Paläographie
Paläographie als Unterdisziplin der Handschriftenkunde
Für die Arbeit mit mittelalterlichen Texten ist die Auseinandersetzung mit Handschriften oftmals unerlässlich. Insbesondere Hoch- und Spätmittelalterliche Schriften bereiten oftmals Schwierigkeiten beim Lesen. Unter Paläographie wird die Lehre der Geschichte der Handschrift von der ausgehenden Antike bis zum Ende des Mittelalters verstanden.
Paläographie (gr. palaios - alt; graphein - schreiben) ist doe Lehre von der Entwicklung und der Form von Schriften (Boeselager, S. 11)
Ein Ziel des Paläographie ist die Datierung und Lokalisierung von Schriftstücken aller Art anhand der schriftlichen Merkmale. Schrift hat sich im Lauf der Jahrhunderte immer verändert. Der folgende Artikel soll einen Überblick über die wichtigsten Schriftarten für die Entwicklung der Deutschen Sprache geben. Beispiele aus Handschriften und Übersichtsdarstellungen der verschiedenen Alphabete geben zudem Hilfestellung für die Bestimmung und Datierung von weiteren Handschriften.
Die Wissenschaft von der Schrift ist zwangsläufig immer mit der gesprochenen Sprache verbunden. Der nachfolgende Beitrag setzt sich ausschließlich mit der germanistischen Paläographie im Zeitraum zwischen dem Ende der Antike und der Erfindung des europäischen Buchdrucks auseinander. Dementsprechend werden Lateinische und andere europäische Handschriften nur kurz angesprochen oder gänzlich ausgelassen. Auch die Einführung zur Handschriftenkunde kann nur oberflächlich erfolgen. Eine Übersicht der weiterführenden Hilfswissenschaften sei am Ende gegeben.
Grundlagen der Paläographie
Die Schrift hat sich über Jahrhunderte entwickelt. Um Schriften miteinander vergleichen und beschreiben zu können, haben sich Grundbegriffe herausgebildet.
Grundsätzlich wird zwischen Buchschriften (kalligraphisch) und Gebrauchsschriften (kursiv) unterschieden. Insbesondere im Spätmittelalter und mit zunehmendem Universitäts- und Kanzleiwesen kommt es jedoch zu vermischten Schriftarten.
Die Form der Schrift ist zudem immer vom Beschreibstoff, dem beschriebenen Material, abhängig. Während heute nahezu ausschließlich Papier verwendet wird, gab es im Mittelalter eine Vielzahl an Schreibstoffen. Bereits aus der Antike waren Papyrus und Pergament bekannt, ab dem Spätmittelalter verbreitete sich zunehmend auch Papier.
Für die Datierung und Lokalisierung von Handschriften ist auch der Entstehungsort von großer Bedeutung. Die mittelalterliche Schreibstätte nannte sich Scriptorium, der Schreiber war der Scriptor. In weiteren Schritten wurde insbesondere Prachthandschriften mit roter Farbe verziert (Rubricator) und mit Buchmalerein versehen (Illuminator). Im Lauf der Jahrhunderte veränderten sich die Standorte von Scriptorien. Die klösterlichen Schreibstuben wichen zunehmend höfischen und universitären Scriptorien. Dies führte nicht nur zur Veränderung der Inhalte, sondern sorgte auch für die Weiterentwicklung der Schriftarten.
Wichtige Begriffe für den Umgang mit Handschriften
Codex | ||
Rotulus | Beispiel | |
Foliierung | Beispiel | |
Blattzählung | Beispiel | |
Seitenzählung | Beispiel | |
Linierung | Beispiel | |
Recto | Beispiel | |
Verso | Beispiel | |
Spaltenzählung | Beispiel | |
Recto | Beispiel |
Handschriften von der römischen Antike bis zum europäischen Buchdruck
Lateinische Schriften als Ausgangslage
Insulare Schriften
Die Insularen Schriften entwickeln sich ab dem XXX. Jahrhundert auf den irischen und britischen Inseln heraus. Mit der Verbreitung des Christentums gelangen Handschriften vom europäischen Kontinent nach Irland. Während der zahlreichen Abschriften entwickelt sich eine eigene insulare Schrift heraus. Durch irische Wandermönche werden die insularen Schriften auch auf den Kontinent zurück gebracht. Gerade in Zentren des frühen monastischen Lebens wie St. Gallen, die auf die Mission irischer Mönche zurückgehen, sind noch lange insulare Einflüsse in den Schreibschulen zu erkennen.
Zentrales Merkmal insularer Schriften sind die Rundbögen und das markante W.
Frühmittelalterliche Schriften
Auf dem europäischen Festland bilden sich nach dem Zerfall des Weströmischen Reichs eine Vielzahl von Handschriften aus. Die meisten Schriftarten bleiben lokal begrenzt. Erst mit der Karolingischen Minuskel entwickelt sich ein Schrifttypus heraus, der über einen langen Zeitraum auf nahezu dem ganzen Kontinent Verwendung findet.
Halbkursive
Westgotische Schrift
Merowingische Schrift
Beneventana
Vorkarolingische Minuskel
Karolingische Minuskel
Gotische Schriften
Die Ablösung der Karolingischen Minuskel durch die Gotische Schrift vollzog sich um die Wende zum 12. Jahrhundert (Boeselager, 36). Die Gotische Schrift darf keinesfalls mit dem germanischen Stamm der Goten verwechselt werden. (Einschub: warum dann gotische Schrift?) Vielmehr zeigen sich Formen der Architektonik auch in der Schrift. Das auffälligste Kennzeichen der gotischen Schrift ist die zunächst einfache, später dann doppelte Brechung der Buchstaben und die zahlreiche Verwendung von Abbreviaturen.
Frühgotische Minuskel
Perlschrift
Textualis
Die Textualis diente als Vorbild für Gutenbergs Drucktypen (Boeselager, 37)
formata
quadrata
kursiva
Rotunda
Bastarda
Etwa zeitgleich mit der Textura/Textualis entstand die Bastarda. Mit der Bastardaschrift setzte schlussendlich die Individualisierung der Handschrift ein, da sie dem Schreiber erstmals in großem Rahmen erlaubte, die Schrift nach seinen eigeen Vorlieben individuell zu formen.
Fraktur und der Übergang zu den Druckschriften
In der Fraktur zeigt sich bereits eine spätmittelalterliche Weiterentwicklung der gotischen Schrift. Da die Frakturschrift sich als Handschrift als unkomfortabel und zeitintensiv erwies, wird sie zumeist als Druck-/Buchschrift gewertet. Während die Verwendung als Buchschrift nur von kurzer Dauer war, fand die Fraktur als Druckschrift bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts in Deutschland Verwendung.