Komik in den Winterliedern (Neidhart)

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Der vorliegende Artikel kombiniert eine Analyse der Gruppe "Winterlieder" (Neidhart) in Hinsicht auf enthaltene "Komik" mit einer Interpretation der Regelmäßigkeiten und Funktionen dieser vorkommenden "Komik". Aus den Ergebnissen werden dann Horizonte eröffnet, welche Bedeutung man diesem "komischen Element" bezüglich der Produktivität, der Gattung und der Ausstrahlungskraft der "Winterlieder" beimessen kann.

Motiv für die Untersuchung

Generell liegt das Interesse einer jeden Untersuchung in der Aufdeckung neuer Aspekte oder neuer Erkenntnis und das Stilmittel "Komik" scheint auf genau solche Stellen hinzuweisen, die neue Sichtweisen oder Erkenntnisse bergen:

Es gibt für gewöhnlich zwei prominente Mittel, um eine Rezipientenschaft - d.h. hier eine Hörerschaft - tiefgreifend anzusprechen: Die "Tragik" oder die "Komik".

Die vorliegende Liedersammlung findet ihre Erfüllung im Gesang vor adeligem Publikum. Es erfüllt seinen primären Zweck in dem Amüsement, das es in dem Publikum auslöst. Daher sollte es sich nur anbieten eines dieser Mittel anzuwenden. So kann man (a) mit guten Gründen annehmen, dass sich in den Winterliedern Vorkommnisse dieser Mittel finden lassen. Hierfür gehen wir davon aus, dass sich "Komik" finden lässt.

Diese Mittel erreichen wie keine anderen, dass der Rezipient sich in das Geschehen einfühlt, die Ereignisse nachvollzieht und damit selbst in hohem Maße in die Handlung oder die Erzählung verwickelt ist. Auf dieser Betrachtungsebene ist es dem Rezipienten dann möglich außergewöhnlich abstrakte Interpretationen und Urteile vorzunehmen. Kurz: Wann immer diese Mittel auftauchen, soll die Hörerschaft tiefgreifend angesprochen und zu einer Interpretation angeregt werden, die das Thema von außergewöhnlich naher und gleichzeitig außergewöhnlich abstrakter Perspektive beleuchtet.

Deshalb sollte (b) eine generelle Analyse der Komik in dem Sinne aufschlussreich sein, als sie von Natur aus auf Dinge hinweist, die einer näheren Betrachtung wert sind.

Die Möglichkeiten für den Autor "Komik" anzubringen sind indes äußerst vielfältig. Der Inhalt kann in verschiedenster Weise stilistisch so aufbereitet sein, dass man von "Komik" sprechen würde. Folglich steht dem Autor ein ganzes Instrumentarium an "komischen Mitteln" zur Verfügung, um verschiedenste "Botschaften" in dieselben Inhalte zu stecken. Der Rezipient steht dann nicht nur vor der Aufgabe eine Komik als solche zu identifizieren und zu interpretieren, sondern muss dabei die Art der Komik, Umsetzung der Komik und Bezug der Komik in der Interpretation berücksichtigen. Die Interpretationsmöglichkeiten und potentiellen Inhalte im Bereich der Komik - gerade wenn man berücksichtigt, dass sich Komik durchaus auf mehrere Dinge gleichzeitig beziehen kann - vermehren sich so um ein vielfaches. Das Vorkommen von Komik verspricht somit grundsätzlich nicht nur einen weiteren Sinn sondern auch potentiell eine ganze Bandbreite verschiedenster Konnotationen, Bewertungen und Bedeutungen.

Um diesen Variantenreichtum möglicher Interpretationen und versteckter Inhalte einzufangen/aufzudecken, sollte die Analyse keinesfalls eindimensional ausfallen, sondern ein breites Spektrum dieser "komischen Mittel" abdecken, differenzieren und dann in Verhältnis setzen.

Eine Analyse, die auf diese Weise den Facettenreichtum der Komik berücksichtigt, könnte (c) ganz unterschiedliche bzw. variantenreiche Bedeutungen aufdecken / eine Vielzahl an Ergebnissen fördern.

Anhand der Ergebnisse der Analyse können dann Aussagen über die Funktion und die Bedeutung der verwendeten Komik getroffen werden.

