Sänger den falschen Frauen?

(3) Sind für das Motiv des folgens Unterschiede zwischen Sommer- und Winterliedern erkennbar?

Leitfragen für Vergleich mit der heutigen Gesellschaft

Folgst du schon deinem Lieblingssänger? Ein Satz, mit welchem man vor 10 Jahren wahrscheinlich noch auf großes Unverständnis gestoßen wäre, ist heute aus unserer Gesellschaft nicht mehr wegzudenken. Natürlich beziehe ich mich hier auf die Art des folgens (engl.following), welche sich durch diverse Social-Media-Plattformen in unserer heutigen Gesellschaft festgesetzt hat und aus aktueller Sicht nicht mehr wegzudenken ist. Auf diesen Aspekt des Followings sowie das Following in der aktuellen, realen Welt möchte ich in meinem abschließenden Punkt, dem Vergleich mit der heutigen Gesellschaft, eingehen und dabei mit den, durch die Analyse der Neidhart Lieder, gewonnen Erkenntnisse vergleichen? Spannende Leitfragen werden hier sein:

(1) Lassen sich Ähnlichkeiten oder auch Unterschiede zwischen dem Verhalten der heutigen Gesellschaft und dem Folge-Verhalten der Akteure bei Neidhart finden?

(2) Kann man bestimmte Verhaltensweisen aus dem Neidhart'schen Liedouvre auch heute noch erkennen?

Folgen in Neidhart Liedern

Um den großen Überbegriff des Folgens, die damit verbundenen Bedeutungsmöglichkeiten sowie die erarbeiteten Fragestellungen zielführend zu behandeln, wurde der große Überbegriff zunächst in die zwei großen Punkte Folgen in Sommerliedern und Folgen in Winterliedern aufgeteilt.

Bei den Sommerliedern werde ich mich vor allem auf die Dialoglieder konzentrieren, dabei jedoch den Aspekt des Natureingangs nicht vernachlässigen.

Daran anschließend rücken Neidharts Winterlieder verbunden mit dem Motiv des Folgens in den Fokus. Neben den dörperkonformen Liedern (Winterlieder 1-10), wird vor allem Augenmerk auf das Verhalten der dörper und des Sängers gelegt. Zudem wird auch auf das Scheitern des Sängers bei Frauen eingegangen.

Abschließend soll ein umfassender Vergleich im Hinblick auf das Motiv des Folgens gezogen werden, inwieweit sich Unterschiede, Gemeinsamkeiten oder Auffälligkeiten zwischen Sommer- und Winterliedern feststellen lassen.

Folgen in Sommerliedern

In vielen Sommerliedern, explizit in den Dialogliedern, wird der Sänger von Mädchen oder auch ab und zu von alten Frauen umschwärmt; sie wollen ihm und seinem Gesang folgen. "Der Sänger wird zum Objekt des Begehrens, wobei sich bei den Frauen eine leichtgläubige Verführbarkeit offenbart." [2] Die Dialoglieder bilden einen zentralen Teil der Neidhart'schen Sommerlieder. Neben der Fokussierung auf die Dialoglieder, ist zu beachten, dass Neidharts Lieder grundsätzlich durch einen Natureingang zu Beginn des Liedes gekennzeichnet sind. In den Sommerliedern wird dieser Natureingang im Hinblick auf das Motiv des Folgens interessant, denn der Sänger ruft zum Folgen in die angepriesene und blühende Natur auf.

Sowie die Dialoglieder als auch der Natureingang sollen im Folgenden nun genauer beleuchtet werden.

Folgen in Dialogliedern

Die Dialoglieder lassen sich in Gespielinnen-Dialoge und Mutter-Tochter-Dialoge unterteilen. Während in den Gespielinnen-Dialogen zwei Dorfmädchen miteinander in einen Dialog treten. Mutter-Tochter-Dialoge hingegen stellen die Unterhaltung zwischen Mutter und Tochter dar, wobei die Mutter eine entgegengesetzte Position im Vergleich zu ihrer Tochter einnimmt. Eine der beiden Damen, meistens die Tochter, agiert hier oft naiv; Hintergrund ist natürlich die Verführung durch den Sänger. Diese Verführung muss man hier jedoch genauer beleuchten, denn "der Sänger trägt den Minnesang mit seinen sexuellen Ambitionen unter die Unkultivierten und gibt es als höfische Liebe aus, was doch bloß Verführung ist. Wenn seine Taktik bei den Mädchen Erfolg hat, raubt sie der Liebe jedoch jeden Wert." [3] Um eine Vorstellung der Dialoglieder zu bekommen, ist es wichtig den "gemeinsamen thematischen Vorstellungshintergrund beider Frauendialogliedtypen zu kennen. Hierbei handelt es sich um die Pastourellensituation (Begegnung von Ritter und Mädchen in freier Natur) mit zwei für Neidhart kennzeichnenden Besonderheiten: 1. der Umkehrung des Werbungsschemas: die Werbung geht von den weiblichen Figuren aus, 2. der subjektiven Perspektive: das Pastourellengeschehen ist nie objektiv erzählter Liedinhalt, sondern wird im Gespräch gespiegelt, teils erst als Wunsch oder Absichtserklärung" [4] Beide für Neidhart besonderen Kennzeichen spielen eine wichtige Rolle, um das Motiv des Folgens in den Dialogliedern zu verstehen. Das Folgen und die Verehrung einer Frau, wie es etwa im Minnesang oder auch in Neidharts Winterliedern zu finden ist, dreht sich hier - es ist das Bauernmädchen, welches dem Sänger nachfolgen will. Die eigentliche Aktion des Folgens findet in den Liedern jedoch noch gar nicht statt, von den Bauernmädchen wird gegenüber ihrer Gesprächspartner jedoch dieser Wunsch oder die Absichtserklärung geäußert.

