Mittelalterliche Auftragsliteratur

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Mittelalterliche Literatur war im Allgemeinen Auftragskunst, deren jeweilige Verfasser von ihren Auftraggebern für ihr Schreiben entlohnt wurden. Ein Verfasser war in der Regel von seinem Auftraggeber (auch Mäzen genannt), der zumeist ein Adliger oder Herrscher war, finanziell abhängig. Aufgrund dieser Abhängigkeit (Heteronomie) liegt nahe, dass dieser Zeit entstammende literarische Werke überwiegend nicht aus freier Motivation der Künstler entstanden, sondern zu einem jeweiligen, vom Auftraggeber beabsichtigten, bestimmten Zweck.


Der Begriff "Mittelalter" lässt sich unterspezifizieren in

- das Frühe Mittelalter: Zunächst wurde nur geistliche Literatur in Klöstern und Kirchen produziert.

- das Hohe Mittelalter (1170 - Ende 13.Jh.): Auch in Fürstenhöfen wurde begonnen Literatur zu fabrizieren. Sie bestimmten überwiegend die weltliche Literatur.(Als erster höfischer Roman wird oft der Eneasroman Heinrichs von Veldeke bezeichnet, der um 1170/1184 mit Unterbrechung entstand.)

- und das Späte Mittelalter: Neben Klöstern/Kirchen und Fürstenhöfen kamen die Städte als neue literarische Zentren hinzu.


Die ursprüngliche Dichtkunst war nicht für die Einzellektüre bestimmt, sondern für die Aufführung, die "Vokalität" (Mündlichkeit). Sie diente häufig - nach französischem Vorbild des kulturellen Selbstverständnisses - der mittelalterlichen Selbstdarstellung auf Hoffesten. Ein Extrem der Auftragsdichtkunst stellt die Panegyrik (Herrscherlob) dar, da sich hiermit der Auftraggeber selbst - auf Aufforderung oder aus eigener Initiative des Künstlers (um um die Gunst des Auftraggebers zu erlangen) - über alle Maßen ehren lies.

Ebenso wurde das höfische Leben und seine Festkultur selbst in einer literarischen Darstellung festgehalten, die jedoch in der Regel nicht der Realität, sondern einer Utopie der Gewaltlosigkeit und Idealisierung (hôchzît, hôher muot, vreude) entsprach und vor allem der möglichst positiven Repräsentation eines Fürstenhofes dienen sollte.

Nicht immer wurde eine Abmachung von dem jeweiligen Auftraggeber erfüllt, wie sich an dem Beispiel Walthers von der Vogelweide feststellen lässt. Darin beschreibt der Dichter den Verstoß des Auftraggebers gegen die Abmachung, indem er ihn darin für seinen überfälligen Lohn anklagt.


Walther von der Vogelweide, 2. Spruch im König-Friedrich-Ton (L.26):


Ich hân hêrn Otten triuwe, er wélle mich noch rîchen, wie genám aber ér mîn dienest ie sô trügelîchen? ald waz bestêt ze lônennè des künic Friderîchen? mîn forderunge ist ûf in kleiner danne ein bône, ez sî sô vil ob er der alten sprüche wære frô. ein vater lêrte wîlent sînen sun alsô: 'sun, diene manne bœstem daz dir manne beste lône'. hêr Otte, ich binz der sun, ir sît der bœste man, wand ich sô rechte bœsen hêrren nie gewan. hêr künic, ir sît der beste, sît iuch got des lônes gan.


Übersetzung:

Ich habe Ottos Wort, er woll mich reich beschenken, Doch mocht er trügerisch nur meines Dienstes denken! Darf ich bei Friedrich nun auf Lohn die Hoffnung lenken? Zu fordern hätt ich wohl von ihm nicht eine Bohne: Es sei denn, daß mein Sang nachträglich noch ihn freue. So sprach ein Vater einst belehrend zu dem Sohne: Dem ärgsten Manne dien, daß dir der beste lohne! Otto, ich bin der Sohn, ihr seid der ärgste Mann, Nie traf ich ärgern noch, das sag ich stets aufs neue: Der König sei der beste, nun er das Reich gewann!


Erst im Laufe des 18.Jahrhunderts gewann die Idee der Autonomie (Gegensatz zu Heteronomie) der Dichtkunst - und somit auch die Autonomie des Künstlers - an Bedeutung. Diese prägte fortan die Auffassung des Künstlertums bis hin zur Moderne.



Alterität und Auftragsliteratur:

Zu den Aspekten der Ebenen von Alterität zählt die soziale Alterität, welche im Vergleich der höfischen Literaturauffassung im Mittelalter zu der heutigen entsteht. Im Auftrag Adliger verfasste Literatur steht im starken Gegensatz zu weitestgehend uneingeschränkter Autonomie des Künstlers in der heutigen Zeit.