Einführung

Neidhart und sein Werk

Die Lieder Neidharts stellen eine der bedeutsamsten und umfangreichsten deutschsprachigen lyrischen Schriftserien des Mittelalters dar. Zu Neidhart (von Reuental) selbst und seinem Leben, außer einigen realhistorischen Indizien und Hinweise in seinen Liedern, ist nicht viel bekannt (Bennewitz, 31). Viel wichtiger als seine Person ist aber sein Werk und vor allem die Wirkung, welche dieses auf die nächsten Jahrhunderte ausübte. Neidhart schrieb zu einer Zeit - erste Hälfte des 13. Jahrhunderts -, in der das literarische Thema der "Minne" und auch die Spielart der "hohen Minne" bereits ihren Zenit erreicht haben (vgl. höfische Liebe im satirischen Spiegel 45-46). Es ist sicher legitim aufgrund der grundlegenden Thematik seiner Lieder auch die Lieder Neidharts als "Minnegesangslieder" zu bezeichnen und Neidhart als "Minnesänger", doch freilich nicht - und das ist der springende Punkt - im eigentlichen Sinne. Der Autor muss irgendetwas an dem literarischen Trendmodell "Minnegesang" seines Zeitalters verändert haben, denn kaum ein anderer Minnegesang bewirkte eine vergleichbare Resonanz. Neidharts neue Präsentation der "Minne" vermochte die Hörerschaft zu faszinieren und zu provozieren (vgl. auch Jan-Dirk-Müller 451). Einige Puristen müssen Neidharts für seine provokative Modifikation des Minnesangkonzepts missbilligt haben, dennoch bestand offensichtlich eine rege Nachfrage nach Neidhart-Liedern, die sich über die Lebenszeit des Autors und die Gattung hinaus bis ins 16. Jahrhundert andauerte. Das ging soweit, dass sich ein regelrechtes Neidhart - "Following" einstellte, das Abschriften fertigte und sich von Mitteln, Motiven und Themen des Neidhart-Werkes inspirieren ließ, sodass heute "(...) außergewöhnlich viele Handschriften aus einem außergewöhnlich langen Zeitraum vorliegen (...)" (Hübner, 46). Schließlich bedingte gerade die Kombination beider Wirkungen, Provokation und Faszination, dass wir noch heute von dieser Liederserie sprechen können und wollen.

Ein neuer Minnesang

Wenn man versucht den Inhalt der Lieder Neidharts in einer Art Abstrakt zusammenzufassen, erhält man ein grundsätzliches Verständnis dafür, inwiefern Neidharts Präsentation der Minne neu ist:

Die implizite Exposition, so könnte man sagen, ist die, dass ein Ritter, i.e. eine Figur der Adelswelt, aufs Land zieht, i.e. die Welt der Bauern, um dort (eine Bäuerin) zu minnen, zu singen oder immerhin zu agieren (oder es zumindest versucht). Die Folge ist offensichtlich die, dass er, eine Figur der Adelswelt, in der Bauernwelt auf Figuren der Bauernwelt trifft und mit diesen in unterschiedlicher Weise agieren muss. Die Bauernwelt, die Figuren der Bauernwelt, die sogenannten dörper, ihre Handlung mit und entgegen des Sängers bilden eine neuartige "dörper"-Thematik, die Neidhart dem Minnesang - Diskurs schenkte (vgl. höfische Liebe im satirischen Spiegel 45). Dieses Novum des Neidhart-Minnesangs und die entsprechend neue Präsentation der Minne geben eine Ahnung davon, weshalb diese Serie so provozieren und faszinieren konnte. Interessanterweise wird genau an dieser Stelle (der neuartigen Präsentation der Minne durch und mit der dörper-Thematik) auch der Kern des komischen Potentials dieser Minnesang-Spielart deutlich.

Dass dieses "Agieren" bei oder - im besten Falle - "Coagieren" des Ritters von Reuental mit den "dörpern" "komisch" - hier im Sinne von unangenehm, außergewöhnlich, uneigentlich oder ungewohnt - ausfallen wird, sollte schon jetzt, noch ohne dass irgendetwas gesungen wurde, allen Rezipienten klar sein. Denn es kollidieren hier buchstäblich Welten, die in diesem Maße normalerweise - und außerhalb dieser Inszenierung - nie aufeinandertreffen würden. Alles dasjenige, das in diesem Rahmen geschieht oder erzählt wird, d.h. vornehmlich eine Minne, kann nur von einer "komischen" einer besonders merkwürdigen Art sein, die zugegebenermaßen genauso gut faszinieren wie provozieren kann. Denn der Minnegesang wird uneigentlich und nicht zu dem, was man von Minne erwartet, das Mädchen ist nicht die "frouwe", die man erwartet, das Verhalten und die Beschreibungen des Ritters sind nicht immer ritterlich, der Umgang zwischen den Figuren scheint verzerrt brutal, die Sprache zum Teil derbe usw. Letztlich scheint der eigentliche Inhalt dieses Gesanges, d.h. die Minne, verändert, verzerrt und ungewöhnlich. Mit anderen Worten: Der abstrakte Rahmen dieser Gesänge scheint so komponiert zu sein, die neue Thematik so gewählt zu sein, dass sie die perfekten Voraussetzungen für "Komik" schafft - wenn nicht gar "Komik" eine notwendige Implikation ist.