Mutter-Tochter-Dialoge

"Grundkonstellation in den Mutter-Tochter-Dialogen ist eine Auseinandersetzung zwischen einer tanz- und liebeslustigen Tochter und ihrer Mutter zur Zeit des nahenden Sommers und der beginnenden Tanzsaison mit ihren erotischen Gefährdungen. Sie warnt [...] eindringlich vor dem ritterlichen Favoriten der Tochter, dem "von Riuwental" und empfiehlt dagegen reiche und v.a sozial passende Partner."[5] Aus Sicht der Mutter folgt die Tochter also dem falschen Mann; sie bevorzugt für ihre Tochter einen Mann aus demselben Stand. Für die Ehe empfiehlt die Mutter dem Bauernmädchen also "lieber einen bäuerlichen Bewerber zu heiraten"[6]. Diesem Rat wird jedoch keine Folge geleistet - "die Warung der Mutter wird in den Wind geschlagen. Diese Dialogform findet man in den folgenden Neidhart-Liedern: SL 2, 6-8 ,13 ,15-19, 21, 23, 24. Zu einem Rollenwechsel, bei dem die Mutter die Funktion der Tochter übernimmt, kommt es in den Sommerliedern 1, 3, 9." [7]

Neben den Befürchtungen der Mutter, die Tochter folgt dem "Falschen", versucht die Mutter das Vorhaben "der Tochter, an der Tanzsaison mit erotischen Gefährdungen teilzunehmen, durch Verbote, Bitten [...] und Warnungen zu verhindern. Oder auch vorhersehbaren üblen Folgen durch Ratschläge vorzubeugen."[8] "Sie verweist ganz besonders auf konkrete Folgen" [9] des Folgens. Die Mutter will also die naiv erscheinenden Folgen-Absichten ihrer Tochter verhindern; dies bleibt jedoch oft erfolglos. Die Tochter folgt schlussendlich scheinbar lieber dem Ruf des Reuentalers als dem Rat ihrer Mutter. Es kommt zum "zornigen Zurückweisen der Lehren, dem Bestehen auf dem ritterlichen Favoriten und der Ablehnung des der Mutter genehmen Bewerbers" [10] Dieses Verhalten zeigt sich beispielsweise sehr schön in Sommerlied 18, Strophe IV. Das Bauernmädchen beharrt auf ihren Absichten, wodurch sich dann sowohl in Strophe IV als auch in Strophe V ein Resignationsverhalten der Mutter erkennen lässt. All ihre Verbote, Bitten, Ratschläge und Warnungen die Folge-Absichten zu verhindern, stoßen bei ihrer Tochter auf taube Ohren.

"Außerdem kommt es zum gleichmütigen Hinnehmen der Folgen durch die Tochter(SL 7, IV)" [11] Folgen, vor welchen die Mutter warnt, wären beispielsweise eine ungewollte Schwangerschaft oder Gewaltanwendung durch den Sängers. Dies zeigt sich exemplarisch in der letzten Strophe des Sommerlieds 18, in welchem in Vers 5-7 die Folgen einer Partnerschaft mit dem Sänger relativ deutlich auf den Punkt gebracht werden.

Sommerlied 18

Strophe IV

Mittelhochdeutscher Text Neuhochdeutsche Übersetzung
Der muoter der wart leit, Der Mutter war es leid,
daz diu tohter niht enhorte, daz si ir vor geseit; dass die Tochter nicht gehorchte, was sie ihr zuvor gesagt hatte.
iz sprach diu stolze meit: Da sagte das übermütige Mädchen:
"ich han im gelobt: des hat er mine sicherheit. "Ich habe es ihm versprochen: deshalb hat er mein Treuegelöbnis.
waz verliuse ich da mit miner eren? Warum sollte ich denn damit meine Ehre verlieren?
jane wil ich nimmer widerkeren, Jawohl, ich will nicht wieder zurückkehren,
er muoz mich sine geile sprünge leren." er wird mir seine glücklichen Sprünge beibringen."
Strophe V
Diu muoter sprach: "wol hin! Die Mutter sprach: "So geh!
verstu übel oder wol, sich, daz ist din gewin: dir wird es wohl oder übel so ergehen, schau, aber das ist dann dein Glück:
du hast niht guoten sin. du hast keine gute Einschätzungsgabe.
wil du mit im gein Riuwental, da bringet er dich hin: Willst du mit ihm ins "Reuetal" gehen, dann bringt er dich dorthin:
also kan sin treiros dich verkoufen. So kann er dein Tanz für sich verkaufen.
er beginnt dich slahen, stozen, roufen Er beginnt dich zu schlagen, zu schubsen, zu verprügeln
und müezen doch zwo wiegen bi dir loufen." und es werden dann zwei Wiegen bei dir laufen.

In Sommerlied 18, Strophe II, Vers 3-6 "beeindruckt selbst die mütterliche Warnung vor den Verführungsabsichten des Reuentalers, der im letzten Sommer erst ein Mädchen geschwängert habe, die Tochter nicht." [12]
SL 18 Strophe II
Mittelhochdeutscher Text Neuhochdeutsche Übersetzung
Diu muoter rief ir nach; Die Mutter rief ihr nach,
si sprach: "tohter, volge mir, niht la dir wesen gach! sie sprach: "Tochter, folge meinem Ratschlag, handle nicht voreilig!
weistu, wie geschach Weißt du doch,
diner spilen Jiuten vert, alsam ir eide jach? wie es deiner Freundin Jiuten und ihrer Mutter letztes Jahr erging?
der wuohs von sinem reien uf ir wempel, Ihr wuchs der Bauch aufgrund seines Tanzes
und gewan ein kint, daz hiez si lempel: und sie bekam ein Kind, dass sie Lempel nannte:
also lerte er si den gimpelgempel." also lehrte er sie den seinen Tanz.