Einführendes zur Komik

"Komik" ist seit der Antike ein prominentes und vielverwendetes Stilmittel - bzw. in aufgeführter Form Komödie -. Obgleich der "Komik" in der Antike - und bis in die frühe Neuzeit hinein - keine große intellektuelle Leistung zugerechnet wurde und sie eher eine kleine Schwester der "Tragik" war, feiert sie seit der Aufklärung Konjunktur. Sie ist heute Gegenstand philosophischer, sprachwissenschaftlicher und literaturwissenschaftlicher Forschung und kann sich rühmen Teil vieler Theorien zu sein. So wird der "Komik" längst ein großes aufklärendes Potential angerechnet. Denn nur selten will man mit "Komik" allein einen Raum für Amüsement, Ablenkung von Wirklichkeit oder einfache Unterhaltung schaffen. Viel häufiger wird in diesem Raum - in zugegeben heiterer Stimmung - zum Mit-denken und Nach-denken eingeladen. "Komik" begegnet uns fast täglich, enthält selbst in der unschuldigsten Art - bspw. Slapstick-Humor - eine Botschaft, ist bei Rezipienten beliebt und verdient es je auch einen Gedanken an ihren Hintergrund zu verlieren.

Grundlegende Vorbemerkungen und Leitfragen

Vorbemerkungen und Einschränkungen

Diese Analyse will keinen vollständige Auflistung aller in den Winterliedern vorkommenden komischen Mitteln leisten. Grundsätzlich soll die Untersuchung eine Übersicht über die wichtigsten Mittel der Komik und deren Vorkommnisse in den Winterliedern bereitstellen. Damit eine Übersicht zustande kommen kann, die einen exemplarischen Eindruck von der "Komik" in den Winterliedern bietet, muss die Analyse repräsentative und anschauliche Ergebnisse liefern. Dafür müssen ideale Bedingungen geschaffen werden: zum einen muss ein spezieller Gegenstandsbereich isoliert werden, von dessen Analyse man sich entsprechende Ergebnisse erhoffen kann; zum anderen muss das Kriterium der Analyse in differenzierte Stichpunkte eingeteilt werden, unter denen die Analyse übersichtlich und verständlich durchgeführt werden kann.

Es ist zu bemerken, dass in allen Neidhartliedern "Komik", d.h. auch den Sommerliedern, ein flächendenkendes und wiederkehrendes Phänomen ist. Dennoch ist sie in den Liedern unterschiedlich verteilt und in unterschiedlichem Grade ausgeprägt. Für die Untersuchung soll genau die Gruppe an Liedern herausgenommen werden, die ein auffällig hohes Aufkommen dieses zu untersuchende Phänomen aufweist, sodass die Analyse auf fruchtbare Ergebnisse stoßen kann. Die Winterlieder scheinen in diesem Sinne als Versuchsgruppe besser geeignet als die Sommerlieder, weil die Winterliedern - nicht allein wegen ihres Jahreszeitensettings - mehr Konfrontationen, Klage, Trutz und Spott enthalt als die Sommerlieder, die in zum größten Teil harmonische oder immerhin fröhliche Motivik haben. Zumdem wird die Brechung des Minneschemas und die oben vorgestellte Grundkonstellation sehr deutlich und scharf. In dieser konfliktreichen und angespannten Grundstimmung unter der Enge und Bedrohlichkeit des Winters besteht eine höhere Wahrscheinlichkeit auf komische Elemente zu stoßen. Doch bei allen diesen vielversprechenden Elementen der Winterlieder rückt ein Kriterium in den Vordergrund, das einige dieser Elemente einschließt und für die Winterlieder von unvergleichbarer Signifikanz ist - die erwähnte "dörper"-Thematik. Die Einleitung zeigte dieses Merkmal schon als Novum der Neidhartlieder, Kernthematik der Winterlieder und weißte schon auf den Zusammenhang mit anderen Thematiken, bspw. Minne, und mit der "Komik" hin. Schon rein quantitativ bestimmt dieses Merkmal einen großen Teil aller Strophen der Winterlieder, wobei solche "dörper"-Strophen in ausnahmslos jedem Winterlied vorhanden sind, wenn auch teilweise nur angehängt oder bezugslos (Ruh, 123). So sehr wie dieses Merkmal die Winterlieder auszeichnet, so sehr wie die Winterlieder dieses Merkmal exemplifizieren, kann es für diese Gruppe mithin als Typusbestimmend bezeichnet werden (Ruh, 123).

Es liegt also ein Gattungsmerkmal der Winterlieder vor, das eine grundlegende Thematik ausmacht, das das Novum der Neidhart'schen Minnedichtung ist, das Konstituente der Grundkonstellation der Winterlieder ist, an das andere Thematiken anschließen, das in allen Liedern vorkommt und direkten Zusammenhang mit der Komik der Winterlieder stehen sollte. Denn die dörper-Strophen sind genau die Punkte, an denen die zwei entgegengesetzten Welten aktiv aufeinandertreffen.

Für Analyse schein es mithin sinnvoll, zunächst die Gruppe der Winterlieder zu wählen und dann innerhalb dieser Gruppe alle die Strophen als Gegenstandsbereich der Analyse zu isolieren, die mit solche "dörper", ihr Verhalten oder die Auseinandersetzung mit ihnen zum Inhalt haben.

Die Ergebnisse werden in dem Sinne repräsentativ sein, als jeder Einzelfall der Gruppe analysiert und nichts ausgelassen wird und das Merkmal ein Konstituens der Vergleichsgruppe ist, das heißt die Ergebnisse der Untersuchung dieses einen Merkmals für die gesamte Gruppe sprechen kann, und in dem Sinne anschaulich, als viele, deutliche Vorkommnisse von Komik in diesem Merkmal zu finden sein werden.

Die Stichpunkte in die das Kriterium eingeteilt werden soll, dürfen nicht allzu spezifisch gefasst sein, aber dennoch voneinander differenzierbar. Es wäre ratsam nur ein überschaubares Set an Stichpunkten anzufertigen, die das Kriterium nicht zerfasern. Um eine nachvollziehbarkeit und klarkeit zu gewährleisten, müssen alle Stichpunkte der Analyse in einem Weg vom Kriterium ableitbar sein, sodass jeder Stichpunkt klar in einem Zusammenhang mit dem Kriterium steht und dieses in einer Hinsicht repräsentiert.

Von einem Phänomen der "Komik" zu sprechen ist äußerst diffizil, wenn nicht sprachlich falsch. Es herrscht immer noch Uneinigkeit darüber, ob man "Komik" einfach als solche erkannt, affirmiert und affektiert werden kann oder ob sie vielmehr subjektiv ist. Im letzteren Falle hinge das Erkennen der "Komik" alleine vom Rezipienten ab, d.h. ggf. von seiner Vorkenntnis und seiner Einstellung, sodass eine Stelle, die "Komik" enthält, für den einen eine solche sein kann und für den anderen nicht. Für dieses Unternehmen nehmen wir an, dass objektive "Komik" nicht existiert, weil das Erkennen der "Komik" tatsächlich vom Rezipient abhängt. Was jedoch objektiv vorliegt, sind die Bedingungen bzw. die Eigenschaften, die als "Komik" erkannt werden können. Deshalb ist von nun an, wenn von "Komik" die Sprache ist, ein "komisches Potential" gemeint.

Leitfragen der Interpretation

Neben den zentralen Leitfragen der Interpretation - (I) Von welcher Art ist "Komik" in den Winterliedern? (II) Welche (globale/lokale) Funktionen hat die "Komik" in Neidharts Winterliedern? - lassen sich aus der Einleitung noch zwei weiterführende Fragen ableiten:

Die "Winterlieder" lassen ein durchgängiges Muster erkennen. In den ihnen wiederholen sich Themen, Motive und Mittel. Diese Gemeinsamkeiten können als eine Art Set aus übergeordneten Kriterien verstanden werden, die einzeln notwendig - vielleicht auch disjunktiv hinreichend - sind, um von einem "Winterlied" auszugehen. Man kann sagen, dass dieses Set an Kriterien die Gattung der "Winterlieder" spezifizieren, d.h. die Kriterien sind gattungsspezifisch. Eines dieser Gattungsmerkmale oder gattungsspezifischen Kriterien der Winterlieder, so wurde festgestellt, ist die "dörper"-Thematik. Es wurde angenommen, dass "Komik" ein Merkmal ist, das in Zusammenhang mit dieser "dörper"-Thematik auftaucht. (III) Könnte die "Komik" auch als ein solches Kriterium der "Winterlieder" angesehen werden? Ist also "Komik" ein Gattungsmerkmal der Gattung "Winterlieder", d.h. ein notwendiges Kriterium für ein "Winterlied"?

Ferner wurde deutlich, dass die "Winterlieder" bei den Rezipienten, wie auch die anderen Neidhartlieder, besonders beliebt waren. "Komik" ist ein Mittel, von dem man mit guten Gründen behaupten kann, dass es bei der Hörerschaft starke Reaktionen erregen kann. Zudem kann jeder nachvollziehen, dass "Komik", bspw. in Form eines Witzes, sowohl provozieren als auch faszinieren - oder beides gleichzeitig - kann. (IV) Ist die "Komik" ein Grund für die Beliebtheit dieser Lieder? Macht gerade das Merkmal "Komik" die Winterlieder für Reproduktionen attraktiv? Ist die "Komik" ein (oder der spezifische) Grund für das "Following"? Kann also das Merkmal "Komik" die Produktivität der Neidhartlieder und ihre Ausstrahlung in andere Gattungen erklären?