Die mütterliche Warnung, welche sogar anhand eines realen Beispiels ausgeführt werden, werden unter anderem zurückgewiesen, "weil ihr der Ritter gerade neue rote Schuhe geschenkt hat - Bauernmädchen sind käuflich" [13]. Es entsteht der Eindruck, dass dem naiven Bauernmädchen durch einfache Verführungen und Geschenken des Sängers der Kopf verdreht wird - das Folgen wird nicht mehr hinterfragt. Und wie sich in SL 18, Strophe III, Vers 7 zeigt: Die Tochter folgt dem Rat ihrer Mutter auf keinen Fall!
SL 18 Strophe III
Mittelhochdeutscher Text Neuhochdeutsche Übersetzung
"Muoter, lat iz sin! Mutter, lass es sein!
er sante mir ein rosenschapel, daz het liehten schin, Er schickte mir einen Rosenkranz, der zauberte einen leichten Glanz
uf daz huobet min, auf meinen Kopf,
und zwene roten golzen brahte er her mir über Rin: und zwei rote Eisenhosen brachte er mir mit über den Rhein:
die trag ich noch hiwer an minem beine. die trage ich noch heute an meinen Beinen.
des er mich bat, daz weiz ich niewan eine. Was er mich bat, dass kennt kein anderer.
ja volge ich iuwer raete harte kleine." Ja, deshalb folge ich eurem Rate auf keinen Fall."

"Doch selbst die alte Bäuerin bleibt in Neidharts Liedern nicht immer die kluge Figur. [...] Einige Texte, Sommerlied 1, 3 und 9 verkehren die Rollen so, dass die Mutter zum Gegenstand des Spotts wird: Als <geile Alte> will sie, von der Minne betört, zum Tanz",[14] um dem Gesang des Reuentalers zu folgen. "Die Tochter versucht, sie davon abzuhalten." [15]
Sommerlied 1Strophe I
Mittelhochdeutscher Text Neuhochdeutsche Übersetzung
Ein altiu diu begunde springen Eine Alte sprang los,
hôhe alsam ein kitze enbor: si wolde bluomen bringen. wie ein Zicklein hoch enmpor: sie wollte Blumen bringen.
"tohter, reich mir mîn gewant: "Tochter, reich mir mein Gewand:
ich muoz an eines knappen hant, ich muss an eines jungen Ritters Hand,
der ist von Riuwental genant. der nach dem Reuental benannt ist
Strophe II
"Muoter, ir hüetet iuwer sinne! "Mutter, achtet auf eure Sinne!
erst ein knappe sô gemuot, er pfliget niht staeter minne." Der Ritter wird dran denken, euch Treue in der Liebe zu pflegen."
"tohter, lâ mich âne nôt! "Tochter, lass mich mich in Ruhe!
ich weiz wol, waz er mir enbôt. Ich weiß wohl, was er mir versprochen hat.
nâch sîner minne bin ich tôt. Durch die Sehnsucht nach seiner Liebe sterbe ich.
traranuretun traranuriruntundeie." Traranuretun traranuriruntundeie."
Strophe III
Dô sprach's ein alte in ir geile: Da rief sie fröhlich zu einer anderen Alten:
"trûtgespil, wol dan mit mir! ja ergât ez uns ze heile. "Freundin, los, dahin mit mir! Und wird es glücklich ergehen.
wir suln beid nâch bluomen gân. Wir sollen beide nach Blumen gehen.
war umbe solte ich hie bestân, Warum sollte ich hier bestehen bleiben,
sît ich sô vil geverten hân? seit ich so viel Gefährtinnen habe?
traranuretun traranuriruntundeie." Traranuretun traranuriruntundeie."

Der Wunsch dem Reuentaler zu Folgen respektive der Versuch den jeweilig anderen davon abzuhalten, lässt sich folglich also sowohl auf die Mutter als auch auf die Tochter projizieren. Die Tochter ist jedoch weitaus häufiger das Ziel der sängerischen Verführungen. Auffällig ist jedoch, dass das blinde Folgen des Minnesangs oft kaum mehr zu verhindern ist; die Tochter beziehungsweise die Mutter agieren töricht und naiv. Da in den Mutter-Tochter-Dialogliedern oftmals entweder die Mutter oder in wenigen Fällen die Tochter das Vorhaben, dem Sänger zu folgen verhindern wollen und dabei sogar sinnvolle und verständliche Warnungen aufbringen, lässt sich durchaus eine Antwort auf Leitfrage (1) finden. Neben den intensiven Warnungen und dem törichten Verhalten der Frauen sind auch die Risiken des Folgens, etwa in SL 18, Strophe V, Vers 5-7 nicht von der Hand zu weisen. All diese Argumente lassen den Schluss zu, dass die vom Sänger, käuflich erzwungene und höfisch vorgespielte, entgegenbrachte Liebe doch nur Verführung sind. Somit kann man festhalten, dass die Frauen durchaus dem "falschen" Mann folgen, welcher die Schwächen der Frauen ausnutzt und diese verführt. Gründe?
Gespielinnen-Dialoge

Die Gespielinnen-Dialoge "kreisen wie die Mutter-Tochter-Gespräche um Tanz- und Liebesverlangen, wobei die dort von der Tochter geäußerten Aspekte nun auf der Ebene gleicher Interessen verhandelt werden, so die Hoffnung, beim Tanz einen Liebespartner zu finden (SL1O,III - V), wobei ein ständisch passender abgelehnt (SL 25,III - V), als Favorit vielmehr ein höfischer Bewerber, konkret "der von Riuwental" und dessen höfisches Benehmen, sein Gesang, Tanz usw. gepriesen werden." [16] Ähnlich wie in den Mutter-Tochter-Dialogen folgen in den Gespielinnen-Dialogen die Bauernmädchen eher den Vorzügen des Reuentalers, anstatt sich auf einen Liebespartner desselben Standes einzulassen. Dadurch nimmt das Motiv des Folgens wieder eine zentrale Rolle ein, denn die Bauernmädchen wollen aufgrund der Verführungen des Reuentalers diesem folgen - die Verführungen werden jedoch naiverweise erneut nicht hinterfragt, sondern lösen ein "blindes Nachfolgen" aus. Diese Gründe für das Folgen der Frauen, im Hinblick auf Leitfrage (1), lassen erneut lässt den Schluss zu, dass die Damen dem "Falschen" folgen wollen.