Eine Hypothese

Über die Form, den Inhalt und die Funktion eines Witzes hinaus, gilt diesem Witz auch immer ein gewissen Zweck, den der Komiker vorsieht. Komik entspringt nur selten Zufall, unabsichtlicher oder unfreiwilliger Handlung. Wenn ein komisches Element gesetzt wird, dann zumeist im Bewusstsein, über dessen komisches Potentials und mögliche Wirkung. Damit ist jedem Ausdruck von Komik eine gewisse Absichtlichkeit bzw. Intentionalität vorausgesetzt.

Auch der Autor der Neidhartlieder wird das "komische Potential" mit einer Absicht eingesetzt haben. Alle Vorkommnisse, die vorliegen, sind bewusst so gewählt und kombiniert. Hinter der Verwendung der Komik liegt ein Interesse des Autors, etwas zu erreichen, d.h. er beabsichtigt etwas mit seiner Komik zu erreichen. Diese Absicht ist eine Folge in der nicht fiktiven Welt, die womöglich mit dem verbunden ist, worüber die Komik in der fiktiven Welt spricht.

Der Autor verwendet "Komik" mit der Absicht etwas an den Verhältnissen der realen Welt zu verändern, das in der fiktiven Welt durch die Komik markiert ist.

Die Analyse

Analyse der verwendeten Begrifflichkeiten

Das Kriterium der Analyse

Bspw. durch Parodie spiegelt sich ein Umstand in neuem, karikierten Gewand, das vielleicht auf neues zum Umstand schließen lässt. Weiter zugespitzt erhält man die Satire, die viel eher noch Raum für kritische Beurteilung zulässt. Bis man von Ironie zu Sarkasmus, von Slapstick zu Galgenhumor und ultimativ vom bloßen Amüsement zur handfesten - teilweise geschmacklosen - Verurteilung kommt.

Der Gegenstand der Analyse

Die Winterlieder
Definierung

Formal wird mit den Winterliedern eine Gruppe von 37 metrisch-gebundenen Liedern bezeichnet, die sich durch Gemeinsamkeiten als solche auszeichnet und sich durch Eigenheiten von der Gruppe der Sommerlieder unterscheiden lässt. Bevor die Gruppe an Lieder als solche beschrieben wird, soll sie zunächst auf diese Weise definiert werden.


Eine besondere Stellung hat hierbei der obligatorische Natureingang. In dieser manchmal kürzeren manchmal längeren Einführung in das Lied adressiert der Sänger die durch Jahreszeiten veränderbare Natur, beschreibt sie, personalisiert sie und spricht sie teilweise in Form von Apostrophen an. Was thematisiert wird, ist der kommende titelgebende Winter, aber oft auch der vergangene Sommer und Frühling, vor dessen Folie um den Winter geklagt wird (Schweikle, 80). Da der Natureingang in allen Winterliedern - mit Ausnahme in WL4 - an derselben Stelle am Anfang des Liedes auftaucht, wird er auch als Gattungssignal bezeichnet (Ruh, 123). Alleine anhand dieses Kriteriums kann ein Winterlied als ein solches bestimmt und von Sommerliedern, die zumeist gut unterscheidbaren sommerlichen Natureingang, differenziert werden. Folglich ist der winterliche Natureingang sowohl notwendige als auch hinreichende Bedingung um von einem Winterlied auszugehen. Zugleich ist der winterliche Natureingang das einzige Kriterium der Winterlieder, das sie scharf von den Sommerliedern zu trennen vermag. Denn alle anderen Kriterien der Winterlieder sind auch solche der Sommerlieder. Die Unterschiede bestehen vornehmlich in der Ausprägung und Konkretisierung, der Themen, Motive und Figuren.

Es gibt nur wenige andere Gemeinsamkeiten der Winterlieder, über die die Literatur sich einig ist, dass sie die Winterlieder kennzeichnen. Gemeinsamkeiten oder andere Auffälligkeiten, die durch eine Beschreibung der Gruppe deutlich werden, sprechen oft nicht für alle Winterlieder (Ruh, 123). Kennzeichnend wäre noch die Stollenstrophe, die in den Winterliedern durchwegs vorherrscht. Zuletzt steht die gattungsspezifische Ausprägung und Konkretisierung der "dörper". Wie schon argumentiert wurde sind die "dörper" zwar kein Spezifikum der Winterlieder, dennoch sind sie in dem Maße spezifisch, als sie in spezifisch akribischer Weise ausgearbeitet wurden, eine der höfischen oppositionäre Welt ausmachen und in die Grundthematik der Winterlieder integriert wurden (Ruh, 123).

Beschreibung

Die "dörper" sind konstituierender Bestandteil der Grundkonstellation der Winterlieder, in der "(...) der Minnesänger (...) auf dem Dorf um ein Mädchen wirbt, als ob es eine adelige Dame wäre, und dabei in Konflikt mit den Bauernburschen kommt" (Hübner, 52). Diese Konstellation beschreibt ein modifiziertes Minneschema, das gerade genug auf dem klassischen Minneschema aufbaut (Ruh, 122), um es noch hinter der "dörplichen" Maske zu erkennen. Vor der Folie der "dörper"-Welt mit dem Bauernmädchen als erotisches Objekt und dem Bauern als Liedpublikum wird dieses klassische Minneschema bewusst kontrastiert. In dem modifizierten Minneschema wird "(...) das adelige Ideal der höfischen Liebe mit der bäuerlichen Dorfwelt konfrontiert (...)" (Hübner,45, 54). "Die traditionellen Muster des Minnesangs werden auf den falschen Gegenstand und den falschen gesellschaftlichen Raum bezogen."(Hübner,54)

Die Rollen der Minne in den Winterlieder sind damit schon fast bestimmt. Der Minnesänger als einsamer Wolf wirbt - minnetypisch - erfolglos um eine "vrouwe", die Teil der "dörperwelt" ist und hat die Gesellschaft, d.h. die "dörper", als Rivalen. Die "vrouwe" ist hierbei gar keine echte "vrouwe", sondern ein Bauernmädchen, das nicht auf die Werbung durch Sang, sich aber schwach bei der Werbung durch Grobianismen zeigt - diese führen auch den Sänger ausnahmsweise zu Minneerfolg/bei der Dörperdame bedeutet Handgreiflichkeiten Minneerfolg (Ruh, 120, 121). Da die Gesellschaft Rivalen, d.h. Mitbewerber um die "vrouwe" sind und die "vrouwe" wiederum häufig auf die Werbung der Rivalen, aber selten oder gar nicht auf die Werbung des Minnesängers, wird die Konfliktrelation Sänger - Gesellschaft in hohem Maße verstärkt (Ruh, 122). Das Schema ist bei Neidhart eben durch die Konkretisierung der Rivalenrolle nach dieser Rivalenmotivation hin verzerrt, sodass die Reaktion auf Misserfolg durch Konkurrenz übergewichtig wird. (Ruh, 120) Die grundlegende Thematik und Motivik der Winterlieder entspringt nun eben dieser Verzerrung hin zur Konfliktrelation.

Als Katalysator der Entstehung der Thematik und Motivik aus der Konfliktrelation ist das Szenarium bzw. Milieu und Natureingang zu vermerken. Das Szenarium bleibt äußerst reduziert beschrieben und wird nur in einigen Liedern konkretisiert. An szenischen Elementen bieten die Tanzsituation das meiste, wobei die Vorbereitung, Lokation, Tänzer und Tanzszene ausführlich beschrieben werden (Ruh, 118). Die Grundrisse des Szenariums jedoch durchgängig bekannt und stehts dieselben: Die Lieder spielen in einem druchwegs dörflichen Szenarium, das Milieu der "dörper". In ihrem Milieu ist der Sänger fremd, wogegen die "dörper" sich umso sicherer fühlen. Denn sie sind unter ihresgleichen, in vertrauten Räumen und vertrauten Gepflogenheiten und können dem Fremden mit entsprechendem Selbstbewusstsein entgegentreten. Umgekehrt fühlt sich der Fremde umso mehr als Fremder und von den Räumen und dem Personal der ihm oppositionären Welt ausgegrenzt. Wie der Natureingang signalisiert herrscht oder tritt unterdessen Winter ein, der den Sommer verdrängt. Wo in den Sommerliedern noch die weite dörfliche Welt mit ihren, Wiesen, Auen und Linden offen stand, ist der Raum in den Winterliedern wetterbedingt wesentlich eingeschränkter. Die Räume, in denen gehandelt, getanzt und gesungen wird, sind meist geschlossene und begrenzte, sodass eine Begegnung bzw. eine Konfrontation wesentlich wahrscheinlicher ist. Während der Sänger in den Sommerlieder Raum zum ausweichen hatte, ist er in den Winterlieder gezwungen früher oder später mit den ebenso eingesperrten "dörpern" auseinanderzusetzten. Die Auseinandersetzung zwischen Sänger und Gesellschaft wird somit in zweierlei Hinsicht beschleunigt: Zum einen ist der Sänger im Milieu der Rivalen und zum anderen sind die Räume im Milieu begrenzt. Neben alle dem spielt sicher auch die Gemütshaltung und Gefühle die der Winter hervorbringt und gleichsam spiegelt.