Aufforderung zum Folgen und Tanzen in der Natur

Freuden, wie die Ankunft des Frühlings oder die Schönheit der Natur, sind oft der maßgebliche Anlass zum Tanz in der Natur. Denn "auch der Tanz spielt eine bedeutsame Rolle in Neidharts Liedern. Insbesondere in den Sommerliedern ist er ein Hauptanliegen der Mädchen, oft der Vorwand, mit dem "ritter" oder "knappen" "von Riuwental" in Kontakt zu kommen." [17] Das Motiv des Tanzes ist dementsprechend mit dem Thema des Folgens konnotiert, da das Folgen zum Tanz oder die Aufforderung zum Tanz zentral in den Neidhartschen Sommerliedern ist. Im Mittelpunkt steht bei Neidhart hier oft der Tanz "reien", heutzutage besser bekannt unter dem Name Reigen. Der Reigen bezeichnet Tänze, welche "von mehreren sich einheitlich bewegenden Tänzern gemeinsam geschritten oder gesprungen werden" [18] Die bildliche Vorstellung diese Tanzes löst unmittelbar eine Verbindung zum Folge-Verhalten bei Neidhart aus; es wird zunächst oft ein Tanzpartner gesucht, wobei beim anschließenden Tanz dann die Bewegungen des Tanzpartners oder der anderen Tänzer gefolgt wird. "Mit dem Sommereingang fordert der Sänger die Mädchen zum Maitanz unter der Linde auf (Sommerlied 14, Str.1-3)." [19] Durch diese Aufrufe des Sängers, wie etwa in SL 14, erhalten die Themen des Natureingangs und des Tanzes eine enge Verknüpfung, wobei bei Themen ein Folge-Verhalten bei den bäuerlichen Damen auslösen.

Sommerlied 14 Übersetzung ?

Folgen in Winterliedern

In den Winterliedern spielt eher das Motiv des Verfolgens eine bedeutendere Rolle, worauf im späteren Abschnitt des Artikels noch verstärkt eingegangen wird. Es lassen sich dennoch wichtige Merkmale der Neidhart'schen Winterlieder in Verbindung mit dem Folgen analysieren. Auch die Winterlieder sind durchgehend von einem Natureingang gekennzeichnet, wobei dieser eher durch die Klagen über den vergangenen Sommer gekennzeichnet sind und Konflikten des Sängers mit den dörpern. Die Winterlieder 1-10 müssen jedoch etwas unabhängig betrachtet werden, da sich das lyrische Ich hier nicht im Gegensatz zu seinen Widersachern zeigt.

dörperkonforme Lieder (WL 1-10)

"Der Sänger versucht sich - als Rollenfigur des Armen, aber sich höfisch Benehmenden aus Riuwental(WL 5,VI; 9,VII)- ins dörpertreiben einzureihen, ruft zu Tanz und anderen Winterfreuden (Schlittenfahrt, WL3) auf, trifft Tanzanordnungen (WL 4,II,III), beobachtet die Gruppierungen und nimmt selbst teil, trägt mit seinem Gesang zur Lebensfreude bei (WL 1,II; 5,I), beschreibt seine Liebesabsichten." [20] Dadurch entsteht fast der Eindruck, als könnte man die Winterlieder 1-10 sogar eher noch den Sommerliedern zuordnen, da bis auf die winterlichen Klagen, der Sänger im Einklang mit den dörperlichen Verhaltensweisen steht - "die dörper sind noch nicht zum 'Feindbild' typisiert." [21] Für das Motiv des Folgens sind WL 1-10 soweit interessant, dass der Sänger den dörpern zwar nicht eins zu eins identisch folgt, sich jedoch in ihr Treiben einreiht und sich versucht einzuordnen, in dem er zum sozialen Treiben beiträgt. Dieser Versuch des Einordnens kann hier sehr gut als eine abgeschwächte Form des Folgens betrachtet werrden.

Sänger folgt dörpern im Verhalten

In den restlichen Winterliedern, den sogenannten dörperkontroversen Liedern, ist der Sänger allerdings vom dörpertreiben ausgeschlossen. Der im Gegensatz zu den dörpern stehende Sänger verfolgt, wie die dörper, das Ziel, die Gunst der bäuerlichen Schönheiten zu gewinnen - im Vergleich zu den Sommerliedern gehen die Folgeabsichten nun nicht mehr unmittelbar von der Damenwelt aus. Aufgrund der Konkurrenzsituation, ausgelöst durch die dörper, und deren Gewalt und Lärm, scheitert der Sänger Winterlied um Winterlied. Um diesem Scheitern entgegenzuwirken, versucht der Sänger den dörpern nun im Verhalten zu folgen. "Dabei agiert er entweder nach dem Unterwerfungsmuster der höfischen Liebe (was auch auf dem Dorf nicht zum gewünschten Erfolg führt) oder nach dem Handgreiflichkeitsmuster der Bauern (was sein eigenes Verhalten unhöfisch macht). [22] Der Sänger reiht sich also in die Verhaltensweisen seiner Konkurrenten ein und wirft dabei sogar teilweise seine höfischen Verhaltensweisen übeer Bord, jedoch stellt auch hier nicht der gewünschte Erfolg ein. Ursache für dieses, dem Sänger eigentlich fremde Verhalten, ist das Scheitern seiner Annäherungsversuche und der dadurch entstehende Misserfolg und Spott, aber auch der Neid auf die Erfolge seiner bäuerlichen Konkurrenten im Werben um diverse Bauernmädchen. Das Folgen des Sänger erscheint aus diesem Blickwinkel fast wie ein letzter, verzweifelter Versuch endlich erfolgreich zu sein, auch wenn dies bedeutet seine eigenen Werte und Normen nicht mehr einzuhalten.

Folgen der "vrouwen" (scheitert)

Das Scheitern des Folgens einer Frau zieht sich für den Sänger wie ein roter Faden durch die Neidhart'schen Winterlieder, wobei die Konkurrenzsituation durch die dörper als auch der Misserfolg bei den Frauen, den Sänger zum Verzweifeln bringen. Passende Beispiele hierfür sind etwa Winterlied 24 und Winterlied 27.