Die eigentliche Thematik der Winterlieder die hieraus hervorgeht ist dann die "Klage" des Sängers. Dies tritt zumeist in Form einer "Minneklage" - oft in Verbindung mit einer Winterklage-, das heißt auf die "vrouwe" - das Bauernmädchen - gerichtet, die den Sänger nicht erhören will, zum Teil weil sie den "dörpern" nicht abgeneigt ist; oder in Form einer "Dörperklage", das heißt auf die "dörper" und ihr Verhalten gerichtet. An stelle der letzteren gibt es auch häufig Spott-Strophen, in denen der Sänger als Spottsubjekt über die "dörper" als Spottobjekt hohen Hohn spricht und seine Dörperklage untstützt.

Mit der überwiegenden Thematisierung der "dörper" durch den Sänger inszeniert er sie und ihre Welt eigentümlicherweise umso mehr. Dies beschreibt in dem Sinne einen Teufelskreis als dem Sänger die Anwesenheit, das Aussehen und das Verhalten der "dörper" unangenehm ist und zur Klage bzw. zum Spott gerreicht und er mit dieser Klage und Spott den "dörpern" umso mehr Raum in seinen Liedern schafft, die Rivalenrolle immer deutlicher macht, ihre Welt und sie umso deutlicher, grell und bedrohlicher zeichnet. Indes handelt es sich - offensichtlich - persepektivisch größtenteils um Sängerlieder - mit Ausnahme in 8-, d.h. Lieder in denen der Sänger singt, nur selten spricht jemand anderes als der Sänger und wenn so jemand spricht, dann über den Sänger. Sprachlich Als Redehaltung bleibt er zumeist im Monolog bzw. in indirektem Bericht, wenn auch an einigen Stellen ein Gespräch durch eingefügte direkte Rede des gegenübers angedeutet wird. Im größten Teil behält der Sänger aber den Bericht, die Apostrophe und Beschreibung, obwohl dasjenige, über das er spricht oder in Abwesenheit anspricht, räumlich oder zeitlich nicht weit entfernt liegt (Ruh, 119,123).

Einige Lieder greifen ein besonderes Thema auf, bspw. Weltsüeze, Poltik oder Altersklage. Doch auch in solchen Liedern werden die dörper vom Sänger als Rivalen thematisiert.

Sonderfälle bilden die Lieder 1-10, welche auch als dörperkonforme Lieder bezeichnet werden (Schweikle, 82). In diesen Liedern zeigt sich der Sänger im Gegensatz zum Normalfall (dörperkontrovers) nicht in Konflikt mit den dörpern, wobei sie auch hier vorkommen. Dazu ist der Sänger in diesen Lieder in entweder nicht in der Minne engagiert oder , wenn er es ist, in seiner Minne erfolgreich und hat keinen Grund für Minneklage oder Dörperklage. Vielmehr versucht sich der Sänger in diesen Liedern ausnahmsweise in das dörertreiben einzureihen und in das Dorfleben einzugliedern, sodass er weniger als Fremder wirkt.

In dem sonst sehr reduzierte Szenarium der Winterlieder gibt es auch wiederkehrende Motive, Verweise und Figuren - Fixpunkte in veränderlichen offenen Form. Das bekannteste Leitmotiv der Winterlieder wird der Spiegelraub Frideruns sein und mit ihm verbunden der "dörper" Engelmar - später der ungenannte. Diese Leitmotive bauen eine Art Verständnishorizont oder ein Hintergrundnarrativ auf, das von den Lieder aufgenommen werden kann. Gerade das Hintergrundnarrativ, das selbst nie konkret oder vielleicht gar nicht existiert wird (Braun, 277,278), erlaubt es das Szenarium so zu reduzieren. Anzumerken ist, dass die Winterlieder zu der Entstehungszeit natürlich nicht alle auf ein mal vorgetragen wurden, sondern seriell oder zyklisch. Mit jedem Lied wurde so stück für stück ein Verständnishorizont aufgebaut der alle Lieder umfasste und betraf, auf den immer wieder verwiesen wurde und es erlaubte die Szenarien im einzelnen Lied zu reduzieren. So wie auch in einer heutigen Serienproduktion im Fernsehen nicht einmalig oder jede Folge aufs neue der Rahmen oder das Szenarium beschrieben wird, sondern dieses Stück für Stück Folge für Folge im Hintergrund aufgebaut wird und als zuhörer der Serie im Fortgang der Serie klar ist. Alles Szenische das tatsächliche szenisch ist bleibt episodisch (Ruh, 118,123).

die Dörperstrophen

Müsste man ein Markenzeichen der Winterlieder festhalten, so sollte das freilich die "dörper" sein. Sie sind das Novum des Neidhartsanges, Ursprung der Hauptthematik, Opposition zum Sänger, Gegentypus des idealhöfischen "ritter", Bruchpunkt der höfischen Minne, das Personal der Welt, durch die die expositionale Kollision bedingte, und Figuren der Bühne, auf der alle Handlung stattfindet. In letztere Punkten spielen die "dörper" eine noch größere Rolle als zuerst vermutet. Denn die Welt bzw. die Bühne, auf der sie spielen, wird vom Sänger nie konkretisiert. Außer einigen Strophen - dazu gehören vor allem die Natureingänge -, in denen die ländliche Szenerie oder die Straßen oder Stuben beschrieben werden, gibt es selten explizite Beschreibungen der Welt, Schauplatz oder dem Dorf - wenn auch einige irreführende Nennungen von realen Dörfern. Anlass zur Beschreibung gibt nur das Zentrum aller Szenerie, der Tanzplatz (Schweikle, 127). Da die Dörperwelt nie eindeutig beschrieben wird - reduziert, nur in zusammenhangslosen Bruchstücken oder allzu vage -, müssen die vorhandenen Beschreibungen der dörper und ihres Verhaltens ein Bild dieser Welt zeichnen. Aus den Beschreibungen und Berichten ihres Verhalten, ist es möglich die Welt zu zeichen, in denen sie Leben. Denn sie sind Exemplifikate oder Repräsentaten dieser Welt. Sie wurden als Kinder dieser Welt erzogen und haben Eigenschaften dieser Welt übernommen und prägen sie durch diese weiter nach. Die "dörper" oder doch wie sie in den Liedern begegen sind nicht nur Teil dieser oppositionären Kunstwelt, sondern effektiv ihre Erbauer. Denn sie sind die einzigen konkreten Anhaltspunkte, die wir von dieser Welt haben. Wenn man also die "dörper" beschreibt, so beschreibt man implizit auch die Welt aus der sie entspringen und die sie jetzt prägen.

Analyse der "Winterlieder" anhand der Mittel der Komik


Notizen: Motiv zur Untersuchung - Einführung - Grundlegende Vorbemerkungen und Leitfragen - Eine Hypothese - Analyse - Kriterium der Analyse: "Komik" (Vorstellung der Arten der Komik anhand von Beispielen aus den Winterliedern Übersetzung)- Gegenstand der Analyse: "Neidharts Winterlieder" - - Analyse der Winterlieder (nach den Winterliedern / unterschiedlichen Unterpunkten der "Komik") - Vergleich/Auswertung der Ergebnisse - Regelmäßigkeiten und Unregelmäßigkeiten - Ausfälligkeiten (Kollision und Bruch)- Interpretation - Regelmäßigkeiten/Auffälligkeiten (und Unregelmäßigkeiten) - Gibt es eine Richtung? - Funktionen der "Komik" in den Winterliedern (Motiv des Autors diese Komik zu verwenden - Handelt es sich nun um "Komik" oder "Satire"// Wie Standessatire hier (hohe) Minnesatire?) - Unterschiedliche Wirkung in der Rezession - Schluss: Ist die Komik ein Gattungsmerkmal der "Winterlieder" (Indiz: Die Ganze Exposition ist so komponiert, dass nicht viel außer Komik (oder Tragik) übrig bleibt / folgen kann - Oder gar nur für Komik so ausgelegt?)? Wie kann gerade das "komische Element" die Gattung für ein "Following" attraktiv machen? - Aufgreifen der Hypothese: Intention des Autors? -- Fazit (Hypothese bestätigen // Die Neidhartlieder unterscheiden sich gerade in der Intention von Verwendung der Komik in hohem Maße von den Followern und Schwankliedern // Ansprechen der Bürgerschaft (Bürgerschaft kann sogar teilweise lesen! als neue potentielle Rezipienten // Es ist für die Intension bezeichnend, dass aus dem Clash der Stände keine Tragik oder eine allein amüsierende seichte Komik hervorgeht -obwohl man das durchaus machen könnte-, sondern eine Konstruktive. Der Clash wird damit nicht zur Verschmähung der Stände herbeigeführt, sondern um eine konstruktive, einladende, freundliche Komik // Die Wahl des Humors kann durchaus als elegante Lösung bewertet werden, die Misstände darzustellen, welche häufig alles andere als schön sind. So ist nicht nur der Humor häufig in Form eines Bruches realisiert, sondern schon die Verwendung des Humors ein Bruch.)