Winterlied 24 Strophe II

Mittelhochdeutscher Text Neuhochdeutsche Übersetzung
Alsô hât diu vrouwe mîn daz herze mir betwungen, Meine Herrin hat mir so sehr das Herz gebrochen,
daz ich âne vröude muoz verswenden mîne tage. dass ich meine Tage freudlos verbringen muss.
ez vervaehet niht swaz ich ir lange hân gesungen. Es nützte nichts, dass ich sie so lange besungen habe.
mir ist alsô maere daz ich mêre stille dage. Mir ist es deshalb eine Lehre, sodass ich künftig verstumme.
ich geloube niht des daz sî mannen immer werde holt. Ich glaube nicht, dass sie jemals an anderen Männer wieder Gefallen finden wird.
wir verlisen, swaz wir dar gesingen unde gerûnen, ich und jener Hildebolt. Es war umsonst, was wir ihr gesungen und geflüstert haben, ich und jener Hildebolt.

In Winterlied 24, Strophe II wird das Leid und die Melancholie des gescheiterten Sängers sehr gut erkennbar. Sein Aufwand, sein Gesang und seine Bereitschaft "seiner Herrin" zu folgen, bleiben schlussendlich erfolglos. "Die Umworbene belohnt den Sänger nicht dafür, dass er ihr mit seinen Liedern dient." [23] Der Grund hierfür wird im Anschluss vor allem in Strophe III des Winterlieds 24 deutlich, in dem von seinem Widersacher Willeger berichtet wird, welcher beim Tanz nicht von der Seite der Frau zu drängen gewesen war. "Der dörper beansprucht also als seine Herrin just jene, um die der Sänger lange und beständig, aber vergeblich dient." [24] Die Enttäuschung über das gescheiterte Folgen in Winterlied 24 stellt aber keinen Einzelfall dar - nein, die Freudlosigkeit des Sängers, bedingt durch den Winter und die Ablehnung der Frauen, steht auch in vielen anderen Winterliedern im Mittelpunkt (vgl. WL 13, Strophe I-II)
Winterlied 27 Strophe I
Mittelhochdeutscher Text Neuhochdeutsche Übersetzung
Mirst von herzen leide, Mir ist von Herzen Leid,
daz der küele winder dass der kalte Winter
verderbet schoener bluomen vil: viele schöne Blumen verdirbt:
so verderbet mich ein senelichiu arebeit. ebenso wie der Liebesdienst mich zu Nichte macht.
dise sorge beide Diese zwei Sorgen
dringent mich hin hinder bringen mich hin und wieder
ze ende an miner vreuden zil. ans Ende meiner Zuversicht.
owe, daz diu guote mit ir willen daz vertreit, Oh weh, dass die Schöne mit ihrem Willen das verträgt,
sit si wol geringen mac weil sie alle meine Schmerzen
alle mine swaere! gewiss verringern kann!
hei, gelebte ich noch den tac, Ach, erlebe ich noch den Tag
daz si gnaedic waere! an dem sie mir gnädig wird!

Auch Winterlied 27, Strophe I ist vom Leid des Sänger gekennzeichnet. Erneut war sein Werben erfolglos; es bleibt nur sein Hoffen darauf eines Tages die Wertschätzung und Zuneigung seiner besungenen Dame zu bekommen. Das Leid des Sängers zeigt sich in den Eingängen der Winterliedern zwar immer etwas unterschiedlich, die Enttäuschung und die Freudlosigkeit bleibt jedoch meist identisch und geht auf das gescheiterte Folgen zurück. Doch was sind eigentlich die konkreten Ursachen dieses Scheiterns? Wichtig festzuhalten wäre zu Beginn vor allem, dass sie vielschichtig sind. Das in den Sommerliedern von den Warnungen bereits angerissene Problem einer Ehe mit Personen aus unterschiedlichen Ständen, ist auch in den Winterliedern eine der Ursachen. Diese Frage wird durch WL 27, Strophe VII aufgeworfen. "Da der Bauernbursche und das Bauernmädchen durchaus denselben sozialen Rang haben, wirft das indirekt die Frage auf, ob das Mädchen denn ein passendes Werbungsobjekt für den Sänger darstellt." [25] Ähnlich wie Leitfrage (1) lässt sich auch Leitfrage (2) durchaus bejahend bewerten. Denn der Sänger tritt in den dörperkontroversen als höfischer Werber auf, jedoch stoßen diese Verhaltensweisen als auch der Minnesang bei den Damen auf kein großes Interesse. Die dörper treten zwar im Umgang mit anderen Frauen ab und an grob auf, die Grundlage des gemeinsamen Standes setzt sich beim Tanz jedoch schlussendlich durch. In den Winterliedern werden zwar keine Verführungstechniken und Geschenke des Reuentalers genauer ausgeführt, jedoch scheinen die Bauernmädchen hier deutlich klüger und weniger naiv. Im Vergleich mit den Sommerliedern wollen sie nicht blind einem fremden, verführenden Sänger folgen, welcher sie womöglich schlecht behandelt und einen schlechten Ruf im Hinblick auf die Ehe mit Bauernmädchen hat. Eventuell löst auch einfach das Vorhandensein einer Konkurrenz zum Sänger diesen Umstand aus.
Neben der Feststellung, dass der Sänger in seinen Winterliedern eher die falschen Frauen begehrt, ist auch der Lärm der dörper eine wichtige Ursache, welche das Folgen des Sängers erschwert und schlussendlich auch zunichte machen. "Die Position des singenden Ichs wird von den Konkurrenten besetzt, ihr Lärm und das vom Sanger-Ich beschriebene laute Auftreten beim Tanz und im Umgang miteinander übertönen den werbenden sanc, seine Stimme dringt nicht zur begehrten Frauenfigur durch." [26]. Dieser Umstand ist für den Sänger natürlich umso enttäuschender. Denn der Reuentaler definiert sich über seinen Gesang und ist auch stark überzeugt davon, mit diesem Erfolg zu beim Folgen zu haben. Jedoch bekommt er diese Chance in vielen Situationen gar nicht, da sein Gesang durch die dörper verhindert wird.

Vergleich Folgen in Sommer- und Winterliedern

Dieser Vergleich zwischen Sommer- und Winterliedern basiert auf Leitfrage (3) und es kann bereits vorweggenommen werden - es gibt deutliche Unterschiede im Hinblick auf das Motiv des folgens. Der wichtigste Unterschied ist vor allem der Wechsel Sängers vom Umworbenen in den Sommerliedern zum scheiternden "follower" in den Winterliedern. Während sich der Sänger das naive Folgen der Bauernmädchen oder der Mutter des Bauernmädchens in den Dialogliedern noch zu Nutze macht, endet seine Folge-Absicht in den Winterliedern oft enttäuschend und freudlos. Ursache für diese Entwicklung könnte vor allem die stärkere Präsenz der dörper in den Winterliedern sein. Durch die entstehende Konkurrenzsituation und den Lärm der dörper, welcher den Gesang des Sängers unterbindet, wirkt der Sänger zunehmend isoliert. Dies wird verstärkt durch einen weiteren wichtigen Unterscheidungspunkt. Da ist den Winterliedern die Entscheidung der Bauernmädchen in dfür Männer aus demselben, also dem bäuerlichen, Stand. In den Winterliedern entsteht so fast das Gefühl, dass die dörper und die Bauernmädchen beim Tanz ihre Liebeslust unter sich ausleben wollen, dabei jedoch vom höfischen Minnewerber aus Reuental gestört werden, welcher nicht einsehen will, dass sein Folgen hier keinen Erfolg mit sich bringen wird. Die Konsequenz ist die Verfolgung durch die dörper, auf welche nun im zweiten großen Abschnitt eingegangen wird. Gemeinsamkeiten ?

Einführung Verfolgen

Definition

Im Vergleich zum Wort Folgen besitzt der Begriff des Verfolgens zwar ähnliche aber doch andere Bedeutungsunterschiede. In der folgenden Analyse möchte ich mich hierbei vor allem auf auf 4 Bedeutungsmöglichkeiten konzentrieren. Diese sind:

(1) durch Hinterhergehen zu erreichen suchen; nachgehen; folgen

(2) jemanden bedrängen, jemandes Freiheit einengen

(3) gegen jemanden, etwas vorgehen

(4) etwas aufmerksam beobachten

Leitfragen für Analyse und Interpretation

Durch den Fokus auf diese vier Bedeutungsunterscheidungen des Wort Verfolgens lassen sich für die Analyse zentrale Fragestellungen ableiten.

(1) Sind für das Motiv des Verfolgens Unterschiede zwischen Sommer-und Winterliedern erkennbar?

(2) Die dörper - Wer sind die Verfolger des Sängers?

(3) Aus welchen Gründen verfolgen die dörper den Sänger?

(4) Weshalb verfolgt der Sänger Gewaltfantasien gegenüber den dörpern?

(5) Warum verfolgen die dörper Frauen gewalttätig?

Leitfragen für Vergleich mit der heutigen Gesellschaft

Das Motiv des Verfolgens lässt sich für das Fazit, im Vergleich zum Motiv des Folgens, eher schwer auf die heutige Gesellschaft übertragen. -> im Laufe der Artikelarbeit treten eventuell noch passende Leitfragen auf

(1) Kann man bestimmte Verhaltensweisen aus dem Neidhart'schen Liedouvre auch heute noch erkennen?

Verfolgen in Neidhart Liedern

Die "dörper" - Wer sind Verfolger des Sängers?

Die dörper treten zwar vereinzelt auch in den Sommerliedern schon auf, jedoch "erscheinen sie nun in den Winterliedern als Konkurrenten des Sängers um die Gunst der Umworbenen und deshalb als steter Anlass seines Leids." [27] Wichtig für das Verständnis ist hierbei, das es sich bei den dörpern um Dorfbewohner handelt, wobei die vom Sänger umworbenen Frauen, Bauernmädchen sind. Das "Beuteschema" das Reuentaler wechselt im Vergleich zu den Sommerliedern also nicht, die dörper werden aber zu Konkurreten des Sänger "weil die Umworbene eben eine der dörper ist, ein Bauernmädchen." [28] Diese Konkurrenzsituation ist schlussendlich der Auslöser, warum die dörper zum Verfolger des Sängers werden. Konfliktpotenzial liefert hier vor allem das Vorgehen des "Minnesängers, denn er wirbt auf dem Dorf um die Mädchen, als ob sie adelige Damen wären. [29] Während "die dörper als Exempelfiguren für Überschreitungen höfischer Normbereiche auftreten, und quasi zur "höfischen Welt und ihrer Ordnung im Kontrast stehen" Reader S.25-26[...], bringt sich der Sänger als Gegenpol ins Spiel, nämlich als Vertreter höfischer Norm." [30] "Meist ist also erotische Konkurrenz der Auslöser" [31] der Gewalt. Während der Sänger in den Sommerliedern der Sänger von den Bauernmädchen begehrt wird und diese auf eine Ehe mit ihm schielen, wandelt sich die Situation jetzt in den Winterliedern. Seine "Taktik scheitert an den bäuerlichen Konkurrenten und ihrer Handgreiflichkeit, wodurch der Sänger sich durch den Misserfolg lächerlich macht." [32]

Die dörper selbst sind durch ein arrogantes und selbstbewusstes Auftreten gekennzeichnet, welches durch ihren Prunk mit Waffen und Kleidern unterstützt wird. Es kommt oftmals zu Streitigkeiten untereinander und "insbesondere mit dem - meist unterliegenden - Sänger." [33] Für den Aspekt des Verfolgens ist vor allem ihr "rohes und plumpes Benehmen beim Tanz"(WL 2,~.I; 33,IV) [34] von Bedeutung, welches bis "zum Schlagen einer Frau (WL 7,IV )und frechen Übergriffen gehen kann." [35]

Verfolgen in Sommerliedern

Durch den Erfolg des Sängers und dem Folgen der Frauen in den Sommerliedern, ist das Motiv des Verfolgens in den Sommerliedern deutlich weniger präsent. Jedoch fällt das wohl bekannteste und sich immer wiederholende Motiv aus Neidharts Liedern, nämlich der Spiegelraub, auch teilweise in die Kategorie des Verfolgens. Sommerlied 22 liefert dabei die ausführlichste Beschreibung des Spiegelraubs, welcher sich beim Tanz zuträgt. Während der Sänger verhindert ist, entwendet der dörper Engelmar ,der vom Sänger umworbenen, Friderun ihren Spiegel und zerbricht ihn. "Das Friderun zugefügte Leid scheint eine Vergewaltigung zu meinen. Der Sänger hält sich als Rächer bereit und die gewaltsame Tat hat all seine Freude zerstört." Reader S.28 Das Motiv des Verfolgens ist hier vielschichtig zu beobachten. Engelmar verfolgt Friderun beim Tanz heimlich (mit den Augen) und es kommt zu Verfolgung von Gewalt durch den Spiegelraub, welcher im übertragenen Sinn eine Vergewaltigung meint. Die Freiheit Frideruns wird durch das Verhalten von Engelmar stark eingeengt und bedrängt, ähnlich wie es Definition(2) angibt. Schulzes Charakterisierung des Sängers als bereitstehender Rächer verstärkt die Verfolgens-Motivik umso mehr, da der Reuentaler nun eine Art Verfolger-Rolle des Täters einnimmt und seine Racheabsichten im Anschluss versucht zu verfolgen. Sommerlied 22 könnte chronologisch der erste Bericht von dieser Tat sein, dies ist jedoch nicht gesichert. Es wäre durch verschiedene Anspielungen in der Folge aber möglich - das Motiv kommt in fast 15 überlieferten Liedern vor. Möglicherweise entstand durch den Spiegelraub die Abneigung und der Hass zwischen dörpern und Sänger; der Spiegelraub könnte also Auslöser für das Verfolgungsverhalten in den Winterliedern sein.

Verfolgen in Winterliedern

"Dörperkontroverse Lieder, in denen der Sanger vom dörpertreiben ausgeschlossen ist (sog. Friederun-Lieder). Sie sind bestimmt von der satirisch überzeichneten Beschreibung der die höfische maze missachtenden dörper, die den nach höfischen Normen sich benehmenden Sänger vom Tanzplatz und bei den Mädchen zu verdrängen suchen." [36]

WL 23: "Der Vertriebene will sich dort..." [37] -> Verlust der Huld des bisherigen Herrns, entflieht Verfolgung in WL 24


Verfolgen von Frauen

Lanze der beswaeret ein vil stolzez magedin: Lanze bedrängte ein sehr stattliches Mädchen:
eine kleine risen guot eine kleines feines Band
zarte er ab ir houbet, zerrte er ihr vom Kopf,
dar zuo einen bluomenhuot: und gab ihr dafür einen Blumenkranz.
wer het im daz erloubet? Wer hat ihm das erlaubt?
[38] "Adeltir und zwei weitere dörper schenken dem Mädchen anstelle der einfachen Blumenkränzchen glitzernden Kopfschmuck. Das rückt die Bauern [...] in ein schlechtes Licht: Geschenke lassen sich als Versuch verstehen, die Liebe zu kaufen, und Käuflichkeit steht im eklatanten Gegensatz zu den Idealen der höfischen Liebe. Eine ebenso rüpelhafte Eigenschaft der Bauern ist ihr rabiates Auftreten gegenüber den Mädchen. Immer geht es schnell handgreiflich zu, und die Bezeichnungen der Handgreiflichkeiten klingen oft - wie hier (Str.4) das Herunterreißen von Schleier und Blumenkränzlein - nach verhüllenden Ausdrücken für sexuelle Gewalt." [39] "Dass der Bauer Lanze dem Mädchen Schleier und Kranz herunterreißt, stellt für den Sänger eine verabscheuungswürdige Gewalttat dar, die allen höfischen Vorstellungen vom kultivierten Verhalten gegenüber Frauen widerspricht. Mit der Ankündigung, Lanze dafür zur Rechenschaft ziehen zu wollen, enthüllt der Sänger schließlich das Konkurrenzverhältnis (Str.6): Der dörper beansprucht als seine Herrin just jene, um die der Sänger lange und beständig, aber vergeblich dient." [40] "Mit seinen Liedern und seiner höfischen Verhaltenskompetenz versucht er einerseits, in Konkurrenz zu den Bauernburschen Bauernmädchen zu verführen. Dabei agiert er entweder nach dem Unterwerfungsmuster der höfischen Liebe (was auch auf dem Dorf nicht zum gewünschten Erfolg führt) oder nach dem Handgreiflichkeitsmuster der Bauern(was sein eigenes Verhalten unhöfisch macht). [41] "er kann allerdings auch als Rolle in das Liedgeschehen mit einbezogen sein, sei es, dass er wie die dörper sich um ein Mädchen bemüht (WL 9)" [42]
vom Sänger ausgehend
von den dörpern ausgehend

"hervorgehoben wird auch das rohe, plumpe Benehmen der dörper beim Tanz (WL 2,~.I; 33,IV), das bis zum Schlagen einer Frau (WL 7,IV )und frechen Übergriffen gehen kann." [43]


"Mit WL 14 beginnt die Serie von Liedern, in welchen, als einer der dörperlichen Übergriffe auf Frauen, der Spiegelraub an Friederun (erstmals geschildert in SL 22) immer wieder angeführt, als signifikante Untat erwähnt wird."

Verfolgen von Gewalt vor den eigenen Augen

"Dass der Bauer Lanze dem Mädchen Schleier und Kranz herunterreißt, stellt für den Sänger eine verabscheuungswürdige Gewalttat dar, die allen höfischen Vorstellungen vom kultivierten Verhalten gegenüber Frauen widerspricht." [44]


"Thematisch enthalten die Lieder neben den einleitenden Winterklagen Tanzaufforderungen und Liebessehnsucht des Sängers und v. a. Berichte über die dörper und ihr Treiben. Der Sanger kann dieses neutral beobachtend berichten, er kann allerdings auch als Rolle in das Liedgeschehen mit einbezogen sein, sei es, dass er wie die dörper sich um ein Mädchen bemüht (WL 9), sei es, dass er deren Feindseligkeit ausgesetzt ist." [45]


"Beispielsweise wird eine Szene derb ausgemalt, in der die Kampfhähne auf einen der ihren mit einem Dreschflegel und einer Rute losgehen und Ruprecht Eppe ein Ei, das der Auslöser für den Streit ist, an die Glatze wirft (V-WL 3)." S.27 Reader


Sänger beobachtet Gewalt von dörpern vom Weinfass aus

Sänger wird von dörpern verfolgt

"[...] Figuren, die auf unhöfische Weise ihr Unwesen treiben, das Sänger-Ich bedrängen und sein Singen zum Verstummen bringen [...]" S.27 Reader

WL 23 -> Willebort...verdrängen den Riuwentaler [46]

c122 -> dörper verfolgen Sänger, wollen, dass er das Dorf verlässt ansonsten kommt es zur Gewalt...Grund: Sänger begehrt Frau eines Dörpers

Winterlied 27 -> Adeltir verfolgt Sänger, ....abschließenden beiden Strophen=Trutzstrophen-> Verfolgen des Sängers zur Gewaltanwendung wird deutlich gemacht

"Der Konkurrenz wegen passt im Winterlied 27, Strophe 3 dem Bauernburschen Adeltir der Gesang des Sängers nicht." [47]

"sei es, dass er deren Feindseligkeit ausgesetzt ist." [48]

"ihre Streitigkeiten untereinander und insbesondere mit dem - meist unterliegenden - Sänger;" [49]

S.433 -> reader S.114


Zu den konstilutivcn Merkmalen der dorper-Welt in den Winterliedern ziihlt die rnehrfach benannte und irnmer wieder durchschlagende Gewalt. Das Siinger -Ich wird hiiufig von einzelnen oder mehreren dorpem bedroht und angegriffen, diese sind jcdoch auch untereinander zerstritten sowie gewahtiitig, ohne dass cine konkret greifbare Konkurrenz als Motivation crscheint. Haufe S.115


mir hat ein dörper widerseit Ein Dorfbewohner hat sich gegen mich gestellt,
umb anders niht wan umbe den minen üppeclichen sanc. wegen nichts anderem als meinem prächtigen Gesang.
derst geheizen Adeltir, Der wird Adeltir genannt
bürtic her von Ense, und ist geborgen in Ense;
zallen ziten drot er mir jederzeit droht er mir
als einer veizten gense. wie eine fette Gans.
[50] Verfolgen von Gewaltfantasien als Teil der Verfolgung Winterlied 1 -> dörper verschwören sich gegen einen dörper und verfolgen diesen vom Sänger ausgehend Winterlied 10 -> Verfolgen von Gewaltfantasien Winterlied 27 strophe 6 "Mit der Ankündigung, Lanze dafür zur Rechenschaft ziehen zu wollen, enthüllt der Sänger schließlich das Konkurrenzverhältnis (Str.6): Der dörper beansprucht als seine Herrin just jene, um die der Sänger lange und beständig, aber vergeblich dient." [51] "Sein Hass gegen die dörper richtet sich vor allem auf das konkurrierende Liebeswerben und die sexuelle Annäherung an die von ihm Umworbene, auch auf die Beeinträchtigung des eigenen Singens." S.27 Reader von dörpern in Trutzstrophen ausgehend abschließenden beiden Strophen=Trutzstrophen-> Verfolgen des Sängers zur Gewaltanwendung wird deutlich gemacht "In zwei Trutzstrophen [...] (in Winterlied 29) droht Hildemar dem von Riuwental wegen der Verspottung seiner Haube mit handgreiflicher Rache." Reader S.26

Vergleich Verfolgen in Sommer - und Winterliedern

Fazit

Vergleich mit der heutigen Gesellschaft

Following in den sozialen Medien/der realen Welt

Unterschiede/ Gemeinsamkeiten zu Neidhart

Kommentar

"Riuwentaler", "Reuentaler" oder "der von Riuwental/Reuental" = Sänger

  1. https://www.duden.de/rechtschreibung/folgen
  2. Hübner S.58-59
  3. Hübner S.59
  4. Schweikle 1990 S.72
  5. Schweikle 1990 S.74
  6. Hübner S.58
  7. Bleuler S.112
  8. Schweikle 1990 S.74
  9. Schweikle 1990 S.74
  10. Schweikle 1990 S.75
  11. Schweikle 1990 S.74
  12. Hübner S.58
  13. Hübner S.58
  14. Hübner S.58-59
  15. Hübner S.59
  16. Schweikle 1990 S.76
  17. Schweikle 1990 S.112
  18. https://de.wikipedia.org/wiki/Reigen_(Tanz)
  19. S.57 Hübner
  20. Schweikle 1990 S.82
  21. Bleuler S.123 S.49 Reader
  22. Hübner S.54
  23. Huebner, Neidhart S.51
  24. Huebner, Neidhart S.52
  25. Huebner, Neidhart S.52-53
  26. Haufe S.112,113 Woche 7
  27. Huebner, Neidhart S.51-52
  28. Huebner, Neidhart S.51-52
  29. Huebner, Neidhart S.52
  30. Schweikle 1990 S.124
  31. Müller S.433
  32. Hübner S.59
  33. Schweikle 1990 S.81
  34. Schweikle 1990 S.81
  35. Schweikle 1990 S.81
  36. Schweikle 1990 S.83
  37. Schweikle 1990 S.59
  38. Neidhart, Winterlied 27, Strophe IV Vers 8-12
  39. Huebner, Neidhart S.52
  40. Huebner, Neidhart S.52
  41. Hübner S.54
  42. Schweikle 1990 S.81
  43. Schweikle 1990 S.81
  44. Huebner, Neidhart S.51
  45. Schweikle 1990 S.81
  46. Müller S.433
  47. Huebner, Neidhart S.51
  48. Schweikle 1990 S.81
  49. Schweikle 1990 S.81
  50. Neidhart, Winterlied 27, Strophe III Vers 7-12
  51. Huebner, Neidhart S.52